Sollten Hebammen in der außerklinischen Geburtshilfe für den Fall schwerer Blutungen einen erweiterten Medikamenten‧bestand zur Verfügung haben? Foto: © froto/stock.adobe.com

Die besonderen Umstände der außerklinischen Geburtshilfe erfordern einen speziellen Blick auf peripartale Blutungen. Gerade okkulte Blutungen sind tückisch, aber erkennbar. Wichtig ist die umsichtige Beobachtung jedes Einzelfalls und gegebenenfalls ein effektives Schnittstellenmanagement. Was sollten Hebammen im Koffer haben, um notfalls rettende Maßnahmen einleiten zu können?

Blutungen unter und nach der Geburt gehören zu den häufigsten Störungsbildern. Aus vielen Gründen nimmt die Inzidenz allgemein zu. Das immer wieder aktualisierte Management ist gut evaluiert sowie systematisch hinterlegt und erlaubt ein adäquates Reagieren.
Die Rahmenbedingungen in der außerklinischen Geburtshilfe lassen jedoch nur einen Teil der möglicherweise nötigen Maßnahmen zu. Hier stellt sich die Frage, inwieweit es nicht sinnvoll wäre, beispielsweise den medikamentösen Behandlungsspielraum mit Tranexamsäure oder Sulprostoneinsatz zu ermöglichen oder zu ergänzen.
Dieser Artikel legt Evidenz im umfassenden Sinne zugrunde. Soweit vorhanden, bezieht er sich auf Leitlinien und Konsensuspapiere. Ich lasse aber auch meine breite Erfahrungsevidenz einfließen und berücksichtige gleichrangig den Bedeutungskontext, der sich in der außerklinischen Geburtshilfe ergibt.
Auch im Bereich des Schnittstellenmanagements bei Verlegungen gibt es deutliches Verbesserungspotenzial. Präklinisch könnten mit telemedizinischem Support lebensrettende Maßnahmen fachkundig koordiniert werden. Im Rahmen des Notfallversorgungsgesetzes besteht die gesetzgeberische Möglichkeit, solche Entwicklungen zu implementieren und zu unterstützen.
In diesem Artikel werden die vorgeburtlichen Blutungen nicht vertieft angesprochen. Die Frage, wann eine Blutung in der außerklinischen Geburtshilfe Verlegungsrelevanz hat, muss immer kritisch vor Ort geprüft werden. Hierbei gilt es vor allem, den einzigen echten Notfall in der Geburtshilfe zu erkennen, die vorzeitige Plazentalösung. Dabei muss bedacht werden, dass eine akute und vollständige Plazentalösung selbst im klinischen Setting mitunter auch einen schicksalhaften Verlauf nimmt.

» Wenn die Blutung okkult ist, kann dies die Diagnose und wichtige Notfallmaßnahmen verzögern. «

Postpartale Hämorrhagie mit okkulter Blutung

»Ich habe keine Angst vor einer Blutung, aber ich bekomme Angst, wenn es blutet«, sagt eine Hebamme im Notfallkurs. Das drückt die richtige Haltung aus.
Denn obwohl wir Blut bei Geburten gewöhnt sind (bei 1.000 Geburten fließen schon physiologisch 500 Liter Blut) und wir in unseren Breiten eigentlich Beherrschbarkeit unterstellen können, sollten wir jeder Blutung mit höchstem Respekt begegnen. Zum einen verschätzen wir uns auch heute noch, zum anderen können Mütter je nach Ausgangs-Hämoglobin und Blutvolumen, welches von Größe und Gewicht abhängt, unterschiedlich kompensieren. Gerade wenn die Blutung okkult bleibt (in der Scheide haben gut zwei Liter Blut Platz), signalisiert uns erst die Kreislaufinstabilität das Vorliegen eines möglicherweise hämorrhagischen Schocks, der immer lebensbedrohlich ist!
Um gerade in letzterem Fall schnell zur Diagnose zu kommen, reicht ein Zeigefinger. An der Carotis kann problemlos die schwach pulsierende Tachycardie (= Schock = Lebensgefahr) diagnostiziert werden. Anschließend geht dieser Zeigefinger vorsichtig in die Scheide und versinkt dann in einem warmen Koagel (fühlt sich wie Pudding an). Und schon steht die Diagnose hämorrhagischer Schock. Ohne Blutdruckmessgerät, ohne Ultraschall, mit einem Finger! Der Uterus kann dabei übrigens gut kontrahiert sein.
Ich habe diese Inszenierung der okkulten Blutung bewusst an den Anfang gestellt, denn für mich ist das erfahrungsgemäß die gefährlichste Situation einer peripartalen Hämorrhagie (PPH). Wenn die Blutung okkult ist und damit außen nicht sofort erkennbar, kann dies die Diagnose und wichtige Notfallmaßnahmen verzögern.

Empfehlung
Was sollte – außer Oxytocin und ‧Partu‧sisten – im Koffer einer Hausgeburts‧hebamme und in einem Geburtshaus vorrätig sein?

  • Tranexamsäure
  • Sulproston
  • Misoprostol
  • Esmarchbinde

Frühzeitige Diagnose – gezieltes Handeln

Im Hinblick auf die Blutungsursachen begegnen uns Gerinnungsstörungen und schwer blutende Geburtsverletzungen im außerklinischen Setting eher selten. Eine Atonie betrifft, wenn überhaupt, die Mehrgebärenden, da Einleitungen und andere Risikofaktoren wie beispielsweise die Oxytocingabe zur Geburtsbeschleunigung seltener vorliegen. Mit einer Plazentalösungsstörung ist sicher häufiger zu rechnen (im Zustand nach Sectio, nach Uteruseingriffen aller Art und so weiter). Hier gilt es abzuwägen, gut aufzuklären und adäquate Vorbereitungen zu treffen.
Am wichtigsten ist die frühzeitige Diagnose und sofortige Anforderung eines Notfalltransportes, der dann im günstigsten Fall schon prophylaktisch vor der Haustür steht. Die Leitlinien-Empfehlung einer prophylaktischen Oxytocingabe post partum (3–5 I.E.) ist hier zwingend.
Frauen, die im Wasser geboren haben, sollten gerade bei Risikofaktoren wie beispielsweise Zustand nach Atonie, mehreren Fehlgeburten oder Zustand nach Sectio schnell an Land gebracht werden, um gegebenenfalls situationsgerecht agieren und reagieren zu können.

  • Selbstverständlich wird die Blase entleert.
  • Eine aktive Entwicklung der Plazenta ist nur bei eindeutigen Lösungszeichen zu empfehlen.
  • Wenn es anhaltend blutet, kann ich nur raten, einen zweiten venösen Zugang anzulegen.
  • Im Anschluss kann Oxytocin weiter in einer Trägerlösung (Kochsalz oder Ringer) verabreicht werden (10–40 I.E. in 500 bis 1.000 ml)
  • Zur Kreislaufstabilisierung kommt Ringerlösung zum Einsatz, aber bitte mit Maß (nie mehr als 3 Liter), um nicht einer Verdünnungskoagulopathie Vorschub zu leisten.
  • Der Einsatz von Misoprostol (800–1.000 Mikrogramm rektal oder 600 Mikrogramm oral) ist gerade in der außerklinischen Geburtshilfe eine sinnvolle Maßnahme bei anhaltenden Blutungen trotz Oxytocingabe.
  • Ist der Notarzt vor Ort, kommen Tranexamsäure (1 g) und gegebenenfalls Sulproston nach Schema zum Einsatz. Diese Medikamente müssen auf jedem Einsatzfahrzeug vorgehalten werden.
  • Wenn alle Stricke reißen, hilft nur noch die Mechanik (siehe Abbildung).
Der Thailändische Geburtshelfer Wanchai Chantrapitak hat seine eigene Methode einer mechanischen Stillung von Blutungen im unteren Uterinsegment in einer randomisierten Studie evaluiert: Dabei wird nur das untere Uterinsegment mit den Fingern einer Hand für 10 min komprimiert. Wahlweise übt die andere Hand am Fundus einen Gegendruck aus.

Möglicherweise ist es genauso effektiv und etwas angenehmer, wenn die Scheide teilweise tamponiert wird und über die zum Pringle geformte und in die Scheide eingeführte Hand bimanuell komprimiert wird. Bei schlanken Frauen erfüllt ein Sandsack, der mit der Esmarch-Gummibinde komprimierend auf den Fundus »geschnallt« wird, eine ähnliche Funktion. Das spart eine Hand und Kraft!
Selten wird beachtet, dass Frauen mit Blutungen nach Kreislaufzentralisation durch Unterkühlung zusätzlich gefährdet sind. Darauf ist zu achten und gegebenenfalls sind Decken und/oder eine Notfallisolierfolie einzusetzen (ohne natürlich allfällige Maßnahmen dadurch einzuschränken).
Entscheidend ist es, die Blutung so weit zu minimieren, dass kein Schockzustand entsteht. Mitunter zwingt dieser zur Reanimation. Für die Reanimation reichen ein Ambubeutel mit passender Maske und aktuelle Kenntnisse in der Erwachsenenreanimation
Grundsätzlich sollte man wissen, dass mit Reanimationsmaßnahmen ein Schockzustand in der Regel behandelbar ist. Viel problematischer ist es, wenn sich in Folge der Blutungen eine Gerinnungsstörung entwickelt. Diese ist nur intensivmedizinisch zu beherrschen. Daher ist es gerade in der außerklinischen Geburtshilfe wichtig, im Zweifel beherzt und leider (!) auch wenig traumasensibel zu agieren. Ruhiger, klarer und professioneller Blick- und Sprachkontakt mit der Frau bewirkt dabei Wunder und verhindert regelhaft Traumatisierungen.

Der sehr unangenehme Einsatz des Hamilton-Handgriffs, bei dem mit der Faust in der Scheide der Uterus bimanuell komprimiert wird, ist oft unumgänglich und lebensrettend. Dabei kann ggf. eine zweite Person die Aorta mit zwei Fäusten verschließen.

Variante des Hamilton-Handgriffs: Statt einer Faust kann man genug Mullbinden vaginal einführen, um ein Widerlager zu schaffen. Das ist nicht ganz so effektiv und schnell wirksam, aber für die Frau auf jeden Fall angenehmer. Die Anwendung hängt von der Stärke der Blutung ab.

Während eines Notfalltransportes ist es sinnvoll, bereits mit den Geburtshelfer:innen im Kreißsaal Kontakt aufzunehmen. In der Klinik kann dann schon alles am passenden Ort (OP/Kreißsaal) vorbereitet werden. Im Rahmen eines Gutachtens kam ich zu dem Schluss, dass die interdisziplinäre Behandlung in einem Schockraum der Notaufnahme dazu geführt hat, dass viele Köche den Brei verdorben und der Grundsatz »Was häufig ist, ist häufig, und was selten ist, ist selten« fatal missachtet wurde. In einem mir bekannten Fall wurden trotz klarer Hinweise auf einen hämorrhagischen Schock seltene Differenzialdiagnosen per Computertomografie ausgeschlossen und damit wichtige Sofortmaßnahmen hintangestellt – und dann zu spät durchgeführt.
Wenn eine Frau mit Blutungen nach der außerklinischen Geburt eingewiesen wird, gehört sie in die Hände des erfahrensten Geburtshelfers vor Ort, der in Kooperation mit der Anästhesie die Maßnahmen festlegt.

Fazit

Die Empfehlungen zur Behandlung einer PPH sind in der außerklinischen Geburtshilfe nur bedingt umsetzbar. Hier sollte zukünftig überlegt werden, ob es nicht sinnvoll ist, insbesondere das Spektrum medikamentöser Maßnahmen zu erweitern (siehe Kasten: Empfehlung). Das präklinische, gegebenenfalls telemedizinisch unterstützte Schnittstellenmanagement mit dem Notarzt und der Klinik könnte zudem ausgebaut werden.
Bei einer Hausgeburt oder im Geburtshaus ist es aber am wichtigsten, eine Blutung rechtzeitig zu erkennen und den jeweiligen Notfallplan konsequent umzusetzen. Dabei geht es um die Vermeidung von Schock, Reanimation und Gerinnungsstörung.
Die Daten der Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe (QUAG) lassen vermuten, dass Mütter auch außerklinisch nicht vital bedroht sind. Der einzige blutungsbedingte mütterliche Todesfall nach einer Hausgeburt in den letzten Jahren hatte seine Ursachen in unzureichender Prophylaxe, später Diagnosestellung sowie fehlenden Zuständigkeiten und Absprachen.
Wie so oft machen wir nicht Fehler, weil wir etwas nicht können oder wissen, sondern weil es an Achtsamkeit und Aufmerksamkeit mangelt. Erfreulicherweise ist dies gerade in der außerklinischen Geburtshilfe bei Blutungen aber die absolute Ausnahme, so dass dieser Geburtsort (was die PPH betrifft) aus meiner Sicht als sicher gelten darf.

Zitiervorlage
Lütje, W. (2024). Blutungen bei außerklinischen Geburten: Prophylaxe, Selektion, Management. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 76 (11), 42–46.
Literatur
Chantrapitak, W., Srijuntuek, K., & Wattanaluangarun, R. (2011). The efficacy of lower uterine segment compression for prevention of early postpartum hemorrhage
after vaginal delivery. Journal of the Medical Association of Thailand = Chotmaihet thangphaet, 94(6), 649–656.

Schlembach, D., Helmer, H., Henrich, W., von Heymann, C., Kainer, F., Korte, W., Kühnert, M., Lier, H., Maul, H., Rath, W., Steppat, S., Surbek, D., & Wacker, J. (2018). Peripartum Haemorrhage, Diagnosis and Therapy. Guideline of the DGGG, OEGGG and SGGG (S2k Level, AWMF Registry No. 015/063, March 2016). Geburtshilfe und
Frauenheilkunde, 78(4), 382–399. https://doi.org/10.1055/a-0582-0122

QUAG. (2022). Qualitätsbericht 2022. https://www.quag.de/downloads/QUAG_Bericht2022.pdf

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