Das Neugeborene ist durch hormonelle Steuerung optimal auf die Geburt vorbereitet. Intrauterin wird es von der Mutter mitversorgt: Durch die Plazenta bekommt es eine konstante Infusion an Glukose, Fettsäuren und Proteinen. Bereits früh in der Schwangerschaft beginnt das Kind, hepatische Glykogenspeicher anzulegen, die in der unmittelbaren Postnatalperiode als Energielieferanten zur Verfügung stehen. Vor der Geburt ist der Stoffwechsel anabol (siehe Glossar). Die Glukoseversorgung des Neugeborenen durch die Plazenta endet mit der Durchtrennung der Nabelschnur, gleichzeitig steigen die Spiegel von zirkulierendem Adrenalin und Noradrenalin (Kimura 1883; Riley 2017).
Der Stoffwechsel ist nun katabol. Damit steigt Glukagon an und der Insulinspiegel sinkt (siehe Glossar). Der katabole Stoffwechsel sorgt durch den Abbau von energieliefernden Nährstoffen für die kontinuierliche Energieproduktion von Glukose durch Glykogen-Abbau und Lipolyse.
Erst zwölf Stunden nach der Geburt kommt es zur Glukoneogenese (siehe Glossar). Die Neubildung von Glukose in der Leber beträgt 4–6 mg pro kg Körpergewicht pro Minute. Sie beträgt allerdings nur noch etwa 2 mg pro kg Körpergewicht pro Minute, wenn das Insulin ansteigt, nach einer unphysiologischen Nahrungsaufnahme – also durch zusätzliche Gabe von Nahrung zum Kolostrum. Denn durch diese Veränderungen werden die Glukoneogenese und die Mobilisation der Glykogenspeicher in der Leber stimuliert, dem Kind steht weniger Glukose zur Verfügung.
Bei Neugeborenen wird der tiefste Glukosespiegel etwa 30–90 Minuten nach der Geburt erreicht. Danach ist normalerweise eine Stabilisierung des Glukosehaushalts durch die Mobilisation der Glykogenspeicher der Leber und eine Glukoneogenese gewährleistet. Bei Risikokindern könnte dieser tiefe Wert allerdings auf einen zu niedrigen Wert abfallen.
Wie viel Glukose braucht der Körper?
Frühes Zufüttern von Nahrung zusätzlich zum Kolostrum behindert den Stoffwechselablauf, denn dadurch ausgelöste hohe Insulinspiegel verhindern die Lipolyse (siehe Glossar). Zusätzlich entsteht ein erhöhter Energieverbrauch durch die Umstellung auf einen anabolen Stoffwechsel. Deshalb ist ein Zufüttern in den ersten 72 Lebensstunden bei reifen und gesunden Neugeborenen normalerweise nicht erforderlich. Der reichliche Milchfluss (mit der Laktogenese 2 beginnend) kann in diesem Zeitraum in der Regel abgewartet werden (AWMF-Leitlinie 2012).
Ein sehr hohes Risiko für eine neonatale Hypoglykämie haben Kinder diabetischer Mütter, Neugeborene mit verminderten Glykogenspeichern (SGA-Kinder und frühgeborene Kinder), schwer kranke Kinder beziehungsweise Neugeborene mit Fettstoffwechselstörungen. Diese Kinder profitieren von einer Frühfütterung mit Kolostrum 30 Minuten nach der Geburt, um den physiologisch niedrigsten Blutzuckerwert eine Stunde post partum abzupuffern, der bei ihnen zu niedrig sein könnte. Das menschliche Gehirn braucht aufgrund seiner enormen Größe und seines energetisch außerordentlich hohen Bedarfs eine gute Versorgung, um gegebenenfalls bleibende kognitive Störungen zu verhindern.
Bei älteren Feten und Neugeborenen beansprucht das Gehirn über 60 % des gesamten Basalstoffwechsels des Körpers, obwohl es nur 13 % der Körpermasse einnimmt. Bei Erwachsenen nimmt das Gehirn mit 2 % der Gesamtkörpermasse immer noch 20 % des gesamten Körperstoffwechsels in Anspruch. Darauf sind sowohl die Größe und Leistungsfähigkeit der menschlichen Plazenta ausgerichtet, als auch die Ausbildung des subkutanen Fettgewebes beim gesunden Neugeborenen. In der Regel verbraucht das Gehirn nur Glukose, in der Situation nach der Geburt kann es aber über 75 % seines Stoffwechsels aus Ketonkörpern decken, die aus dem Fettgewebe mobilisiert werden können (Girard et al. 1992).
Den Energiebedarf decken
Beim Neugeborenen sind Energieverbrauch für Wachstum und Verluste über das Mekonium in den ersten drei Tagen zu vernachlässigen, während Grundumsatz und Aktivität in dieser Zeit deutlich reduziert sind. Für die ersten drei Lebenstage lässt sich daher ein Energiebedarf von 35–50 kcal pro Kilogramm Körpergewicht und Tag ermitteln. Entsprechend ist auch der Sauerstoffverbrauch in dieser Zeit noch reduziert. Voraussetzung für diesen anfangs noch geringen Energieumsatz ist allerdings, dass das Neugeborene warmgehalten wird, keinen Sauerstoffmangel erleidet und ein unnötiger Trennungsstress vermieden wird. Ununterbrochenes Bonding nach der Geburt, wie es die »10 Schritte zum erfolgreichen Stillen nach WHO und Unicef« vorgeben, sind eine hervorragende Handlungsempfehlung, dies zu ermöglichen.
Beim wachsenden Säugling hingegen beträgt der Energiebedarf im ersten Lebensvierteljahr etwa 120 kcal pro Kilogramm Körpergewicht und Tag: Der Energieumsatz ist die Summe vom Grundumsatz (45 %), Wachstum (35–40 %), Aktivität (5–10 %) und Ausscheidung (10 %).
Die reichliche Milchbildung beginnt erst mit einer gewissen Verzögerung, angepasst an die zunehmende Verdauungskapazität des kindlichen Magen-Darm-Traktes (NSK 2001).