Birgit Heimbach, Hebamme und Redakteurin der DHZ: »Immer offener in der Form gibt es standardisierte, strukturierte, unstrukturierte, explorative und narrative Interviews.« Foto: © Markus Heimbach

Wer forscht, stellt sich und anderen Fragen. Die Befragung ist eine bewährte qualitative Forschungsmethode aus der Sozialwissenschaft, die in der Hebammenwissenschaft angekommen ist. Betrachtet und analysiert werden individuelle Perspektiven, Erfahrungen, soziale Zusammenhänge und nicht-numerische Daten. Aufsteigend offener in der Form gibt es standardisierte, strukturierte, unstrukturierte, explorative und narrative Interviews.

Dabei kann man etwa Fragen an die Hebammen selbst stellen, beispielsweise in Expert:inneninterviews, die meist leitfadengestützt sind. Die Professorin für Hebammenwissenschaft Dr. Annekatrin Skeide erläutert in unserem Schwerpunktthema eine teilstrukturierte Befragung in praxeografischen Interviews. Dabei beschreiben und reflektieren Hebammen in unterschiedlichen klinischen und außerklinischen Versorgungsumgebungen ihr berufliches Handeln, etwa wie sie Physiologie in der Geburtshilfe fördern im Sinne von wachsamer Begleitung. Von »Watchful Attendance« oder »Expectant Management« ist hier die Rede. In den Antworten zeigte sich, dass die Interpretation medizinischer Daten nicht nur vom professionellen Wissensrepertoire, den medizinischen Standards und Normen abhängt, sondern auch von Erfahrungen aus vorhergehenden Überwachungsverläufen. Dr. Anja Siegle, Professorin für angewandte Gesundheits- und Pflegewissenschaften, befragte Schwangere und wählte die Form des »problemzentrierten Interviews« mit Leitfaden und Leitfragen. Sie wollte wissen, ob die Hebammensprechstunden in zwei Kliniken den Ansprüchen der Frauen genügen.

Während bei explorativen Interviews eine Reihe von Themen abgearbeitet wird, zu denen auch spontan vertiefende Fragen gestellt werden können, werden narrative Interviews nahezu frei geführt. Die Interviewten werden gebeten, Erlebnisse und Erinnerungen offen zu erzählen. Dabei taucht die Forschende besonders tief in deren Welt ein. Die sogenannte »Narrative Inquiry«, die die Hebammenwissenschaftlerin Lena Ontrup vorstellt, ist eine hierzulande noch wenig verbreitete qualitative Forschungsmethode. Dafür werden auch kreative Ansätze zur Darstellung des Geschilderten verwendet, etwa als »gefundenes Gedicht« (»Found Poem«). Poesie wird dabei verstanden als eine besonders lebendige Art, sich auszudrücken.

Gedichte sollen noch besser ein Miterleben der erzählten Berichte (»Narrative Accounts«) ermöglichen. Denn gewünscht ist eine Verbindung zwischen Forschenden, Teilnehmenden und Lesenden. Emotionale Reaktionen und Empathie sollen geweckt werden. Wissenschaft kann so auch unerwartet emotional sein. Dr. Megan E. L. Brown, die diese Methode an der medizinischen Fakultät im englischen York lehrt, zitiert den Dichter Thomas Grey (1716–1771): »Poetry is thoughts that breathe, and words that burn.« Wer würde sich nicht wünschen, dass die eigenen »Gedanken atmen« und die »Worte brennen«?

Zitiervorlage
Heimbach, B. (2023). Worte, die brennen. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 75 (10), 1.
https://staudeverlag.de/wp-content/themes/dhz/assets/img/no-photo.png