Das in den meisten natürlichen Nahrungsmitteln enthaltene Fett besteht – wie das Körperfett – hauptsächlich aus langkettigen Fettsäuren mit einer Länge von 18 bis 20 Kohlenstoffeinheiten. Ohne MCAD endet die Zerlegung der Fettsäuren und die damit verbundene Energiegewinnung weitgehend bei einer Kettenlänge der Fettsäuren von acht Einheiten. Abbildung: © Birgit Heimbach

Warum bekommt ein Kind eine Fettsäurenoxidationsstörung? Wie lässt sie sich frühzeitig diagnostizieren und behandeln? In jedem Fall hat sich die Prognose für Kinder mit diesen Erkrankungen seit der Einführung des erweiterten Neugeborenenscreenings deutlich verbessert. Das Screening liefert allerdings immer nur eine Verdachtsdiagnose, die durch weitere Untersuchungen bestätigt werden muss.

Störungen der Fettsäurenoxidation sind angeborene, erbliche Stoffwechseldefekte. Unerkannt können diese Erkrankungen tödlich verlaufen. Seit der Einführung des erweiterten Neugeborenenscreenings in Deutschland werden entsprechend der Richtlinie von 2005 alle Neugeborenen auf 14 verschiedene endokrinologische Krankheiten und Stoffwechselstörungen untersucht. Von den zwölf metabolischen Zielkrankheiten des Screenings sind die Hälfte Störungen der Fettsäurenoxidation. Vor Einführung des erweiterten Screenings verstarben viele betroffene Kinder bereits im Säuglingsalter im Rahmen sogenannter Stoffwechselkrisen. Das Neugeborenenscreening, das in der überwiegenden Zahl der Fälle eine Diagnose und Therapieeinleitung noch vor Entwicklung klinischer Symptome ermöglicht, hat die Prognose für betroffene Kinder deutlich verbessert.

Die Fettsäurenoxidation

Fette dienen als Energiespeicher des Körpers. In Phasen, in denen der Körper nicht ausreichend Energie über die Nahrung zugeführt bekommt, greift er auf diese Energiereserven zurück. In solchen Phasen wird Fett abgebaut. Dabei wird das Fett in seine Bestandteile zerlegt und es entstehen die Fettsäuren, die sich aus aneinandergereihten Kohlenstoffeinheiten zusammensetzen (siehe Abbildung 1). Speicherfett enthält vor allem langkettige Fettsäuren mit 16 bis 18 Kohlenstoffeinheiten. Auch das Fett in der Nahrung besteht aus langkettigen Fettsäuren. Mittelkettige und kurzkettige Fettsäuren entstehen durch Verkürzung der langkettigen Fettsäuren im Körper.

Damit die Fettsäuren regelrecht abgebaut werden können, müssen sie zunächst in die Mitochondrien transportiert werden. Hierzu müssen sie an eine andere körpereigene Substanz, das Carnitin, gebunden und als Acylcarnitine über die Mitochondrienmembran geschleust werden. Auch im carnitingebundenen Transportsystem der langkettigen Fettsäuren gibt es angeborene Defekte, die sekundär zur Blockierung des Abbaus langkettiger Fettsäuren führen können. Solche Stoffwechseldefekte werden unter dem Sammelbegriff Carnitinzyklusstörungen subsummiert.

Während manche Organe, wie beispielsweise die Muskulatur oder das Herz, die aus der Fettsäurenoxidation entstehende Energie direkt nutzen können, ist das Gehirn (falls nicht ausreichend Glucose vorhanden ist) auf Ketonkörper als Energiequelle angewiesen. Diese werden vor allem in der Leber aus den bei der Fettsäurenoxidation entstehenden Zweier-Kohlenstoffeinheiten produziert.

Einige Zielkrankheiten

Folgende Stoffwechseldefekte der Fettsäurenoxidation und des Carnitinzyklus sind Zielkrankheiten des erweiterten Neugeborenenscreenings:

Störungen der Fettsäurenoxidation:

  1. Mittelkettiger Acyl-CoA-Dehydrogenase (MCAD)-Mangel
  2. Sehr langkettiger Acyl-CoA-Dehydrogenase (VLCAD)-Mangel
  3. Langkettiger 3-hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase (LCHAD)-Mangel

Carnitinzyklus-Defekte:

  1. Carnitin-Palmitoyltransferase I-Mangel
  2. Carnitin/Acylcarnitin Translokase-Mangel
  3. Carnitin-Palmitoyltransferase II-Mangel

Der Mittelkettige Acyl-CoA-Dehydrogenase-(MCAD-)Mangel ist mit einer Prävalenz von circa 1 : 10.000 der mit Abstand häufigste dieser Stoffwechseldefekte, die übrigen Defekte treten mit einer Prävalenz von 1 : 100.000 oder seltener auf. Seit Einführung des Screenings ist die Häufigkeit gestiegen. Dies liegt unter anderem auch daran, dass mildere klinische Verlaufsformen im Screening miterfasst werden, die vorher nicht diagnostiziert wurden. Diesen milderen Verlaufsformen liegen in der Regel auch andere Mutationen zugrunde (Sturm 2012).

Da bei Fettsäurenoxidationsstörungen die Energiegewinnung aus Fettsäuren beeinträchtigt ist, droht in katabolen Situationen die Gefahr eines Energiedefizits. Dieses kann für den Körper schwerwiegende Folgen haben. PatientInnen mit Fettsäurenoxidationsdefekten haben ein hohes Risiko, sogenannte Stoffwechselentgleisungen zu entwickeln.

Häufig treten dabei vor allem neurologische Symptome wie Apathie und Somnolenz auf, die unbehandelt bis zum Koma und Tod des Patienten fortschreiten können. Gleichzeitig finden sich laborchemisch niedrige Blutzuckerspiegel. Da das Hauptproblem das Energiedefizit darstellt, ist es leicht verständlich, dass vor allem Organe mit einem hohen Energiebedarf im Rahmen von Stoffwechselentgleisungen betroffen sind. Dazu zählen neben dem Gehirn insbesondere das Herz und die Muskulatur. Klinisch äußert sich dieser Energiemangel als Kardiomyopathie, Muskelschwäche, Muskelschmerzen oder episodische Rhabdomyolyse (Muskelfaserzerfall). Die Leber ist mitbetroffen, da sich dort die Fettsäuren, die nicht verstoffwechselt werden können, als Triglyceride ablagern. Klinisch findet sich eine Hepatomegalie mit Trans­aminasenerhöhung. In der Regel sind PatientInnen mit Störungen der langkettigen Fettsäurenoxidation schwerer betroffen als PatientInnen mit einem MCAD-Mangel, also einer Störung der Oxidation mittelkettiger Fettsäuren. Letztere können zumindest ein Drittel der in den Nahrungsfetten enthaltenen Energie nutzen.

Besondere Gefahr für eine Stoffwechselentgleisung besteht immer dann, wenn es zu einer katabolen Stoffwechsellage kommt, wenn der Körper also auf die Nutzung seiner Energiereserven angewiesen ist. Dies ist insbesondere bei längeren Nüchternphasen oder im Rahmen fieberhafter Infekte, bei denen ein erhöhter Energiebedarf besteht, der Fall. Aber auch bereits die physiologische postpartale Katabolie aufgrund der noch mangelnden Energiezufuhr über die Muttermilch kann bei Neugeborenen mit einer Fettsäuren­oxidationsstörung zu einer Stoffwechselkrise führen. Häufige Triggerfaktoren von Stoffwechselentgleisungen bei Erwachsenen sind:

  • postpartale Katabolie
  • große Mahlzeitenabstände
  • fieberhafte Infekte
  • Kinderkrankheiten
  • Magen-Darm-Grippe mit Erbrechen und Durchfall
  • Diäten
  • Nüchtern-Phasen vor Operationen ohne geeignete Energiezufuhr
  • Alkoholexzesse.

Fettsäurenoxidationsstörungen sind erbliche Krankheiten. Alle Störungen der Fettsäurenoxidation sowie des Carnitinzyklus werden autosomal rezessiv vererbt. Das Wiederholungsrisiko für ein Paar, das bereits ein betroffenes Kind hat, liegt somit für jede folgende Schwangerschaft bei 25 Prozent. Familien, bei denen eine Fettstoffwechselstörung diagnostiziert wurde, sollten daher unbedingt eine genetische Beratung erhalten, im Rahmen derer die Eltern über das Wiederholungsrisiko sowie eine eventuelle Pränataldiagnostik aufgeklärt werden. Seit dem Neugeborenenscreening und der frühzeitigen Diagnose haben viele dieser Enzymdefekte allerdings solch eine gute Prognose, dass eine Pränataldiagnostik in vielen Fällen nicht mehr geboten scheint.

Biochemische Diagnose

Die genannten Fettsäurenoxidationsstörungen und Carnitinzyklusdefekte können in der Regel biochemisch, das heißt durch die Untersuchung verschiedener Metabolite, diagnostiziert werden. Die wichtigste Analyse ist dabei die Bestimmung der Acylcarnitine mittels Tandemmassenspektrometrie. Diese Untersuchung wird auch im erweiterten Neugeborenenscreening eingesetzt. Bei manchen Krankheiten können auch Stoffwechselprodukte diagnostisch wegweisend sein, die sich mittels der Analyse der organischen Säuren im Urin der Patienten – unabhängig vom Alter – nachweisen lassen.

Da manche PatientInnen nur in katabolen Situationen ein auffälliges Metabolitenprofil zeigen, können einige dieser Stoffwechseldefekte im Neugeborenenscreening übersehen werden – insbesondere, wenn dieses nicht in dem vorgegebenen Zeitraum von 36 bis 72 Lebensstunden erfolgt, sondern zu einem späteren Zeitpunkt, wenn das Kind durch ausreichende Energiezufuhr über die Muttermilch bereits anabol ist. Ein negativer Neugeborenenscreening-Befund schließt also eine Fettsäurenoxidationsstörung nicht hundertprozentig aus. Bei auffälligem Acylcarnitinprofil im Erstscreening kann auch das Zweitscreening, das nach der 72. Lebensstunde abgenommen wurde, unauffällig sein. Auch in solch einem Fall kann eine Fettsäurenoxidationsstörung nicht sicher ausgeschlossen werden.

Auch das selektive Screening, das heißt die Untersuchung bei klinischem Verdacht, sollte, wenn möglich, in kataboler Stoffwechsellage oder bei Vorliegen klinischer Symptome erfolgen.

Im Verdachtsfall

Das Neugeborenenscreening liefert immer nur eine Verdachtsdiagnose, die durch weitere Untersuchungen bestätigt werden muss. Da Kinder mit Fettsäuren­oxidationsstörungen bereits in den ersten Lebenstagen gefährdet sind, eine Stoffwechselentgleisung zu entwickeln, sollte die Bestätigungsdiagnostik sobald wie möglich erfolgen. Mit Ausnahme des MCAD-Mangels und des Carnitin-Palmitoyl-Transferase I-Mangels stellt die Diagnose einer Fettsäurenoxidationsstörung im Neugeborenenscreening immer eine Notfallsituation dar. In diesen Fällen sollte eine sofortige ärztliche Beurteilung und Einleitung weiterer Diagnostik sowie gegebenenfalls spezifischer Therapiemaßnahmen erfolgen. Beim MCAD-Mangel ist es ausreichend, das Kind am nächsten Arbeitstag in einem Stoffwechselzentrum vorzustellen, wenn es in klinisch unauffälligem Zustand ist. Die Eltern müssen aber unbedingt sofort darüber aufgeklärt werden, dass ihr Kind mit Muttermilch oder üblicher Säuglingsnahrung in ausreichender Menge und in den üblichen Abständen – alle drei bis vier Stunden – versorgt werden muss. Eine Übersicht, welche Maßnahmen im entsprechenden Verdachtsfall notwendig sind, ist aus Tabelle 1 ersichtlich. Da für alle Defekte milde und schwere Verlaufsformen existieren, können auch PatientInnen mit einem VLCAD- oder LCHAD-Mangel komplett asymptomatisch sein.

Die genannten Metaboliten-Analysen können die Diagnose oft nicht definitiv sichern; dies betrifft insbesondere die Störungen der Oxidation langkettiger Fettsäuren. Zur definitiven Bestätigungsdiagnostik stehen enzymatische und molekulargenetische Untersuchungen (ACAD-Gene) zur Verfügung. Bei einigen Fettsäurenoxidationsstörungen gibt es häufige Mutationen, die zum Teil eine Aussage über den Schweregrad der Stoffwechselstörung erlauben (Andresen 2001, Maier 2005).

Enzymatische Untersuchungen

Insbesondere bei Diagnose eines MCAD- oder eines VLCAD-Mangels im Neugeborenenscreening empfiehlt sich zur weiteren Abklärung die Durchführung einer enzymatischen Untersuchung. Bei dieser Analyse wird die Restaktivität des betroffenen Enzyms gemessen. Die Untersuchungen erfolgen in Leukozyten der Patienten. Hierfür werden zwei Milliliter EDTA-Blut benötigt, das innerhalb von 48 Stunden nach Abnahme im Labor ankommen muss. Enzymaktivitätsmessungen sind funktionelle Untersuchungen, das heißt anhand der Ergebnisse lassen sich Aussagen über den Schweregrad der Erkrankung machen. Je höher die Restaktivität eines Enzyms, desto milder ist die zu erwartende Symptomatik. Dies ist insbesondere von Bedeutung, da bei einer Diagnose über das Neugeborenenscreening die PatientInnen in aller Regel asymptomatisch sind, so dass sich klinisch keine Voraussage machen lässt, wie schwer ein Kind betroffen ist.

Die Bestimmung der Restaktivität hilft in diesen Fällen auch bei Therapieentscheidungen. Kinder mit einem schweren VLCAD-Mangel, das heißt mit einer sehr niedrigen Restaktivität unter zehn Prozent, werden zusätzlich zu regelmäßigen Mahlzeiten in der Regel mit einer fettarmen Diät ernährt (50 Prozent Muttermilch und 50 Prozent fettmodifizierte Milch mit mittelkettigen Fettsäuren), während Kinder mit einer milderen Form der Erkrankung weiterhin voll gestillt werden können.

Erfolge des Neugeborenenscreenings

Die Prognose von PatientInnen mit Fettsäurenoxidationsstörungen hat sich seit der Einführung des erweiterten Neugeborenenscreenings deutlich verbessert. Dies gilt besonders für den MCAD-Mangel und den VLCAD-Mangel. Vor Einführung des Screenings verstarb fast ein Viertel der betroffenen PatientInnen im Rahmen einer Stoffwechselentgleisung, und ein weiteres Viertel der überlebenden Kinder entwickelte Spätfolgen, meist in Form geistiger Behinderungen (Wilcken 2010). Dagegen lassen sich Stoffwechselkrisen nach Diagnosestellung durch entsprechende Maßnahmen in aller Regel verhindern. Die Kinder können sich heute normal entwickeln, Todesfälle nach Diagnosestellung stellen eine absolute Seltenheit dar (Wilcken 2010).

Auch das Outcome von PatientInnen mit Störungen der langkettigen Fettsäurenoxidation und des Carnitinzyklus hat sich nach Einführung des Neugeborenenscreenings verbessert. Allerdings lassen sich bei diesen Erkrankungen Stoffwechselkrisen nicht in allen Fällen verhindern. Für einige definierte Enzymdefekte, wie den neonatalen Defekt des trifunktionalen Proteins oder den neonatalen CACT-Mangel, besteht immer noch eine hohe Sterblichkeit im Säuglingsalter.

Milde spätmanifeste Formen können sich allerdings auch erstmals als Muskelschwäche und Muskelschmerzen im Jugendlichen- oder Erwachsenenalter zeigen. Ein kritischer Aspekt des Screenings ist, dass hierüber auch milde Stoffwechseldefekte identifiziert werden können, die unter Umständen klinisch nie auffällig werden und dennoch ein Leben lang zur Stigmatisierung und zu lebenslanger Sorge führen. Aus diesem Grund ist es wichtig, so früh wie möglich zu einer guten Einschätzung des zu erwartenden Phänotyps zu gelangen. Dies ist aktuell am besten durch die Enzymanalyse möglich.

Zitiervorlage
Spiekerkötter U et al.: Störungen der Fettsäurenoxidation: Wenn ein Verdacht besteht…. DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 2014. 66 (7): 50–53
https://staudeverlag.de/wp-content/themes/dhz/assets/img/no-photo.png