In den Geburtshäusern steht nicht nur ein Generationenwechsel an, sie müssen sich auch an veränderte Bedingungen anpassen. Das ist ein Thema auch im Netzwerk der Geburtshäuser.
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In den Geburtshäusern steht nicht nur ein Generationenwechsel an, sie müssen sich auch an veränderte Bedingungen anpassen. Das ist ein Thema auch im Netzwerk der Geburtshäuser.
Das Hauptaugenmerk der ersten Geburtshausgeneration in den 1990er Jahren lag auf einer frauenorientierten Hebammen-Geburtshilfe, die sich an den physiologischen und sozialen Bedürfnissen von Schwangeren, Müttern und Kindern orientierte. Schwerpunkt war die Suche nach mehr Klientinnen. Von einem Fachkräftemangel war noch keine Rede. Geburtshaus-Teams waren nur selten bereit, Hebammen ohne Berufserfahrung direkt nach dem Examen aufzunehmen, da sie den enormen unbezahlten Einarbeitungsaufwand scheuten.
Heute sind Geburtshäuser im Sozialgesetzbuch SGB V gesetzlich verankert. Doch Rahmenbedingungen, Frauen und Hebammen haben sich verändert. Es gibt politische und wirtschaftliche Zwänge, lange Wartelisten und immer mehr Frauen, die aufgrund fehlender Kapazitäten nicht im Geburtshaus versorgt werden können. Jetzt werden nicht »mehr Frauen«, sondern »Hebammen dringend gesucht!«.
Die Gründe für das Fehlen von Kolleginnen in den Geburtshäusern sind vielfältig. Geburtshäuser der ersten Generation sind inzwischen professionell geführte kleine Unternehmen und in vielen von ihnen steht ein Wechsel an. Dienstältere Hebammen geben die Geburtshilfe oder gar ihren Beruf wegen der jahrelangen hohen Belastung oder aus Altersgründen auf. Aber auch jüngere Kolleginnen steigen aus, zum Beispiel weil sie selbst in Mutterschutz gehen oder nach der Geburt ihrer Kinder andere Arbeitszeiten brauchen. Wieder andere Geburtshäuser sind in der glücklichen Lage zu wachsen und brauchen deshalb neue Kolleginnen.
Anders als zur Zeit der ersten Gründungen kommen inzwischen viele jüngere Kolleginnen in die Geburtshäuser, oft direkt nach der Hebammenausbildung beziehungsweise dem Studium. Auch die Ausbildungen scheinen sich verändert zu haben. Es geht um mehr als das übliche »früher war alles besser«.
Die Situation spiegelt die Veränderung unserer Geburtskultur und der inzwischen ausgeprägten Sorge vor juristischen Konsequenzen der eigenen Arbeit. Dies führt zu Herausforderungen, die über die normale Integration der neuen Kolleginnen in ein festgefügtes Team hinausgehen. Eingespielte Arbeitskonzepte werden infrage gestellt.
»Müssen wir das Geburtshaus neu erfinden?«, fragen sich Hebammen und Geschäftsführerinnen im Netzwerk der Geburtshäuser. Sie befassen sich seit einigen Jahren mit dem Generationenwechsel und den Veränderungen, die nötig sind, damit sich Geburtshäuser in unserer Gesundheitsstruktur behaupten können. Ging es ursprünglich darum, das Geburtshaus als Arbeitsort für junge Hebammen attraktiv zu machen, wurde schnell klar, dass nicht nur für die jungen, sondern auch für die älteren Kolleginnen neue Strukturen geschaffen werden müssen, die ihnen den Verbleib entsprechend ihrer Ressourcen und einen langsamen Ausstieg möglich machen. Dazu gibt es alle neun Monate bei den Fachtagungen des Netzwerkes der Geburtshäuser einen kontinuierlichen, ergebnisreichen Erfahrungsaustausch.
Dabei hat sich bewährt, dass jüngere mit erfahreneren Hebammen eines Hauses gemeinsam an den Tagungsworkshops teilnehmen und vom Erfahrungsaustausch profitieren. Sie entwickeln miteinander Ideen, stellen bereits bewährte Lösungen und neue, innovative Ansätze aus ihren Teams vor. Begleitet wird dieser Austausch durch die Kooperation des Netzwerkes der Geburtshäuser mit dem Bereich Gesundheitsökonomie der Universität Köln, in der bereits eine Bachelor- und eine Masterarbeit zur Arbeitszufriedenheit und zum Generationenwechsel in Geburtshäusern geschrieben wurden. Drei Themenfelder kristallisierten sich als besonders bedeutsam heraus:
Am Anfang standen die Wahrnehmung »junge Kolleginnen ticken anders«, der Wunsch, mit dieser Unterschiedlichkeit umgehen zu können, und der Austausch über konkrete Lösungen in den Geburtshäusern. Der erste Tagungsworkshop im Jahr 2016 führte bereits zu vielen Aha-Momenten auf beiden Seiten und beantwortete die Fragen zu unterschiedlichen Bedürfnissen in verschiedenen Lebensphasen. Die unter Anleitung geübte Methode »Perspektivwechsel« ermöglichte wichtige und berührende Erkenntnisse, denn jede Kollegin hat gute Gründe für ihre Vorstellungen, Erwartungen und auch ihre Befürchtungen.
Als wichtigste Erkenntnis konnten die Workshop-Teilnehmerinnen mitnehmen: Wenn es gelingt, die Unterschiedlichkeit der Kolleginnen als Stärken wahrzunehmen, wertzuschätzen und zu integrieren, können alle voneinander profitieren. Das ist die Basis einer guten Teamarbeit und ermöglicht eine hohe Betreuungsqualität.
»Eigentlich wissen wir das ja alles schon«, meinte eine der älteren Kolleginnen. Und doch tue es gut, es noch einmal zu erleben und auch zu sehen »… dass es den anderen ebenso ergeht wie uns, dass dies ein Problem unserer internen und externen Strukturen ist und nicht primär unserer eigenen Unfähigkeit.«
Die Untersuchung zum Generationenwechsel im Geburtshaus Bonn macht vor allem den Wunsch der Jüngeren nach besserer Vereinbarkeit von Beruf und Familie deutlich, für Hebammen mit kleinen Kindern insbesondere nach Planbarkeit im geburtshilflichen Bereich (Boxberg 2017). Für viele Ältere gehört die Dauerrufbereitschaft als »Philosophie« zum Konzept und ist daher unantastbar. Gleichwohl nennen auch sie die zunehmende physische Belastung als großes Problem und Hauptgrund für ihren geplanten Ausstieg aus der Geburtshilfe. Der Austausch über die Ergebnisse von Interviews zur genannten Untersuchung setzte im Geburtshaus Bonn die Suche nach Lösungen und ein Ausprobieren von Mischformen in Gang.
Weitere Unterschiede zwischen den Jüngeren und Älteren zeigten sich vor allem in der Haltung zum Verwaltungsaufwand. Ältere Kolleginnen haben ihre Hebammentätigkeit ohne ein strukturiertes Qualitätsmanagement, ohne Datenschutzgrundverordnung und auch ohne Social Media begonnen. Seitdem hat sich vieles verändert, nicht nur für Hebammen. Die jungen Kolleginnen sind mit diesen Veränderungen aufgewachsen und fühlen sich dadurch weniger belastet. Katharina Boxberg regt deshalb in ihrer Untersuchung an, dass die jüngeren die älteren Kolleginnen in diesen Bereichen entlasten sollten. Außerdem wünschten sich jüngere Hebammen generell mehr Anleitung und Rückmeldung von den älteren beziehungsweise von ihrer fachlichen Leitung (Krupp 2017).
In einer Untersuchung zur Arbeitszufriedenheit in Geburtshäusern im Generationenvergleich geht Ramona Krupp davon aus, dass sich für den Arbeitsplatz Geburtshaus strukturelle und organisatorische Merkmale festmachen lassen, die die Arbeitszufriedenheit fördern und Arbeitsunzufriedenheit vermeiden. Die Auswertung ihrer Umfrage zeigt eine sehr hohe Zufriedenheit aller teilnehmenden Hebammen und Geschäftsführerinnen – und zwar unabhängig von der Rechtsform und dem Arbeitssystem des Geburtshauses. Fast die Hälfte aller teilnehmenden Hebammen sieht dennoch Verbesserungsbedarf für ihre Arbeitsstrukturen.
Widersprüchlich zeigt sich der Zusammenhang zwischen Teamgröße und Arbeitszufriedenheit: Die Arbeit in großen Teams mit unterschiedlichen Strukturen wird als sehr belastend geschildert. Die Zufriedenheit ist umso höher, je kleiner das Team ist. Gleichzeitig wird die hohe physische Belastung in Einzelarbeit und Zweierteams immer wieder als Problem benannt. Dies steht im Zusammenhang mit dem jeweiligen Arbeitssystem – als Dauerrufbereitschafts- oder Dienste-System (Krupp 2017).
Die Zufriedenheit in Zeiten des Hebammenmangels stellt auch für die Leitung oder Geschäftsführung eines Geburtshauses eine besondere Herausforderung dar. Ihre Aufgabe ist es, die Hebammen trotz der hohen physischen Belastung im Geburtshaus zu halten.
»Wir sind seriös und solvent«, lautet der Leitspruch von Claudia Riegel, Geschäftsführerin des Geburtshauses Frankfurt, den sie ihrem Vortrag zum Thema »MitarbeiterInnenzufriedenheit trotz Hebammenmangels« voranstellt (Riegel 2018). »Wir sind ernst zu nehmende Geschäftspartner.« Das, was den Frauen nach außen vermittelt würde, müsse auch nach innen gelebt werden.
In ihrem Vortrag für die Geschäftsführerinnen von Geburtshäusern im Februar 2018 stellt sie ihre Erfahrungen zur Motivation der Hebammenkolleginnen in vermeintlich schwierigen Zeiten vor. Besonders wichtig sei es, eine positive Energie zu vermitteln, dabei vor allem auf eine positive Sprache zu achten und den Hebammen und anderen MitarbeiterInnen bewusst motivierende Zukunftsbilder zu ermöglichen.
Wissenssicherung und Wissenstransfer sind Leitungsaufgaben. Daher haben die Geschäftsführerinnen im Netzwerk der Geburtshäuser im November 2018 ihre Erfahrungen in einer Sammlung hilfreicher Lösungsansätze zusammengetragen.
Auch hier ging es zunächst darum, das Wissen der älteren Kolleginnen zu sichern und zu transferieren. Schnell bestand jedoch Einigkeit darüber, dass dieses Thema immer ansteht, wenn Hebammen und MitarbeiterInnen aus dem Team ausscheiden, nicht nur im Zuge des Generationswechsels.
Analog zum »Einarbeitungsplan« für neue Kolleginnen wird beispielsweise ein »Ausarbeitungsplan« empfohlen. Denn auch der Abschied ist ein längerer, in Phasen verlaufender Prozess, der vorbereitet und evaluiert werden muss. Zeitfenster müssen bestimmt, Schritte definiert werden. Es geht auch um die Balance zwischen Bewahren und Erneuern. Wichtig ist vor allem, miteinander im Gespräch zu bleiben.
Auch diejenigen, die Aufgaben neu übernehmen oder hineinwachsen sollen, brauchen einen verbindlichen Zeitpunkt und kleine Schritte auf dem Weg zum Ziel. Für beide Seiten – Abgebende und Übernehmende – müssen Ziele definiert und Schritte verhandelt werden.
Um dem Arbeitsplatz für alle positiv zu gestalten, ergeben sich folgende Schlussfolgerungen:
Zurzeit arbeitet das Netzwerk der Geburtshäuser an den folgenden Themen:
Weitere Informationen: info@netzwerk-geburtshaeuser.de
Boxberg K: Veränderungen in der Berufsvorstellung der Hebamme. Der Generationenwechsel im Geburtshaus Bonn. Bachelorarbeit im Studiengang Gesundheitsökonomie. Universität Köln 2017
Krupp R: Die Attraktivität von Geburtshäusern als Arbeitsplatz: Eine empirische Untersuchung der Arbeitszufriedenheit von außerklinisch tätigen Hebammen im Generationenvergleich. Masterarbeit im Studiengang Gesundheitsökonomie. Universität Köln 2017
Riegel C: Mitarbeiterinnenzufriedenheit bei Hebammenmangel – Steuerung der Unternehmenskultur. Vortrag zur Tagung des Netzwerks der Geburtshäuser. München 2018