Birgit Heimbach: Bisher waren in der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Geburtshilfe und Gynäkologie (DGPFG) nur wenige Hebammen Mitglied. Um das zu ändern, hatten Sie beispielsweise am 7. September 2013 auf der Dermatologischen Fachtagung „Wissenschaft und Praxis im Dialog: Psychosomatik rund um Geburt und Wochenbett” Hebammen als mitgestaltende Mitglieder eingeladen. Ist ihre Zahl nun angestiegen?
Dr. Wolf Lütje: Der Zulauf ist noch etwas spärlich, mit der sich abzeichnenden stärkeren Kooperation der Fachverbände wird sich das ändern. 2016 planen wir in Hamburg unsere Jahrestagung zum Thema Elternschaft. Da werden die Hebammen ein großes Wort mitreden.
Sollten Hebammen die Ausrichtung der geburtshilflichen Psychosomatik stärker definieren?
Gerade für mich als begeisterten Geburtshelfer sind Hebammen ganz wichtige Kooperationspartnerinnen in der Psychosomatik. Leider haben wir uns um diese Gruppe bisher zu wenig gekümmert. Vorbild ist für mich die österreichische Schwestergesellschaft. Dort sind fast 50 Prozent der Mitglieder Hebammen. Auch andere Länder wie England und Schweden sind hier viel besser vernetzt. Mein Ziel ist es, Hebammen für unsere Ausbildungskonzepte und als Netzwerkpartnerinnen und Mitglieder zu gewinnen. In Magdeburg hatten wir kürzlich eine erfolgreiche Weiterbildung für Hebammen. Das soll Schule machen. Zudem lehrt eines unserer Vorstandsmitglieder an der Hebammenhochschule in Bochum. Über unsere Vortragstätigkeit versuchen wir zudem für unsere Gesellschaft zu werben. Langfristig macht es auch Sinn, Hebammen nicht nur im Beirat zu haben, sondern auch im Vorstand. Ich meine, dass diese neue Weichenstellung Früchte tragen wird.
Sie erzählten auch von einem Gespräch mit dem Deutschen Hebammenverband (DHV). Was ist dabei herausgekommen?
Wir hatten im November ein viel versprechendes Treffen mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und der Spitze des DHV. Wir möchten gern untereinander eine Kooperationsvereinbarung treffen und uns gemeinsam bemühen um die Reduktion der Kaiserschnitt-rate und die Neuregulierung des Themas „Haftpflicht”. Zur Brisanz der sogenannten „Kaisergeburt”, die viele kurioserweise für eine Art natürliche Geburt halten, planen wir eine gemeinsame Presseerklärung. Auch für die darbende psychosomatische Forschung sehen wir eine gemeinsame Plattform. Geplant sind weitere Treffen nach diesem Auftakt.
Von den Hebammen Cordula Ahrendt, Silke Herrfurth und der Frauenärztin PD Dr. Martina Rauchfuß, Ihrer Vorgängerin bei der DGPFG, gibt es bereits eine psychosomatische Fortbildung für Hebammen beim DHV. Ihnen schwebt auch eine solche Fortbildung mit dem DHV vor. Wie sehen Ihre Pläne aus?
Ich hoffe, dass unsere Weiterbildungsangebote auch immer mehr von Hebammen angenommen werden. Die GynäkologInnen sind ja fachärztlich verpflichtet, 80 Stunden psychosomatische Grundversorgung zu absolvieren. Ich würde es begrüßen, wenn das auch für Hebammen während ihrer Ausbildung gelten würde. Unsere Gesellschaft bietet flächendeckend Kurse an. Vielleicht könnten wir das Netz für die Hebammen auch in Kooperation mit den Hebammenschulen erweitern.
Gibt es im Amalie Sieveking Krankenhaus, in dem Sie tätig sind, spezielle Fortbildungen für Hebammen? Wie regeln Sie es, dass die Frauen in Ihrer Abteilung auch von Hebammen psychosomatisch rundum betreut werden?
In unserem Krankenhaus leben wir integrierte Psychosomatik und lernen am Fall. Natürlich gibt es auch interne Fortbildungen mit psychosomatischem Fokus. Kommunikationsschulung und -analyse ist ein Alltagsgeschäft. Und interessante Kasuistiken aus meiner Sprechstunde bespreche ich gerne in der Runde.
Welche Pläne verfolgen Sie in der DGPFG? Wird es eine andere Marschrichtung unter Ihrem Vorsitz geben?
Nein, große Änderungen sind nicht geplant, lediglich eine Akzentverschiebung. Wir haben gerade die Aufgaben im Vorstand neu definiert und werden nach den Neuwahlen 2014 einen neuen aktiven Beirat ernennen. Es wird eine Gratwanderung zwischen Öffnung, Vernetzung und Abgrenzung geben. Die Psychosomatik droht derzeit von der Psychiatrie vereinnahmt zu werden. Dagegen wehren wir uns. Gerade unsere biopsychosoziale Mehräugigkeit prädestiniert uns zur ganzheitlichen Behandlung im Fach. Die DGPFG bildet zudem in fachgebundener Psychotherapie aus. Die Kurse laufen gut und verbessern die Versorgung mit GynäkologInnen mit Zusatztitel. Auch diesbezüglich könnte man die Hebammenweiterbildung ausbauen. Einige Hebammen sind auch Psychologinnen. Vielleicht können wir alternativ eine anerkannte psychotherapeutische Weiterbildung für Hebammen schaffen.
Ein weiterer Fokus wird es sein, der Psychosomatik noch mehr (Fach-)Öffentlichkeit zu verschaffen. Es soll zukünftig keinen gynäkologisch-geburtshilflichen Fachkongress ohne psychosomatisches Thema mehr geben. Und zu fast allem im Fach, aber auch zu vielen ethischen und politischen Themen, kann die Psychosomatik einen Beitrag leisten. Das müssen wir ausbauen und nutzen. Nicht zuletzt sind wir als DGPFG eine Wissenschaftsgesellschaft. Wir versuchen gerade ein Wissenschaftsjournal mit unseren Themen auf den Weg zu bringen und damit der psychosomatischen Forschung Impulse zu geben. Nicht zuletzt sind wir international die größte psychosomatische Fachgesellschaft. In der International Society of Psychosomatic Obstetrics and Gynaecology (ISPOG) haben wir eine wichtige Stimme. Der Weltkongress fand 2013 in Berlin statt und war ein viel beachteter Erfolg.
Wann sind Ihre nächsten Tagungen geplant?
2014 findet unsere Jahrestagung in Bochum statt. 2015 gibt es dann wieder eine Dreiländertagung in München und 2016 steht in Hamburg die Thematik Schwangerschaft im Fokus, eine Tagung, die ich gemeinsam mit Hebammen organisieren möchte.
Vielen Dank!