Die Helfenden suchen mit der Frau zusammen, wie sie ein Gefühl von Sicherheit und Vertrauen finden kann – ein Gefühl der Handlungsfähigkeit. Foto: © Kerstin Pukall
Die Geburt eines Kindes ist für mich das ergreifendste Erlebnis überhaupt. Es ist immer wieder ein Wunder, wie ein Menschlein aus der nassen Wärme und dunklen Geborgenheit des Mutterbauches durch die Enge der Vagina heraustritt und in der trockenen Kälte und dem Licht der Außenwelt erscheint. Ein fundamentaler Übergang von der stimmigen symbiotischen Verbundenheit im Fruchtwasser in eine vollständig unbekannte und ungewisse Welt – ins eigenständige Leben. Und trotzdem weiß das Kind sofort, wie Atmen geht, wie es schreien kann. Es muss eine neue stimmige Verbundenheit (Kohärenz) in zwischenmenschlichen Beziehungen und in der neuen Umgebung finden. Ebenso ist es bei der Mutter: Schon bei der ersten Geburt weiß sie eigentlich, was sie zu tun hat – wenn nicht Angst den Zugang zu ihrem instinktiven Körperwissen blockiert. Die Wehen überrollen sie ab einem bestimmten Punkt. Die Eigendynamik der Geburt schreitet voran. Die neunmonatige kohärente Entwicklung des Kindes im Bauch findet ein abruptes, schmerzhaftes Ende. Und plötzlich ist da ein neues kleines Gegenüber, das anzufassen ist und gleichzeitig auch irgendwie unfassbar. Die grundsätzliche Unvorhersehbarkeit und Unsicherheit des Beginns eines neuen Lebens fordert von den Beteiligten Urvertrauen und Mut. Wie können GeburtshelferInnen die werdenden Mütter darin mit salutogener Kommunikation stärken und damit einen natürlichen Geburtsvorgang fördern? (Petzold 2013b, c)
Auch wenn es von außen so aussieht, dass die Gebärende und gegebenenfalls GeburtshelferInnen die Geburt vollbringen, so mag es sich für das Kind ganz anders anfühlen: als ein erstes Erfolgserlebnis eigener Anstrengung aus der Enge der Gebärmutter herauszukommen. Bei der Geburt arbeiten optimalerweise die Gebärende und das Kind gut zusammen, schon mit dem Geburtsbeginn, dann bei Lageveränderungen, Anspannung und Entspannung. Die Hebamme sollte dabei als dritte Kooperationspartnerin mehrere Rollen und Aufgaben übernehmen:
Mit „moderieren und supervidieren” ist zum einen gemeint, dass die Hebamme der Mutter die Signale des Kindes mitteilt, wie etwa Herztöne oder Lage. Wenn es angezeigt ist, gibt sie ihr daraus Empfehlungen für das Verhalten. Supervidieren tut sie, indem sie immer wieder auf das Annäherungsziel der Geburt hinweist und Vertrauen in den Prozess herstellt, zum Beispiel wenn die Mutter Angst bekommt oder die Kooperation wegen Schmerzen, Erschöpfung oder Ähnlichem aufkündigen will.
Michael Tomasello hat in der Grundlagenforschung zur Kooperation bei Säuglingen ab dem zwölften Monat beobachtet, dass diese mit der Absicht des Erwachsenen in Resonanz gegangen sind – dass sie dessen „Intentionalität teilen” (Tomasello 2010). Das Experiment verlief so: Der Säugling sitzt spielend auf dem Boden eines Zimmers, in dem eine erwachsene Bezugsperson einen Aktenordner hinter einen Schrank stellt und dann den Raum verlässt. Als die Person wieder in den Raum kommt, sucht sie den Ordner. Das Kind zeigt hinter den Schrank. Der Säugling kooperiert aus einem inneren Bedürfnis heraus und ist in der Lage dazu, ohne es gelernt zu haben. Das Teilen der Intentionalität ist die motivationale Grundlage für diese freiwillige und helfende Kooperation. Kooperation gibt es auch bei Tieren. Der Unterschied zur menschlichen Kooperation liegt in der Zeigegeste des Säuglings und dass er um etwas kooperiert, zu dem er selbst keinen Bezug hat – um etwas Drittes. Das ist die Grundlage auch für die helfenden Berufe. Das Gemeinsame an allen Formen der Kooperation ist, dass eine geteilte Intentionalität die Handlungen steuert – ob bewusst abgesprochen oder jenseits des gewollten Verhaltens. So können wir auch von einer Kooperation von Zellen sprechen, zum Beispiel bei der Wundheilung. Sie kooperieren zum gemeinsamen Zweck: dem attraktiven Ziel der Heilung (Bauer 2008; Petzold 2012b, 2013b; Scott 2013).
Dieses attraktive Ziel von „Heilung” oder „ein möglichst gesundes Kind zur Welt bringen” nenne ich „Attraktor”. Attraktor ist ein Begriff aus der Chaosforschung, die untersucht, wie aus Chaos Ordnung entsteht (Peitgen et al. 1994). Attraktoren führen dazu, dass sich aus chaotischen Vorgängen Ordnung entwickelt. Sie sind sozusagen der Sog der Zukunft, die Ziele der gesunden Selbstregulation, wie beispielsweise physiologische Soll-Werte, Bedürfnisse, bewusste Absichten und Lebensziele (Petzold 2000, 2011).
Der Übergang bei der Geburt hat als Attraktor das Leben des Kindes in der äußeren Welt. Dieser Attraktor findet sich wieder in der gemeinsamen Intentionalität der an der Geburt Beteiligten. Mit der „Intentionalität”, verstanden als die Gerichtetheit oder Bezogenheit von Intentionen, sind Motivation und Ziele verknüpft.
Es entsteht eine kooperative Verbundenheit zur Annäherung an den Attraktor, die treffend als „intentionaler Resonanzraum” zu verstehen ist (Petzold 2013a, 2015). Dabei folgen die genauen Bewegungen der Kooperierenden und die physiologischen Veränderungen der geteilten Intentionalität. Die subjektiv erlebte Intentionalität entspricht der individuellen Resonanz auf den Attraktor. Das hochkomplexe dialogische Zusammenspiel der einzelnen Vorgänge ist nicht mehr explizit rational steuerbar. Die implizite Kooperation von Mutter und Kind und der einzelnen Organe ist schneller und fehlerfreier als die explizite (Gigerenzer 2007; Grawe 2004). Zum Beispiel: Drei Kinder kooperieren mit dem gemeinsamen Ziel, auf einem Rad zu fahren. Wenn diese ihre einzelnen Bewegungen bewusst steuern wollten, könnten sie nicht mehr derart komplex kooperieren.
Mit den Erkenntnissen Tomasellos können wir sagen, dass die Grundlage für eine erfolgreiche Kooperation und Kommunikation um die Geburt die gemeinsame Intentionalität der Beteiligten ist. Das bedeutet: Wenn zum Beispiel die wichtigste Intention der professionellen HelferInnen die Einhaltung ihrer Arbeitszeiten ist oder möglichst viel Geld zu verdienen oder zu sparen, kann das sehr schnell zu Dissonanzen in der Kooperation mit der Gebärenden und/oder dem Kind kommen. Wenn die Mutter als wichtigstes Ziel zum Beispiel ein Vermeiden von Schmerzen hat, kann es ebenso die Kooperation mit dem Kind stören.
Der erste Schritt der Kommunikation auf dem Weg zu einer erfolgreichen Kooperation ist also die Klärung der gemeinsamen Intentionalität – und dies ist wiederholt erforderlich, wenn Störungen auftreten.
Zwischen werdender Mutter und Kind findet eine physische Kommunikation statt: Das Kind bekommt die Temperatur der Mutter zu spüren, die Darmgeräusche und Herztöne und anderes mehr. Es erfährt über die Hormone, ob und wie die Mutter im Stress ist, partizipiert damit an verschiedensten Gefühlen und Stimmungen der Mutter und reagiert darauf. Hier finden wir schon die beiden ersten Dimensionen der Kommunikation: die physikalisch-chemische und die organismisch-ganzkörperliche.
Auf der anderen Seite bekommt die Mutter die Bewegungen des Kindes zu spüren, die ihr oft auch etwas über sein Befinden mitteilen. Mütter nehmen auch ganz bewusst Kontakt mit dem Kind auf und streicheln es durch die Bauchdecke. Dies ist als eine intersubjektive zwischenmenschliche Kommunikation gedacht, auch dritte („soziale”) Lebensdimension genannt (Petzold 2013b).
Die Hebamme muss zunächst die Kommunikation in diesen drei Dimensionen kennen, soweit sie für die Geburt relevant sind. Dann fügt sie noch die explizite verbale Kommunikation in der Kooperation mit der Mutter hinzu. Dabei bringt sie ihr professionelles Wissen in die Beratung ein und beantwortet die Fragen der Mutter. Das gilt als vierte („kulturelle”) Lebensdimension. Hilfreich erscheint es, wenn die Hebamme auch Verständnis für eine noch umfassendere Kommunikation hat, die meist spirituell genannt wird. Bei derartig existenziellen Lebensvorgängen wie einer Geburt kann ein Zugang zu dieser größeren Lebensdimension eine wertvolle Ressource sein – auch ganz einfach als Urvertrauen oder Gottvertrauen, das überpersönlich allgemein gilt (Petzold 2012a).
Hebammen sind also außerordentlich gefordert, weil sie während ihrer Tätigkeit auf alle diese Dimensionen achten müssen und in mehreren davon auch aktiv und bewusst kommunizieren.
Die Neuropsychologie unterscheidet zwei grundlegende motivationale Systeme: das Annäherungs- und das Abwendungs- oder Vermeidungssystem. Das Annäherungssystem springt an, wenn wir ein attraktives Ziel vor Augen haben. Das Abwendungssystem tritt in Kraft, wenn wir etwas als Bedrohung bewerten (Grawe 2004; Petzold 2013b, 2015). Entsprechend haben wir zwei unterschiedlich intendierte Kooperationsweisen mit verschiedenen psychosomatischen Folgen: einerseits eine Kooperation, um ein attraktives Ziel zu erreichen, und andererseits eine Kooperation, um eine Gefahr abzuwenden.
Die Schulmedizin bildet ihre Profis überwiegend darin aus, Gefahren abzuwenden. Die gesunde Entwicklung soll dann von alleine kommen. Weil die derart pathogenetisch orientierten Gesundheitsprofis bei ihrer Arbeit häufig in erster Linie Krankheiten und damit Abwendungsziele vor Augen haben, fällt es ihnen schwer, mit Menschen für gesunde Entwicklung zusammenzuarbeiten. Die möglichen Bedrohungen im Kopf der MedizinerInnen können bei PatientInnen Ängste auslösen. Das stört die Kooperation für das positive Ziel der Geburt. Das Abwendungssystem aktiviert über den Mandelkern die Stressachsen mit den akuten Reaktionsmöglichkeiten von Fliehen oder Kämpfen beziehungsweise den chronischen Stressreaktionen. Dass starker Stress der Mutter sogar negative Wirkung auf die Gene der Kinder haben kann, haben der Konstanzer Evolutionsbiologe Karl Radtke und KollegInnen 2011 nachgewiesen. Das bedeutet, dass die Hebamme bei Kenntnis aller Gefahren ihren Fokus beständig positiv auf das Gelingen der Geburt gerichtet hält. Das ist gefühlsmäßig oft nicht einfach. Insbesondere wenn über jeder Begleitung einer Geburt das Damoklesschwert einer Anklage wegen eines Fehlers schwebt. Die Fokussierung auf Abwendungsziele ist nicht nur schulmedizinisch begründet, sondern auch juristisch untermauert. Die Konsequenzen daraus – wie die erhöhten Versicherungsbeiträge für Hebammen – führen in Richtung der Abschaffung des freien Hebammenberufes.
Kulturpolitisch interessant ist dabei, dass das gerade zu einer Zeit geschieht, wo das Bewusstsein für eine natürliche Geburt stark gewachsen ist und dass eine solche eben kein Ausnahme-Sonderfall der Pathologie ist. Damit wurden nicht nur Hausgeburten wieder häufiger: Von 1999 bis 2010 stieg ihr Anteil in Deutschland um 21,7 Prozent (Loytved 2013, S.6). Auch die Klinikgeburten wurden erheblich menschlicher. Die vermehrte Pathologisierung und damit das Angstmachen vor Geburtskomplikationen durch kulturelle Autoritäten kann zumindest bei ängstlichen Menschen einen negativen Einfluss auf die Kooperation haben und damit auch auf den Geburtsverlauf selbst. Deshalb ist rund um die Geburt die Wortwahl der Fachkräfte so bedeutungsvoll. Deshalb muss die Kooperation zwischen Frau und Gesundheitsprofi Sicherheit und Vertrauen schaffen und von einem gemeinsamen Annäherungsziel intendiert sein, um eine gelingende Kommunikation zu erreichen.
Der Beruf der Hebammen ist wohl der einzige medizinische Beruf, der in erster Linie ganz explizit die Hilfe bei einem gesunden Entwicklungsschritt beinhaltet. In dieser existenziellen Situation haben Menschen oft viele Ängste. Diese Ängste dürften ein Hauptgrund sein für Störungen des Schwangerschafts-, Geburts- und Wochenbettverlaufes, wenn keine besonderen körperlichen Befunde vorliegen.
Ängste und Sorgen können wir als rote Warnlampen verstehen. Dann gucken wir dorthin, wo der Mensch etwas braucht. Wir bekämpfen nicht die Warnlampe. Wir versuchen nicht, gegen die Angst zu reden, denn das würde den Abwendungsmodus noch verstärken. Sondern wir suchen mit der Frau zusammen, wie sie ein Gefühl der Sicherheit und des Vertrauens finden kann oder ein Gefühl der Handlungsfähigkeit. Am tiefsten, existenziellsten Punkt der Angst schaffen wir die Wende hin zum Finden von Vertrauen und Sicherheit und gegebenenfalls auch Mut – von einem Abwendungsziel zu einem Annäherungsziel (siehe Tabelle).
Foto: Theodor Dierk Petzold
Eine förderliche salutogene Kommunikation der Helfenden verfolgt innerlich immer den Attraktor für die Geburt. Sie stellen der Gebärenden und den anderen Beteiligten Fragen, die eine Bewegung zum Attraktor anregen und verfolgen. Wenn die Mütter Ängste und Sorgen äußern, sollten diese ernst genommen und mit denselben Worten aufgegriffen werden, um ihnen dann glaubwürdig klar zu machen, dass es gute Gründe dafür gibt und alle ihr Möglichstes geben, dass alles gut wird – gute Gründe für ein tiefes Vertrauen in diesen wunderbaren Geburtsvorgang. Bei Angst vor einer Komplikation könnte das so klingen: „Ich/Wir haben alles gründlich untersucht und alle Befunde waren einwandfrei. Glauben Sie, dass wir noch irgendetwas Weiteres untersuchen und berücksichtigen sollten?” Bei Vorliegen eines von der Mutter genannten Risikos könnte es so formuliert werden: „Wir haben das Risiko voll im Blick und tun alles, damit Sie beide gesund bleiben und die Geburt gut bewältigen. Somit können Sie sich nun wieder ganz auf einen möglichst guten Verlauf Ihrer Geburt konzentrieren. Was brauchen Sie jetzt, damit Sie Zuversicht fassen können? Sich jetzt sicher fühlen können? Vertrauen in sich und das kommende Kind, in den Fluss des Lebens oder Gottes Hilfe fühlen können?”
Bei Angst vor Schmerzen unter der Geburt sollten zunächst die Empfindungen bestätigt werden. Dann kann jedoch der Fokus auf die Bedürfnisse und Sinnhaftigkeit des Prozesses gelenkt werden: „Ja, das stimmt, die meisten Frauen erleben die Kontraktionen der Geburt als schmerzhaft. Wie Sie diese erleben, hängt womöglich auch von Ihrer Einstellung dazu ab. Wenn Sie die Kontraktionen als sinnvoll und notwendig annehmen können, wird es Ihnen vermutlich leichter fallen, die Geburt zu bewältigen. Die Natur hat es so eingerichtet, dass die Schmerzen durch Hormone gedämpft werden und der Erfolg des Gebärens groß belohnt wird. Es gibt sogar manchmal Frauen, die dabei orgastische Gefühle haben. Nur Frauen können das Leben durch Gebären weitergeben. Vielleicht können Sie selbst noch etwas dazu beitragen, dass Sie sich unter der Geburt möglichst wohl fühlen, indem Sie zwischen den Wehen immer wieder entspannen, so gut es geht – in den Pausen die körperliche Anspannung loslassen, innerlich das Kind loslassen… Was brauchen Sie jetzt, damit Sie sich entspannen können? Und in den natürlichen Vorgang des Gebärens hingeben können? Ich helfe Ihnen dabei, so gut ich kann.”
Hat die Frau große Angst vor einem krankem Kind, können die GeburtshelferInnen ebenfalls nachfragen und dann Hilfe und Unterstützung anbieten: „Soweit wir das hier beurteilen können, wird das Kind gesund zur Welt kommen. Alle Untersuchungen waren einwandfrei. Haben Sie einen besonderen Grund für Ihre Befürchtung?” … „Die Wahrscheinlichkeit, dass es gesund zur Welt kommt, ist also sehr groß. Was war/ist der Grund für Ihre Sorge? Haben Sie Erfahrungen gemacht mit kranken Kindern? War so etwas in Ihrer Familie?” … „Jedes Kind ist gänzlich einzigartig und neu. Deshalb wird auch Ihr Kind nicht so werden, wie Sie es erlebt haben, sondern neu und einzigartig … Was brauchen Sie jetzt, damit sie zuversichtlich und hoffnungsvoll durch die Geburt gehen können?”
Alle Aktivitäten, sowohl die bewusst gewollten als auch die unbewusst ablaufenden, folgen optimalerweise dem Attraktor und dienen ihm. Deshalb ist es so wichtig, den Kontakt zum Attraktor innerlich zu behalten. Die darauf aufbauende Selbstregulation erfolgt in drei Schritten (Petzold 2011, 2013b, c):
Dann beginnt der nächste Zyklus wieder mit dem Wahrnehmen: Wo befindet sich der Verlauf in Bezug zum Ziel gerade? Gibt es Gefahren? Was ist der nächste Schritt?
Diese Dynamik in jeweils drei Schritten zur Annäherung an den Attraktor gilt für jedes Individuum genauso wie für jede Kooperation.
Die erste Phase der Selbstregulation bildet die Grundlage der Kooperation und wird bisher im Bewusstsein der Gesundheitsberufe zu wenig beachtet. Die darauf aufbauenden Schritte des Handelns und Reflektierens sind verbreitet Gegenstand der Fachpublikationen und Ausbildungen. Dieses Modell kommunikativer Selbstregulation beschreibt den natürlichen Ablauf lebender, also dynamischer komplexer Systeme. Wir müssen es nicht bewusst immer verfolgen. Es ist als Hilfe zu nehmen, wenn ein Vorgang ins Stocken gerät. Dann reflektiert man, in welcher Phase man gerade ist, und geht weiter zur nächsten. Wenn man also lange im Wahrnehmen von allen möglichen Unstimmigkeiten ist, wird es Zeit ins Handeln zu gehen, um sich mehr Stimmigkeit anzunähern. Wenn die werdende Mutter ständig sehr aktiv ist sind und alles zu steuern versucht, wird es Zeit, innezuhalten und zu bilanzieren. Wenn sie nur am Reflektieren ist, ist es hilfreich, ins Fühlen zu kommen und mit dem Attraktor in Resonanz zu gehen. In der Phase des Wahrnehmens befinden wir uns in der Gegenwart und sind in Verbindung mit dem Attraktor, dem Sog in die Zukunft. In diesem Moment ist die Zukunft gegenwärtig. Dann folgt das in diese Zukunft gerichtete Handeln. Nach dem Handeln schauen wir zurück in die Vergangenheit der Wechselwirkung unserer Aktivität und lernen daraus. Dann nehmen wir wieder in der Gegenwärtigkeit der Zukunft die Realität wahr.
Mit einer Kommunikation, die sich auf eine attraktive Zukunft ausrichtet und die aktuellen Gegebenheiten berücksichtigt, können wir dialogisch und kooperativ dazu beitragen, dass die Zukunft sich dem annähert, wie wir sie uns wünschen.
SalKom® ist eine Methode zur dialogischen Anregung der gesunden Selbstregulationsfähigkeit. Dabei achten die BeraterInnen ganz besonders auf das Annähern an attraktive (Gesundheits-)Ziele, wie Wohlbefinden, Liebes- und Arbeitsfähigkeit (die Entwicklung in die Zukunft). Dazu helfen sie, die erforderlichen Fähigkeiten und andere Ressourcen zu erschließen, zu bilden und zu stärken (Empowerment). Grundlage für die Methode sind verschiedene Therapie- und Kommunikationsverfahren sowie die Erkenntnisse der Neurowissenschaften. Eine Beratung wird als intentionale, das heißt auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtete Kooperation von Menschen mit Eigen- und Fachkompetenz gesehen, bei der eine heilsame Erfahrung gemacht werden soll.
Nähere Informationen: www.salutogenese-zentrum.de, www.gesunde-entwicklung.de
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