Das Frühjahrssymposium der Uniklinik in Hamburg-Eppendorf zeugt alle zwei Jahre vom unermüdlichen Einsatz der Neonatolog:innen.

Foto: © Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)

Das Symposium für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin am 1. März präsentierte einen Tag voller spannender Vorträge. Zum Spektrum gehörten die perinatale Asphyxie, frühkindlicher Schlaganfall und Trauerbegleitung in der Neonatologie. Deutlich wurden wesentliche Entwicklungen der Pädiatrie in den letzten Dekaden.

Mit einem schwierigen Thema begann das eintägige Frühjahrssymposium am 1. März im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE): die Neuroprotektion nach perinataler Asphyxie. Prof. Dr. Hemmen Sabir, Oberarzt an der Klinik für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin am Uniklinikum Bonn, erläuterte den rund 70 Teilnehmenden die Möglichkeiten, das Gehirn eines Neugeborenen vor größerem Schaden zu bewahren, wenn es unter der Geburt einen Sauerstoffmangel erlitten hat und es zu einer Hypoxisch-Ischämischen Enzephalopathie (HIE) gekommen ist.

Prof. Dr. Hemmen Sabir, Oberarzt an der Klinik für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin am Uniklinikum Bonn, erläutert die Möglichkeiten der Neuro­protektion nach perinataler Asphyxie.

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Die einzig etablierte Therapie sei derzeit die Hypothermie. Die Kinder werden dabei für 72 Stunden auf 33–34 °C Körpertemperatur heruntergekühlt. Dadurch lasse sich ein schlechtes Outcome um 15 % reduzieren, aber es profitierten nur 30–40 % der Kinder davon, so Sabir. Die Methode berge zudem Risiken. Sie solle nicht zu großzügig eingesetzt werden und sei auch nur selten nötig. In seinen rund fünf Jahren in Bonn hätten dort nur vier Hypothermie-Anwendungen stattgefunden. Für Kinder, die nach der Geburt nur leicht deprimiert sind, sei es wegen der hohen körperlichen Belastung und unangenehmen Nebenwirkungen auf keinen Fall eine Option. Und Kinder, die vor der 36. Schwangerschaftswoche geboren werden, sollte man ebenfalls auf keinen Fall kühlen, denn das Risiko, dass sie dadurch versterben, sei sehr hoch.

Effekte der Kühlung

Das Kühlen reduziere – im Idealfall – oxidativen Stress, zerebralen Metabolismus, Apoptose, Inflammation, Dysfunktion der Mitochondrien und Glutamatausschüttung, erklärte der Neonatologe. Versuche, die einzelnen Effekte durch Substanzen zu verbessern, hätten sich bisher nicht bewährt. Sabir berichtete von allenfalls kleinen Erfolgen durch Erythropetin in einigen Studien. In der experimentellen Neonatologie forscht er selbst derzeit an Koffein. Aber bisher gebe es keinen Anlass für eine additive Therapie neben dem Kühlen.

2010 wurde in Deutschland ein Hypothermieregister gegründet, das wegen geringer Beteiligung wieder beendet wurde. Sabir hat es aber wieder eingeführt und leitet es nun auch, damit alle von den Erfahrungen der anderen lernen können (siehe Links). Auch könne man sich dort rund um die Uhr Feedback im Falle einer fraglichen Hypothermie einholen und es gebe alle zwei bis drei Monate ein Treffen zum Austausch.

Prof. Dr. Wolfgang Göpel, Leitender Neo­natologe des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, moderiert die Diskussion.

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In der folgenden Diskussion, moderiert vom leitenden Neonatologen des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein Prof. Dr. Wolfgang Göpel, gab es noch einige interessante Erkenntnisse: In Afrika, wo die neonatale Morbidität viel höher sei und eine Hypothermie viel öfter sinnvoll erscheine, sind die Daten für diese Art von Therapie, laut Sabir, jedoch gar nicht vielversprechend – vermutlich weil eine Hypothermie nur bei einer HIE nach perinataler Asphyxie tatsächlich helfe. In Afrika kämen jedoch noch andere Ursachen hinzu wie etwa Streptokokken-B-Infektionen, die eine HIE vortäuschen können.

Sabir erwähnte noch eine Studie der Universität in Bristol, in der die Kinder während der Kühlung so eingepackt sind, dass die Eltern sie auf den Arm nehmen können. Zudem verwies er auf weniger invasive Methoden, die neuroprotektiv wirken könnten: etwa die Musikmedizin, bei der den Säuglingen bestimmte Musik und die Stimme der Eltern vorgespielt werden. In dem Zusammenhang erwähnte er die Newborn Brain Society, einen Zusammenschluss von Wissenschaftler:innen, Mediziner:innen, Pflegekräften und Eltern, die verschiedene Lehrmodule anbiete und auch schon zu Musikmedizin publiziert hat (siehe Links).

Die Kinderärztin und IBCLC Dr. Julia Heiter und die Fachkinderkrankenpflegerin und IBCLC Judith Karger-Seider arbeiten in der Neonatologie des UKE. Sie stellten ihre Errungenschaften in der neonatalen Ernährung vor, seit sie 2017 eine Frauenmilchbank an ihrem Haus etabliert haben. Zu den Erfolgen dieser 19. Frauenmilchbank in Deutschland gehöre beispielsweise die Reduktion von Antibiotika um 12 %. Sie zitierten den Leiter ihrer Abteilung Prof. Dominique Singer: Die Vorhaltung von Humanmilch sei heute nicht nur »Nice to have«, sondern »State of the art«. Ein weites Spektrum sei beim Abpumpen und bei der Gabe zu beachten. So schauten sie auf dasselbe Geschlecht des Kindes und denselben Zeitpunkt des Abpumpens im zirkadianen Rhythmus (siehe auch DHZ 3/2025, Seite 86ff.).

Die Fachkinderkrankenpflegerin und IBCLC Judith Karger-Seider berichtet von den Erfolgen der Frauenmilchbank in der Neonatologie des UKE.

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Weitere Maximaltherapien

Ebenfalls in der Neonatologie des UKE sind die Oberärztin Dr. Sofia Apostolidou und der Fachkinderkrankenpfleger Cord Behne tätig. Sie sprachen über den Einsatz der maschinellen Herz-Kreislaufunterstützung (Extracorporeal Life Support/ ECLS), ein Bridgingverfahren, das auch bei Neugeborenen zum Einsatz kommt. Dabei sei eine Methode die Extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO). Mitunter komme es auch vor, dass die ECMO in die palliative Therapie überleitet. Täglich müsse der Einsatz in einer kontinuierlichen Reevaluierung überlegt werden.

Die Erfahrung besage: Je länger ein Kind an der ECMO sei, desto geringer würden die Überlebensaussichten. Eine Dauer von 21 Tagen sei ein heimlicher Cut-Off, auch wenn man die Verläufe schwer verallgemeinern könne. Der Einsatz müsse in einer speziellen ECMO-Visite genau überdacht werden, wobei auch der mögliche Wille des Kindes zu berücksichtigen sei, der manchmal ein anderer sein könne als der der Eltern. Auch Ethikberater:innen würden mit einbezogen. Erstaunlicherweise gelte man ab sechs durchgeführten ECMOs pro Jahr bereits als Experte, so Apostolidou. Gut sei es jedenfalls, im konkreten Fall mit Hilfe von Telemedizin an ein erfahrenes Zentrum zu verweisen.

Der Oberarzt PD Dr. Philipp Deindl, ebenfalls Neonatologe im UKE, erläuterte, wie man bei Säuglingen allmählich die Gabe von Continuous Positive Airway Pressure (CPAP) reduzieren könne. Er fasste kurz das Basiswissen zusammen: Die Methode helfe den Kindern, indem durch den leichten Überdruck die Atemwege »geschient« werden. Das dabei vergrößerte Lungenvolumen erleichtere unter anderem die Atemarbeit. Er stellte ein Protokoll für die Entwöhnung von dieser invasiven Therapie vor. So müsse man sich nicht auf eine individuelle Einschätzung verlassen, die abhängig sei von den jeweils zuständigen Ärzt:innen und Pflegekräften. Das Protokoll helfe nachweislich, Zeit am CPAP zu reduzieren und damit auch die Krankenhausverweildauer.

Über Prozedurale Analgosedierung beispielsweise mit Propofol sprach die Oberärztin der Anästhesie Dr. Katharina Röher. Die Methode, bei der es extrem selten zu schweren Komplikationen komme, stehe zwischen einer Vollnarkose, bei der die Atmung von den Patient:innen nicht mehr selbst kontrolliert werden kann, und einer Anxioloyse wie etwa mit Lachgas, bei der die Atmung selbst gesteuert wird. Man könne zurückgreifen auf das Pediatric Sedation Research Consortium (PSRC) mit Erfahrungswerten zu fast 50.000 Kindern. Eine S2k-Leitlinie sei in Arbeit.

Schlaganfälle bei Kindern

Der Neuropädiater Dr. Daniel Tibussek vom Kinderfachzentrum an der Sieg, Sankt Augustin, ist Spezialist für Schlaganfälle (Stroke) im Kindesalter. Seine große Expertise stammt zum Teil aus seiner Zeit an einem Schlaganfallzentrum in Toronto. Für Neugeborene gebe es ein gewisses Risiko für einen Perinatal Stroke, weil Thromben aus der Plazenta in das kindliche Gefäßsystem eingeschleust werden könnten. Eine Form sei ein Arterial Presumed Perinatal Ischemic Stroke. Typisch seien dann fokale Krampfanfälle: selektive neurologische Ausfälle durch kleinere Läsionen des Zentralen Nervensystems. Die Prognose sei aber recht gut, über 90 % der Kinder hätten keine Hemiparese und könnten später im Leben normal laufen. Probleme beim Sprechen gebe es so gut wie nie.

Auch in den ersten vier bis fünf Lebensjahren hätten Kinder ein leicht erhöhtes Risiko für einen Schlaganfall. Ein typisches Symptom sei beispielsweise, wenn sie eine Körperseite plötzlich nicht mehr normal einsetzen könnten. Noch immer werde ein solches Ereignis zu spät diagnostiziert – es gebe ein mangelndes Bewusstsein, weil ein Schlaganfall ein relativ seltenes Ereignis sei.

Tibussek betonte: »Time is Brain!« Daher sei eine schnelle Diagnose wichtig, es müsse so früh wie möglich therapiert werden, beispielsweise durch Lyse oder interventionelle (kathetergestützte) Entfernung des Thrombus (Thrombektomie), die aber ganz genau überlegt werden müsse, da der Eingriff oft sehr riskant sei und mitunter noch mehr Schaden anrichten könne. Für eine korrekte Diagnose müsse unbedingt ein MRT durchgeführt werden, ein CT sei zu ungenau.

Wichtig sei es auch, bei betroffenen Kindern so schnell wie möglich mit der Frühförderung zu beginnen. Als Beispiele nannte er die Physiotherapie nach Vojta und Virtual-Reality-Therapie. Ein Wiederholungsrisiko gebe es nicht – aber auch keine protektiven Möglichkeiten. Nicht auszuschließen sei ein gewisses Risiko für Epilepsien. Für ein Grundlagenwissen empfahl er das 2018 erschienene Pediatric Stroke Manual (erschienen im Kohlhammer Verlag).

Palliative Neonatologie

Kerstin von der Hude arbeitet als Trauerbegleiterin im Palliativteam der Neonatologie an der Charité in Berlin und blickt auf 30 Jahre Trauerberatung zurück. Sie erläuterte die verschiedenen Trauerzeiten (Gezeiten der Trauer) anhand des Phasenmodells der Trauerforscherin und Psychologin Dr. Ruthmarijke Smeding:

  • Schleusenzeit (Beginn der Trauerzeit)
  • Januszeit (das Alltagsraster wiederherstellen)
  • Labyrinthzeit (sich auf den neuen Weg begeben)
  • Regenbogenzeit (Abschluss der Trauerarbeit).

Besonders auf die Schleusenzeit ging von der Hude ein: die Zeit zwischen dem Tod oder bald zu erwartenden Tod und der Beerdigung. Während alle anderen Trauerzeiten sich wiederholen könnten, sei diese Schleusenzeit einmalig und müsse besonders gut gestaltet werden. Als Schleusenwärter:innen müsse man den Eltern alles ermöglichen, um sich gut und ausgiebig von ihrem Kind verabschieden zu können. Dazu sollten auch Angehörige eingeladen werden, da sie sonst bei einem perinatalen Todesfall das Kind nie als präsent erlebt hätten.

Kerstin von der Hude arbeitet als Trauer­begleiterin im Palliativteam der Neonatologie an der Charité in Berlin und betont, dass man aktiv auf die Eltern zugehen und sie zu Gesprächen einladen solle.

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Es sei wichtig, aktiv auf die Eltern zuzugehen und sie zu Gesprächen einzuladen. Es müsse ein Raum eröffnet werden, in dem trotz der begrenzten Elternzeit Bindung möglich sei. Erinnerungen müssten generiert werden: Für manche dienten Erinnerungsstücke als Beweis, dass das Kind überhaupt existiert hat. Wenn ein Kind in den ersten sechs Wochen versterbe, sei zu bedenken, dass eine Co-Mutter später nicht offiziell als Mutter eingetragen werden könne, da eine Adoption erst ab einem Alter von sechs Wochen möglich sei.

Wie viel sich an den Kliniken getan hat, wenn Geburt und Tod zusammenfallen, zeigte das Team des UKE eindrücklich: Die Ärztinnen PD Dr. Evelyn Huhn und Dr. Annika Bronsema sprachen darüber, wie sie einer Frau eine palliative Geburt ermöglichen können – neben den Optionen Schwangerschaftsabbruch und postnatale intensivmedizinische Maximalbetreuung. Dafür wurden ein eigenes pränatales Palliativkonsil und mehrere Gesprächsmöglichkeiten für die Eltern eingeführt. In den letzten zwei Jahren hätten sie im Team palliative Geburten betreut, bei denen 74 % der Kinder lebend zur Welt kamen, von denen bereits in den ersten 24 Stunden 86 % verstorben seien.

Erfolge eines Ärztlichen Leiters

Den schwierigsten Beitrag des Tages übernahm Prof. Dr. Dominique Singer selbst. Er sprach über das Dilemma ethischer Entscheidungen, beispielsweise bei einem späten Schwangerschaftsabbruch. Berührend war ein Fallbeispiel, bei dem sich die Perinatale Ethikkommission, deren Vorsitz er seit vielen Jahren innehatte, gegen den elterlichen Wunsch auf Abbruch aussprach. Die Eltern bedankten sich dafür am Ende sehr, denn sie hatten in den 1,5 Jahren mit einem Kind, das geistig schwer behindert war, viel Glück in der Familie erfahren können.

Der Leiter der Neonatologie am UKE, Prof. Dr. Dominique Singer, spricht über das Dilemma ethischer Entscheidungen.

Foto: © Birgit Heimbach

Singer ging Ende März in den Ruhestand. Er hatte 2007 im Alter von 48 Jahren die Aufgabe als Sektionsleiter am UKE übernommen. Sein Ziel war, dass Mutter und Kind nicht unnötig mit Maximalmedizin in Berührung kommen, im Bedarfsfall jedoch größtmögliche Versorgungssicherheit genießen. Die Unterstützung einer tragfähigen Eltern-Kind-Bindung gehörte bei ihm auch bei den Kleinsten unabdingbar dazu. Viele der neueingeführten Regelungen waren Ehrensache für ihn, etwa die Einführung der Frauenmilchbank. Auch das zweijährliche Eppendorfer Frühjahrssymposium etablierte er. Er wird eine große Lücke hinterlassen. Allerdings wird er sich weiterhin im dualen, hochschulübergreifenden Hebammenstudiengang in Hamburg engagieren, an dessen Aufbau er in den vergangenen Jahren aktiv beteiligt war. Neuer leitender Neonatologe am UKE wird Prof. Irwin Reiss, derzeit Leiter der Neonatologie am Erasmus Medical Center in Rotterdam.

Zitiervorlage
Heimbach, B. (2025). 7. Eppendorfer Frühjahrssymposium: Erfolge der Neonatologie. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 77 (5), 102–105.
Links
Deutsches Hypothermieregister:

www.hypothermieregister.de

Newborn Brain Society: www.newbornbrainsociety.org

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