Ein starker und aktiver Beckenboden bedeutet für Frauen aller Altersgruppen einen Zugewinn an Lebensqualität, Kraft und Lust. Foto: © imago/ARCOimages

Bereits seit Juli 2009 ist das Beckenbodentraining für Frauen in der Menopause im fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) verankert. Die meisten Krankenkassen haben dies inzwischen wahrgenommen und erteilen bei vollständigem Antrag Hebammen die Anerkennung als Präventionsmaßnahme, die dann anteilig von ihnen bezuschusst wird. Einige Hintergründe und Hilfestellungen.

Bis vor wenigen Jahren hatten Krankenkassen diejenigen Hebammen, die Präventionsangebote zur Vermeidung von Inkontinenz anbieten wollten, abgewiesen. Die Begründung lautete, dass diese Berufsgruppe nicht ausdrücklich als Präventionsdienstleister nach dem fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) erwähnt ist. Daraufhin hat ein Erlass des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) die Lage entscheidend verbessert. Seit Juli 2009 sind Hebammen ausdrücklich berechtigt, Präventionsangebote für Frauen in der Menopause durchzuführen und von den Krankenkassen bezuschussen zu lassen.

Erst der Antrag und dann …

Leider wurde dieser Erfolg des Deutschen Hebammenverbandes (DHV) e. V. erst zwei Jahre später in einer kurzen Notiz im Hebammenforum 5/2011 veröffentlich. Doch er wird langfristig positive Konsequenzen haben. Hebammen, die eine zertifizierte Weiterbildung zum Thema absolviert haben, können die Anerkennung ihrer Kurse bei den ortsansässigen Krankenkassen sowie zentral über die Homepage bei allen Betriebskrankenkassen in Deutschland beantragen. Der Erlass der GKV bezieht dies explizit nur auf Frauen in der Menopause, also ab etwa 40 bis 45 Jahren, so dass die zweite wichtige Zielgruppe, nämlich Frauen mit anhaltenden Beschwerden nach der Geburt, weiterhin leer ausgeht. Natürlich können weiterhin Frauen (und Männer) jeden Alters auf eigene Kosten Kurse von Hebammen für Beckenbodentraining und Kontinenz besuchen. Die Chance, dass für wenigstens einen Teil der Zielgruppe 60 bis 80 Prozent der Kursgebühren von der Krankenkasse erstattet werden, wird aber sicher die Frequentierung solcher Kurse deutlich erhöhen.

Hebammen als traditionelle Vertrauenspersonen für diesen weiblichen Lebensbereich haben gute Voraussetzungen, sich dieses Arbeitsfeld erfolgreich anzueignen. Interessant im Sinne der Existenzsicherung ist diese Nische auch deshalb, weil es keine Vorgaben über die Höhe der Teilnahmegebühren gibt, so dass anbietende Hebammen diese angemessen kalkulieren und kostendeckend arbeiten können.

Zwar müssen Kursanbieterinnen zunächst umfangreiche Anträge zur Anerkennung bei den verschiedenen Krankenkassen der Region einreichen. Dabei stoßen sie nicht immer auf Begeisterung und kooperative Sachbearbeiterinnen. Bürokratische Hindernisse und Vermeidungstaktiken einiger Kassen sollten Hebammen mit entsprechenden Voraussetzungen jedoch nicht davon abhalten, da dieses Arbeitsfeld auf Jahre neue Tätigkeits- und Verdienstmöglichkeiten bieten kann. Sind alle Bedingungen erfüllt und der Antrag inhaltlich und formell korrekt, können Krankenkassen ihn nicht dauerhaft ablehnen.

Es kommt auch vor, dass die Prüfer der Kassen die Anerkennung nur mündlich erteilen mit dem Argument, Hebammen hätten in der Vergangenheit die Krankenkassen gegeneinander ausgespielt. Dabei stellen die Kassen in ihrem eigenen Antragsvordruck die Frage, von welchen Krankenkassen die Zusagen für die Kostenübernahme für den beantragten Kurs vorliegen. Hier wird es sicher noch einige Zeit Ungereimtheiten geben, bevor sich eine klare und einheitliche Praxis der Antragsbewilligung durchgesetzt hat. Im Zweifelsfall müssen Hebammen sich an die Rechtsabteilung ihres Berufsverbandes wenden, um strittige Fragen zu klären.

„Leitfaden Prävention” entscheidend

Maßgeblich für die Anerkennung eines Kurses als bezuschusstes Präventionsangebot ist der „Leitfaden Prävention”, der die Handlungsfelder und Kriterien des GKV-Spitzenverbandes zur Umsetzung der §§ 22 und 20a des SGB V beschreibt. Institute, die die Weiterbildung zur Beckenbodentrainerin anbieten, sind gelegentlich auch behilflich bei der Erstellung der Kurs- und Antragsunterlagen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Anerkennung als Anbieterin von Präventionskursen sind demnach: der Nachweis der Qualifikationen (mindestens das Hebammenexamen und der Abschluss einer anerkannten Weiterbildung zur Beckenbodentrainerin), das Einreichen ausführlicher Unterlagen über Konzeption, Methoden, Evidenzen, Stundenaufbau und geplante Kursstrukturen wie Räumlichkeiten, Teilnehmerinnenzahl, Kursgebühren und Unterrichtsmaterialien für die Teilnehmerinnen. Auch muss die Bereitschaft bestehen, auf Anfrage einer Krankenkasse an einer von dieser zur Verfügung gestellten Evaluation teilzunehmen; dies stellt aber momentan die Ausnahme dar. Präventionsangebote zur Stärkung des Beckenbodens und zur Verhütung von Inkontinenz und Organsenkungen fallen nach diesem Leitfaden in die Rubrik „Krankheiten der Muskeln, des Skeletts und des Bindegewebes”. Außerdem heißt es hier: „Interventionen müssen neben der Vermeidung von Risikofaktoren auch gesundheitsfördernde (Ressourcen stärkende) Anteile enthalten”, was ohnehin ein klassischer Ansatz der Hebammenarbeit ist und gegenüber einzelnen, sehr kritischen Prüfern als Argument dienen kann, warum – neben der reinen Gymnastik – auch Entspannung und Austausch über persönliche Erfahrungen und Erfolge mit dem Präventionstraining in einen solchen Kurs gehören. Insofern sollten Hebammen sich langfristig auch nicht auf eine bestimmte Altersstufe beschränken oder festlegen lassen. Schwangerschaft und Geburt erhöhen zusätzlich das Risiko vorübergehender und anhaltender Inkontinenz – auch bei einem geplanten Kaiserschnitt (Wesnes et al. 2007; Eason et al. 2004; Schytt et al. 2004; Viktrup et al. 2006). Warum wird gerade die Risikogruppe der Frauen im Anschluss an die Rückbildung und Stillzeit von diesem Präventionsgedanken ausgeschlossen? Hier kann vielleicht ein weiteres Engagement der Berufsverbände noch eine Besserung bringen. Betrachten wir die Verteilung von Inkontinenzproblemen in der gesamten weiblichen Bevölkerung, so erscheint es ohnehin nicht haltbar, eine bestimmte Altersgruppe herauszugreifen, da ein erheblicher Prozentsatz an Frauen bereits vorher von Harninkontinenz betroffen ist. Gezeigt hat sich, dass die Ergebnisse des Trainings schlechter werden, wenn mehr als fünf Jahre nach Beginn der Inkontinenz damit begonnen wird (Dannecker et al. 2005).

Evidenzen zur Wirksamkeit

Ein schwieriger Punkt im Antrag ist für viele Hebammen der wissenschaftliche Nachweis der Wirksamkeit des von Ihnen angebotenen Präventionstrainings, da sie selten über die nötigen Unterlagen verfügen und nicht geübt sind darin, sich diese zu beschaffen. Es ist heute mithilfe des Internets recht einfach, wenigstens die Zusammenfassungen der relevanten Studien zu finden. Einen Einstieg in die Systematik bei der Suche können interessierte Hebammen mit dem neuen Buch von Christiane Schwarz und Katja Stahl aus der Reihe „Evidenz und Praxis” mit dem Titel „Grundlagen der evidenzbasierten Betreuung” finden (siehe Hinweis Seite 14).

Studien zur prophylaktischen Wirkung sind rar, eher finden sich solche, die die Wirksamkeit von Muskelaufbautraining bei bereits bestehenden Problemen, insbesondere bei Inkontinenz, belegen. Diese Ergebnisse können aber ohne Weiteres auch für die Prophylaxe angenommen werden. In der Regel genügt es, Titel und AutorInnen der Studie sowie deren Ergebnisse und Schlussfolgerungen zu zitieren. Hier einige Beispiele:

  • „Die Frauen, die ein Beckenboden-muskeltraining absolvierten, berichteten öfter, dass ihre Probleme gebessert oder geheilt wurden und sie eine bessere Kontinenz und damit verbundene Lebensqualität erreichten. Sie erlebten seltener Situationen der Inkontinenz am Tag und verloren geringere Mengen an Urin. Bei Stressinkontinenz scheinen längere Übungsperioden empfehlenswerter als bei Dranginkontinenz. (…) Dieser Review kommt daher zu der Empfehlung, das Beckenbodenmuskeltraining in die primäre Behandlung von Frauen mit Stress-, Drang- oder gemischter Inkontinenz aufzunehmen.” (Dumoulin 2010, Übersetzung durch die Autorin)
  • „Ein intensives und kontrolliertes Beckenbodentraining ist effektiv und sollte einer operativen Therapie vorangehen. Eine Operation lässt sich dadurch oft vermeiden. Ein Alter über 65 und eine Inkontinenzdauer von mehr als fünf Jahren vor Beginn des Beckenbodentrainings sind mit einem schlechteren therapeutischen Ergebnis assoziiert.” (Dannecker et al. 2005)
  • „Konservative Therapiemaßnahmen führen bei etwa 60 Prozent der Patientinnen mit Stress- oder gemischter Stress-/Dranginkontinenz zu einer Verbesserung oder Heilung der Symptomatik. Beckenbodentraining ohne oder mit Biofeedback, Elektrostimulation und Vaginalkonen sind dabei einander nicht überlegen.” (Peschers & Buczkowski 2001)
  • Der Erfolg eines Beckenbodentrainings hängt entscheidend davon ab, dass es professionell angeleitet und regelmäßig durchgeführt wird. Siv Morkved und KollegInnen haben 2003 nachgewiesen, dass eine Trainingsgruppe, die über zwölf Wochen intensives Beckenbodentraining in der Gruppe unter Anleitung von PhysiotherapeutInnen erhielt (60 Minuten/Woche, 12-mal in der 20. bis 36. Schwangerschaftswoche) messbare Erfolge verzeichnete gegenüber einer Kontrollgruppe, die nur mit üblichen Informationen über Lage und Funktion des Beckenbodens sowie eine praktische Anleitung zur Aktivierung des Beckenbodens versorgt wurden. Das Üben in der Trainingsgruppe beinhaltete eine maximale Beckenbodenanspannung für sechs bis acht Sekunden, dann drei bis vier kurze Anspannungen, dann sechs Sekunden Entspannung, und zwar jeweils im Sitzen, Liegen, Knien, Stehen. Außerdem beinhaltete der Kurs eine Schulung des Körperbewusstseins und der Atmung, Entspannungsübungen sowie Krafttraining für Bauch, Rücken und Beinmuskulatur zu Musik. Die Frauen erhielten zusätzlich „Hausaufgaben”: zweimal täglich acht bis zwölf gleich starke Beckenbodenanspannungen in ihrer Lieblingsposition, mit Eintrag in ein Trainingsheft (Morkved et al. 2003).

Lebensqualität, Kraft und Lust

Die weiblichen Geschlechtsorgane unterliegen nach wie vor starken Tabuisierungen, die oft verhindern, dass Mädchen und Frauen sie mit Stolz und Freude benennen, erkunden, erleben und berühren können. Wir haben eine unvollständige oder ungenaue Sprache: Es gibt gar kein positives deutsches Umgangswort, das sowohl die äußeren als auch die inneren Geschlechtsorgane der Frau bezeichnet, so dass vielfach das Wort Scheide, dass eigentlich nur die Vagina bezeichnet, dafür benutzt wird. Dieses Wort bedeutet von seinem Ursprung her eine Hülle, die etwas aufnimmt. Dass die „Venus” oder „Yoni”, aus dem San­skrit für Vulva, Vagina und Uterus – auch übersetzt mit „Ursprung” – aber ein hoch komplexes Organ ist, dass beim sexuellen Empfangen aktiv ist und durch die Bewegungen und das Öffnen der Beckenbodenmuskeln das Eindringen überhaupt erst ermöglicht, ist vielen Frauen wenig bewusst oder wird es erst im Laufe ihres Leben. „Powerbundle” – Kraftpaket, so nannten die jugendlichen Teilnehmerinnen eines Workshops von Eve Ensler, der Autorin der „Vagina-Monologe” (Ensler 2000), die Yoni der Frau, und demonstrierten damit eindrucksvoll, dass in ihrem eigenen Körperempfinden die weiblichen Geschlechtsteile weniger ein Loch oder eine passive Körperöffnung darstellen als vielmehr eine aktives, muskulöses und starkes Organ.

Umso trauriger ist es, wenn Frauen die Stärke, die in ihrem Schoß ruht und die sie Tag für Tag aufrichtet und bewegt, erst wirklich kennen lernen, wenn sie belastet (in der Schwangerschaft), verletzt (während der Geburt) oder nachhaltig beeinträchtigt ist (durch peripartale oder altersbedingte Inkontinenz). Dabei ist es viel schwieriger, Frauen zum aktiven Üben der Beckenbodenmuskulatur zu motivieren, wenn es nur noch um Vorbeugung oder Behebung von Senkungsbeschwerden oder Inkontinenz geht, und nicht um die positiven Funktionen und den Zugewinn an Lebensqualität, Kraft und Lust, die ein starker und aktiver Beckenboden bringen kann. Auch in diesem Sinne sollten Hebammen sich weiterhin dafür engagieren, dass Frauen aller Altersstufen in den Genuss der Finanzierung von Beckenbodenpräventionsangeboten durch die Krankenkassen kommen.

Zitiervorlage
Franke T: Beckenbodentraining als Hebammenleistung: Das weibliche “Kraftpaket” stärken. DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 2013. 65 (7): 51–53
Literatur

Wesnes, S.; Rortveit, G.; Bø, K.; Hunskaar, S.: Urinary Incontinence during Pregnancy. Obstetrics & Gynaecology. 109(4): 922–928 (2007)

Eason, E. et al.: Effects of carrying a pregnancy and of method of delivery on urinary Incontinence. BMC Pregnancy Childbirth. Onlinepublikation. doi: 10.1186/1471-2393-4-4 (2004)

Schytt, E.; Lindmark, G.; Waldenström, U.: Symptoms of stress incontinence 1 year after childbirth: prevalence and predictors in a national Swedish sample. Acta Obstet Gynecol Scand. 83(10): 928–36 (2004)

Viktrup, L.; Rortveit, G.; Lose, G.: Risk of Stress Urinary Incontinence Twelve Years After the First Pregnancy and Delivery. Obstetrics & Gynaecology. 108 (2): 248–254 (2006)

Dumoulin, C.; Hay-Smith, J.: Pelvic floor muscle training versus no treatment, or inactive control treatments, for urinary incontinence in women. Cochrane Database of Systematic Reviews (2010)

Neumann, P. B.; Grimmer, K. A:, Deenadayalan, Y.: Pelvic floor muscle training and adjunctive therapies for the treatment of stress urinary incontinence in women: a systematic review. BMC Women´s Health. 6: 11 (2006)

Dannecker, C. et al.: Konservative Therapie der Belastungsharninkontinenz – Gibt es prädiktive Faktoren für ein Therapieansprechen? Geburtshilfe und Frauenheilkunde. 66 (2005)

Ensler, E.: Die Vagina-Monologe. Edition Nautilus (2000)

Peschers, U. M.; Buczkowski, M.: Möglichkeiten und Grenzen der konservativen Therapie der Harninkontinenz. Georg Thieme Verlag. 123: 685–688 (2001)

Mørkved, S., Bø, K., Schei, B., & Salvesen, K. Å.: Pelvic floor muscle training during pregnancy to prevent urinary incontinence: a single-blind randomized controlled trial. Obstetrics & Gynecology, 101(2): 313-319 (2003).

Robert-Koch-Institut, Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Heft 39: Harninkontinenz (2007)

Schwarz, C.; Stahl, K.: Grundlagen der evidenzbasierten Betreuung. Reihe: Evidenz und Praxis. Elwin-Staude-Verlag (2011)

Mørkved, S., Bø, K., Schei, B., & Salvesen, K. Å.: Pelvic floor muscle training during pregnancy to prevent urinary incontinence: a single-blind randomized controlled trial. Obstetrics & Gynecology, 101(2): 313-319 (2003).

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