Das Symposium nutzt Räume im Haus Adeline Favre, dem größten Bildungs- und Forschungszentrum der Schweiz: Zwischen den versetzt gestapelten Hörsälen und Praxisräumen entstehen Terrassen, Foyers, Arbeits- und Lernbereiche.
Fotos: © Birgit Heimbach
Ende Januar fand an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften das Winterthurer Hebammensymposium statt. Hebammenforscherinnen verorteten sich im Blick auf eine bessere Zukunft für die Menschheit neu. Sie bezogen sich stärker auf Politik, Soziologe und Philosophie.
Am 25. Januar dieses Jahres fand das letzte Symposium statt, für das Regula Hauser vor ihrer Pensionierung verantwortlich war. Die Leiterin der Weiterbildung am Institut für Hebammenwissenschaft und reproduktive Gesundheit an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) hatte mit einem Team von Hebammen die rund zehn Programmpunkte des Tages zusammengestellt. Als Moderatorin führte sie die Referent:innen und rund 90 Teilnehmenden routiniert durch die Veranstaltung. Bereits 2011 hatte die Hebamme das Winterthurer Symposium ins Leben gerufen – damals unter dem Motto »Wochenbett der Zukunft«.
Regula Hauser, Leiterin der Weiterbildung am Institut für Hebammenwissenschaft und reproduktive Gesundheit an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften, führt routiniert durch den Tag.
Medizinische Interventionen verringern
Von Beginn an war es Hauser wichtig, die Politik mit einzubeziehen. Nur so sei manche Änderung im System möglich. Dieses Mal war die Kantonsrätin Monika Wicki mit einem Grußwort online zugeschaltet, die sich seit einigen Jahren mit Nachdruck im Kanton Zürich für die hebammengeleitete Geburtshilfe einsetzt. Sie kämpft gemeinsam mit Hebammen dafür, medizinische Interventionen auf ein nachweisbar sinnvolles und finanziell tragbares Maß zu minimieren. Wicki nannte engagierte Hebammen aus dem Schweizer Trägerverein »smarter medicine – Choosing Wisely Switzerland«, die nach dem Motto »weniger ist mehr« das Ziel der optimalen und nicht der maximalen Patientenversorgung anstreben. Diesem Trägerverein gehört auch die Schweizer Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) an. Monika Wicki ist seit 2017 Gründungspräsidentin der Interessengemeinschaft nachhaltiger Geburtshilfe (IGNGH), die sich an der SAMW orientiert. 2023 setzte sie sich bei einem Round-Table-Gespräch für die Gründung von Geburtshäusern auf dem Areal von Spitälern ein.
Die Schweizer Kampagne »smarter medicine« orientiert sich an der 2011 gegründeten amerikanischen Initiative »Choosing Wisely«, die neben klugen Entscheidungen auch die offene Diskussion mit Patient:innen und der Öffentlichkeit anstrebt.
In der Top-5-Liste mit Empfehlungen zu geburtshilflichen Interventionen, die der Schweizerische Hebammenverband (SHV) publiziert hat, wird unter dem zweiten Punkt aufgeführt, dass ohne klare medizinische Indikation vor 39 0/7 Schwangerschaftswochen keine Geburtseinleitung und kein Kaiserschnitt geplant oder empfohlen werden sollen. Der vierte Punkt lautet: »Keine medikamentöse Augmentation der Wehen (Wehenunterstützung) ohne klare medizinische Indikation« (Choosing Wisely Switzerland & Schweitzer Hebammenverband, 2023).
Enkelfähige Zukunft
»Hebammenarbeit: beständig wie nachhaltig« war das Motto der Tagung in Winterthur. Das Thema Nachhaltigkeit wird auch in Deutschland in der Hebammenwissenschaft verhandelt. Prof. Dr. Jessica Pehlke-Milde, eine der beiden Leiterinnen am Winterthurer Institut für Hebammenwissenschaft und reproduktive Gesundheit, gab in ihrer Begrüßungsrede eine Definition von Nachhaltigkeit. Dazu gehöre etwa die »Fähigkeit, die Bedürfnisse der Gegenwart zu befriedigen, ohne nachkommende Generationen zu belasten«, und dafür zu sorgen, dass »Umwelt und Gesellschaft im Gleichgewicht sind«. Es gehe darum, dass die jetzt betreuten Neugeborenen auch in Zukunft gesund leben. Die Professorin möchte ihren Studierenden Zukunftskompetenzen an die Hand geben, denn auch Hebammenarbeit sei aus ihrer Sicht nicht per se nachhaltig.
Jessica Pehlke-Milde führt interessierte Teilnehmerinnen durch das Gebäude, das nach der Walliser Hebamme Adeline Favre benannt wurde.
Sie verwies auf ein Buch des Transformationsforschers und Philosophen Hans Rosinek (geb. 1989) aus dem Jahr 2023, das schon im Titel »Work-Survive-Balance« mit einer Transformation aufwartet – nämlich der des Begriffs »Work-Life-Balance«. Hans Rosinek promovierte an der Universität St. Gallen zu »Meaningful Work« und erläutert in seinem Buch seine Überzeugung, dass Arbeit als ein zentrales menschliches Bedürfnis neu gedacht und enkelfähig gestaltetet werden müsse. Denn wenn wir so weitermachten wie bisher, würden wir unsere Lebensgrundlage »abarbeiten«. Die planetaren Grenzen würden die Änderung der Arbeitswelt vorgeben, offen sei noch, ob »by Design oder by Desaster«.
Rosinek, der einen Lehrauftrag zu »Future of Work« an der Fresenius Universität in Hamburg innehat, ist Mitglied im Think Tank 30 (tt30), der Nachwuchsorganisation der Deutschen Gesellschaft Club of Rome, die sich für eine nachhaltige Zukunft der Menschheit und den Schutz von Ökosystemen einsetzt. Der Club of Rome ist eine gemeinnützige Organisation, die mehrfach auf dem Symposium in Winterthur genannt wurde und deren Sitz sich seit 2008 dort befindet. Er ist ein Zusammenschluss von Expert:innen verschiedener Disziplinen aus mehr als 30 Ländern und wurde 1968 auf einer Konferenz in Rom gegründet. Mit dem 1972 veröffentlichten Bericht »Die Grenzen des Wachstums« wurde er weltweit bekannt.
Geburtshilfe in den USA
Den ersten Vortrag des Tages hielt Pehlke-Mildes engste Kollegin: Prof. Dr. Joyce Edmonds, die seit fast einem Jahr die zweite Co-Leiterin am Winterthurer Institut für Hebammenwissenschaft und reproduktive Gesundheit ist. Mit der Einstellung der aus Boston stammenden Public-Health-Expertin für maternale Gesundheit demonstriert die ZHAW ihre globale Vernetzung. Edmonds befasst sich seit Jahren mit Faktoren, die die Müttersterblichkeit und die Kaiserschnittrate beeinflussen, sowie mit dem Einfluss sozialer und kultureller Faktoren auf die Geburt.
Joyce Edmonds, Public-Health-Expertin aus Boston, vergleicht die geburtshilflichen Systeme in den USA und der Schweiz.
Auf dieser Grundlage drehte sich ihr englischsprachiger Vortrag um die verschiedenen Systeme der Geburtshilfe in den USA und in der dagegen nahezu winzigen Schweiz, die so klein ist wie Pennsylvania, einer der kleineren der 50 US-Bundesstaaten. Sie benannte die Zahl der Hebammen in den USA mit 15.000, was eindeutig für eine Unterversorgung sprechen würde. Anhand einer Landkarte zeigte sie sogenannte Maternity Care Deserts auf, die ein wichtiger Grund dafür seien, dass die USA weltweit die höchste Mortalitätsrate aufweise. Dem gegenüber stehe die Zahl von 3.000 Hebammen in der Schweiz, die einen Goldstandard an kontinuierlicher postpartaler Pflege ermögliche.
Um von unten die Versorgung zu verbessern, schlägt Joyce Edmonds ein ständiges Feedback der Endverbraucher:innen vor – in der Form, wie sie es in einer öffentlichen Toilette am Flughafen von Zürich gesehen habe. Dort könne man durch Knopfdruck ganz einfach Faktoren wie die Sauberkeit bewerten. Aber auch aus ihrer Heimat holt sie Inspiration in die Schweiz. So gibt es nun an der ZHAW Fortbildungen des Ariadne Labs, eines gemeinsamen Zentrums für Gesundheitssystem-Innovation am Brigham and Women’s Hospital und der Harvard T.H. Chan School of Public Health. Die Fortbildung »TeamBirth« für interprofessionelle Teams, geleitet von Amber Weiseth, vermittelt strukturierte, respektvolle Kommunikation, Teamarbeit und gemeinsame Entscheidungsfindung.
Die Initiave Earth4all
Eine Referentin des Winterthurer Hebammensymposiums war die Hebamme Franziska Dresen, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für Gesundheit Bochum, wo sie zu »Planetary Health« und »One Health« in der Hebammenarbeit, -wissenschaft und -lehre forscht. Um dieses wissenschaftliche Konzept ging es auch in ihrem Vortrag. Es besagt, dass die Gesundheit der Menschen von der Gesundheit des Ökosystems der Erde abhängt. Dresen betonte, wie wichtig es sei, dass Nachhaltigkeit in den Lehrplan des Hebammenstudiums aufgenommen wird. Sie stellte die internationale Initiative Earth4all vor, die auf den Club of Rome aus dem Jahr 2022 zurückgeht.
Franziska Dresen forscht an der Hochschule für Gesundheit Bochum zu »Planetary Health« und »One Health« in der Hebammenarbeit.
Dresen erläuterte die zwei Zukunftsszenarien der Initiative: Auf der einen Seite gehe es im System »Too Little, Too Late« um die Konsequenzen einer Fortsetzung unseres gegenwärtigen destruktiven Weges. Diese hätte zur Folge, dass der Mensch nicht ausreichend vor den Folgen des Klimawandels geschützt sein wird. Für eine gesunde Erde sei dagegen – das zweite Szenario – ein radikaler Wandel nötig, ein »Giant Leap«. Die Grundbedürfnisse aller Menschen könnten nur gedeckt werden, wenn außerordentliche Kehrtwenden in den fünf Bereichen Ermächtigung, Ungleichheit, Energie, Ernährung und Armut vollzogen würden. Dresen hob die Stärkung der Frauen hierbei als einen wichtigen Punkt hervor.
Der Initiative Earth4all stellte sie die 17 Ziele der Agenda 2030 der Vereinten Nationen (UN) gegenüber, des ersten internationalen Abkommens, in dem das Prinzip der Nachhaltigkeit mit der Armutsbekämpfung und der ökonomischen, ökologischen und sozialen Entwicklung verknüpft wird. Bis 2030 gibt sich die UN Zeit, nachhaltigen Frieden, Wohlstand und einen gesunden Planeten zu ermöglichen. Auch auf das nachhaltige Wirtschaftsmodell der Donut-Ökonomie von der Wirtschaftswissenschaftlerin Kate Raworths ging Dresen ein: Der äußere Rand des Donuts beschreibe die planetaren Grenzen, die nicht überschritten werden dürften. Der innere Rand zeige die sozialen Grenzen auf, die gleichzeitig nicht unterschritten werden dürften. Die Hebamme erwähnte noch das Suffizienz-Credo des Ökonomen Ernst F. Schumacher (1911–1977) »Small is beautiful«, der 1973 im gleichnamigen Buch ein Plädoyer für eine Rückkehr zum menschlichen Maß schrieb, einen Klassiker zum Thema Nachhaltigkeit.
Dresen zeigte in ihrem einstündigen Vortrag konkrete Handlungsmöglichkeit für Hebammen auf. Etwa wie sie die Eltern beeinflussen können, sich ökologischer zu verhalten. Als Beispiel der dafür nötigen zehn Regeln nannte sie vertrauenswürdige Botschaften, Empathie sowie das Aufzeigen konkreter Handlungsmöglichkeiten. Schnell umzusetzende Maßnahmen seien das Einsparen von Wegwerfartikeln wie Plastikwindeln und nicht umweltverträglicher Stoffe wie Lachgas sowie der Verzehr von klimasensiblen Lebensmitteln. Zu den Aspekten einer Hebammenarbeit, die nachhaltiges Wohlergehen der Familien im Auge hat, zählte sie die Unterstützung in der Selbstbestimmung und der fairen Partnerschaft – etwa den Rat zum Abschluss eines Ehevertrages. Sie erläuterte die Begriffe Adaption (= Aktionen, um die Auswirkungen des Klimawandels zu bewältigen, wie etwa Schutz vor Fluten) und Mitigation (= Aktionen zur Reduzierung von Emissionen, die den Klimawandel verursachen).
Einflüsse aus der Soziologie
Die Hebamme Franziska Dresen hat auch Soziologie studiert und beweist, dass zusätzliche Qualifikationen wichtige Strömungen anderer Disziplinen in die Welt der Geburtshilfe integrieren können. So brachte sie den Zuhörenden den derzeit sehr hoch geschätzten deutschen Soziologen Hartmut Rosa (geb. 1965) nahe.
Rosa beschreibt unsere Gesellschaft als zunehmend ratlos – als vereinzelte Individuen in einer Welt, in der wir zwar als Arbeitskraft und Konsument:in gefragt seien, uns aber trotzdem allein fühlten, weil uns die Resonanz mit der Welt abhandengekommen sei. Kinder seien noch von Natur aus Resonanzwesen, die mit ihrer Welt in einer Austausch-Beziehung stünden. Laut Rosa haben Erwachsene eine verdinglichte Form der Weltbeziehung, weil unsere Leistungsgesellschaft auf ständiges Wachstum ausgelegt sei. Es fehlten uns Momente, in denen wir tief berührt werden. Seiner Meinung nach gibt es drei mögliche Resonanzachsen: Eine horizontale Resonanzachse bezieht sich auf Begegnungen mit anderen Menschen, eine vertikale beispielsweise zu Kunst, Natur und Spiritualität, die diagonale schreibt er bestimmten Tätigkeiten zu.
Eine resonante Weltbeziehung zu Mitmenschen und Umwelt lässt laut Rosa Veränderung und Entwicklung zu. So eine Resonanzerfahrung finde aber nur statt, wenn man bereit ist, sich berühren zu lassen, ohne zu wissen, was dabei herauskommt. Dazu gehöre es, Verletzbarkeit zu akzeptieren. Dankbarkeit und Demut seien dafür unerlässliche Tugenden (Rosa, 2019).
Dresen übertrug Rosas Gedanken auf die Welt der Hebammen: »Die Lebensphase rund um die Geburt stellt eine immer seltener vorkommende Resonanz-Oase dar. Hebammen begleiten Frauen, Neugeborene und Familien in dem tiefen Erleben, Natur zu sein und sich mit ihr zu binden.« Sie könnten Schutzräume bilden, in denen das Verletzungsrisiko annehmbar werde und das Erleben der Selbstwirksamkeit und Resonanz erfahrbar werde.
Dr. Nancy Stone, Hebamme und ebenfalls Bachelor-Absolventin eines Soziologiestudiums hielt den Vortrag »Mit Freude Geburten betreuen: Nachhaltigkeit und Hebammenarbeit«. Sie berührte die Zuhörenden mit Beschreibungen von jungen Hebammen, die Geburten als beeindruckend schönes und freudiges Ereignis erleben konnten. Stones Erläuterungen basierten auf ihrem Forschungsprojekt »Ask a Midwife«. Hierbei handelt es sich um ein Akronym, hinter dem sich folgender englischer Titel verbirgt: Acquisition of Skills and Knowledge by Midwives to support low Intervention Birth at free-standing Birth Centres (Erwerb von Kompetenzen und Fertigkeiten von Hebammen zur Unterstützung von interventionsarmen Geburten in Geburtshäusern).
Nancy Stone fragt mit ihrem Projekt »Ask a Midwife«, wie Hebammen nach der Berufszulassung die nötigen Fähigkeiten erwerben, um physiologische Geburten in Geburtshäusern zu leiten.
Ziel des Projekts war es, zu erforschen, wie Hebammen nach der Berufszulassung die nötigen Fähigkeiten erwerben, um physiologische Geburten mit wenigen medizinischen Interventionen in Geburtshäusern zu leiten. Stone erläuterte, dass Geburten auch nachhaltig auf die Hebammen wirkten und dass Sinnhaftigkeit ein Bestandteil der Nachhaltigkeit sei. Sie wünschte sich, dass Hebammengeschichten integraler Bestandteil der geburtshilflichen Forschung werden. Sie selbst empfinde immer noch Freude bei Geburten, aber möglicherweise auch deshalb, räumte sie ein, weil sie nur sehr wenige Dienste habe – und dadurch nicht durch ein Burnout gefährdet sei.
Spannende Studien
In vier Parallelveranstaltungen mit jeweils vier Sprecherinnen gab es spannende Vorträge, etwa über eine Studie zu den Prädiktoren der postpartalen Hämorrhagie, über eine Studie zur Geburtsangst oder über das Erleben des Wochenbetts aus Vaterperspektive.
Jessica Pehlke-Milde stellte dort das Projekt »EdgeLab« vor, an dem auch die ZHAW beteiligt ist: ein didaktisches Modell für die praktische Ausbildung und eine Weiterbildung für Ausbilderinnen (siehe Link). Ziel ist es, aus Erfahrungen zu lernen. Die ZHAW-Hebammenforscherin Dr. Susanne Grylka erläuterte das von ihr entwickelte GebStart-Tool: die Entwicklung und Validierung eines standardisierten Fragebogens für Frauen, die sich nicht sicher sind, ob sie noch zu Hause bleiben sollen oder ob die Geburt schon so weit fortgeschritten ist, dass sie sich in die Klinik begeben sollten. Es wurden zunächst 99 Fragen entwickelt, die dann auf 32 Items mit einem Punktesystem reduziert wurden. Hebammen stellten testweise diese gezielten Fragen am Telefon, wenn unsichere Frauen anriefen. Dabei stellte sich heraus, dass die Anzahl der Items zu hoch war und deshalb auf 15 reduziert wurde. Nun sei es wohl praktikabel.
Dimensionen der Nachhaltigkeit
Der Philosoph Dr. Jean Daniel Strub, der nach einem Studium der Theologie unter anderem als Ethiker und Politikberater arbeitet, unterteilte in seinem Vortrag die Hebammentätigkeit in Bezug auf Nachhaltigkeit in drei Bereiche:
Der Philosoph Jean Daniel Strub unterscheidet in der Hebammentätigkeit ökologische, wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit.
- Nachhaltigkeit in der Hebammentätigkeit als ökologische Dimension: die Ressourcenschonung durch wenige medizinische Interventionen. Hier verortete er Gedanken der Planetary Health, etwa die Verantwortung für Lebensgrundlagen künftiger Generationen.
- Nachhaltigkeit durch die Hebammentätigkeit als wirtschaftliche Dimension: hebammengeleitete Geburtshilfe. Hier geht es um eine hohe Versorgungsqualität bei hoher Kosteneffizienz.
- Nachhaltigkeit dank der Hebammentätigkeit als soziale Dimension: Hebammenarbeit fördert die individuelle und kollektive Gesundheit und hat positiven Einfluss auf soziale Strukturen.
Kurz wies Strub noch auf seinen Podcast »Morgen:Rapport« hin. In der ersten Folge im Januar 2024 sprach er mit der Hebamme Moranne Caplunik im neuen Züricher Geburtshaus Zollikerberg.
Strub ziehe vor den Hebammen den Hut. Die Hebammentätigkeit sei prädestiniert zur Vorreiterrolle für eine nachhaltige Gesundheitsversorgung. Diesen Satz griff Hauser gern für ihren Abschlusssatz auf: Hebammen seien auch aus ihrer Sicht die Vorreiterinnen der nachhaltigen Geburtshilfe.
Größtes Zentrum der Gesundheitsberufe
Die Veranstaltung fand in mehreren Räumen des 2020 eröffneten Hauses Adeline Favre der ZHAW am Katharina-Sulzer-Platz statt. Es ist das landesweit größte Bildungs- und Forschungszentrum für Gesundheitsberufe in den Bereichen Pflege, Ergo- und Physiotherapie sowie Geburtshilfe und Gesundheitswissenschaften. Benannt wurde es nach der Walliser Hebamme Adeline Favre (1908–1983), die über 8.000 Geburten betreut hat. Eine Plakette im Eingangsbereich erinnert an sie.
Außerdem beherbergt das Haus das Therapie-, Trainings- und Beratungszentrum Thetriz, das neue Möglichkeiten in der Lehre und Weiterbildung der Gesundheitsberufe sowie in der Gesundheitsversorgung der Winterthurer Bevölkerung bietet. In der Pause führte Pehlke-Milde eine kleine Gruppe durch das Haus, ein Atriumbau mit Aussicht bis zum Himmel, um den sich die verschiedenen Ebenen gliedern. Hörsäle und Praxisräume sind versetzt gestapelt. Dadurch entstehen Plätze und Terrassen, die als Foyers und Begegnungszonen sowie als Arbeits- und Lernbereiche genutzt werden können. Aber auch tiefe Schluchten über mehrere Etagen.
Umstritten sind die vielen Betonwände. Die Grundidee der Architekten des Hauses Adeline Favre war es, den Außenraum zum Innenraum zu machen. Es sollte das Unfertige und Prozesshafte betont werden, das diesem Ort eigen sei. Aber das Ergebnis wirkte auf manche Besucher:innen der Tagung recht kühl und wenig empathiefördernd. Einige empfanden die Gestaltung als anonym. Die Schweizer Künstlerin Judith Albert machte die Betonwände dadurch humaner, dass sie Scraffitos einarbeitete, die sich auf Strukturen des menschlichen Körpers beziehen.
Weiterbildungen
An der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) laufen spannende Weiterbildungen. Am 15. April beispielsweise: »Eyes on – Themen der Hebammenbetreuung«. Diese Weiterbildung setzt ihren Fokus auf verschiedene Schwerpunkte rund um das breite Tätigkeitsfeld der Hebamme. Sie baut auf den Erfahrungen der Teilnehmenden auf und stellt damit einen direkten Bezug zur Praxis her. Das Ziel ist eine Wissensvertiefung für die Betreuung von Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und früher Kindheit. Erklärt werden Regulationsstörungen bei Neugeborenen und wann Maßnahmen gezielt eingeleitet werden sollten.