Viral bedingte Entzündungen im Herzmuskel können hinter einem mutmaßlichen SIDS stecken. Wenn sie herdförmig auftreten, kann eine Myokarditis nur bei genauester Untersuchung entdeckt werden. Abbildung: © Birgit Heimbach

Abbildung: © Prof. Dr. Dr. Reinhard Dettmeyer

Infektionen spielen als Todesursache beim Sudden Infant Death Syndrome (SIDS) für EpidemiologInnen keine nennenswerte Rolle. Ein Rechtsmediziner zieht dagegen bei einem Teil der Fälle die Beteiligung von Viren in Betracht. Diese würden oft nicht als Todesursache bei Säuglingen erkannt. Und wenn, dann werde der Zusammenhang mit dem Plötzlichen Kindstod nicht mehr gesehen.

Gelegentlich heißt es, Säuglinge und Kleinkinder hätten regelmäßig mal einen Schnupfen oder eine Infektion, und dies spiele als Erklärung für einen plötzlichen Tod im Säuglingsalter keine größere Rolle (Vennemann 2014). Es gibt jedoch viele Hinweise, dass diese Einschätzung nicht zutrifft. Neben Entzündungen der Atemwege beziehungsweise des Lungengewebes ist dabei an Herzmuskelentzündungen zu denken. Auch diese werden von einigen AutorInnen als zusammenhangslos mit dem Phänomen SIDS abgetan.

Eine Reihe von SIDS-ForscherInnen konzentrierte sich in der Vergangenheit auf epidemiologische Aspekte, wie Alter, Geschlecht, Jahreszeit, Schlafdauer, Stillen, Rauchen, Schlafposition des Säuglings, Schlafdauer und Umgebungstemperatur. Diese wichtigen Untersuchungen haben dazu geführt, dass Risikofaktoren erkannt und Prävention möglich wurden. Die Frage nach der Ursache des plötzlichen Todes eines Säuglings ist damit aber nicht beantwortet. Betont werden muss, dass es nicht die eine Ursache für den Plötzlichen Kindstod gibt. Über 100 mögliche Theorien werden in Erwägung gezogen (Kurz et al. 2014).

Keine Todesursache nachweisbar?

Folgt man gängigen Definitionen, so darf erst dann von einem Plötzlichen Säuglingstod (SIDS) ausgegangen werden, wenn sich nach Kenntnis der Vorgeschichte, der Situation des Auffindens und nach Abschluss der Obduktion keine Todesursache nachweisen lässt (Willinger 1991)

Wirft man einen Blick in die Literatur, ist es offenbar so, dass nach der Obduktion vor allem durch mikroskopische Untersuchungen Todesursachen (vor allem Pneumonie und Myokarditis) nachgewiesen werden können. Dann darf der Todesfall nicht mehr dem Phänomen „SIDS” zugeordnet werden. So gibt es Publikationen zu Herzmuskelentzündungen im Säuglings- und Kindesalter, ohne dass die AutorInnen mitteilen, ob es sich nach Vorgeschichte und Auffindesituation um einen typischen Fall von SIDS handelte, eben bis zum Nachweis der infektiösen Todesursache (Ilina et al. 2011, Weber et al. 2008). Auf diese Weise kann verdeckt werden, dass Infektionen im ersten Lebensjahr bei mutmaßlichen SIDS-Fällen eine größere Rolle spielen als bisher angenommen.

Erforderlich wäre also die Klarstellung, dass als zeitlicher Bezugspunkt für die Zuordnung eines Todesfalles zum Phänomen „SIDS” das Ende der Obduktion gewählt wird – ohne makroskopischen Nachweis einer Todesursache. Dann handelt es sich um einen mutmaßlichen SIDS-Fall und der spätere Nachweis einer Todesursache im Nachgang zur Obduktion wäre die Klärung einer SIDS-Todesursache. Dies könnte beispielsweise eine genetisch nachgewiesene Kardiomyopathie sein oder eine angeborene Fettstoffwechselstörung wie das sogenannte MCAD-Syndrom (siehe DHZ 9/2013, Seite 34ff. und 38 ff.). In Frage kommen auch eine genetisch determinierte Reizleitungsstörung als sogenanntes Long-QT-Syndrom, eine Pneumonie oder eine Myokarditis. Zu den Todesursachen, die erst nach einer Obduktion durch mikroskopische und molekularpathologische Untersuchungen nachweisbar sind, zählen beispielsweise die virusbedingte Pneumonie, eine virale Myokarditis, eine virale Meningoencephalitis und im Frühstadium auch eine bakterielle Meningitis beziehungsweise Meningoencephalitis.

Auf der Suche nach den Ursachen

Dass Infektionen als Todesursache bei Fällen von mutmaßlichem Plötzlichem Säuglingstod (SIDS) in Betracht zu ziehen sind, ergibt sich aus einer Reihe von bisherigen Erkenntnissen:

  • Nicht selten berichten die Eltern plötzlich verstorbener Säuglinge von einer Infektion, die in den Tagen oder Wochen vor dem Tode aufgetreten ist: beispielsweise eine Tonsillitis, Rhinitis, Sinusitis, Bronchitis, Enteritis, Otitis media, eventuell mit Fieber. Zum Teil waren sie deshalb auch beim Kinderarzt (Vege et al. 1999).
  • Final soll es infektionsbedingt zu einer Erhöhung der Körperkerntemperatur auf über 40 Grad Celsius und zu Schweißausbrüchen gekommen sein – mit zum Zeitpunkt des Auffindens noch teilweise feuchtklammer Bettwäsche (Pfeiffer 1980).
  • Der Altersgipfel liegt bei SIDS-Fällen im zweiten bis vierten Lebensmonat, wenn bei den Säuglingen der Spiegel von Antikörpern der Mutter im Blut sinkt (Blackwell et al. 1999).
  • SIDS-Todesfälle treten auf der nördlichen Halbkugel gehäuft während der kalten Jahreszeit auf, wenn es vermehrt Infektionen gibt (Douglas et al. 1997, 1998). Diese Tendenz ist mittlerweile nicht mehr so deutlich erkennbar (Kurz et al. 2014).
  • Die SIDS-Todesfälle treten gehäuft bei erhöhter Zimmertemperatur beziehungsweise warmer Bedeckung des Säuglings auf, was Infektionen begünstigt.
  • Es wird von vermehrten SIDS-Fällen bei endemischer Häufung von Infektionskrankheiten berichtet (Kleemann et al. 1988).
  • In der Lungenlavageflüssigkeit von SIDS-Opfern wurden erhöhte IgG- und IgM-Werte (Immunglobuline) nachgewiesen im Vergleich zu gleichaltrigen Kontrollkindern (Forsysth 1989).
  • Mikroskopische Untersuchungen im Nachgang zu einer Obduktion konnten immer wieder Infektionen nachweisen, vor allem der Atemwege, der Lungen, der Speicheldrüsen – dort vor allem Zytomegalieviren – aber auch des Herzmuskels (Entrup & Brinkmann 1990; Bajanowski et al. 1995; Variend & Pearse 1986; Püschel et al. 1988; Rambaud et al. 1992; Rasten-Almqvist et al. 2002; Dettmeyer et al. 2004).
  • Immunologische Untersuchungen führten zum Nachweis erhöhter proinflammatorischer Marker im Blut von SIDS-Opfern im Vergleich zu Kontrollgruppen, so zum Beispiel für Interleukin-6 (Vege et al. 1999).

Bereits früher ergaben Untersuchungen, dass Infektionen beim Phänomen des Plötzlichen Säuglingstodes eine Rolle spielen. So hieß es zum „Syndrom des plötzlichen und unerwarteten Kindstodes” im Sektionsgut schon vor fast 25 Jahren: „Die gemeinsame Auswertung der Säuglingstodesfälle … in den Jahren 1977 bis 1987 bestätigt, dass das Syndrom des plötzlichen und unerwarteten Kindstodes hochgradig mit Infekten der Atemwege korreliert und dass diese zumindest eine begleitende, wenn nicht auslösende Ursache haben. Dabei ist den Virusinfektionen möglicherweise ein besonderer Stellenwert einzuräumen, die im Pathologischen Institut … in über 20 Prozent der Fälle nachgewiesen werden konnten” (Dzikonski et al. 1990).

Schon in der Vergangenheit gab es die These, bei einem Teil der Fälle von SIDS sei eine virusbedingte Myokarditis die Todesursache. So wurden bei SIDS-Opfern vermehrt Störungen des kardialen Reizleitungssystems beschrieben (Schwartz et al. 1998; Gunderoth et al. 1998). Insbesondere ging es dabei um das sogenannte Long-QT-Syndrom, ohne dass bislang eine genetische Disposition sicher nachgewiesen werden konnte (Schwartz et al. 1998; Bajanowski et al. 2001). Zwei mögliche Ursachen des SIDS verdienen besondere Beachtung: die virusbedingte Myokarditis und angeborene, genetisch bedingte Kardiomyopathien. Beide Diagnosen sind jedoch mit den üblichen Methoden schwer zu stellen.

Kardiomyopathie und Myokarditis

In einem Säuglingsherzen sind die mikroskopischen Befunde einer angeborenen Kardiomyopathie selbst für erfahrene PathologInnen nicht sicher erkennbar: Texturfaserstörungen, Fibrose, Kerngrößenunterschiede oder Gefäßwandveränderungen bilden sich erst im Laufe des Lebens deutlicher aus. Manchmal sterben PatientInnen mit 20 bis 40 Jahren dann an der Kardiomyopathie, die sie aber schon von Geburt an hatten – oft unerkannt. Hier helfen nur genetische Untersuchungen weiter. Angeborene Kardiomyopathien können bei aufwändiger mikroskopischer Diagnostik gelegentlich bei mutmaßlichen SIDS-Fällen nachgewiesen werden (Dettmeyer & Kandolf 2009).

Bei der Myokarditis ist die Diagnostik ebenfalls anspruchsvoll. Es ist bekannt, dass eine Myokarditis fokal, also herdförmig, im Herzmuskel auftreten kann. Die meisten Untersuchenden nehmen aber bei der Obduktion nur wenige Proben, in denen dann der Entzündungsherd vielleicht nicht erfasst ist (sogenannter „Sampling error”). Deshalb gilt die Empfehlung, bei mutmaßlichen SIDS-Fällen zumindest acht Proben vom Herzmuskel zu mikroskopieren, dazu die Region des kardialen Reizleitungssystems.

Damit aber nicht genug: Üblicherweise erfolgt die mikroskopische Diagnostik einer viralen Herzmuskelentzündung nur mit einer einfachen Routinefärbung (Hemalaun-Eosin-Färbung) nach den sogenannten Dallas-Kriterien. Diese Kriterien definieren die Myokarditis als eine Schädigung von Kardiomyozyten mit einer entzündlichen Infiltration des Herzmuskels durch Lymphozyten und Monozyten. Sie unterscheiden zwar eine aktive Myokarditis und eine Borderline-Myokarditis und verlangen unter Umständen eine Kontrollbiopsie (bei lebenden PatientInnen). Je nach Erfahrung des Pathologen oder Mikroskopikers gibt es jedoch erhebliche Unterschiede bei der Diagnose, die sogenannte „Interobserver-Variabilität” (Shanes et al. 1987). Trotzdem gab es eine größere Untersuchung mit 143 SIDS-Fällen, bei denen in 24 Fällen schon mit konventionellen Färbungen Läsionen im Sinne der genannten Dallas-Kriterien gefunden wurden (Rambaud et al. 1992). Bereits 1975 untersuchten Noren et al. 90 Fälle von SIDS und fanden in 15 Fällen (17 Prozent) eine Myokarditis. Auch andere AutorInnen fanden Fälle von Myokarditis bei mutmaßlichem SIDS (Shatz et al. 1997).

Neuere Diagnostik

Bei der Diagnose einer Myokarditis mit konventionellen Färbungen bestehen große Unsicherheiten: Was für den einen Pathologen schon eine Myokarditis ist, hat der andere Pathologe noch nicht für ausreichend befunden. So wurde in den 1990er Jahren die immunhistochemische Diagnostik der Myokarditis eingeführt. Damit können Entzündungszellen, wie Leukozyten, Lymphozyten und Makrophagen, gezielt angefärbt werden, aber auch proinflammatorische Moleküle, wie zum Beispiel MHC-Klasse I- und II-Moleküle. Jetzt wurden Grenzwerte vorgeschlagen, ab welcher Zahl von Entzündungszellen pro starker Vergrößerung im Mikroskop eine Myokarditis vorliegt oder der Verdacht darauf begründet ist (Kühl et al. 1997; Noutsias et al. 2002; Strauer et al. 2001).

In einer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Studie konnten erstmals Herzen von mutmaßlichen SIDS-Opfern unter methodisch definierten Bedingungen (Zahl der Proben, kontrolliertes Fixativ, Fixierdauer, Begutachtung durch Pathologen) immunhistochemisch untersucht werden. Dabei wurden auch Fälle von Myokarditis gefunden und Grenzwerte bei mikroskopischer Untersuchung mit 400-facher Vergrößerung vorgeschlagen (Dettmeyer et al. 2004). Mittlerweile gibt es Grenzwerte für Zellzahlen pro Quadratmillimeter, das war in den 90er Jahren noch nicht üblich.

Nachdem die immunhistochemischen Untersuchungen den Verdacht bestätigten, dass ein Teil der SIDS-Fälle tatsächlich als Folge einer Myokarditis auftraten, wurde versucht, im Herzmuskelgewebe selbst das Virus nachzuweisen. Für ein kleines Virusspektrum ist dies auch gelungen. So konnten in Herzmuskelproben von SIDS-Opfern vor allem Enteroviren nachgewiesen werden, in Einzelfällen solche der Gruppe Coxsackie B (Baasner et al. 2003; Dettmeyer et al. 2002). Gerade diese Viren sind besonders kardiotrop, sie befallen also oft Herzmuskelzellen, auch bei Erwachsenen. Teilweise wurde die Diagnose einer virusbedingten Myokarditis von einem externen Labor bestätigt, so von Prof. Dr. Reinhard Kandolf, Molekularpathologe in Tübingen. Dort konnten weitere Einzelfälle mit Herpesviren (HHSV 6) und ein Fall mit Toxoplasma gondii nachgewiesen werden. In dieses Bild passt auch, dass in den Ohrspeicheldrüsen von SIDS-Opfern häufig Zytomegalieviren nachweisbar sind, die in seltenen Fällen ebenfalls eine Myokarditis auslösen können. Bedenkt man weiter, dass mikroskopisch darstellbare Veränderungen im Lungengewebe auch bei SIDS-Fällen immer wieder einmal eine virusbedingte Bronchitis oder Lungenentzündung nachweisen, dann ist hier auch eine Eintrittspforte für die Viren gegeben.

Spätere Untersuchungen ergaben einen Rückgang der Fälle virusbedingter Myokarditis bei mutmaßlichen SIDS-Opfern, was möglicherweise mit der Durchseuchung der Bevölkerung und der damit verbundenen Antikörperbildung zusammenhängt. Dieses Phänomen könnte auch unterschiedliche Studienergebnisse erklären. Immerhin sind kleinere Epidemien mit beispielsweise Enteroviren bekannt – so vor Jahren in Griechenland –, als deren Folge vermehrt Myokarditiden diagnostiziert wurden. Auch haben einzelne Untersuchungen zeigen können, dass Neugeborene – im Gegensatz zu Jugendlichen und Erwachsenen – offenbar einen höheren Bestand an coxsackie-adenoviralen Rezeptoren haben. Sie sind also möglicherweise anfälliger für diese Virusinfektionen. Damit könnte erklärt werden, warum SIDS vermehrt Frühgeborene betrifft und nach Herunterregulierung des Rezeptors im ersten Lebensjahr dann (fast) keine Todesfälle mehr auftreten (Bergelson et al. 1997).

Diskussion der Argumente

Die Ursachenforschung beim SIDS ist kompliziert und auch methodisch anspruchsvoll, wenn man im Einzelfall weiterkommen will. Der gesamte erforderliche diagnostische Aufwand wird noch zu selten betrieben. Eines lässt sich allerdings mit Gewissheit sagen: Bei einem Teil der Fälle spielen die virusbedingte Pneumonie und die virusbedingte Myokarditis als Todesursache eine Rolle, ebenso die angeborenen Kardiomyopathien.

Natürlich gibt es auch Kritik an den Thesen. Zum einen konnte eine nur retrospektive Studie aus den USA bei SIDS-Fällen keine Viren im Myokard nachweisen, stattdessen aber in einzelnen Kontrollfällen. Hier spielen auch methodische Probleme eine Rolle, so kann zum Beispiel zu langes Asservieren der Gewebeproben in zu hoch konzentriertem Formalin die Diagnostik unmöglich machen. Auch regionale Aspekte der Virusbelastung in der Bevölkerung sind von Bedeutung.

Ebenso ist das Argument nicht von der Hand zu weisen, dass eine virale Myokarditis zum programmierten Zelltod (Apoptose) führen müsse und diese Apoptosen im Myokard von SIDS-Opfern nicht nachweisbar seien, also liege keine Myokarditis vor. Allerdings wird davon ausgegangen, dass bei SIDS-Fällen eine virale Infektion des Herzmuskels in einer sehr frühen Infektphase das Herzreizleitungssystem angreift und zu einer tödlichen Herzrhythmusstörung führt, was auch die Plötzlichkeit des Todes erklärt. Niemand kennt genau den Zeitraum von Infektionsbeginn bis zum Auftreten einer positiven Reaktion auf Apoptosemarker. Bekannt ist außerdem, dass Viren antiapoptotisch wirken können und dass Apoptosemarker offenbar nicht sehr autolyseresistent sind. So können sie in Proben vom Leichnam unter Umständen nicht mehr oder nur eine begrenzte Zeit nachgewiesen werden. Einige Autoren geben an, eine positive Reaktion auf Apoptose-Marker sei nur möglich gewesen, wenn innerhalb von 20 Stunden nach Todeseintritt obduziert wurde (Nakatone et al. 2002). Diese Fragen gehören noch in die Grundlagenforschung.

Aber schon die bisher zweifelsfrei nachgewiesenen virusbedingten Myokarditiden sollten als Beweis dafür reichen, dass Infektionen auch als Todesursache beim SIDS durchaus eine bedeutende Rolle spielen.

Umsicht der Hebamme

Gerade in der Nachsorge tätige Hebammen sollten vor diesem Hintergrund auf eine Reihe von Umständen achten. Sie sollten Mütter zum Stillen motivieren, da dadurch das Risiko von Infektionen gesenkt wird. Sie sollten alle Mütter darauf hinweisen, dass Säuglinge zwar im Schlafzimmer der Eltern schlafen sollten, aber aufgrund der Überwärmung nicht im Bett der Eltern liegen sollten. Die Raumluft sollte einerseits kühl gehalten werden, andererseits sollte der Säugling nicht übermäßig warm bedeckt werden. Sollte das Kind im Bett der Eltern schlafen aufgrund der Vorteile, die es für das Stillen bedeutet, müssen die Eltern auf bestimmte Sicherheitsvorkehrungen achten (siehe DHZ 2/2014, Seite 60ff.).

Auch wenn es bislang keine überzeugende pathophysiologische Erklärung für den Risikofaktor Bauchlage gibt, sollten alle Mütter darauf hingewiesen werden, dass sie ihr Baby nicht auf dem Bauch schlafen lassen sollten. In Bauchlage steigt beispielsweise die Temperatur im Nasopharyngealtrakt des Kindes zum Teil auf mehr als 37 Grad Celsius, wobei eventuell vermehrt pyrogene Toxine gebildet werden (Zorgani et al. 1999).

Verunsicherte Mütter und Väter sollten wissen, dass es keinerlei Belege dafür gibt, dass Impfungen das Risiko für einen Plötzlichen Säuglingstod erhöhen. Dies gilt auch für Mehrfach- beziehungsweise Sechsfachimpfungen. Soweit es einzelne Todesfälle zeitnah zu einer Impfung gegeben hat und gibt, wird von einem zufälligen Zusammentreffen ausgegangen.

Eltern, die bereits einmal den plötzlichen und unerklärlichen Tod ihres Kindes im Säuglingsalter erleben mussten, kann versichert werden, dass für ein weiteres Kind kein erhöhtes Risiko besteht. Treten zwei und mehr Fälle von Plötzlichem Säuglingstod bei einer Mutter oder einem Elternpaar auf, muss an Tötungsdelikte gedacht werden. Die rechtsmedizinische Praxis hat gezeigt, dass Eltern – wenn auch teilweise „schweren Herzens” – einer Obduktion nicht grundsätzlich negativ gegenüber stehen. Sicherlich ist es ungünstig, dass Obduktionen bei Fällen von mutmaßlichem Plötzlichem Säuglingstod nach polizeilichen Untersuchungen über ein Gericht veranlasst werden. Dies liegt auch an der in Deutschland äußerst unbefriedigenden Regelung des Obduktionsrechts, welches in fast allen Bundesländern keine sogenannte Verwaltungssektion – wie in der früheren DDR – kennt.

Andererseits bedeutet der Nachweis einer definitiven Todesursache mit Hilfe einer Obduktion für Eltern eine erhebliche Entlastung, da damit zugleich festgestellt ist, dass es sich um ein schicksalhaftes Geschehen gehandelt hat. So treffen die Eltern keine Vorwürfe, sie hätten sich in irgendeiner Weise falsch verhalten. Auch aus diesem Grund sollten Hebammen eine Obduktion plötzlich verstorbener Säuglinge befürworten oder den Eltern nahe legen. Die Untersuchung ist ein wichtiges Mittel zur Klärung der Todesursache im Einzelfall. Und nur so können weitere Erkenntnisse zu den Ursachen des Plötzlichen Säuglingstodes gewonnen werden.

Buchtipp
Sawaguchi, Toshiko: Sudden Infant Death Syndrome –From Pathophysiological Prospects. Japan. (2014); 106,99 Euro

Professorin Toshiko Sawaguchi, tätig am Institute of Advanced Biomedical Engineering an der Tokyo Women‘s Medical University, benennt in ihrem neu erschienenen Buch Infektionen als eine der möglichen Ursachen für den Plötzlichen Kindstod. Sie schreibt, es sei hinreichend bekannt, dass Kinder mit SIDS zuvor oft an milden Infektionen gelitten hätten. Als Infektionen, die mit SIDS in Zusammenhang gebracht werden, benennt sie: Infektionen, die das Herz betreffen (Myocarditis, Endocarditis, Rheumatisches Fieber), Infektionen, die das Atemsystem betreffen (Akute Epiglottis, akute bakterielle Lungenentzündung), Infektionen, die den Verdauungstrakt betreffen (Gastroentritis und Infektion mit Clostridium botulinum, genannt Botulismus), die das Harnsystem betreffen (Pyelonephritis) und systemische Infektionen (Sepsis).

Sawaguchi beschreibt, dass SIDS diagnostiziert werde durch Ausschluss bestimmter Todesursachen. Manche glaubten, dass mit dem medizinischen Fortschritt immer mehr Faktoren ausgeschlossen würden, möglicherweise sogar alle und keiner mehr mit SIDS korrespondierte. „Die Theorie, dass SIDS nicht

existiert, basiert darauf, dass das Konzept von SIDS möglicherweise aufhört zu existieren.” Die Theorie bezüglich der verminderten Arousals (arousal deficiency oder impaired Aoural theory), nach der ein Baby im tiefen Schlaf unfähig ist, sich selbst zu wecken, wenn ein Atemproblem auftaucht und zum SIDS führen kann, wiederspreche dem.

Wenn es so eine interne Krankheit gebe, ließe sich eben doch sagen, dass SIDS existiert. Obwohl sie an anderer Stelle schreibt, dass die Bezeichnung SIDS nur gelte, wenn die Ursache des Todes unklar ist, benutzt sie den Begriff hier eher als konkretes Syndrom, was etwas verwirrt. Möglicherweise würden externe Faktoren die internen beeinflussen, meint sie. Sawaguchi schaut sich die verschiedenen externen Faktoren näher an. Die japanische Autorin hat Ergebnisse von sechs Studien zusammengestellt. Eine befasst sich mit Neuronen, die das Neuropeptid-Hormon Orexin enthalten und dadurch den Schlafrhythmus beeinflussen. Treffen vermindert auftretende Arousals und ein Mangel an Orexin zusammen, könnte es zum SIDS kommen. Außerdem werden zwei Studien zu physiologischen Zusammenhängen beschrieben. Eine erläutert die Sauerstoffkonzentration im Gehirn beim Nuckeln eines Schnullers.

Birgit Heimbach

Zitiervorlage
Dettmeyer R: Plötzlicher Säuglingstod (SIDS): Infektionen als Ursache nicht unterschätzen. DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 2014. 66 (9): 64–69
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