Die angeklagte Hebamme mit ihren beiden Strafverteidigern Zeichnung: © Nikolaus Baumgarten

Im Strafprozess gegen eine Hebamme am Landgericht Bochum wegen fahrlässiger Tötung berichten zwei Kriminalbeamtinnen vom Beginn der Beweisaufnahme, nachdem eine Mutter am Tag nach der Hausgeburt in der Klinik gestorben war. Zwei Gynäkologinnen erinnern sich an die Schwangerschaftsuntersuchungen und dass sie die Frau, trotz ihrer Bedenken nicht von einer Klinikgeburt überzeugen konnten. Die angeklagte Hebamme sagt aus, dass sie schon beim ersten Telefonat wahrgenommen habe, wie traumatisiert die Schwangere durch ihre erste Geburt gewesen sei. 

Der zweite Verhandlungstag beginnt mit der getrennten Vernehmung von zwei Kriminalbeamtinnen aus Bochum, die eine Hausdurchsuchung bei der Hebamme vorgenommen hatten. »Ich habe es dort als etwas unordentlich empfunden«, sagt eine der Zeuginnen. Die später eintreffende Hebamme habe einen unbekümmerten Eindruck gemacht. Sie sei freundlich gewesen, habe mitgewirkt und die Patientenkarteikarte übergeben.

Ob ein sechsseitiger Dokumentationsbogen sichergestellt worden sei, möchte der Vorsitzende Richter wissen. Sie sei als Begleitung vor Ort gewesen und könne sich nicht erinnern, antwortet die Beamtin. Die Beschuldigten-Vernehmung später auf dem Polizeirevier sei videografiert worden, merkt der Vorsitzende mit Blick in die Akten an. »In der verschriftlichten Form ist die Rede von einem sechsseitigen vorgegebenen Formular, das von den Frauen unterschrieben wird.« Darin sei dokumentiert, ob Risiken besprochen worden seien, erläutert die Beamtin. Die Unterlagen seien zu den Akten gegangen, die sie jedoch nicht selbst geführt habe. Ob sie vorgelegen hätten oder nachgereicht worden seien, wisse sie nicht.

Fall und Vorgeschichte
Am 1. September wurde am Landgericht Bochum der Strafprozess gegen eine 60-jährige freiberufliche Hebamme wegen fahrlässiger Tötung am fünften Verhandlungstag überraschend eingestellt – gegen die Zahlung von 12.000 Euro an den Bochumer Kinderschutzbund. Die Staatsanwaltschaft hatte der Hebamme zur Last gelegt, verantwortlich für den Tod einer Mutter zu sein. Die 45-jährige Zweitpara hatte am 10. September 2020 um 6.24 Uhr bei einer zunächst physiologisch verlaufenen Hausgeburt ihren gesunden Sohn zur Welt gebracht. Später bekam sie zunehmende Kreislaufprobleme, die sich dramatisch ausweiteten bis hin zu einem Herzstillstand. Um 7.39 Uhr war der Rettungsdienst eingetroffen und sie war unter Reanimation in die Klinik verlegt worden. Dort wurde die Plazenta manuell gelöst. Die frisch Entbundene hatte dann am Vormittag massive atonische Nachblutungen mit Gerinnungsstörungen entwickelt, die auch mit zahlreichen Interventionen wie einer Hysterektomie nicht zu beherrschen gewesen waren. Am 11. September, etwa 20 Stunden nach der Geburt, war sie an einem Multiorganversagen verstorben. Mit Einverständnis ihrer Ehefrau waren zuvor die lebenserhaltenden Maßnahmen, wie die extrakorporale kardiopulmonale Reanimation (ECMO), eingestellt worden.

Am 7. August 2023 wurde die Hauptverhandlung vor der fünfköpfigen Strafkammer unter Vorsitz von Richter Josef Große Feldhaus eröffnet. Neben ihm waren daran eine beisitzende Richterin ein besitzender Richter sowie zwei Schöffinnen beteiligt. Am ersten Verhandlungstag wurde von Staatsanwalt Jens Cieslak die Anklageschrift verlesen. Als Zeuginnen hatten die Witwe der verstorbenen Mutter sowie eine Freundin ausgesagt, die bei der Geburt dabei gewesen waren. Beide waren ausgebildete Notärztinnen und hatten sich darauf berufen, nur in der privaten Rolle bei der Geburt anwesend gewesen zu sein. Letztlich hatten sie, als sich die Kreislauf-Situation der Mutter zuspitzte, die Wiederbelebungsmaßnahmen übernommen. Die Ehefrau hatte schließlich auch den Notarzt gerufen, was die Mutter lange Zeit abgelehnt und auch die Hebamme zunächst nicht für nötig gehalten hatte. Die Mutter hatte nach einer traumatischen Erstgeburt in der Klinik unter allen Umständen ihr zweites Kind zu Hause zur Welt bringen wollen. Mit ihrer Frau hatte es deshalb Meinungsverschiedenheiten gegeben. Auch ihre Frauenärztinnen sahen die Hausgeburt als zu risikoreich an und hatten die Schwangere entsprechend beraten.

Zwei Kriminalbeamtinnen

Auch die zweite Zeugin, eine Kriminaloberkommissarin, wird vom Richter zum Umfang der beschlagnahmten Dokumentation vernommen. Zusätzlich zur Karteikarte sei ein beidseitig beschriebener gelber Bogen dabei gewesen, schildert sie. Laut der Akten sei ein sechsseitiger Dokumentationsbogen zur Aufklärung bekannt, fragt der Vorsitzende wieder. Nach Aussagen der Angeklagten sei er vorgegeben und wurde vom Ehepaar unterschrieben. »Haben Sie das Dokument einmal gesehen?« Die Beamtin erwidert: »Das war letztes Jahr, ich weiß es nicht mehr.« »Band 1 der Akte ist verloren gegangen. Wir wissen nicht, ob das Dokument vorgelegen hat«, erläutert der Vorsitzende seine Nachfragen.

»Sie sollen im Krankenhaus gewesen sein,« fragt der Vorsitzende nun zum Beginn der Ermittlungen. »Es war der Erstkontakt mit den behandelnden Ärzten«, schildert die Polizistin. Sie sei zur polizeilichen Leichenschau ein paar Tage nach dem Tod der Mutter dort gewesen. »Die Ärzte waren geneigt, eine natürliche Todesursache anzunehmen«, erläutert die Kriminalbeamtin, die mit einer Ärztin gesprochen hatte. So sei es auch zunächst in der Todesbescheinigung angekreuzt gewesen. Sie hätten versucht, das Leben der Mutter zu retten: Die Gynäkolog:innen hätten die Plazenta geborgen und die Gebärmutter entfernt, die Blutung aber nicht stoppen können. Deshalb hätten sie keine Anhaltspunkte dafür gehabt, keine natürliche Todesursache anzunehmen, schildert sie. Später habe aber die Witwe gegenüber den Ärzt:innen Vorwürfe gegen die Hebamme erhoben. Deswegen sei es ab dem Zeitpunkt eine »ungeklärte Todesursache« gewesen.

Eine hinzugezogene Frauenärztin

Die nächste Zeugin, eine 44-jährige Frauenärztin, war von der später verstorbenen Mutter in der Schwangerschaft konsultiert worden. Der Vorsitzende weist sie auf ihre ärztliche Schweigepflicht hin: Sie müsse abwägen, ob sie für die Wahrheitsfindung aussagen wolle, die Witwe und der Staatsanwalt hätten keine Bedenken. Er fragt, wie der Erstkontakt zustande gekommen sei. Die Ärztin berichtet, die Schwangere habe sich am 1. Juli 2020 in der 32. Woche bei ihr zur Ultraschalluntersuchung vorgestellt. Das Baby sei in einer anderen Pränataldiagnostik-Praxis sehr groß geschätzt worden, sie habe wissen wollen, ob eine Spontangeburt möglich sei. »Die Kollegen hatten wegen der Größe abgeraten, sie wollte eine zweite Meinung.« Das Gewicht sei auf der 70. Perzentile und damit völlig okay gewesen. Das entspreche dem normalen Mittelfeld: »70 von 100 Kindern sind kleiner, 30 sind größer.« Zu dem Zeitpunkt sei die geschätzte Größe aber nicht aussagekräftig, die Schwangere habe am errechneten Termin noch einmal wiederkommen sollen.

»Wussten Sie von der Endometriose und vom Embryotransfer?«, möchte der Vorsitzende wissen. Die Ärztin bejaht. Er fragt weiter: »Und die Umstände im Zusammenhang mit dem ersten Kind?« »Bei der Geburt war alles so, wie sie es nie haben wollte«, erinnert sich die Ärztin. Die Schwangere habe vehement eine Hausgeburt angestrebt. Sie selbst habe eine Zyste am Nabelschnuransatz diagnostiziert und geraten, man dürfe nicht an dieser Nabelschnur ziehen. Sie hätten über das Alter der Schwangeren und über die Risiken einer Hausgeburt gesprochen. »Die gesamte Situation war für mich keine unkomplizierte Schwangerschaft«, schildert die Ärztin: »Sie sagte, die Einwände wegen der Blastocytenspende oder ihrem Alter habe sie das letzte Mal schon gehört, sie wollte nicht nochmal drüber sprechen.«

Als sich die Schwangere Anfang September noch einmal vorgestellt habe, war das Kind von der Größe her wie die erste Tochter, es gab aber wenig Fruchtwasser. Sie habe aufgrund der Schwangerschaft nach Eizellspende und dem wenigen Fruchtwasser zur Einleitung geraten. Der Vorsitzende fragt, ob die »drei Tage Übertragung« zu diesem Zeitpunkt kein Problem gewesen seien? Einer anderen Frau mit einer solchen Vorgeschichte würde man in der 39. Schwangerschaftswoche eine Einleitung empfehlen, erläutert die Frauenärztin. Ob sie einen fachlichen Austausch mit der Hebamme gehabt habe, fragt der Richter. Sie habe der Schwangeren die Berichte an die Hebamme mitgegeben. »Ich konnte es nur so machen. Sie war nicht einverstanden mit einem direkten Austausch über die Befunde.« Im Beisein der Schwangeren habe sie zweimal mit der Hebamme telefoniert: »Drei Tage über dem errechneten Termin ist aus kindlicher Protektion eine Einleitung nicht ganz verkehrt.«, habe sie zu ihr gesagt. Die Schwangere sei jedoch gänzlich ablehnend gewesen. Ihr als Ärztin sei es um die kindlichen Risiken gegangen. Danach habe sie keinen Kontakt mehr zu der Schwangeren gehabt. Der Vorsitzende fragt nach ihren Aufzeichnungen in der Patientinnenakte, die sie nun chronologisch durchgeht.

Ob da etwas zum Risiko vermerkt sei, fragt er. Der Embryotransfer sei dokumentiert. In der ersten Schwangerschaft habe es keine Komplikationen gegeben, die zweite Schwangerschaft sei wieder mit dem gleichen Spender zustande gekommen. Es sei immer wieder darum gegangen »wie wichtig es ihr war, Selbstbestimmung über die Geburt zu haben«, entnimmt die Ärztin ihren Notizen. Die Schwangere habe betont: »Es darf nicht so werden wie bei der letzten Geburt.« Ob über eine Geburt im Geburtshaus gesprochen worden sei? »Geburtshäuser sind medizinisch besser ausgestattet als ein Wohnzimmer«, bemerkt der Vorsitzende. »Das war nicht im Gespräch«, erwidert die Ärztin.

Zum zweiten Termin am 8. August sei die Schwangere mit ihrer Ehefrau gekommen. Man habe Befunde besprochen: »Die Größe des Kindes lag mit 3.800 Gramm auf der 67. Perzentile. Das ist keine problematische Größe für eine Frau, die schon ein Kind geboren hat.« In der Karteikarte stehe: »Möchte weiter zu Hause entbinden.«

Beim dritten Termin am 2. September habe die Frauenärztin ein kleines Fruchtwasserdepot festgestellt, unterhalb der Norm. »Das haben Kinder am Termin öfter.« Eine Risikoaufklärung habe die Schwangere nicht gewollt: »Keine Diskussion, das haben wir schon letztes Mal besprochen.« Die Patientin sei »unbeugsam« und »sehr fixiert« gewesen. Ob sie am Telefon alles mit der Hebamme durchgegangen sei, fragt Große Feldhaus, »auch was vorher war?« »Die Endometriose, das kann sein, dass ich das vorher nicht wusste,« überlegt die Zeugin. Die beisitzende Richterin fragt, ob ihr bewusst gewesen sei, dass bei der ersten Geburt eine Placenta accreta vorgelegen habe und ein Blutverlust von 700 ml bei einer atonischen Nachblutung. »Ich habe den Befund nicht gehabt. Eine Teilplazentaretention ist nicht ganz selten. Ich wusste in Teilen davon«, schildert sie. Sie sei nicht die hauptbehandelnde Gynäkologin gewesen. Sie habe mit der Schwangeren über ihre Hochrisikoschwangerschaft aus kindlicher Ursache gesprochen und über einen möglichen Tod des Kindes. Sie habe ihr mit dem dringenden Rat zur Einleitung gesagt: »Es gibt nicht noch eines, nehmen Sie das Kind in den Arm!«

Die betreuende Gynäkologin

Bis zur Mittagspause wird eine weitere Frauenärztin vernommen, die die primäre Gynäkologin der verstorbenen Mutter war. Sie habe ihr mehrfach von einer Hausgeburt abgeraten, weil die erste Geburt so komplikationsreich gewesen sei. Die Schwangere sei sehr willensstark und sehr differenziert gewesen. Sie hätten sich auch privat gekannt, aber nicht privat getroffen. Sie habe sie gemocht und sei über ihren Tod sehr betroffen. Die Schwangere habe bestimmte Dinge nicht mehr gewollt, vieles abgelehnt – keinen Zuckertest, kein CTG. »Nach einem Gespräch am 30. Juni in der 31. Schwangerschaftswoche hat sie die Behandlung bei mir abgebrochen«, schildert die Zeugin. Sie hätten an dem Tag über Komplikationen gesprochen. »Die Risiken sind für die Mutter tragbar gewesen,« sie habe sich gut gefühlt. »Sie war in einer sehr guten biologischen Verfassung, fühlte sich kräftig – was sie auch war.« Zwar habe sie ein Hochrisiko gehabt, aber die Schwangerschaft habe sich gut entwickelt.

Ihre Patientin sei mit der Beratung nicht zufrieden gewesen. Denn sie habe ihr wegen der Vorgeschichte zur Klinik geraten, wo man schneller reagieren könne vor allem bei einer nicht beherrschbaren Blutung. Davon sei die Schwangere »nicht angetan gewesen«. Die Ärztin habe ihr eine ambulante Geburt im Krankenhaus in Herdecke nahebringen wollen, vier bis sechs Stunden danach nach Hause. Dort gehe man nicht streng schulmedizinisch vor, sondern stelle sich auf die Frauen ein. Ob dort auch Bluttransfusionen vorrätig seien, möchte der Vorsitzende wissen. Natürlich würden sie bei Bedarf mit Blaulicht von der Blutbank geholt, entgegnet die Frauenärztin.

Verschiedene Komplikationen werden bei der richterlichen Vernehmung erörtert. Schließlich geht es wieder um das Ende ihrer Betreuung: »War klar, dass Sie sich nicht mehr sehen?«, fragt der Vorsitzende. »Nein«, entgegnet die Ärztin. Sie habe das Gefühl gehabt, die Schwangere sei dem Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke gegenüber aufgeschlossen gewesen. Sie habe aber beratungsresistent an der Hausgeburt festgehalten, bemerkt der Richter. »Sie wünschte sich das, deshalb ist sie nicht mehr gekommen«, meint die Ärztin.

Die beisitzende Richterin fragt nach der Anamnese im Mutterpass: »Haben Sie das ausgefüllt?« Die Ärztin bejaht, dass sie die Kästchen zu vorausgegangenen Komplikationen und Risiken alle mit »Nein« angekreuzt habe. »Hätte man das mit ›Ja‹ ankreuzen müssen?« Die Ärztin räumt das ein. Auch Strafverteidiger Armin-Octavian Hirschmüller hakt hier ein: »Verlassen Sie sich auf den Mutterpass?« »Meistens«, antwortet die Ärztin, »manchmal ist er nicht korrekt ausgefüllt.« »Ist ein Mutterpass nicht korrekt auszufüllen?«, insistiert der Verteidiger. »Ja, er sollte es sein«, bestätigt die Gynäkologin.

Vernehmung der Hebamme

Nach der Pause hängt eine große Projektionsleinwand zwischen dem Gerichtssaal und dem durch eine Glasscheibe abgetrennten Zuschauerraum. Acht Zuschauer:innen sitzen dort, sowie die Pressevertreterin der DHZ. Weitere Medienvertreter sind an den Verhandlungstagen nicht anwesend. Nur zum Prozessauftakt waren ein paar Journalist:nnen kurz vor Ort.

Auf beiden Seiten der Leinwand wird nun die Videoaufzeichnung vom 8. November 2022 projiziert, als die Hebamme im Polizeirevier in Bochum vernommen worden war. Eineinhalb Stunden lang steht sie Rede und Antwort zu allen Details ihrer Betreuung der Schwangeren bis zur dramatischen Entwicklung nach der Geburt und der Verlegung der Frau. In einem vierfach unterteilten Bild ist sie aus verschiedenen Perspektiven bei ihrer Aussage zu beobachten. Man erkennt auch die beiden Polizeibeamtinnen, die morgens als Zeuginnen ausgesagt hatten. Im Hintergrund sitzt der damalige Anwalt der Hebamme, der später abgelöst wurde. Er hält sich vollkommen zurück. Auf die Frage: »Möchten Sie zur Sache aussagen?«, antwortet die Beschuldigte: »Auf jeden Fall«, und schildert nun freimütig ihre Sicht der Ereignisse.

»Ich hatte das erste Mal Kontakt im Januar. Ich stand am Flughafen, wollte gerade in meinen Jahresurlaub reisen, als ein Anruf kam«, beginnt die Hebamme. Das Telefonat mit der Schwangeren, die auf der Suche nach einer Hebamme für ihre Hausgeburt war, habe sehr lange gedauert, »40 Minuten ungefähr«. Bereits da sei deutlich geworden, wie sehr sie die seelischen Folgen der ersten Geburt noch belastet hätten. »Sie war völlig traumatisiert«, schildert die Hebamme. Eigentlich sei auch damals eine Hausgeburt geplant gewesen, aber die betreuende Hebamme habe sie nach zehn Tagen Terminüberschreitung an die Klinik verwiesen. Dort sei die Geburt über drei Tage mit Cytotec eingeleitet worden, damals im Off-Lable-Use. Inzwischen sei das Mittel in der Geburtshilfe verboten. Dieses Detail sei relevant, betont die Hebamme gegenüber den Kriminalbeamtinnen, denn die Mutter habe damals nach der Geburt geblutet.

Über weitere zwei Tage sei anschließend Oxytocin als Wehentropf eingesetzt worden. Nach fünf Tagen im Krankenhaus habe die Gebärende dann eine PDA erhalten. Es sei auch danach schleppend weitergegangen, der Wehentropf sei die ganze Zeit weiter gelaufen. Irgendwann sei die Geburt schließlich mit der Saugglocke beendet worden. Nach einem so langen Einsatz von Oxytocin kämen verstärkte Blutungen sehr häufig vor. Für die Blutung sei auch von Bedeutung, dass die Gebärende einen großen mediolateralen Dammschnitt erhalten habe und der Kristeller-Handgriff angewandt worden sei: »Da wird von oben mit dem Unterarm auf das Kind gedrückt und einer zieht unten mit der Saugglocke. Das ist nicht schön.« Der Handgriff sei mehr oder weniger untersagt, erläutert die Hebamme.

Während die Schwangere ihr das alles am Telefon erzählt habe, habe sie geweint und gesagt, die Geburt sei total schlimm gewesen. Für sie sei klar, dass diesmal nichts anderes als eine Hausgeburt in Frage käme. Die Hebamme habe der Anruferin geraten, das Erlebnis mit einer Trauma-Therapeutin zu bearbeiten und ihr auch direkt den Kontakt zu einer geeigneten Therapeutin geschickt. Sie habe sich dann verabschiedet: »Ich bin gleich im Flugzeug und melde mich, wenn ich zurück bin.«

Nach dem Urlaub habe sie die Schwangere betreut und entsprechend den Empfehlungen der Mutterschaftsrichtlinien regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt, 14 insgesamt – sowie elf telefonische Beratungen und zusätzlich ein Aufklärungsgespräch über die Hausgeburt Anfang August.

Die beiden Frauen hätten vorher jahrelang vergeblich versucht, über eine Spermaspende schwanger zu werden. Schließlich hätten sie sich bei beiden Schwangerschaften für einen Embryotransfer in Tschechien entschieden. Die Kontakte zur behandelnden Frauenärztin seien reduzierter gewesen, weil die Schwangere sich nicht den kritischen Diskussionen über eine Hausgeburt hatte aussetzen wollen. Es habe aber mehrere Ultraschalluntersuchungen bei zwei weiteren Frauenärztinnen gegeben. Im April seien die Schwangere und ihre Frau an Corona erkrankt, hätten das aber gut überstanden. Die Hebamme beschreibt ausführlich die Zeit der Schwangerschaftsvo


Hinweis: Im vierten Teil geht es um die weitere Befragung der Hebamme zur Geburt und die überraschende Einstellung des Straf­prozessverfahrens.


Zitiervorlage
Baumgarten, K. (2024). Schwurgerichtsprozess am Landgericht Bochum, Teil 3:. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 76 (1), 80–83.
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