In Verbindung
In meiner Arbeit mit den Frauen, die einen frühen Verlust ihrer Schwangerschaft erleben, lege ich in erster Linie Wert auf ein Empowern der Mutter. Nicht selten wird Frauen ihre Gebärfähigkeit mit den folgenden Worten abgesprochen: »Das geht nicht auf natürlichem Weg«, »Sie werden sterben« oder »Die Sepsis ist Ihnen sicher«. Eine solche Herangehensweise ist natürlich im Hinblick auf den Geburtsvorgang, genau wie bei einem reifen lebendigen Kind, kontraproduktiv und kann sogar verhindern, dass der Körper Oxytocin und Wehen produziert oder sich der Muttermund öffnet.
Nicht selten höre ich, dass den Frauen ein Limit gesetzt wird: »Wir warten jetzt bis kommenden Freitag, und wenn sich bis dahin nichts getan hat, müssen wir eingreifen.« Das funktioniert oftmals unter diesen Umständen nicht. Frauenkörper öffnen sich zum Gebären in entspannter Atmosphäre. Sie brauchen das Gefühl von Sicherheit und Ruhe, Entspannung und vor allen Dingen Zeit
Ich ermutige die Mutter in dieser besonderen Zeit, ganz besonders auf sich zu achten. Es ist wichtig, dass die Frauen in sich hinein fühlen, in Verbindung mit ihrem Kind treten und spüren, zu welchen Prozessen – wohlgemerkt, völlig natürliche Vorgänge – sie in der Lage sind.
Ich stelle die These auf, dass jede Mutter während des Wartens erkennt, wenn irgendetwas mit ihrem Körper nicht stimmt, was den Geburtsprozess negativ beeinflussen könnte. Mütter befinden sich in einer so feinfühligen Phase, dass sie auf kleinste Einflüsse reagieren: entweder mit einem Stillstand des Körpers oder einem Voranschreiten des Vorgangs. Es ist so schön zu sehen, wie stolz und stark Frauen aus Kleinen Geburten hervorgehen können!
Erst kürzlich hat mir eine Frau zurückgemeldet, dass sie immer in schwierigen Lebenssituationen an ihre Kleine Geburt zurückdenke und sich mit einem Lächeln bewusst mache, was sie bereits alles geschafft hat. Solche Rückmeldungen ermutigen mich weiterzumachen, auch wenn die Arbeit mitunter emotional schwierig ist.
Ich wünsche mir, dass begleitendes Personal über vollumfängliches Wissen zum abwartenden Vorgang ohne Interventionen verfügt. Denn das ist es, was ermutigt, Umstände zu begleiten, die über Jahre als besonders, außergewöhnlich und möglicherweise sogar pathologisch betrachtet wurden, jedoch einen völlig normalen Zustand darstellen.
Frauen haben (leider) schon immer Kinder verloren und der weibliche Körper ist auf Gebären ausgerichtet; es braucht lediglich Wissen darüber, wie man den natürlichen Vorgang unterstützen kann, anstatt ihn zu hemmen oder gar mit verschiedenen Interventionen abzubrechen und umzuleiten. Denn bis zu dieser Entscheidung, die meist vorschnell erfolgt, haben die wenigsten Mütter verstanden, dass das Herzchen unter dem eigenen Herz aufgehört hat zu schlagen. Wie sollte also eine gute emotionale Verarbeitung stattfinden, wenn ein Eingriff erfolgt, während die Mutter sich noch im absoluten Schockzustand nach der Diagnose befindet?
Durch viel Austausch mit Fachpersonal über die Zeit meiner eigenen persönlichen Verluste und durch die Begleitung vieler Frauen erfuhr ich, dass es viele Hebammen und Ärzt:innen gibt, die sich Wissen wünschen. Regelmäßig erhalte ich Nachrichten von Hebammen, die sich erkundigen, was ich von gewissen Umständen der von ihnen begleiteten Frauen halte. Auch die Chefärztin des Vivantes Klinikums in Berlin, Prof. Dr. Mandy Mangler, interviewte mich zu meinem Buch und meinem Ansatzes bereits für ihren Gynäkologie-Podcast »Gyncast«, was mich besonders stolz macht. Man merkt, es tut sich so langsam etwas beim frühen Schwangerschaftsverlust und immer mehr Fachpersonal interessiert sich für diesen Bereich.