Mit einfachen Materialen und Formen will Doreen Balabanoff Geburtsräume entwickeln, die ein geborgenes Gefühl vermitteln: Lebendig geschwungene Wände ermöglichen ein Spiel von Licht und Schatten. Foto: © Doreen Balabanoff

Das Interesse an der Gestaltung von Gebärräumen wächst. Eine kanadische Künstlerin und Forscherin gibt einen internationalen Überblick zu Designer:innen, die sich damit befassen. Sie wirkt an einer Forschungsinitiative zum »Design des Geburtsumfeldes« mit, bei der sich Designer:innen regelmäßig zu Workshops trafen. Die Initiative rief eine Internetseite ins Leben, die Anregungen geben soll.

Seit 2011 beschäftige ich mich mit der Gestaltung von Geburtsumgebungen. Dieses Thema war der Schwerpunkt meiner Doktorarbeit mit dem Titel »Light and Embodied Experience in the Reimagined Birth Environment« (»Licht und verkörperte Erfahrung in einer neu gestalteten Geburtsumgebung«). Warum Licht? Warum verkörperte Erfahrung? Weil Architektur geschaffen wird, um von uns bewohnt zu werden, und zwar größtenteils durch die grundlegende Beziehung zwischen Form und Licht: gerichtetes Licht, das Formen umspielt, durch Öffnungen eindringt und Schatten erzeugt.

Licht bedeutet mehr als Helligkeit. Natürliches Licht ist eine sich bewegende, atmende, umgebende, zyklische Präsenz in unserem Leben. Und architektonisches, räumlich genutztes Licht ist untrennbar mit Dunkelheitsgraden und Farben verbunden. Darüber hinaus ist es eng mit unseren Gefühlen verbunden, sowohl im Geist als auch im Körper. Dieses Phänomen können wir alle an einem bewölkten Tag beobachten, wenn die Sonne herauskommt.

Der Fotorezeptor
Licht trifft auf »Non-Image-Forming«
2002 entdeckten Wissenschaftler:innen in den Ganglienzellen des Auges neben Zapfen und Stäbchen einen dritten Rezeptor: den Fotorezeptor. Dieser Rezeptor namens Non-Image-Forming (NIF) erzeugt kein Bild im Gehirn, sondern löst Stoffwechsel- und Hormonreaktionen aus. Wenn Licht, insbesondere mit hohem Blau‧anteil, auf den NIF-Rezeptor trifft, regt dieser die Ausschüttung von Glücks- beziehungsweise Stresshormonen an.
Serotonin und Cortisol senken den Melatoninspiegel in der kirschkerngroßen Zirbeldrüse im Gehirn und beleben den Körper. In der Dämmerung schüttet die Zirbeldrüse mehr Melantonin aus, man wird schläfrig. Dieser Kreislauf ist der circadiane Rhythmus. Schichtarbeit beispielsweise bringt ihn durcheinander.

Birgit Heimbach

Quelle:

www.medical-design.news/sonstige/lebenselixier-licht.107877.html

Phänomenologie

Der Philosoph Maurice Merleau Ponty (1908–1961) und der Psychologe James J. Gibson (1904–1979) sind die Begründer der Phänomenologie und Leibphilosophie. Sie und die Vertreter:innen daraus resultierender neuer Theorien stellten fest, dass Geist, Körper und Umgebung nicht voneinander trennbar sind, sondern als Ganzes erlebt werden. Diese ergeben eine Verbindung, eine »Intersubjektivität«, eine Innen-Außen-Wahrnehmungsökologie.

Goethe bemerkte, dass die Farbe zwischen Licht und Dunkelheit vermittelt und selbst immer ein »Grad der Dunkelheit« ist.

In meiner künstlerischen und architektonischen Arbeit betrachte ich das Licht als »Licht-Farbe-Dunkelheit«, ein untrennbares Trio, das niemals statisch, sondern immer lebendig ist und sich mit unserer Bewegung in Raum und Zeit verändert. Und ich denke, dass die Umgebung und insbesondere ein Ort der Geburt eng mit unserem Geist und Körper verbunden ist – mit dem, was wir fühlen, unserem Bewusstseinszustand, dem, was wir tun oder denken. Diese Vorstellungen sind für die Gestalter:innen und Nutzer:innen von Geburtsräumen wertvoll.

Wissenschaftliche Erkenntnisse

Phänomenologische Einsichten werden durch wissenschaftliche Erkenntnisse gestützt, beispielweise aus der Neurowissenschaft, der Zirbeldrüsen- und Oxytocin-Forschung (siehe Kasten). Sie zeigen, dass Hormone, die bei der Geburt eine Rolle spielen, durch physische und flüchtige Aspekte der Umgebung beeinflusst werden können. Viele dieser potenziellen Einflussfaktoren sind Bedingungen der Umgebung, wie Licht, Farbtemperatur und Helligkeit der Beleuchtung. Auch Geräusche, Schalldämmung, Gerüche und sinnliches haptisches Erleben nehmen Einfluss. Wesentlich sind Oberflächen und die Umgebungstemperatur

Wir empfangen in Räumen semiotische Botschaften, zum Beispiel die räumliche Dynamik besonders dominanter Möbel, Ausblicke und besonderer Elemente. Offene oder geschlossene Räume vermitteln uns Gefühle von Überwachung oder Sicherheit. Alles im Raum teilt uns Informationen mit, die wir deuten.

Globale Forschungsinitiative

In den vergangenen Jahren habe ich an einer globalen Forschungsinitiative mit dem Titel »Transformational Change for Birth Environment Design« (Global Birth Enrironment Design Network) mitgewirkt. Sie basiert auf der grundlegenden Arbeit von Hebammen, Pflegenden und Vertreter:innen anderer Professionen, die begannen, ernsthaft darüber nachzudenken und zu diskutieren, wie sich die heute weltweit noch immer vorherrschende klinische Geburtsumgebung negativ auf die Geburtserfahrung und den physiologischen Ablauf einer Geburt auswirkt.

Ellen Hodnett, PhD, Pflegewissenschaftlerin aus Toronto, die sich mit der evidenzbasierten Betreuung unter der Geburt befasst hat (Hodnett et al., 2009/siehe Kasten »zur Person«) und die beiden australischen Hebammenprofessorinnen Kathleen Fahy aus Newcastle und Maralyn Foureur aus Sydney (siehe auch DHZ 6/2008) sowie die australische Hebamme Carolyn Hastie gehörten zu den ersten, deren Literatur ich gelesen habe.

Zur Person
Ellen Hodnett
Ellen Hodnett, PhD: »Mein vorrangiges Ziel ist es, Entscheidungsträgern die bestmöglichen Erkenntnisse über hilfreiche Betreuungsformen für Frauen im gebärfähigen Alter zu liefern.«
Hodnetts Forschungsprogramm konzentriert sich auf die Bewertung von Betreuungsformen für gebärende Frauen. Dabei wird auch untersucht, wie sich die räumliche Umgebung der Geburt auf das Verhalten der Frauen und ihrer Betreuer:innen sowie auf das Out‧come der Geburt auswirkt.
Hodnett war Redakteurin für die »Pregnancy and Childbirth Group« der Cochrane Collaboration und Mitglied der »Scientific and Technical Advisory Group« des Maternal and Reproductive Health Research Program der WHO.
1996 wurde sie auf den ersten Stiftungslehrstuhl für Pflegeforschung in Kanada berufen, den Heather M. Reisman Chair in Perinatal Nursing Research, eine Position, die sie 15 Jahre lang innehatte.

Quelle:
https://bloomberg.nursing.utoronto.ca/faculty/ellen-hodnett/

Bianca Lepori (siehe auch DHZ 6/2008) war die erste Architektin, die sich mit der Bedeutung der Architektur für die Geburt befasste. Ihre Arbeit wurde von dem französischen Geburtshelfer Michel Odent beeinflusst, der viel über den Einfluss der Umgebung auf die physiologische Geburt von Säugetieren geschrieben hat. Ich empfand Frédérick Leboyers (1918–2017) Respekt für die Erfahrung des Säuglings als eine wertvolle Erinnerung an all das, was bei der Gestaltung von Geburtsräumen berücksichtigt werden sollte.

Heute kenne ich – außer meiner eigenen – zwei weitere Dissertationen im Bereich Architektur, die sich mit der Gestaltung von Geburtsräumen befassen. Sie stammen von J. Davis Harte, Direktorin vom Design for Human Health Master‘s Program am Boston Architectural College, und von der Architektin Dr. Sarah Joyce, Leitende Designerin an der Universität Leeds in England. Weitere sind in Vorbereitung. Es ist also offensichtlich, dass es ein großes Interesse an diesem Bereich der Umwelt- und Architekturgestaltung gibt, der sich auf so viele Frauen, Kinder, Familien, Gesellschaften und Völker auf der ganzen Welt auswirkt. Und ich hoffe, dass dieser Trend anhält.

Vernetzung

Unser globales Forschungsprojekt entstand, als ich einen Mid­wifery Research Listserve kontaktierte. Ich wollte herauszufinden, ob es noch weitere Interessierte am Thema Gestaltung von Geburtsumgebungen gab. Davis Harte, PhD, vom US-amerikanischen Boston Architectural College meldete sich daraufhin. Gemeinsam hielten wir 2018 auf der Normal Birth-Konferenz in Ann Arbor in Michigan ein erstes Treffen des Global Birth Environment Design Network ab. Wir diskutierten mit mehr als 25 internationalen Teilnehmer:innen darüber, wie man das Interesse und die besten Praktiken fördern kann, um das Geburtsumfeld neu zu gestalten.

Die Hebammendozentin und Hebamme Dr. Liz Newnham aus Australien regte die Idee für ein Forschungsprojekt an. Die Architektin Nicoletta Setola arbeitete schon seit einiger Zeit auf dem Gebiet der Geburtsraumgestaltung. Ich besuchte sie in Florenz und besichtigte dort das Margharita-Geburtszentrum (Heimbach, 2009), das auf den Entwürfen von Bianca Lepori basiert (Lepori, 2008).

Ich hatte die deutsche Hebammenprofessorinnen Dr. Gertrude Ayerle und Sabine Striebich auf anderen Konferenzen zum Thema »Normale Geburt« kennengelernt. Sie gehörten zu denjenigen, die sich dem Netzwerk anschlossen, und wir traten in Kontakt. Ihr großes, von der Bundesregierung finanziertes Forschungsprojekt in Deutschland »Be-Up« trägt wesentlich dazu bei, den Wissensschatz zu vergrößern, der zur Umsetzung von Veränderungen beitragen kann. Die Durchführung einer randomisierten-kontrollierten Studie in Geburtsräumen ist nicht einfach, und die Berücksichtigung von Gestaltungsaspekten ist sicherlich ein äußerst schwieriges Unterfangen. Es handelt sich um ein beeindruckendes Forschungsprojekt.

Global Birth Environment Design Network
Transformational Change for Birth Environment Design
Das weltweite Netzwerk »Global Birth Environment Design Network« von Fachleuten und Forscher:innen befasst sich mit der Gestaltung von Geburtsumgebungen und arbeitet an der Entwicklung eines internationalen, transdisziplinären Wissensspeichers.

Das Projekt »Transformational Change for Birth Environment Design« zielt darauf ab, Architekt:innen und Designer:innen für die Notwendigkeit einer Gestaltung der Geburtsumgebung zu sensibilisieren, die Frauen dabei unterstützt, eine für sie zufriedenstellende und bestärkende Geburt zu erleben. Interdisziplinärer Fluss, Zugänglichkeit, Austausch und Wachstum von Wissen stehen im Mittelpunkt des Projekts.

Auf der Internetseite gibt es beispielsweise eine Literaturübersicht zur Gestaltung der Geburtsumgebung. Verschiedene Disziplinen werden dabei abgedeckt, darunter Geburtshilfe, Krankenpflege, Hebammenwesen, Anthropologie, Soziologie, Psychologie, Architektur, Gesundheitspolitik, evidenzbasiertes Gesundheitsdesign, Wissenschaft der Wahrnehmung und Ästhetik, Spiritualität, Kunst und Design.

Vorgestellt werden praxisbezogene Beispiele für die Gestaltung von Geburtsumgebungen. Zudem gibt es historische und aktuelle Design-Beispiele. Diese werden mithilfe des architektonischen Einteilungsmodells »Issues, Concepts, Forms« (ICF) (Oxman, 1994), des AEIOU-Beobachtungsrahmens (Wasson, 2000; siehe Kasten) und des Birth Unit Design Spatial Evaluation Tool (BUDSET) analysiert (Foureur et al., 2010).

Das Projektteam will mit der Internetseite eine kreative, inklusive und operative Ressource – Web-Ressource – schaffen, die den Wissenstransfer von Forscher:innen verschiedener Disziplinen zur Designpraxis und zum Gesundheitssektor erleichtert. Der Prozess durchläuft Reflexions- und Aktionszyklen und nutzt die reiche Wissensbasis und persönliche Erfahrung von Expert:innen aus den Bereichen Architektur, Hebammenwesen, Gesundheitspolitik, digitale Medien usw.

Birgit Heimbach

Weitere Informationen:

www.gbedn.org

Erste Versuche

Nach mehreren erfolglosen Versuchen erhielten wir unser erstes gemeinsames Stipendium, ein »Insight Development Grant« des Social Sciences and Humanities Research Council of Canada (SSHRC): J. Davis Harte (Oregon/Boston Architectural College), Nicoletta Setola (Universität Florenz, Architektur), Elizabeth Newnham (Universität Newcastle, Krankenpflege und Hebammenwesen) und ich (OCAD University, Toronto).

Der SSHRC ist eine Einrichtung, die Forschung und Ausbildung in den Geistes- und Sozialwissenschaften fördert und unterstützt. Es gibt drei Phasen dieser Art Einsichtsgewinnung (Insight development): transdisziplinäre integrative Betrachtung, gemeinsame Fragestellungen und Ressourcenbildung, gemeinsame Workshops. Das zweijährige Stipendium ermöglichte es uns, eine geeignete Strategie zu erarbeiten, um einen Wandel in der Gestaltung von Geburtsumgebungen herbeizuführen. Welche Erfolge gab es bereits? Was war noch notwendig? Wer sollte davon erfahren? Wie könnte eine Beschreibung zur Verbesserung von Geburtsräumen aussehen?

Durch die Untersuchungen wurde uns klar, wie wichtig es ist, positive Beispiele aus verschiedenen Orten und Kulturen zu sammeln. Daher beschlossen wir, dass internationale Fallstudien aus Geburtszentren mit unterschiedlichen Ressourcen und Betreuungsmodellen für unsere weitere Arbeit hilfreich sein würden. So kamen wir zu dem architektonischen Einteilungsmodell »Issues, Concepts, Forms« (ICF) (Oxman, 1994), um Zeichnungen und Bilder von Fallstudien auf einfache Weise bewerten und kommentieren zu können.

Des Weiteren kamen wir zu der Erkenntnis, dass eine Web-Ressource mit Bildern, Infografiken und unterstützt durch Artikel aus einer Open-Source-Bibliothek die wertvollste Möglichkeit wäre, Wissen über eine bessere Gestaltung der Geburtsumgebung mit Designer:innen zu teilen. Inzwischen konnten wir das gemeinsam realisieren.

Wir schlossen unser Projekt »Insight Developement« vom SSHR im Juni 2022 mit einem Workshop in Florenz ab (siehe Kasten). Dort stellten wir unsere Arbeit vor, präsentierten unser Web­ressourcen-Konzept und luden zu Diskussion und Kritik ein. Wir berieten uns mit Expert:innen aus den Bereichen Architektur, Gesundheitsdesign, Hebammenwesen, Medizin und anderen Fachrichtungen. Mehrere Tage lang arbeiteten wir zusammen, um unsere Ergebnisse zu konsolidieren.

Letztere werden weiterhin in unsere Webplattform einfließen, die in erster Linie als praktisches und inspirierendes Werkzeug für Architekt:innen und Designer:innen von Geburtsräumen und Geburtshäusern dienen soll.

Weltweites Partnerschaftsprojekt

Durch Öffentlichkeitsarbeit ist ein weltweites Partnerschaftsprojekt mit vier Universitäten aus Kanada, den USA, Italien und Australien entstanden (OCAD University Toronto, Kanada; Boston Architectural College, USA; Universität Florenz, Italien; Newcastle University, Australien). In den kommenden drei Jahren werden wir unsere Fallstudien dokumentieren und analysieren, die Web­ressource erstellen und verfeinern und Architektur- und Designstudent:innen an unsere Universitäten einladen.

In interdisziplinären Teams werden sie an intensiven drei­tägigen Designwettbewerben arbeiten und in diesem Rahmen die Webressource in ihren eigenen Entwürfen für neue und innovative Geburtszentren nutzen und testen. Wir werden diese Arbeit mit einer Ausstellung und einer Presseveranstaltung mit offizieller Vorstellung der Website abschließen.

Workshop im Juni 2022 in Florenz
Global Birth Environment Design Network
Der Workshop Global Birth Environment Design Network fand in Florenz im Juni 2022 an der Fakultät für Architektur statt, organisiert von der dort tätigen Architektin Nicoletta Setola PhD, die sich auf die Gestaltung von Geburtsräumen konzentrierte. Dort fand 2008 auch das 28. Seminar der internationalen Public Health Group (PHG) der Union Internationale des Architectes (UIA) statt (siehe auch DHZ 7/2008).
Beim Workshop waren fünf Teilnehmerinnen vor Ort in Florenz und sechs online zugeschaltet. Zu ihnen gehörte beispielsweise Prof. Göran Lindahl, Architektur, Chalmers, Göteborg. Er publizierte im Januar vergangenen Jahres eine Studie (Skogström et al., 2022), an der auch die Oxytocin-Expertin Prof. Kerstin Uvnas Moberg beteiligt war. Ergebnis: Ein Gebärraum, der die Ausstattung und die Funktionen des Raums entsprechend den persönlichen Bedürfnissen und Anforderungen verändern kann, könne das Geburtserlebnis von Nulliparae auch im Rückblick positiv beeinflussen.
Lindahl betonte, dass man gute Argumente für Entscheidungsträger in Krankenhäusern finden müsse. Auch die Hebammenprofessorin Susan Crowther aus Auckland in Neuseeland nahm teil. Ebenfalls online anwesend waren die österreichische Hebamme und Architektin Anka Dürr und die niederländische freiberufliche Hebamme Rodante van der Waal aus Amsterdam. Sie äußerte ihre Enttäuschung darüber, wie wenig geeignete Geburtsräumlichkeiten generell zu finden seien.
Birgit Heimbach

Dissertation

In meiner Doktorarbeit wählte ich einen praxisorientierten Ansatz, indem ich mein Fachwissen im Bereich Kunst und Design sowie meine persönlichen Erfahrungen mit Geburten nutzte, um die Gestaltung der Geburtsumgebung zu untersuchen. Anstatt selbst Frauen zu befragen, wertete ich die Umfragen anderer aus. Ich beschloss, eigene Entwürfe für Geburtshäuser zu entwickeln, die sich auf möglichst viele einschlägige Erkenntnisse und Diskurse stützten, die ich zu diesem Thema finden konnte. Dabei hielt ich es für wichtig, mein eigenes Vorwissen über Licht, Farbe und räumliche Gestaltung einfließen zu lassen, das mich stets begleitet und mein Denken und Schaffen beeinflusst.

Doreen Balabanoff fertigt kleine Modelle von Gebäreinheiten in Form von Nestern, die in beliebiger Anzahl aneinandergereiht werden können. Foto: © Doreen Balabanoff

Ich schreibe ein Kapitel über meine künstlerische Praxis und die Erkenntnisse, die ich in mehr als 30 Jahren Arbeit in Bezug auf Licht – Farbe – Dunkelheit in räumlichen Umgebungen gesammelt habe. Im Laufe meiner gestalterischen Erkundungen kam ich zu dem Schluss, dass Geburtsräume stärker mit der umgebenden Welt verbunden sein sollten. Ich ließ ein Tischgestell auf dem Flachdach meines Hauses errichten, so dass ich sehr einfache Material- und Formexperimente durchführen und das ungehinderte natürliche Licht nutzen konnte. Ein Loch im Tisch ermöglichte es mir, von unten zu fotografieren und so im Raum zu sein, anstatt ein Modell von außen, als Objekt, zu betrachten – das ist generell ein Problem beim Architekturmodellbau. Dabei entdeckte ich den Himmel als spirituelle und emotionale Verbindung zur Natur und zum Universum.

In einer kürzlich erschienenen Literaturübersicht habe ich geschrieben: »Über alle Zeiten, Kulturen und Geografien hinweg ist die Geburt eine grundlegende spirituelle Erfahrung, die den Menschen mit der Regenerationsfähigkeit aller Arten und mit der geheimnisvollen Ankunft tiefer Liebe und Freude verbindet, die mit dem Eintritt eines neuen Wesens in das irdische Leben einhergeht. Angesichts unseres wachsenden Bewusstseins für die ökologische Vernetzung aller Dinge sollte klar sein, dass die Gestaltung von Geburtsräumen nicht auf die leichte Schulter genommen werden darf. Die Umgebung der Geburt kann erhebliche Auswirkungen auf die Gebärenden und ihre Kinder haben, aber auch auf die Betreuenden und Begleiter:innen (…). Und es besteht kein Zweifel daran, dass Farbe und Licht genutzt werden können, um Schönheit, Komfort, ein geringeres Stressniveau, Gefühle der Intimität und unvergessliche persönliche, emotionale und spirituelle Erfahrungen zu vermitteln.« (Balabanoff, 2023).

Doreen Balabanoff meint, dass Geburtsräume stärker mit der umgebenden Welt verbunden sein sollten. Sie entdeckte den Himmel als spirituelle und emotionale Verbindung zur Natur und zum Universum. Für Gebärräume sollte natürliches Licht genutzt werden können. Foto: © Doreen Balabanoff

Experimente

Geburtsräume sind viel mehr als Zimmer mit einer angenehmen oder entspannenden Atmosphäre. Bei deren Gestaltung greife ich den Gedanken auf, dass die Geburt ein tiefgreifender Lebensmoment ist. Wie kann ich diese Erfahrung durch den Ort, den ich für die Geburt schaffe, verstärken und vertiefen? Wie könnte der Ort beschaffen sein, damit er mir Vertrauen, Freude, Ehrfurcht, Sicherheit und Intimität gibt? Ich führte kleine visuelle und sensorische Experimente durch, die mich zu einer Reihe von Konzepten geführt haben, von denen ich glaube, dass sie für die Gestaltung von Geburtsräumen nützlich sein könnten.

Ich habe meine Experimente ständig fotografiert und die aussagekräftigsten Bilder in thematischen Gruppen mit einigen Diskussionspunkten präsentiert. Thema 3 »Reichhaltige Resonanz von Farbe, Licht und Dunkelheit« und Thema 4 »Licht wahrnehmen: Oberfläche, Substanz und Äther« konzentrierten sich besonders auf die Farbe, sowohl die physische als auch die flüchtige. Das Thema »Venustas: Komplexe Körperlichkeit, Vergänglichkeit und Sinnlichkeit« erfasste die Komplexität und Relevanz ästhetischer architektonischer Elemente, die sich nicht auf eine »geprüfte« Form oder einen Gegenstand reduzieren lassen.

Privatsphäre und Intimität wurden als Konzepte hervorgehoben, die stark mit Dunkelheit, sanftem Umgebungslicht und tiefen, resonanten Farben verbunden sind. Lebendigkeit war ein Konzept mit einer starken Beziehung zu Farbe und Lebendigkeit.

6 Punkte für die Neugestaltung von Gebärräumen
Erleichterung für ein Bewusstsein für den Kosmos (awareness of cosmos) durch seitliche und zentrale Fenster für Lichteinfluss
Verbesserung des phänomenologischen Zusammenspiels zwischen Licht und Oberfläche
Gestaltung einer deutlichen, erfahrungsreichen Schwelle zwischen Innen und Außen
Entwicklung von Modulation und Abstufung des Lichts für einen sinnlichen Flow
Verwendung von Farbe zur Schaffung von Lebendigkeit und Tiefe
Entwicklung von räumlicher Lebendigkeit durch Verwendung von Licht als zentrales architektonisches Element (Licht-Farbe-Dunkelheit).

Quelle: Balabanoff, 2017

Notwendiger Wandel

Architekt:innen und Designer:innen können einen wichtigen Beitrag zu dem notwendigen Wandel leisten und benötigen Informationen und Anregungen, um diese Arbeit zu leisten. Wir hoffen, dass diejenigen, die weltweit Geburtshäuser in Auftrag geben und bauen, sowie die Gründer:innen oder Betreiber:innen von Gesundheitssystemen ebenfalls von dieser Arbeit profitieren werden. Wir wissen, dass Hebammen auf der ganzen Welt bereits darum bemüht sind, Geburtsräume so zu gestalten, dass eine ungestörte, weniger medizinisch geprägte Geburt möglich ist, und wir hoffen, dass unsere Arbeit ihre Bemühungen und Bedürfnisse unterstützen wird.

Gemeinsam werden wir uns an der Neugestaltung der Geburtserfahrung beteiligen, weg von den klinischen und pathologisierenden Geburtsmodellen, die das Geburtserleben im 20. Jahrhundert dominierten, und hin zu emotionalen, sensiblen und salutogenen Geburtsräumen und -erfahrungen.

Gestaltung von Geburtsumgebungen
Evaluationswerkzeuge
AEIOU ist ein 1991 entwickeltes Rahmenwerkzeug für eine ethnografische Beobachtungstechnik im Rahmen von qualitativer Forschung, die erstmals von der Anthropologin Prof. Christina Wasson (Universität Texas) im Bereich von Design benutzt wurde: Fünf Kategorien helfen bei der Analyse und Recherche, um die gesammelten Daten und Informationen zu strukturieren und Zusammenhänge zu erkennen.
Activities: Maßnahmen und Verhaltensweisen von Personen, um Ziel zu erreichen
Environment: Wie sieht das Umfeld aus, wie verhalten sich Personen darin?
Interaction: Was sind die Interaktionen, um das Ziel zu erreichen?
Objects: Wie hängen Objekte mit Personen, Aktivitäten und Interaktionen zusammen?
User: Wer sind die Personen, die beobachtet werden? Wie sind ihre Persönlichkeiten beschaffen? Wie arbeiten sie mit anderen Menschen zusammen, um ihre Ziele zu erreichen?

Birth Unit Design Spatial Evaluation Tool (BUDSET): Das BUDSET kann eine Möglichkeit bieten, die Optimierung von Geburtsstationen zu bewerten und festzustellen, welche Bereiche möglicherweise verbessert werden müssen (Foureur et al., 2010).
Birgit Heimbach


Hinweis:

Aufruf

Ich bin daran interessiert, mehr über Geburtsräume und die Erfahrungen von Hebammen in Deutschland in Bezug auf die Gestaltung der Geburtsumgebung zu erfahren, und würde mich freuen, von denjenigen zu hören, die sich für dieses Thema begeistern!

Übersetzung

Birgit Heimbach hat den Artikel übersetzt und noch einige Hintergründe recherchiert.


Zitiervorlage
Balabanoff, D. (2023). Design der Geburtsumgebung: Licht – mehr als Helligkeit. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 75 (6), 64–71.
Links
Angela Müller: Gestaltung von Geburtsräumen. https://saludmentalperinatal.es/team/angela-muller/

Be-up-Studie: https://be-up-studie.de/english-summary/

Colour Research Society of Canada: www.colourresearch.org

Davis Harte, Director of the Design for Human Health master‘s program am BAC: https://the-bac.edu/directory-index/davis-harte

Geburtsraum-Design Doreen Balabanoff: Color, light, and birth space design: An integrative review. Doreen Balabanoff MArch, PhD First published: 02 February 2023 https://doi.org/10.1002/col.2284

Global Birth Environment Design Network: https://www.gbedn.org

Positive Geburtsumgebung: https://www.all4birth.com/factsheet-creating-a-positive-birth-space-environment/

Rodante van der Waal, Humanizing Birth: https://rodantevanderwaal.com

Rosie Birthcentre: https://www.cuh.nhs.uk/rosie-hospital/rosie-birth-centre/

S.N. Mire Research project, Univerität Florenz: https://www.tesis.unifi.it/vp-405-s-n-mire.html?newlang=eng

Social Sciences and Humanities Research Council of Canada: https://www.sshrc-crsh.gc.ca/home-accueil-eng.aspx

Literatur
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