Nur für Selbstzahler
Nach einem herzlichen Empfang bestätigen sich unsere Sorgen: Die Zahlungen der Regierung sind noch nicht eingetroffen und so befinden sich im Krankenhaus zurzeit nur selbst zahlende PatientInnen. Da sich das in Malawi kaum einer leisten kann, finden wir hauptsächlich leere Betten vor. Doch nach einem mehrstündigen Meeting mit dem Management des Krankenhauses gibt es Entwarnung: Die Mittel werden in den nächsten Tagen erwartet. Voraussichtlich in der nächsten Woche kann die kostenlose medizinische Versorgung wieder aufgenommen werden.
Wir merken schon jetzt, dass in Malawi ein ganz anderes Zeitempfinden herrscht. Alles läuft viel gemütlicher, keiner scheint in Eile zu sein. Die morgendliche Besprechung, die täglich um 7.45 Uhr losgeht, fängt »pünktlich« um 8.10 Uhr an und zieht sich manchmal wie Kaugummi. Das völlige Gegenteil zu unserem hektischen Arbeitsleben daheim.
Direkt am ersten Tag werde ich gebeten, in der Zwangspause umfangreiche Schulungen und Trainingseinheiten für alle Angestellten des Holy Family Hospital zu geben. Plötzlich soll ich Vorträge auf Englisch aus dem Ärmel schütteln. Und so finde ich mich morgens vor 40 schwarzen Gesichtern mit großen Augen wieder und halte einen Vortrag über »Postpartale Blutungen« und »Vakuum-Extraktion«. Ich will den Leuten keinesfalls zu verstehen geben, sie würden alles falsch machen, nur weil sie es anders machen. Sehr schwierig ist es, den »Unterricht« interaktiv zu gestalten, da sich niemand traut, den Mund aufzumachen.
In Malawi herrscht eine Kultur, in der man nicht auf Fehler hingewiesen wird. Doch nach einigen Witzen schmilzt das Eis. Für den nächsten Morgen steht ein Training für »Neugeborenen-Reanimation« auf dem Plan. Das ist bitter nötig, denn bisher weiß kaum jemand, wie man mit einem schlappen Kind richtig umzugehen hat. Was leider dazu führt, dass täglich Kinder nach der Geburt sterben.
Da Inga und ich es nicht ohne praktische Tätigkeit aushalten, besuchen wir noch am selben Tag das fünf Kilometer entfernte Health Center von Phalombe. Dort dürfen wir direkt Hand anlegen und erleben einige tolle Geburten. Das Personal macht es uns einfach und zeigt uns, wie Geburtshilfe in Malawi funktioniert. Wir sind überrascht, was für tolle Arbeit mit wenigen Mitteln geleistet werden kann. Und so machen wir uns nun jeden Tag nach dem Vortrag mit dem Fahrradtaxi auf den Weg ins Health Center.
Leider müssen wir auch erleben, was es bedeutet, dass das Holy Family Hospital nur für zahlende PatientInnen geöffnet hatte: Mütter, die schnellstmöglich einen Kaiserschnitt gebraucht hätten, müssen wir in das nächste Krankenhaus schicken, das über zwei Autostunden entfernt in Zomba ist. Es gibt zwar einen Krankentransport, aber der fährt erst ab, wenn er voll ist und bleibt ohne jegliches medizinisches Personal.
So können wir eine Frau mit gerade gestorbenem Kind im Bauch und von uns diagnostizierter Uterusruptur nicht schnellstmöglich und lebensrettend operieren, sondern nur noch hoffen, dass sie es bis nach Zomba schafft.