Leihhebamme Asthildur Huber (m.) mit den zwei fest angestellten Hebammen Lilia Helfer (l.) und Nina Portz im Kreißsaal des Klinikums Neuwied. Foto: © privat

Drei Leihhebammen erzählen von ihren Erfahrungen in deutschen Kreißsälen: Einblicke hinter die Kulissen.

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Birgit Heimbach: Sie stammen aus Island, leben mit Ihrem deutschen Mann in Spanien, arbeiten als Leihhebamme in Deutschland. Wie kamen Sie dazu?

Asthildur Huber: Da gibt es viele Gründe. Der erste wäre, dass in Spanien in den meisten Krankenhäusern keine »schöne« Geburtshilfe betrieben wird. Dort ist alles sehr medizinisch – es wird nicht viel Wert auf die natürliche Geburt gelegt. Dazu kommt eine Sprachbarriere, auch wenn ich mittlerweile gut Spanisch spreche. Wenn es zu einem Notfall kommt, gibt es in Deutschland absolut keinen Raum für Missverständnisse. Außerdem liebe ich es, in Deutschland zu arbeiten. Und dieses Arbeitsmodell, eine Woche durchzuarbeiten und dann drei Wochen frei zu haben, passt mir sehr gut.

Warum arbeiten Sie nicht als angestellte Hebamme in Teilzeit, sondern als Leihhebamme?

Asthildur HuberDer größte Vorteil, Leihhebamme zu sein, ist, dass ich selbst entscheiden kann, wann ich arbeiten und wann ich frei haben möchte. Weil wir aktuell nicht in Deutschland wohnen, muss ich immer alles mit der Arbeit meines Mannes koordinieren, der in Spanien arbeitet. Ich kann nicht Teil eines festen Teams sein. Meine »Sonderwünsche« wären nicht fair den anderen gegenüber. Wegen meines weit entfernten Wohnortes kann ich zum Beispiel nicht mal schnell für Vertretungsdienste einspringen. Bisher habe ich aber nur positive Erfahrungen gemacht als Leihhebamme, habe viel Neues dazugelernt und vor allem neue Freundschaften fürs Leben gefunden.

Finden Sie den Begriff Leihhebamme gut oder bezeichnen Sie sich anders?

Asthildur Huber: Ich stelle mich bei neuen Kolleginnen vor als die neue Leihhebamme oder Aushilfshebamme und habe keine Probleme damit. Das Wort »Leasing-Kraft« finde ich etwas unpersönlicher, aber es stört mich auch nicht.

Wie sehen Ihre Dienstzeiten aus?

Asthildur Huber: Ich arbeite einmal im Monat sieben Tage, derzeit wegen Corona 14 Tage am Stück. Viele würden sagen, dass es zu viel ist ohne frei, aber wenn ich nur arbeite, keinen Haushalt hab, keine Wäsche, keine Hausaufgaben mit den Kindern, ich muss mich nur um mich kümmern, dann ist es absolut machbar. Allerdings schlafe ich immer erstmal sehr viel, wenn ich wieder zu Hause bin.

Wie viele Arbeitgeber hatten Sie schon?

Asthildur Huber: Ich war zwei Jahre lang bei einer Firma, habe aber gerade gewechselt zu einer neuen Firma, die mir bessere Konditionen angeboten hat. Jetzt bekomme ich zum Beispiel meine Flugkosten und mehr zurückerstattet.

In wie vielen Krankenhäusern waren Sie bereits eingesetzt?

Asthildur Huber: Am längsten war ich in Neuwied und Herrenberg eingesetzt und hab mich dort sehr wohlgefühlt und mich sehr gut mit meinen Kolleginnen verstanden. Ich habe einige richtig gute Freundinnen gewonnen, mit denen ich im engen Kontakt stehe und die mich auch schon in Spanien besucht haben. Dann war ich auch in Dernbach und in Essen eingesetzt.

Wie ist es für Sie, immer wieder das Team zu wechseln? Gab es Schwierigkeiten mit den Kolleginnen?

Asthildur Huber: Am Anfang ist das oft kurz der Fall, aber meist habe ich einen guten Kontakt zu den Kolleginnen, der auch nach dem Einsatz bestehen bleiben kann. Und bisher gab es auch keine Schwierigkeiten mit den Kolleginnen.

In welchen Versorgungsstufen haben Sie gearbeitet? Können Sie als Leih­hebamme auch in einer Uniklinik der höchsten Versorgungsstufe einspringen?

Asthildur Huber: Als Leihhebamme ist es ein Muss, in allen Versorgungsstufen arbeiten zu können. Derzeit arbeite ich an einer Uniklinik, aber ich war auch in einem kleinen Haus, wo ich allein im Dienst war. Man muss flexibel und fähig sein, in jedem Haus andere »Protokolle« umzusetzen. Zum Beispiel wird wirklich fast überall die Gabe des Wehentropfes anders dosiert, auch die Schmerzschemata post sectionem und vieles mehr.

Da muss man sehr aufnahmefähig sein. Wie lang dauert die Einarbeitungszeit?

Asthildur Huber: Ja, das stimmt. Die Einarbeitung dauert sehr unterschiedlich von Haus zu Haus. Mitunter gibt es drei Tage lang Geräte- einweisungen und alle Protokolle, aber manchmal heißt es nur: »Hier ziehst du dich um und da ist der Kreißsaal.«

 Gibt es noch andere Leihhebammen in der Uniklinik, wo Sie gerade arbeiten? Wie ist das Team aufgestellt?

Asthildur Huber: Es ist ziemlich chaotisch, wir sind unterbesetzt. Es gibt sechs bis sieben Leihhebammen, nur fünf angestellte Hebammen.

Das hört sich ziemlich knapp besetzt an für eine Uniklinik. Wie funktioniert das?

Asthildur Huber: Ja, statt 3–3–2 arbeiten wir im Moment meistens 2–2–1 mit einem Zwischendienst – wenn möglich. Es gibt zusätzlich noch Anerkennungshebammen aus Serbien, die Erfahrungen aus ihrem Heimatland mitbringen. Sie arbeiten daran, Deutsch zu lernen, um die Hebammenerlaubnis hier zu bekommen. Sie helfen uns sehr und ich bin immer dankbar, wenn ich mit einer von ihnen zusammenarbeite.

Wie bekommen die Hebammen das alles organisiert? Pausen gibt es nicht? Stellen Sie auch mal eine Gefahrenanzeige?

Asthildur Huber: Wo ich jetzt arbeite, werden wir oft abgemeldet, das heißt, dass wir keine neuen Zugänge annehmen und wir oft Frauen wegschicken müssen. Wenn es heftig wird, ja, dann werden Überlastungsanzeigen geschrieben. Sonst sammelt man halt viele Überstunden. Das kennen wohl alle Hebammen. Wirkliche Pausen gibt es nicht oft, meistens wird das Müsli schnell gegessen – mit beiden Augen auf dem CTG.

Wie viele Leihhebammen sind pro Team überhaupt tragbar? Wie fühlen sich die Schwangeren damit?

Asthildur Huber: Das müssen eher die fest angestellten Hebammen beantworten. Bisher habe ich aber nie das Gefühl gehabt, dass sich eine Schwangere dadurch benachteiligt fühlt, die sind meistens sehr dankbar.

Wie klappt die Zusammenarbeit mit den Ärzt:innen?

Asthildur Huber: Bisher immer sehr gut.

Sind Sie über die Klinik haftpflichtversichert oder über Ihre Agentur?

Asthildur Huber: Über die Klinik, das ist wohl in dem Vertrag zwischen meiner Firma und der Klinik geregelt. Sie haben mir garantiert, dass ich genauso versichert bin, als wäre ich angestellt im Krankenhaus.

Sie sprechen fließend Isländisch, Deutsch, Spanisch und Englisch. Das ist ein großer Vorteil in unserer Multi-Kulti-Gesellschaft. In welchem Land würden Sie noch gern als Leihhebamme arbeiten? Oder halten Sie die Bedingungen in Deutschland gut aus?

Asthildur Huber: Ich arbeite sehr gerne in Deutschland, spiele aber schon ab und zu mit dem Gedanken, in meiner Heimat Island zu arbeiten. Aber wer weiß: Ich bin immer bereit für neue Abenteuer.

Interview mit Tina Lüpertz

»Man benötigt ein gewisses Standing«

Seit drei Jahren sind Sie als Hebamme angestellt bei einer Zeitarbeitsfirma. Welches sind Ihre guten Erfahrungen?

Tina Lüpertz: Es gibt verschiedene Aspekte: Meine Leihfirma ist ein toller Arbeitgeber, der sich um einen kümmert, immer ein offenes Ohr hat, bei Problemen und Fragen sofort zur Stelle ist und lösungsorientiert handelt im Sinne der Mitarbeiter:innen. Die Verdienstmöglichkeiten sind deutlich besser als angestellt in der Klinik. Und man hat die Möglichkeit, verschiedene Kliniken kennenzulernen. Man kann viel dazulernen, aber auch in festgefahrene Teams neuen Schwung bringen.

Mit den teaminternen Problemen hat man nichts zu tun. Man kann durch Deutschland reisen oder aber auch regional arbeiten. Falls einem der Einsatzort sehr gut gefällt, kann man in der Regel auch übernommen werden und ist dann schon eingearbeitet. Die Urlaubsplanung ist deutlich leichter. Man kann im laufenden Einsatz recht spontan Urlaub nehmen, Urlaub über Weihnachten und Silvester ist möglich. Es gibt geregelte Arbeitsstunden, kein Einspringen, ein individueller Dienstplan ist möglich, teilweise sogar selbst planbar.

Und welche negativen Erfahrungen haben Sie gemacht?

Tina Lüpertz:  Es gibt Einsatzorte, die einem nicht gefallen – entweder vom Team oder von der Art der Geburtshilfe her. Mitunter wird man von festangestellten Kolleginnen behandelt wie »B-Ware«. Manchmal spürt man Neid. Man benötigt ein gewisses Standing, um sich an einem neuen Einsatzort nicht alles gefallen zu lassen. Man braucht eine schnelle Auffassungsgabe für die kurze bis gar nicht vorhandene Einarbeitung.

Erleben Sie als Leihhebamme ein mangelndes Wir-Gefühl im Team?

Tina Lüpertz: Ich habe ein Hebammenteam in meiner Firma. Wir 25 Hebammen stehen im regen Austausch und sind an manchen Standorten auch zusammen eingesetzt. Wir fahren gemeinsam auf Fortbildungen und stehen alle auf einer gemeinsamen Stufe. In den meisten Einsatzorten ist das sogenannte »Teamgefühl« ganz ehrlich eh nicht vorhanden. Mir ist die Zusammenarbeit mit dem Ärzt:innenteam mittlerweile tatsächlich wichtiger als mit meinen Hebammenkolleginnen.

Sind die Kosten für die Klinik größer?

Tina Lüpertz: Ich sehe keinen Nachteil für die Krankenhäuser. Es wird Zeit, dass die Gehälter angepasst werden und der Personalmangel sich bessert. Das System Krankenhaus läuft absolut in die falsche Richtung, der Verwaltungsapparat ist wichtiger als die Pflegenden. Ich bin für meine Firma keine Nummer, die man einfach austauschen kann. Es wird sich gekümmert und geschaut, dass die Arbeitszufriedenheit stimmt. Das habe ich in meinen Angestelltenverhältnissen vorher noch nie so erlebt.

Sie bleiben also beim Modell Leihhebamme?

Tina Lüpertz: Ich war anfangs sehr skeptisch der Zeitarbeit gegenüber, aber meine Firma hat mich absolut davon überzeugt. In die Zeitarbeit zu gehen war das beste, was ich machen konnte, nachdem mein geliebter Hebammen-Kreißsaal geschlossen wurde.

Anonym

»Wir sind Bestandteil des Teams«

Birgit Heimbach: Wie sind Ihre Erfahrungen, über eine Leihfirma zu arbeiten?

Anonym: Ich arbeite seit zwei Jahren als Leihhebamme und war bisher in sieben verschiedenen Kliniken eingesetzt. Momentan habe ich noch keine Klinik kennengelernt, in der die Arbeitsbedingungen derart gut gestaltet sind, dass ich mir vorstellen kann, dort angestellt zu arbeiten. Es gibt immer Gründe unterschiedlicher Art, warum eine Klinik Personalmangel hat. Insofern ist die Zeitarbeit für mich derzeit die bessere Alternative.

Ich würde nicht sagen, dass ich das Modell stark befürworte, aber ein Arbeiten als angestellte Hebamme im Krankenhaus wäre für mich unter den derzeitigen Bedingungen nicht denkbar und durch die unplanbaren Dienste auch nicht machbar.

Sehen Sie auch Nachteile?

Anonym: Ein großer Nachteil der Leiharbeit ist, dass die meisten Zeitarbeitsfirmen recht »kreativ« werden beim Thema Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsentgelt. Das ist vielen Leiharbeitnehmerinnen nicht bewusst und sie lassen sich mit wortreichen Erklärungen davon überzeugen, dass es in Ordnung sei, dass sie im Urlaub und im Krankheitsfall deutlich weniger ausgezahlt bekommen. Sie bekämen ja schließlich ansonsten viel mehr als andere, wird oft argumentiert. Das ist natürlich Unsinn.

Als Leihhebamme ist man nicht überbezahlt, sondern bekommt im Gegensatz zur Klinikangestellten einen Lohn, der der Verantwortung und Arbeitsbelastung gerecht wird. Entsprechend hat man auch ein Recht darauf, im Urlaub und bei Krankheit entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen weiterbezahlt zu werden. Da kann ich jeder Kollegin nur raten, genau hinzuschauen.

Sehen Sie Nachteile für die Krankenhäuser, unter anderem wegen eines mangelnden Wir-Gefühls im Team?

Anonym: Das Wir-Gefühl im Team kann auch mit Leihhebammen gut gefördert werden. Ich habe das schon erlebt. Leider sind sich nur wenige Kliniken oder Teams bewusst, dass nicht wenige Leihhebammen sich für eine Anstellung in der Klinik entscheiden würden, wenn das Arbeitsklima stimmen würde. Dafür ist eine aktive Integration der Leihhebamme durch das bestehende Team aber unabdingbar. Wer also neue Mitarbeiter:innen rekrutieren möchte, sollte Leihhebammen von Anfang an als Bestandteil des Teams behandeln. Und natürlich liegt es auch an der Leihhebamme, sich im bestehenden Team einzubringen. So kann ein gut funktionierendes »heterogenes Team« entstehen, das bereichernd ist für alle Seiten.

Und was ist mit den eventuell höheren Kosten für Leihhebammen?

Anonym: Die höheren Kosten sind definitiv ein Problem für die Kliniken und es ist mir völlig unverständlich, wie kurzsichtig die Geschäfts- und Pflegedienstleitungen handeln. Ich habe den Eindruck, dass oft davon ausgegangen wird, Leihhebammen bräuchte man nur vorübergehend und bald würde man die offenen Stellen durch entsprechende Bewerberinnen besetzen können. Es wird fast nie parallel in bessere Arbeitsbedingungen investiert und so für Bewerberinnen kein Anreiz geschaffen.

Leih- und Honorarkräfte werden teuer bezahlt und dienen dann nicht zur Überbrückung, sondern werden fester Bestandteil, damit der Betrieb aufrechterhalten werden kann. Der Nachteil für die Krankenhäuser ist also selbstgemacht, weil sie es versäumen, parallel zur Beschäftigung von Leihhebammen ihren Standort attraktiv für Bewerberinnen zu gestalten. So wird es dann ein Fass ohne Boden.

Was könnte besser sein?

Anonym: Ein sinnvoller Umgang mit Leiharbeiter:innen in der Klinik, beispielsweise mit Hilfe von temporär eingesetzten Leihhebammen den Betrieb aufrechtzuerhalten und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Das lässt sich verwirklichen, indem zum Beispiel der Stellenschlüssel erhöht oder Zulagen implementiert werden, um damit parallel Bewerberinnen einen Anreiz zu schaffen. Dies bietet für die Kliniken eine große Chance. Es muss auf diesem Feld strategisch sinnvoll geplant und gehandelt werden.

Zitiervorlage
Heimbach, B. (2022). Interview mit drei Leihhebammen: »Immer bereit für neue Abenteuer«. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 74 (1), 32–35.
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