Aufnahmen der Brust im Rahmen einer kosmetischen Brustvergrößerung in einer Kölner Klinik – trotz vorhandener Risiken nehmen viele Frauen den Eingriff in Kauf. Foto: © imago/Udo Gottschalk

Der Trend zu rein kosmetischen Operationen nimmt weiterhin zu. Besonders Brustvergrößerungen stehen bei jungen Frauen hoch im Kurs. Hebammen beobachten bereits Auswirkungen auf das Stillverhalten. Ob es noch weitere Folgen für die Mutter-Kind-Bindung und für Körperbewusstsein und Gesundheit gibt, ist noch nicht absehbar.

Drei Fälle aus meiner Praxis als Hebamme haben mich nachdenklich gestimmt: Zunächst gab es eine Wiederbegegnung mit Ingrid, 36 (Name geändert). Ich habe Ingrid in ihrer ersten Schwangerschaft betreut und bei der Geburt begleitet: eine junge Frau, gutaussehend, schlank. Der Busen war damals kein Gesprächsthema. Alles verlief komplikationslos und ich nahm sie als eine sehr fürsorgliche Mutter wahr, die auch stillte.

Ingrid

Jetzt habe ich sie bei der Geburt ihrer Zwillinge wiedergetroffen, bei der ich als Gast dabei sein durfte. Nach einer komplikationslosen Spontangeburt half ich ihr, die Kinder an die Brust anzulegen. Da eröffnete sie mir, dass sie mittlerweile Brustimplantate habe und langfristig nicht stillen möchte. Wir waren uns im Kreißsaal einig, die Kinder dennoch erst einmal anzulegen, um ihnen zumindest die Vormilch zugute kommen zu lassen. Diese, das konnte man sehen, war reichlich vorhanden.

Das Ereignis befremdete mich.

Ich traf Ingrid wieder zum letzten Wochenbettbesuch und nutzte die Gelegenheit, um mit ihr ein vertrauliches Gespräch zu führen, während jede von uns ein Kind mit der Flasche fütterte. Sie erzählte, dass sie ihre Brust schon immer als zu klein empfunden habe. Und dass sie sehr eitel sei. Sie habe die OP für sich selbst gewollt. Mit ihrem Mann habe das gar nichts zu tun. Wenn sie die nötigen 7.000 Euro schon früher gehabt hätte, dann wäre die OP schon eher erfolgt. Der Eingriff vor drei Jahren sei komplikationslos verlaufen. Sie bereue nichts.

Im Gegenteil: Seit sie die Implantate habe, fühle sie sich besser und weiblicher. Ihr Selbstbewusstsein sei deutlich gestiegen. Ihr Mann liebe sie so oder so, aber der Sex sei aus ihrer Perspektive jetzt besser, weil sie sich schöner und begehrenswerter empfinde. Den Kindern gegenüber habe sie kein schlechtes Gewissen. Da es zwei sind, wäre es wohl ohnehin schwieriger gewesen zu stillen. Abgestillt habe sie dann medikamentös noch im Krankenhaus und das auch gut vertragen. Niemand habe ihr irgendwelchen Druck gemacht und versucht sie zu manipulieren.

Ingrid hatte ein großes Problem beim Legen einer Braunüle zur Geburt. Einen Kaiserschnitt konnte sie sich partout nicht vorstellen. Ich fragte sie, wie sie diese Widersprüche vereinbare: einerseits Vollnarkose und Brust-OP, andererseits ihre Ablehnung von Spritzen und Nadeln. Sie musste lachen und eingestehen, dass sie sich das selbst nicht erklären könne. Sie konnte völlig entspannt über dieses Thema reden und versicherte sehr glaubhaft, mit ihrer Entscheidung glücklich und zufrieden zu sein. Mich hat dieses Gespräch eher verunsichert.

Hanna

Ich erinnere mich weiterhin an Hanna (Namen geändert). Ich hab sie bei zwei Schwangerschaften und Geburten betreut. Hanna ist eine äußerst attraktive Frau. Die erste Schwangerschaft und Geburt verliefen völlig unkompliziert und sie konnte ihre Tochter lange Zeit voll stillen. Etwa zwei Jahre später traf ich sie auf der Straße wieder und sie erzählte mir unverblümt von ihren neuen Brüsten. Nach dem Stillen sei ihr Busen kleiner geworden und habe derart gehangen, dass sie es nicht mehr mitansehen konnte und sich für die Implantate entschieden habe.

Meine damalige Reaktion war Unverständnis. Ich konnte nicht nachvollziehen, warum eine ansonsten doch so perfekt schöne Frau einen so starken Leidensdruck bezüglich ihrer Brüste empfindet, dass sie zu so einer invasiven Maßnahme greift. Was mir jedoch sofort auffiel, war die veränderte Körperhaltung: Der Oberkörper war stark betont und herausgestreckt. Scheinbar hatte sich die Körperwahrnehmung verändert und das Zentrum des Körperbewusstseins in den Brustkorbbereich verlagert.

Hannas zweite Schwangerschaft verlief medizinisch ebenfalls unkompliziert. Die Geburt zog sich über Stunden hin und wir haben den gesamten Rahmen natürlicher und medizinischer Maßnahmen ausgeschöpft, um das Kind nach unten ins Becken zu bewegen. Leider endete die Geburt im OP mit einem Kaiserschnitt. Alle Beteiligten waren komplett erschöpft.

Noch heute sehe ich vor meinem geistigen Auge diesen schönen, starken Körper auf dem OP Tisch liegen und festgeschnallt, ein schöner Bauch, die Brüste standen steil nach oben – in dieser Position waren die Implantate deutlich zu erkennen.

Das Kind wog genauso viel wie das spontan Erstgeborene, keine außergewöhnliche Kopfform und auch intraoperativ gab es keinen Anhaltspunkt für den Geburtsstillstand. Das Stillen mit den Implantaten lief erst gut an, aber schon ziemlich bald wurde die Milchmenge geringer und ließ sich trotz Bemühungen nicht mehr steigern. Ich hab mich oft gefragt, ob ich als Hebamme etwas ausgelassen habe, was zum Erfolg hätte führen können.

Katrin

Eines Tages traf ich in der Stadt die 32-jährige Katrin (Name geändert). Ich sagte zu ihr: „Wow, siehst du wieder gut aus.” Sie hatte vor zwei Jahren ein sehr großes Kind von 4.700 Gramm geboren und ihren Sohn auch sehr lange voll gestillt. Wir haben kurz einen Kaffee zusammen getrunken und über ihren jetzigen Kummer gesprochen. Sie habe wieder angefangen zu jobben mit dem Ziel, eine Brust-OP finanzieren zu können. Ihre Brüste hingen schlaff wie zwei Schläuche fast bis zum Bauch. Sie könne das nicht ohne Schmerz anschauen. Beim Sex mit ihrem Mann ließe sie immer den BH an. Er sage zwar, ihm sei das egal, er fände sie auch so wunderschön. Aber sie könne ihm nicht glauben. Sie schäme sich. Ich sagte ihr, sie müsse etwas Geduld mit ihrem Körper haben, schließlich habe sie sehr schnell viel zu- und wieder abgenommen. Gute Ernährung, Sport und Massagen hätten bei mir auch geholfen. Sie hatte sich aber bereits entschlossen …

Trend zur Brüstvergrößerung

Die USA sind in punkto chirurgischer Brustvergrößerung Marktführer und sollen im Jahr 2011 etwa 284.350, im Jahr 2013 290.000 derartige Eingriffe gehabt haben. In Deutschland – Platz 9 der Weltrangliste – werden jährlich schätzungsweise 37.000 Brustvergrößerungen vorgenommen (Statista 2011). Gesicherte Daten sind nicht zu finden. Kosmetische Chirurgie im Allgemeinen scheint sich auch in Deutschland gesellschaftlich etabliert zu haben und gewinnt zunehmend ökonomische Bedeutung.

2013 waren nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC) 82,9 Prozent aller PatientInnen weiblich und nur 17,1 Prozent Männer. Mit 29,8 Prozent stellen die 18- bis 30-Jährigen den größten Anteil der Konsumentinnen dar, gefolgt von den 41- bis 50-Jährigen mit 24,3 Prozent und den 31- bis 40-Jährigen mit 20,4 Prozent.

Der beliebteste Eingriff bleibt trotz eines leichten Rückganges von 1,3 Prozent zum Vorjahr die Brustvergrößerung mit 22 Prozent. Die Zahl der Bruststraffungen stieg auf 8,3 Prozent aller operativen kosmetischen Eingriffe an. Brustverkleinerungen blieben mit fünf Prozent relativ konstant. Das Durchschnittsalter der Patientinnen mit Brustvergrößerungen beträgt 32 Jahre (DGÄPC, 2014).

Die Brustvergrößerung oder auch Mamma-Augmentation gilt unter plastischen ChirurgInnen als relativ unkomplizierter Eingriff. Auf ihrer Internetseite informiert die DGÄPC über OP-Techniken, Risiken, Qualitätsstandards und Kontaktadressen (www.dgaepc.de).

Beim Recherchieren zum Thema Brustimplantate trifft die interessierte Frau im Internet vorrangig auf Informationen von Anbietern dieser Dienstleistung. Diese preisen zumeist ihre Verfahren, bezeichnen sie als „etabliert” und weisen auf mittlerweile geringe Risiken laut wissenschaftlicher Studienlage hin. „Alles gut” und „normal”, soweit Frau bei „made in germany” bleibt (YouTube 4, 2014) und den „seriösen” Anbietern vertraut.

Bei YouTube finden sich zahlreiche Filmbeiträge zum Thema Brustvergrößerung. Hier kann Frau sich eine Brustoperation live ansehen, Zeugin unkritischer Naivität werden, aber auch wertvolle Erkenntnisse gewinnen, wenn sie reflektiert hinschaut. Frauen schildern ihre OP-Erfahrung und sogenannten Erfolge. Chirurgen bagatellisieren Risiken, indem sie ihre Routine bei diesem Eingriff betonen. Es sind aber auch Dokumentationen missglückter OPs zu finden: Am Ende steht ein strahlendes Lachen der Frau und Dankbarkeit an den Chirurgen, der das Malheur der ersten OP wieder geradegebogen hat. Kein Gedanke daran, dass es unter Umständen klüger gewesen wäre, einen solchen Eingriff grundsätzlich in seiner Sinnhaftigkeit und seinen Risiken zu überdenken. Die DGÄP bezeichnet das Ziel einer Brustvergrößerung als „eine natürlich vergrößerte Brust, ohne dass das Tragen von Brustimplantaten erkannt wird”.

Die medizinischen Risiken scheinen, ähnlich wie bei einem Kaiserschnitt, selten in ihrer Vollständigkeit erläutert zu werden. So kann eine wirklich Informierte Entscheidung, wie beispielsweise von der US-amerikanische Zulassungsbehörde Food and Drug Administration (FDA) gefordert, wohl auch selten gefällt werden (FDA 2011).

Risiken einer Brustvergrößerung:

  • Narkoserisiken: Vollnarkose über eine bis zwei Stunden mit sämtlichen bekannten Risiken: Mortalitätsrisiko bei gesunder Frau circa 1 : 1.000.000
  • OP-Risiken
  • Thrombose, Embolie,
  • chirurgische Komplikationen: Verletzung von Nerven und Lymphgefäßen (Folge: Taubheitsgefühle, besonders im Bereich der Mamillen)
  • Verletzung von Milchgängen/-drüsen und Brustmuskel
  • intraoperative Blutungen
  • postoperative Frühkomplikationen
  • Nachblutungen, Hämatome, postoperative Schmerzen
  • Entzündungen, Schwellungen, Infektionen
  • postoperative Spätkomplikationen
  • Spätinfektionen im Bereich des schlechter durchbluteten Gewebes
  • Verkalkungen
  • schmerzhafte Vernarbungen
  • Kapselfibrose (bei fünf Prozent aller OPs)
  • „Bleeding” (Austritt von Flüssigkeit aus den Implantaten)
  • Autoimmunreaktionen werden diskutiert, zum Beispiel Rheuma und Krebs
  • höheres Risiko für ein anaplastisches großzelliges Lymphom
  • kosmetisch unbefriedigende Ergebnisse
  • unschöne Narbenbildung und Dehnungsstreifen (Striae)
  • Faltenbildung („Rippling”),
  • Rotation und Dislokation der Implantate: Asymmetrien, „Symmastie”, „Double Bubble Effect”, „Waterfall deformity”, „Bottoming Out Effect”
  • Korrekturoperationen und damit verbundene Kosten und Risiken – Anzahl der Revisions-OPs um fünf Prozent (DGAPC)
  • erforderliches Auswechseln der Implantate etwa alle zehn Jahre
  • steigende Narkose- und OP-Risiken bei zunehmender Morbidität und höherem Alter
  • erschwerte Krebsfrüherkennungsdiagnostik
  • Beeinträchtigung des Stillvorgangs

(Implantate.ORg 2014; FDA 2011)

Das Material im Implantat

Implantate gibt es in verschiedenen Größen, Formen und Materialien. Die Größe D-Cup wird zunehmend bevorzugt (FAZ 2003). Die Hüllen der Implantate bestehen aus Silikon oder Polyurethan. Zum Teil sind die Oberflächen texturiert (aufgeraut), um das sogenannte „Bleeding” zu reduzieren. Die verschiedenen OP-Methoden werden dem „Frauentypus” individuell angepasst. Das Implantat kann axillar, submammär oder mammilär entweder submuskulär, subglandulär oder subfaszial eingebracht werden. Gelegentlich tritt eine Bruststraffung als zusätzliche OP hinzu. Die Implantate werden heutzutage mit Kochsalzlösung oder Silikon gefüllt. Im Durchschnitt enthalten sie 200 bis 300 Milliliter Füllmaterial.

Implantate mit Sojaöl sind wieder vom Markt abgerufen worden, weil sie Komplikationen verursachten. Der Silikonimplantate produzierende Konzern Dow Corning aus den USA bot damals (1998) den Opfern 3,35 Milliarden Dollar Schadensersatz an (Ärzteblatt 1998) und wurde gerichtlich dazu verurteilt, in einen Entschädigungsfonds (Breast Implant Global Settlement) einzuzahlen (Dow Corning Settlement Program and Claims Resolution Procedures).

Dann gab es den spektakulären Skandal um die französische Firma PIP, die minderwertiges Bausilikon in die Implantate füllte. Der unglaubliche Vorgang hat zahlreiche Schadensersatzprozesse nach sich gezogen, für viel Aufruhr in der Öffentlichkeit gesorgt (Spiegel 2013) und zu medizinisch notwendigen Folgeinterventionen geführt (DGGG 2012; SCENIHR 2013). Derartige Skandale bremsen die Nachfrage allerdings nicht.

Die Kosten einer Brustvergrößerung belaufen sich auf 4.500 bis 8.000 Euro (verschiedenste Angaben), abhängig von Ort, Institution, OP-Technik und Qualität des Materials. So tut sich das EU-Parlament mit der Verabschiedung qualitätssichernder Richtlinien für Medizinprodukte schwer und bricht scheinbar unter dem Druck der Lobbyisten zusammen (Spiegel 2014). Die gesellschaftliche Diskussion scheint sich hauptsächlich auf die Qualität von Anbietern, ihre Operationsmethoden, sowie die Qualität des Materials zu beschränken. Wirklich aufschlussreiche und kritische Artikel zum Thema Brustimplantate sind für die Verbraucherin kaum zu finden.1996 veröffentlichte die Frauenzeitschrift Emma eine ausführliche Recherche und Kritik über den lukrativen Handel mit Silikonimplantaten. Dort wird bereits kritisiert, dass nur wenig industrieunabhängige Forschung erfolge und noch keine Langzeitergebnisse zur Schädlichkeit vorlägen. Eine Informationsschrift der Stiftung Warentest versucht, sachlich aufzuklären und die verschiedenen Risiken prozentual zu bemessen (Stiftung Warentest 2003). Wirklich „handfeste” Zahlen zu den einzelnen Risiken lassen sich aus den deutschen Veröffentlichungen nicht ableiten. Im Bericht der FDA aus dem Jahre 2011 werden jedoch sämtliche stattgefundenen Komplikationen genau aufgelistet und statistisch ausgewertet (FDA 2011).

Nun stellt sich die Frage: Welchen Effekt könnte ein dauerhaft verweilender Plastikgegenstand im Körper eines Menschen haben, wenn schon das regelmäßige Konsumieren von Lebensmitteln aus Plastikflaschen nachweisbar Spuren und Effekte in Organismen hinterlässt (Plastic Planet 2009; BLfU 2009)? Wissen wir wirklich genug über Plastikbestandteile und Zersetzungsprozesse, um „Entwarnung” zu geben, für welches Produkt auch immer? Sprechen die Skandale um Medizinprodukte und die Gründung zahlreicher Selbsthilfegruppen nicht für sich?

Stillen mit Brustimplantaten

Die Informationsbroschüren raten den Frauen, die Familienplanung erst abzuschließen, bevor sie sich zur OP entschließen. Dies jedoch gestaltet sich in der Realität schwierig, betrachtet man das immer geringere Durchschnittsalter der Patientinnen. Im Praxisbuch „Besondere Stillsituationen” wurde das Thema Stillen mit Brustimplantaten bereits aufgegriffen (DHV 2012).

Es ist nicht bekannt, ob die Exposition des Biomaterials in Brustimplantaten teratogene Effekte hat und eventuell auch postnatale Probleme bereitet. Die FDA unterhält eine Datenbank der Hersteller von Medizintechnischen Geräten (MAUDE, Manufacturer and User Facility Device Experience und DEN, Device Experience Network/FDA 2014). Sie sammelt auch spontane Meldungen zu möglichen Komplikationen bei Frauen mit Brustimplantaten. Bis zum 31. Dezember 2003 gab es insgesamt 399 spontane Meldungen. Etwa die Hälfte der Berichte beschreibt Probleme beim Stillen oder Befürchtungen, dass die Implantate unsicher seien oder beim Stillen Probleme bereiten könnten (Brown et al. 2006).

Eine Studie hat untersucht, ob Brustmilch von Silikon-Brustimplantaten kontaminiert sein könnte (Semple et al. 1998). Die Ergebnisse zeigten keine Unterschiede in den Silikonspiegeln bei der Milch von Müttern mit und ohne Brustimplantate. Einzelne Fälle zeugen von erheblichen Problemen beim Stillen nach Brusthebungsoperationen. In zwei dokumentierten Fällen konnte nicht genug Milch für die Kinder erzeugt werden (Acatuerk et al. 2005; Hill et al. 2004). Ein Fall wird berichtet, in dem sich im letzten Monat der Schwangerschaft beide Brüste so stark vergrößerten, dass es der Mutter nicht möglich war, nach der Geburt zu stillen. Ein weiterer Fall nach Verwendung von Polyacrylamid Hydrogel (PAAG) zum Brustaufbau wird berichtet, bei dem es zu einer sehr großen einseitigen Aufblähung der rechten Brust nach dem Stillen kam, die chirurgisch revidiert werden musste (Kang & Ong 2011). Eine Studie untersuchte den Erfolg des Stillens, gemessen an der Stillrate und der Verabreichung von Zusatznahrung bei Frauen mit und ohne Brustimplantaten: 88 Prozent der Frauen ohne Brustimplantate konnten erfolgreich stillen, wohingegen nur 46 Prozent der Frauen mit Brustimplantaten dies gelang. Nur 27 Prozent der Frauen ohne Implantate mussten Zusatznahrung verabreichen, im Vergleich zu 46 Prozent der Frauen mit Brustimplantaten (Cruz & Korchin 2010).

Tipps für die Stillberatung

  • intensives und offenes Gespräch über Motivation und Ängste
  • OP-Protokoll einsehen, um potenziell mechanische Probleme abzuschätzen
  • übliche Stillvorbereitung der Brust in der Schwangerschaft
  • valide Informationen über Selbsthilfe bei potenziellen Stillproblemen.
  • ansonsten: die gleichen Maßnahmen wie bei anderen stillenden Frauen

Umfrage unter Kolleginnen

Mit rund 20 Kolleginnen habe ich über ihre Erfahrungen mit Brust-OPs und Stillen gesprochen. Die Aussagen und Geschichten waren individuell und vielfältig. Sie ähnelten sich aber in ihrem Ergebnis: Zumeist verläuft der Stillvorgang bei Implantaten nicht ganz so komplikationslos, wie die Anbieter von brustvergrößernden OPs es mit Hinweisen auf Studien darstellen.

Zum einen finden wir mechanische Ursachen für Milchabflussprobleme: Stauungen, Mastitiden und daraus resultierende Milchbildungsprobleme. Zum anderen treten psychosomatische Aspekte als deren Ursache hinzu: Die Angst, der OP-Erfolg könnte durch das Stillen gefährdet werden, steht dem Wunsch gegenüber, das „Beste für das Kind zu geben”. Die Sorge, dass Fremdstoffe in die Milch geraten können, ebenfalls. Eine Frau mit Implantaten hat ganz sicher eine sehr spezielle Beziehung zu ihren Brüsten. Wahrscheinlich ist auch ihr Umgang damit nicht ganz so entspannt und natürlich wie bei einer Frau, die ihre Brust so annimmt, wie sie von Natur aus ist.

Unbewusste Ängste und Sorgen können sich selbstverständlich psychosomatisch auf Milchproduktion und -fluss auswirken. Die Ambivalenzen führen nicht selten zur Selbstkonstruktion eines Stillhindernisses, um eine Rechtfertigung für das Abstillen zu finden. Hebammen kennen das Phänomen auch von Frauen, die „eigentlich ja gar nicht stillen wollen”. In einigen Fällen berichteten die Kolleginnen auch vom problemlosen Stillen mit Implantaten. Sie betonten aber, dass es sich dabei immer um Frauen mit sehr großer Motivation zum Stillen gehandelt habe.

Sie berichteten auch von anderen Brustoperationen. So sei zum Beispiel bei Reduktionsplastiken zumeist die Menge der Milch auf Dauer nicht ausreichend und es müsse oft zugefüttert werden. Je nach OP-Methode sei auch der Abfluss der Mich verlegt oder erschwert.

Drei Kolleginnen berichteten vom erfolgreichen Stillen mit nur einer Brust nach Krebs und Tumorentfernung.

Wir Hebammen kennen das: Viele (Still-)Probleme sind mit fachlich guter Beratung und Geduld in den Griff zu bekommen, wenn die Frauen nur motiviert sind. Sicherlich ist es hilfreich, über die OP-Technik und einzelne Hintergründe Bescheid zu wissen, um den richtigen Ansatz für die Problemlösung zu finden.

Ist für Hebammen damit das Problem erledigt? Sollte die Diskussion über Brustimplantate etwa weiterhin von den rein physischen medizinischen und biochemischen Fakten dominiert werden?

Selbst PsychologInnen bestätigen den Frauen einen „gesunden Zuwachs” an Selbstbewusstsein, den sie mit größeren Brüsten gewinnen könnten (Swanson 2013). Sie argumentieren mit dem Recht auf psychische Gesundheit, die von der Zufriedenheit mit dem äußeren Erscheinungsbild abhinge und auf die jeder Mensch ein natürliches Anrecht habe.

Eine Studie aus Skandinavien jedoch stieß auf eine erhöhte Anzahl von Suizidfällen bei Frauen nach Brustvergrößerungen (Koot et al. 2002). Der Zuwachs an Selbstbewusstsein und „Glück” nach der OP scheint danach nur temporär und die Erwartungen an den OP-Erfolg scheinen nicht immer erfüllt werden zu können. Dem Prinzip von Ursache und Wirkung sollte auf jeden Fall auf den Grund gegangen werden.

Gesellschaft und Selbstbild

Schlank zu sein und einen großen Busen zu haben scheint heute mehr den je en vogue zu sein. Ein merkwürdiges Schönheitsideal, wie von bekannten Models wie Heidi Klum und Claudia Schiffer verkörpert, hat sich durch permanente Medienpräsenz in die Köpfe der Frauen eingeschlichen (Spiegel 2011). Die Folgen unrealistischer Schönheitsideale schlagen sich nicht selten in psychischen Krankheitsbildern wie Anorexie und Bulimie nieder (BfE 2014). Sie führen zu großem Leid, manchmal sogar zum Tod, aber auch zu erheblichen Krankheitskosten für die Gesellschaft. Die Folgen des Trends zur operativen Verschönerung sind noch nicht absehbar. Die gesellschaftlichen Veränderungen haben jedoch dazu geführt, dass Menschen zunehmend ihr Ich über ihre Körperlichkeit zu definieren scheinen und sich selbst nicht von innen heraus wahrnehmen, sondern eine objektive Betrachtung im Spiegel vornehmen.

Die Diplompsychologin Ada Borkenhagen beschäftigt sich in ihrer Forschung mit dem Trend zur kosmetischen Chirurgie. Ihre These ist, dass es sich bei diesen neuen Formen der Körpermanipulation auch um Identitätsgestaltungs- oder Identitätsstiftungsprozesse handelt, für die die Bearbeitung der Körperoberfläche und die Gestaltung des eigenen Körper(selbst)bildes konstitutiv sind. Demnach gestalten sich Frauen, die sich einer Schönheitsoperation unterziehen, als Schauobjekt. Begreift man das Aussehen des eigenen Körpers als Darstellungsmedium der eigenen Identität, wird deutlich, dass, um eine gewisse Kontrolle über diesen Vorgang zu gewinnen, die Erscheinungsweise des eigenen Körpers kontrolliert werden muss. Der Versuch, das körperliche Erscheinungsbild über Schönheits-OPs zu kontrollieren, wird so zur Gestaltung des eigenen Ichs (Borkenhagen 2001).

Das Geschäftsinteresse der Anbieter macht sich dieses „Persönlichkeitsdefizit” zunutze. Mittlerweile wird auch die Intimchirurgie, wie etwa die Straffung der Schamlippen, als probates Mittel zur „Geburtsfolgenkorrektur” völlig hemmungslos angepriesen und vom Markt akzeptiert (FAZ 2014).

Die Zahl der Frauen scheint zu schrumpfen, die selbstbestimmt gebären und emanzipiert leben wollen. Die feministisch inspirierte Generation von Frauen hat das gebärfähige Alter verlassen. Der Wunsch nach Perfektionismus des Körpers und der gesamten Lebensplanung gewinnt zunehmend die Oberhand. Perfekte Brüste perfekte Lebensläufe, perfekte Babys, perfekte … ?

Was können wir tun?

Beschränkt sich unsere Aufgabe als Hebammen darauf, den allgemeinen Trend zu tolerieren und Spezialistinnen zu werden für die Versorgung von Wunden und OP-Folgen? Reicht es da, gute „Tricks” zu kennen für das Stillen mit Implantaten? Wie definieren wir unsere Position zur rein kosmetischen Chirurgie? An welcher Stelle könnte eine sinnvolle Form der Prävention ansetzen? Oder kommen Hebammen da nicht mehr „ran”, kommen sie zu spät? Können wir Frauen bewusst machen, was Glück, eine gesunde erfüllende Sexualität und Gesundheit wirklich ausmachen?

Links
Die neuesten Ergebnisse der gesammelten Komplikationen finden sich in einem von der FDA für die Verbraucherinnen herausgegebenen Booklet unter http://www.fda.gov/medicaldevices/productsandmedicalprocedures/implantsandprosthetics/breastimplants/ucm259296.htm.
Buchtipp

Seifert, K.: Stille Brüste – Das Fotobuch für die Stillzeit und danach. edition riedenburg.
Auflage 1 (2013)

Das Buch kann bei hebamedia (Best.-Nr. 1832) bestellt werden. www.hebamedia.de

Zitiervorlage
Wagener F: Stillen mit Brustimplantaten: Körbchengröße D. DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 2014. 66 (9): 48–54
Literatur

Acartürk, S. Gencel, E. Tuncer, I.: An uncommon complication of secondary augmentation mammoplasty: bilaterally massive engorgement of breasts after pregnancy attributable to postinfection and blockage of mammary ducts. Aesthetic Plast Surg. Jul–Aug; 29(4): 274–9 (2005)

Aerzteblatt.de: Dow Corning bietet Silikon-Opfern 3,35 Milliarden Dollar. Dtsch Arztebl. 95(48): A-3038 / B-2570 / C-2282 http://www.aerzteblatt.de/archiv/14556/Dow-Corning-bietet-Silikon-Opfern-3-35-Milliarden-Dollar (1998)

BFE – Bundes Fachverband von Essstörungen e.V.: Anorexia nervosa. http://www.bundesfachverbandessstoerungen.de/de/n/magersucht_anorexia_nervosa.html (2014)

BfR – Bundesinstitut für Risikobewertung: Fragen und Antworten zu Bisphenol A in verbrauchernahen Produkten. Aktualisierte FAQ des BfR vom 25. März www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zu_bisphenol_a_in_verbrauchernahen_produkten-7195.html (2014)

BLfU – Bayrisches Landesamt für Umwelt: Umweltchemikalien mit hormoneller Wirkung. PDF http://www.lfu.bayern.de/umweltwissen/doc/uw_25_hormonell_wirksame_umweltchemikalien.pdf (2009)

Boote, W.: Plastic Planet: Plastic Planet – Die unsichtbare Gefahr. www.youtube.com/watch?v=PBF4-jUy1Ic (2009)

Borkenhagen, A.: Gemachte Körper. Die Inszenierung des modernen Selbst mit dem Skalpell. Aspekte zur Schönheitschirurgie. Psychologie und Gesellschaftskritik. Nr. 25.S.55-67. http://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/1995/ssoar-psychges-2001-1-borkenhagen-gemachte_korper.pdf?sequence=1 (2001)

Brown, S.L. Todd, J.F. Cope, J.U. Sachs, H.C.: Breast implant surveillance reports to the U.S. Food and Drug Administration: maternal-child health problems. J Long Term Eff Med Implants. 16(4): 281-90 (2006)

Brustimplantate: Materialtest an Frauen. www.test.de/Brustimplantate-Materialtest-an-Frauen-1140288-2140288/

Cruz, N.I. Korchin, L.: Breastfeeding after augmentation mammaplasty with saline implants. Ann Plast Surg. 64(5): 530-3 (2010)

Davis, K.: My Body is my Art – Kosmetische Chirurgie als feministische Utopie? In: P. Alheit, B. Dausien, W. Fischer-Rosenthal, A. Hanses, A. Keil (Hrsg.): Biographie und Leib. S.247-263 Psychosozial-Verlag. Gießen (1999)

DGÄPC – Deutsche Gesellschaft für ästhetisch-plastische Chirurgie. Zahlen, Fakten und Trends in der Ästhetisch-Plastischen Chirurgie. Ergebnisse der DGÄPC-Patientenbefragung. DGÄPC-Magazin (2013)

DGGG – Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe: Empfehlungen für Fachärzte zum Umgang mit Brustimplantaten der Firma PIP und Rofil.PDF NR.6: www.dggg.de/leitlinienstellungnahmen/aktuelle-stellungnahmen/?tx_damfrontend_pi1%5Bsort_date_cr%5D=ASC (2012)

DHV Praxisbuch: Besondere Stillsituationen. 1. Auflage. Georg Thieme Verlag‬ (2012)

Emma: Brustkrebs: Siliconegate. Von Cornelia Filter. Zeitschrift Emma 10, 96. www.emma.de/artikel/brustkrebs-siliconegate-263580. 1.9.1996 (1996)

FAZ-NET: Brustimplantat-Opfer dürfen vom TÜV Schadenersatz fordern. http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/pip-skandal-brustimplantat-opfer (21.1.2014)

FAZ-NET: Implantate. Gerne groß. Artikel von Katja Gelinsky. www.faz.net/aktuell/gesellschaft/brustimplantate-gerne-gross-1104307-p2.html (4.6.2003)

FAZ-NET: Intimchirurgie. Das genormte Geschlecht. Von Eva Berendsen. http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/intimchirurgie-der-schoenheitswahnsinn-untenrum-12838085.html (15.3.2014)

FDA Center for Devices and Radiological Health U.S. Food and Drug Administration (2011): FDA Update on the Safety of Silicone Gel-Filled Breast Implants

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Grant, S. Edelman, D.A.: Pregnancy, lactation and the use of silicone breast implants. Adv Contracept. Sep; 10(3): 187-93 (1994)

Hill, P.D. Wilhelm, P.A. Aldag, J.C. Chatterton, R.T. Jr.: Breast augmentation & lactation outcome: a case report. MCN Am J Matern Child Nurs. Jul-Aug;29(4):238-42. 2004

Kang, G.C. Ong, Y.S.: Large unilateral breast autoinflation after breastfeeding linked to polyacrylamide hydrogel injection augmentation mammaplasty. Aesthetic Plast Surg. Feb; 35(1):122-4 (2011)

Koot, V. C. M. Peeters, P. H. M. et al.: Total and cause specific mortality among Swedish women with cosmetic breast implants: A prospective study. In BMJ, Vol.326, p 527 (2002)

SCENIHR – Scientific Committee on Emerging and Newly Identified Health Risks (2013): Preliminary Opinion on the safety of Poly Implant Prothèse (PIP) Silicone Breast Implants. http://ec.europa.eu/health/scientific_committees/policy/index_en.htm (2013)

Seifert, K.: Stille Brüste. Das Fotobuch für die Stillzeit und danach. 1. Auflage. Edition Riedenburg. Salzburg (2013)

Semple, J.L. Lugowski, S.J. Baines, C.J. Smith, D.C. McHugh, A.: Breast milk contamination and silicone implants: preliminary results using silicon as a proxy measurement for silicone. Plast Reconstr Surg. Aug;102(2): 528-33 (1998)

Spiegel online: Brustvergrößerung: Schönheitsoperierte haben höheres Selbstmordrisiko. http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/brustvergroesserung-schoenheitsoperierte-haben-hoeheres-selbstmordrisiko-a-240397.html (16.3.2003)

Spiegel online: Patientenschutz: Die Kapitulation vor der Medizinprodukte-Lobby. Ein Kommentar von Nicola Kuhrt. http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/kommentar-zum-medizinprodukte-entscheid-des-eu-parlaments-a-962438.html-duerfen-vom-tuev-schadenersatz-fordern-12762290.html (3.4.2014)

Spiegel online: Plastische Chirurgie: Warum Menschen ihren Körper tunen. Von Ada Borkenhagen (22.1.2011)

Spiegel online: Prozess um Billig-Implantate: Gefängnis für den Silikon-Panscher. Von Annika Joeres. http://www.spiegel.de/panorama/justiz/skandal-um-billig-brustimplantate-urteil-gegen-pip-chef-mas-a-938265.html (10.12.2013)

Statista (2011): Statistikportal. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/258341/umfrage/laender-mit-den-meisten-brustvergroesserungen/Stiftung Warentest (20.11.2003)

Swanson, E.: Prospective Outcome Study of 225 Cases of Breast Augmentation. Plastic & Reconstructive Surgery. 131(5): 1158–1166 (2013)

You tube 1: Brustvergrößerung bei 20jähriger Patientin. http://www.youtube.com/watch?v=92njL4CSaBc (6.12.2013)

You tube 2: Video. Barbie – A Thinspiration. http://www.youtube.com/watch?v=gknfp5QttQc (21.2.2011)

You tube 3: Operiert und verpfuscht: Wenn Schönheits-OPs korrigiert werden müssen. http://www.youtube.com/watch?v=cMZ7DzDo2Zs (3.3.2014)

You tube 4: Polytech Health and Aesthetics. Brustimplantate aus Dieburg. http://www.youtube.com/watch?v=XkoYY-bHTsM (11.4.2014)

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