Häufig treten dabei vor allem neurologische Symptome wie Apathie und Somnolenz auf, die unbehandelt bis zum Koma und Tod des Patienten fortschreiten können. Gleichzeitig finden sich laborchemisch niedrige Blutzuckerspiegel. Da das Hauptproblem das Energiedefizit darstellt, ist es leicht verständlich, dass vor allem Organe mit einem hohen Energiebedarf im Rahmen von Stoffwechselentgleisungen betroffen sind. Dazu zählen neben dem Gehirn insbesondere das Herz und die Muskulatur. Klinisch äußert sich dieser Energiemangel als Kardiomyopathie, Muskelschwäche, Muskelschmerzen oder episodische Rhabdomyolyse (Muskelfaserzerfall). Die Leber ist mitbetroffen, da sich dort die Fettsäuren, die nicht verstoffwechselt werden können, als Triglyceride ablagern. Klinisch findet sich eine Hepatomegalie mit Transaminasenerhöhung. In der Regel sind PatientInnen mit Störungen der langkettigen Fettsäurenoxidation schwerer betroffen als PatientInnen mit einem MCAD-Mangel, also einer Störung der Oxidation mittelkettiger Fettsäuren. Letztere können zumindest ein Drittel der in den Nahrungsfetten enthaltenen Energie nutzen.
Besondere Gefahr für eine Stoffwechselentgleisung besteht immer dann, wenn es zu einer katabolen Stoffwechsellage kommt, wenn der Körper also auf die Nutzung seiner Energiereserven angewiesen ist. Dies ist insbesondere bei längeren Nüchternphasen oder im Rahmen fieberhafter Infekte, bei denen ein erhöhter Energiebedarf besteht, der Fall. Aber auch bereits die physiologische postpartale Katabolie aufgrund der noch mangelnden Energiezufuhr über die Muttermilch kann bei Neugeborenen mit einer Fettsäurenoxidationsstörung zu einer Stoffwechselkrise führen. Häufige Triggerfaktoren von Stoffwechselentgleisungen bei Erwachsenen sind:
- postpartale Katabolie
- große Mahlzeitenabstände
- fieberhafte Infekte
- Kinderkrankheiten
- Magen-Darm-Grippe mit Erbrechen und Durchfall
- Diäten
- Nüchtern-Phasen vor Operationen ohne geeignete Energiezufuhr
- Alkoholexzesse.
Fettsäurenoxidationsstörungen sind erbliche Krankheiten. Alle Störungen der Fettsäurenoxidation sowie des Carnitinzyklus werden autosomal rezessiv vererbt. Das Wiederholungsrisiko für ein Paar, das bereits ein betroffenes Kind hat, liegt somit für jede folgende Schwangerschaft bei 25 Prozent. Familien, bei denen eine Fettstoffwechselstörung diagnostiziert wurde, sollten daher unbedingt eine genetische Beratung erhalten, im Rahmen derer die Eltern über das Wiederholungsrisiko sowie eine eventuelle Pränataldiagnostik aufgeklärt werden. Seit dem Neugeborenenscreening und der frühzeitigen Diagnose haben viele dieser Enzymdefekte allerdings solch eine gute Prognose, dass eine Pränataldiagnostik in vielen Fällen nicht mehr geboten scheint.
Biochemische Diagnose
Die genannten Fettsäurenoxidationsstörungen und Carnitinzyklusdefekte können in der Regel biochemisch, das heißt durch die Untersuchung verschiedener Metabolite, diagnostiziert werden. Die wichtigste Analyse ist dabei die Bestimmung der Acylcarnitine mittels Tandemmassenspektrometrie. Diese Untersuchung wird auch im erweiterten Neugeborenenscreening eingesetzt. Bei manchen Krankheiten können auch Stoffwechselprodukte diagnostisch wegweisend sein, die sich mittels der Analyse der organischen Säuren im Urin der Patienten – unabhängig vom Alter – nachweisen lassen.
Da manche PatientInnen nur in katabolen Situationen ein auffälliges Metabolitenprofil zeigen, können einige dieser Stoffwechseldefekte im Neugeborenenscreening übersehen werden – insbesondere, wenn dieses nicht in dem vorgegebenen Zeitraum von 36 bis 72 Lebensstunden erfolgt, sondern zu einem späteren Zeitpunkt, wenn das Kind durch ausreichende Energiezufuhr über die Muttermilch bereits anabol ist. Ein negativer Neugeborenenscreening-Befund schließt also eine Fettsäurenoxidationsstörung nicht hundertprozentig aus. Bei auffälligem Acylcarnitinprofil im Erstscreening kann auch das Zweitscreening, das nach der 72. Lebensstunde abgenommen wurde, unauffällig sein. Auch in solch einem Fall kann eine Fettsäurenoxidationsstörung nicht sicher ausgeschlossen werden.
Auch das selektive Screening, das heißt die Untersuchung bei klinischem Verdacht, sollte, wenn möglich, in kataboler Stoffwechsellage oder bei Vorliegen klinischer Symptome erfolgen.
Im Verdachtsfall
Das Neugeborenenscreening liefert immer nur eine Verdachtsdiagnose, die durch weitere Untersuchungen bestätigt werden muss. Da Kinder mit Fettsäurenoxidationsstörungen bereits in den ersten Lebenstagen gefährdet sind, eine Stoffwechselentgleisung zu entwickeln, sollte die Bestätigungsdiagnostik sobald wie möglich erfolgen. Mit Ausnahme des MCAD-Mangels und des Carnitin-Palmitoyl-Transferase I-Mangels stellt die Diagnose einer Fettsäurenoxidationsstörung im Neugeborenenscreening immer eine Notfallsituation dar. In diesen Fällen sollte eine sofortige ärztliche Beurteilung und Einleitung weiterer Diagnostik sowie gegebenenfalls spezifischer Therapiemaßnahmen erfolgen. Beim MCAD-Mangel ist es ausreichend, das Kind am nächsten Arbeitstag in einem Stoffwechselzentrum vorzustellen, wenn es in klinisch unauffälligem Zustand ist. Die Eltern müssen aber unbedingt sofort darüber aufgeklärt werden, dass ihr Kind mit Muttermilch oder üblicher Säuglingsnahrung in ausreichender Menge und in den üblichen Abständen – alle drei bis vier Stunden – versorgt werden muss. Eine Übersicht, welche Maßnahmen im entsprechenden Verdachtsfall notwendig sind, ist aus Tabelle 1 ersichtlich. Da für alle Defekte milde und schwere Verlaufsformen existieren, können auch PatientInnen mit einem VLCAD- oder LCHAD-Mangel komplett asymptomatisch sein.