Ein Spannungsverhältnis
Nachdem die Betreuungsphase »Schwangerschaft und Vorsorge« im Katalog der gesetzlichen Definition der »Geburtshilfe« des § 4 HebG nicht ausdrücklich enthalten ist, stellt sich die Frage, ob auch dieser Bereich den Hebammen vorbehalten ist oder auch durch Personen ohne entsprechende Berufserlaubnis ausgeführt werden kann.
§ 9 Abs. 4 Nr. 1 f HebG kann entnommen werden, dass das Hebammenstudium dazu befähigen soll, »Anzeichen von Regelwidrigkeiten, die eine ärztliche Behandlung erforderlich machen, in der Schwangerschaft, bei der Geburt, während des Wochenbetts und während der Stillzeit zu erkennen und die im jeweiligen Fall angemessenen Maßnahmen für eine ärztliche Behandlung zu ergreifen«. Tätigkeiten während der Schwangerschaft gehören daher bereits nach dem Gesetzeswortlaut (auch in § 1 HebG) zum wesentlichen Kern der Tätigkeiten von Hebammen.
Der Gesetzeswortlaut spricht dafür, dass es sich um ureigene Hebammentätigkeiten handelt, die einer Berufserlaubnis nach § 5 Abs. 1 HebG bedürfen, um den Hebammenberuf ausüben zu dürfen (§ 3 Abs. 1 HebG) und die genannten Tätigkeiten durchzuführen.
Insofern herrscht ein Spannungsverhältnis zwischen den grundsätzlichen Aufgaben der Hebammen im Sinne des § 9 HebG und dem Begriff der »vorbehaltenen Tätigkeiten«, die ausschließlich Hebammen ausüben dürfen.
Ähnlich unscharf verhält es sich mit dem Begriff der »Überwachung des Wochenbettverlaufs (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 HebG). Unter »Überwachung« scheint etwas anderes zu verstehen zu sein als unter »Pflege« (Igl, a.a.O.). Eine überwachende Tätigkeit soll in erster Linie in der Beobachtung der besonderen Verfassung der Wöchnerin und des Neugeborenen bestehen, die sich insbesondere mit einer entsprechenden Befundaufnahme verbindet. Wenn nur die »Überwachung« im Sinne von »Leitung und Kontrolle« (Horschitz, a.a.O.) den Hebammen vorbehalten sein soll, stellt sich die Frage, wer für die »Pflege« zuständig sein soll. Sicherlich ist dies für Pflegeberufe zulässig.
Durch die »Überwachung« des Wochenbettverlaufs sind Hebammen jedoch nicht von der Pflege der Wöchnerin ausgeschlossen (Igl, a.a.O.). Hebammen dürfen auch entsprechende Pflegemaßnahmen auf einer Wochenbettstation durchführen. In ihrer Ausbildung lernen sie einen gewissen Anteil an professioneller Pflege, soweit sie für ihre Tätigkeit erforderlich ist. Daneben können »andere Fachpersonen für diese Pflege eingesetzt werden« (Igl, a.a.O.), zum Beispiel Pflegefachpersonen.
Die Berücksichtigung der hohen Rechtsgüter der körperlichen Unversehrtheit und des Lebens, die bei allen Gesundheitsberufen eine tragende Rolle spielen und letztlich dafür sorgen, dass es sich bei den Heilberufsgesetzen um eine zulässige Einschränkung der Berufsfreiheit handelt, sollte dazu führen, dass die genannten Tätigkeiten auch nur durch Gesundheitsberufe mit entsprechender Berufserlaubnis ausgeübt werden dürfen. Inkompetente Berufsgruppen sollen von der Geburtshilfe ferngehalten werden (Horschitz, a.a.O.). Aus oben genannten »gesundheitspolitischen Gründen«, wurde § 4 HebG in der vorliegenden Form formuliert. Der Gesetzgeber wollte erreichen, dass dadurch nicht »eine Reihe anderer, nichtärztlicher Heilberufe wie Krankengymnasten, Ernährungs- oder Diätassistenten aus dem Tätigkeitsfeld verdrängt« werden (Horschitz, a.a.O., S. 36).
Dies wiederum bedeutet, dass die in den »vorbehaltenen Tätigkeiten« des § 4 HebG nicht genannte Betreuung in der Schwangerschaft auch tatsächlich nicht nur durch Hebammen ausgeübt werden darf. Ob dies sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt. Tätigkeiten in der Vorsorge sind daher durch die eigenen Kenntnisse beschränkt. Hebammen sind aufgrund ihrer Ausbildung und Kenntnisse am besten geeignet.
Doulas und sonstige »Geburtsbegleiter«
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage der Beurteilung von Doulas und sonstigen »Geburtsbegleitern«.
Eine Doula ist nach allgemeiner Auffassung eine nicht medizinische Helferin, die einer werdenden Mutter vor, während und nach der Geburt durch ihre Anwesenheit emotionale und physische Unterstützung bietet (Doulas in Deutschland e. V.). Eine Doula hat keine medizinische Ausbildung und soll für das Wohlbefinden der werdenden Mutter da sein. Auch nach ihrem eigenen Verständnis dürfen Doulas keine medizinischen Tätigkeiten übernehmen und weder Hebammen noch ärztliche Geburtshelfer:innen ersetzen. Die praktische Unterstützung von Wöchnerinnen und Neugeborenen nach der Geburt soll eher Teil der häuslichen Wöchnerinnen- und Säuglingspflege sein. Bei dieser Einschätzung wird die Schwierigkeit der Abgrenzung zur »Überwachung des Wochenbettverlaufs« deutlich.
Hierbei ist auch von Bedeutung, inwieweit Doulas Geburtsrisiken erkennen können, insbesondere wenn sie bei einer – grundsätzlich zulässigen – Alleingeburt der Frau helfen, ohne über die entsprechende medizinische Ausbildung zu verfügen. Es besteht daher ein nicht unerhebliches vertragliches und gesetzliches Haftungsrisiko der Doula und eine Unsicherheit auf Seiten der Frau. Denn die Doula haftet für Schäden bei der Frau grundsätzlich mit dem gesamten persönlichen Vermögen – falls vorhanden. Wenn sie den Körper der Frau fahrlässig oder vorsätzlich verletzt, haftet sie, wenn ihr ein entsprechender Tatvorwurf gemacht werden kann (§ 823 BGB).
Doulas stehen nicht unter einer gesetzlichen Schweigepflicht. Die Schweigepflicht nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB gilt nur für solche Gesundheitsberufe, die für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordern. Dies ist bei Doulas gerade nicht der Fall. Eine Schweigepflicht müsste daher vertraglich vereinbart werden, wie zum Beispiel auch bei Heilpraktiker:innen. Sie fallen nicht unter § 203 StGB.
Die Hebammen-Berufsverbände vertreten die Auffassung, dass Doulas keinesfalls die Arbeit der Hebammen ersetzen können, da sie keine Ausbildung als Geburtshelferin haben. Die Leitung von Schwangerschaft und Geburt kann eine Doula nicht übernehmen. Die medizinische Verantwortung während einer Geburt tragen alleine die Hebammen beziehungsweise Ärzt:innen.
Mangels medizinischer Ausbildung wird eine Doula nicht in der Lage sein, medizinische Risiken zu erkennen und entsprechend zu handeln. Hierbei spielt auch eine Rolle, dass Ausbildungsinhalte für Doulas nicht einheitlich geregelt sind. Es gibt keine einheitliche Erwartung, welche Tätigkeiten eine Doula leisten kann. Doulas stehen nicht unter Kontrolle und Überwachung durch das Gesundheitsamt. Eine gesetzlich geregelte Pflicht, Hebammen oder Ärzt:innen hinzuzuziehen, gibt es für Doulas nicht.
Vor diesem Hintergrund liegt die Schlussfolgerung nahe, dass sämtliche Tätigkeiten, die nach den genannten Rechtsquellen für Hebammen vorgesehen sind, bereits mangels entsprechender Ausbildung nicht von Doulas oder vergleichbaren Personen geleistet werden sollten. Dies gilt insbesondere dann, wenn auf entsprechenden Homepages »Geburtsvorbereitungskurse« und »Stillvorbereitungskurse« angeboten werden und dadurch sprachlich (und wettbewerbsrechtlich bedenklich) eine Nähe zu Hebammen hergestellt wird. Die Kasse zahlt nur an die Vertragspartner:innen und das sind nach dem Gebührenvertrag die Hebammen.
IBCLC-Stillberater:innen haben eine aufwendige Stillausbildung und nehmen von den Frauen oft deutlich höhere Honorare, als es Hebammen dürften, auch wenn diese ebenfalls eine IBCLC-Ausbildung haben. Da die Leistungen eben keine vorbehaltenen Tätigkeiten der Hebammen sind, dürfen andere hier tätig sein und privat abrechnen.
Sollten Personen unter Verletzung der gesetzlichen Vorschriften »Geburtshilfe« leisten, liegt hierin in der Regel ein Gesetzes- und Wettbewerbsverstoß, der abgemahnt werden kann, sofern Wiederholungsgefahr besteht. Eine Wiederholungsgefahr kann durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abgewendet werden. Das bedeutet, dass die entsprechende Person versichern muss, künftig nicht mehr gesetzeswidrig tätig zu sein, und sich verpflichten muss, für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe zu zahlen. Diese Personen handeln darüber hinaus ordnungswidrig (§ 72 HebG).
Schwangeren- und Rückbildungsgymnastik
Anders verhält es sich bei Physiotherapeut:innen. Diese bieten bereits seit langer Zeit Schwangeren- und Rückbildungskurse an und erhalten von den Krankenkassen dafür auch eine Vergütung. Am 1. August 2021 ist ein neuer Vertrag über Leistungen der Physiotherapie zwischen dem GKV-Spitzenverband (GKV-SV) und den Physiotherapie-Verbänden in Kraft getreten. Es wurden allerdings keine weiteren Leistungen erlaubt.
In der Anlage 2 (Vergütungsvereinbarung) zum Vertrag nach § 125 Abs. 1 SGB V über die Versorgung mit Leistungen der Physiotherapie wurden keine Vergütungsanpassungen für die Geburtsvorbereitung in der Gruppe und die Rückbildungsgymnastik in der Gruppe vorgenommen. Die Vergütung entspricht der von Hebammen. Denn für diese Positionen sind die entsprechenden Regelungen zum Vertrag über die Versorgung mit Hebammenhilfe nach § 134a SGB V ausschlaggebend. In der Anlage 1 (Leistungsbeschreibung) zum genannten Vertrag nach § 125 Abs. 1 SGB V sind unter »X1901 – Unterweisung zur Geburtsvorbereitung« die Definition, die therapeutische Wirkung, die Indikation, das Therapieziel und die Leistungen mit Leistungsumfang beschrieben.
Definiert wird die »in Gruppen durchgeführte Vorbereitung der schwangeren Frau im Sinne anerkannter Formen der Geburtserleichterung«. Da es sich bei Physiotherapeut:innen wie bei Hebammen um Heilberufe mit entsprechender Berufserlaubnis handelt, besteht kein Widerspruch zu den Aufgaben und Befugnissen der Hebammen. Physiotherapeut:innen sind mit Doulas und ähnlichen Berufsbildern nicht vergleichbar.
Freie Dienstverträge
Die Ausführungen über Personen ohne erforderliche Berufserlaubnis gelten im Übrigen auch für Hebammen, die ihre Berufserlaubnis durch Rücknahme oder Widerruf verloren haben und nun als Doulas arbeiten wollen. Eine Abrechnung im Rahmen der Vergütungsvereinbarung für Hebammen ist dann nicht mehr möglich. Sollten in zulässiger Weise Dienstverträge (nicht Behandlungsverträge) abgeschlossen werden, wird die übliche Vergütung fällig, die nicht sittenwidrig, das heißt wucherisch überhöht sein darf. Wucher liegt vor, wenn die übliche Vergütung (oft schwer festzustellen) um mehr als das Doppelte überschritten wird. Das erfordert aber immer eine Prüfung im Einzelfall.
Im Übrigen gilt Vertragsfreiheit, solange nicht gegen gesetzliche Verbote verstoßen wird. Zum Beispiel handelt eine Person ordnungswidrig, die entgegen § 4 Abs. 1 HebG Geburtshilfe leistet oder ohne Erlaubnis nach § 5 HebG die Berufsbezeichnung »Hebamme« führt (§ 72 HebG). Strafvorschriften können beispielsweise erfüllt sein, wenn Körperverletzungen ohne erforderliche Einwilligung durchgeführt oder Abrechnungen auf falscher rechtlicher Grundlage betrügerisch begangen werden. Jeder Haftungsfall verlangt eine Einzelfallprüfung: Es muss im Einzelfall geprüft werden, was einem Menschen konkret vorgeworfen wird. Insofern wird zum Beispiel von einer ehemaligen Hebamme, die zwar nicht mehr über die Berufserlaubnis, aber wohl immer noch über die Kenntnisse verfügt, mehr verlangt als von anderen. Sie haftet dann auch eher.
Bereits ausgeführt wurde, dass Dienstleistungserbringer:innen im Sinne der §§ 60 ff HebG Geburtshilfe leisten dürfen. Für Hebammen aus Nicht-EU-Staaten, die nicht unter § 60 HebG fallen, sind Anpassungslehrgänge erforderlich, um eine anerkannte Berufserlaubnis in Deutschland zu erhalten. Einzelheiten regeln die §§ 43 ff. der Studien- und Prüfungsverordnung für Hebammen.
Fundierte Betreuung
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Betreuung in der Schwangerschaft nicht unter den engen Begriff »vorbehaltenen Tätigkeiten« fällt. Hebammen mit ihrer staatlichen Ausbildung, geschützten Berufsbezeichnung und den umfangreichen gesetzlich geregelten Aufgaben sind jedoch schon aufgrund ihrer Kenntnisse auch während der Schwangerschaft nicht zu ersetzen – insbesondere in Notfällen. Auch die mündige Schwangere sollte ein Interesse an einer fundierten medizinischen Betreuung durch Hebammen haben.
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