Beim Thema Beikost ist die Hebamme eine der ersten Ansprechpartnerinnen für die Eltern. Neben der individuellen Beratung sind Beikostkurse eine gute Alternative, um alle Facetten des Themas zu beleuchten.
Erst die Stillberatung und dann… Nach dem Stillen sind die Hebammen oft die ersten Ansprechpartnerinnen in Beikostfragen. Foto: © Kerstin Pukall
Beim Thema Beikost ist die Hebamme eine der ersten Ansprechpartnerinnen für die Eltern. Neben der individuellen Beratung sind Beikostkurse eine gute Alternative, um alle Facetten des Themas zu beleuchten.
Obwohl sich mit Einführung der neuen S3-Allergieleitlinien 2009 die Beikosteinführung prinzipiell vereinfacht hat (Reese & Schäfer 2009), ist die Verunsicherung junger Eltern eher größer geworden. Nicht zuletzt liegt dies an vielen Unwahrheiten, die dazu medial verbreitet werden – sei es in der Apothekenzeitung, im Kundenmagazin der Drogerie oder in der Tageszeitung. Der Beratungsbedarf junger Eltern ist hoch. Deshalb empfiehlt es sich, schon zum Ende des Wochenbettes die Mütter für dieses Thema zu sensibilisieren. Denn auch wenn nur ein sehr kleiner Teil der Babys mit vier oder fünf Monaten bereits wirklich alle Beikostreifezeichen aufweist, geraten junge Eltern zunehmend unter Druck, spätestens jetzt auch mit der Zufütterung von fester Kost zu beginnen.
Die Beratung dazu kann natürlich im Einzelgespräch erfolgen und über den Punkt 2800 der Hebammengebührenordnung abgerechnet werden, so die Bildungsordnung der Bundesländer, herausgegeben vom Deutschen Hebammenverband (DHV). Meist gibt es aber so viele Fragen zu beantworten, dass viel zu schnell 90 Minuten vergangen sind – ohne Anfahrt und Dokumentation – und das für 30,33 Euro pauschal. Eine gute Alternative hierzu sind Beikostkurse, in denen die Eltern einen theoretischen und praktischen Überblick zum Thema Beikost bekommen. Die Einzelberatung bei Ernährungsfragen kann dann für individuelle Fragen und Probleme genutzt werden, die sich während der Beikosteinführung ergeben oder den Rahmen eines Gruppenunterrichts sprengen. Wichtig ist es in dem Zusammenhang zu wissen, dass bei nicht stillenden Frauen diese individuelle Ernährungsberatung nur bis zum Ende des neunten Lebensmonats ihres Kindes angeboten werden kann. Und dies, obwohl sich natürlich auch bei mit Formula ernährten Säuglingen nach diesem Zeitraum noch viele Unsicherheiten ergeben, die eine fachliche Beratung erfordern. Weil mit der Ernährung in der frühen und späten Babyzeit wesentliche Grundlagen für das spätere Essverhalten gelegt werden, wäre es wünschenswert, wenn alle Frauen diese Beratung so lange erhalten könnten, bis die Umstellung von der Milchnahrung auf eine gesunde Kost am Familientisch weitestgehend abgeschlossen ist.
Beikostkurse in der Gruppe sind – unabhängig vom Zeitpunkt, wann Eltern einen Kurs in Anspruch nehmen – immer eine Wahlleistung, die nicht von den Krankenkassen finanziert wird. Bei der Preiskalkulation sollte die den Kurs leitende Hebamme die Vor- und Nachbereitungszeit, die Kursdauer, die Kosten für Raummiete, Material und Druckkosten für ein Teilnehmerskript mit berücksichtigen. Auch regional gibt es Unterschiede in der Preisgestaltung, so dass der Preis für die Kursteilnahme zwischen 10 und 40 Euro liegt, für einen Kurs, der im Durchschnitt drei Stunden dauert.
Für die Bewerbung der Kurse bieten sich Flyer an, die etwa in Rückbildungs- oder Babymassagekursen, aber auch beispielsweise in Bioläden ausgelegt werden können. Betreuten Frauen kann man die Infos über den Kurs auch rund vier Monate nach der Geburt per Post oder Mail schicken. Natürlich sollte das Angebot auch auf der Homepage der Hebamme beziehungsweise der Hebammenpraxis zu finden sein.
Je nach Raumgröße empfiehlt es sich, eine TeilnehmerInnenzahl von zehn nicht zu überschreiten, da erfahrungsgemäß sehr viele Fragen in den Kursen gestellt werden. Wenn Babys zum Kurs mitgebracht werden, ist es aufgrund der damit verbundenen erhöhten Unruhe noch schwieriger, die Aufmerksamkeit der TeilnehmerInnen dauerhaft zu halten. Eventuell bietet ein Kurs am Abend oder am Wochenende die Option, dass ein Elternteil den Kurs ohne Kind besuchen kann. Ansonsten ist es auch empfehlenswert, dass beide Eltern kommen, da das Thema beide betrifft. Falls das Kind unruhig ist, kann ein Elternteil sich um das Kind kümmern, während der andere sich auf die Inhalte konzentriert.
Ein praktischer Kochteil im Beikostkurs, bei dem die Eltern selbst babygerechte Beikost herstellen, stellt besondere Anforderungen an die Räumlichkeiten. Hierfür wird eine ausreichend große Küche mit genügend Kochplätzen sowie Geschirr und Küchenmaterial benötigt. Dies bieten meist Lehrküchen, wie sie sich in Schulen, Volkshochschulen, aber auch in Gebäudekomplexen von Krankenkassen finden lassen. Zu Kursen, in denen gekocht wird, sollten die Babys eher nicht mitgebracht werden, da die Umgebung meist nicht kindgerecht ist beziehungsweise das Hantieren mit heißen Flüssigkeiten ein Unfallrisiko birgt. Aber auch wenn keine Kochgelegenheit zur Verfügung steht, kann mit einem einfach zu transportierenden Dampfgarer die unkomplizierte Zubereitung von Babybrei oder Fingerfood-Beikost demonstriert werden. Der Babybrei kann zusammen mit Breinahrung aus dem Gläschen von den Eltern verkostet werden. Die Eltern testen beide Breivarianten und schmecken so den doch eklatanten Unterschied zwischen frisch zubereitetem Brei und industriell hergestellter Breinahrung.
Ein praktischer Kochteil im Kurs nimmt Eltern, die bisher gar nicht oder selten selbst gekocht haben, die Hemmschwelle vor dem Kochen. Damit kann ein wichtiger Grundstein für die zukünftige Ernährung der ganzen Familie gelegt werden. Im Beikostkurs sollten deshalb gesunde, schmackhafte und vor allem leicht und schnell zuzubereitende Gerichte gezeigt werden. Die Rezepte sollten auch zu Hause noch leicht nachvollziehbar sein, da sonst doch schnell der Griff zur Gläschenkost passiert. Dabei sollte die Herstellung von stückiger Beikost ebenso wie die Breizubereitung gezeigt werden.
Gerade TeilnehmerInnen ohne Kocherfahrung muss im Kurs auch der Umgang mit rohen und gekochten Lebensmitteln erläutert werden. Dies beinhaltet Einkauf, Lagerung, Zubereitung und Aufbewahrung der Produkte. Auch über Einkauf, Erwärmen und Aufbewahrung von angebrochener Gläschenkost müssen die Eltern informiert werden. Hier kann mit den Eltern das Lesen der Zutatenliste „geübt“ werden, indem die Hebamme die Inhaltsstoffe verschiedener Gläschen mit den TeilnehmerInnen analysiert. So lernen Eltern, zu empfehlenswerten Gläschen zu greifen, die keine Zuckerzusätze, Geschmacksverstärker oder andere für Babys überflüssige Zusätze enthalten.
Die Babynahrungshersteller verschicken in der Regel kostenlose Produktmuster für die Demonstration in den Beikostkursen. Die praktischen Aspekte der Babynahrungszubereitung können während des gemeinsamen Kochens mit den TeilnehmerInnenn ebenso wie in Vorträgen, Gruppenarbeit oder ähnlichen Formen zur Wissensvermittlung besprochen werden.
Neben den praktischen Fragen zur Herstellung der Breie, sollten folgende theoretische Inhalte erläutert werden:
Den richtigen Zeitpunkt der Beikosteinführung bestimmt nicht der Kalender, sondern die Beikostreifezeichen des Kindes. Den TeilnehmerInnen sollte der Zusammenhang zwischen der motorischen Entwicklung des Kindes und der Entwicklung seines Verdauungssystems bekannt sein. Wenn die Eltern selbst die Beikostreife beim Kind gut einschätzen können, schützt dies die Babys vor Überforderung und damit verbundenem Frust am Esstisch bei den Eltern.
In diesem Zusammenhang sollte auch über die Entwicklung des Geschmacks, die ja bereits in Schwangerschaft und Stillzeit stattfindet, informiert werden. Mit einem gesunden Beikostbeginn kann die lebenslange Geschmacksprägung auf hochwertige und gesunde Lebensmittel festgelegt werden. Ebenso können sich aber in dieser Phase schlechte Ernährungsgewohnheiten manifestieren, die das Essverhalten ein Leben lang beeinträchtigen.
Eltern müssen darüber Bescheid wissen, dass das Baby bestimmt, was und wie viel es von der angebotenen Beikost zu sich nimmt, damit durch falschen Ehrgeiz und Druck keine Grundlagen für spätere Essstörungen gelegt werden. Anregungen für eine angenehme Esskultur in entspannter Atmosphäre unterstützen den Esslernprozess beim Säugling. Enge und detaillierte Ernährungsfahrpläne für Babys, wie sie zum Teil noch immer von Babynahrungsherstellern herausgegeben werden, setzen Eltern und Kinder unter Druck. Sie werden den individuellen Entwicklungsverläufen der Säuglinge beim Essenlernen nicht gerecht.
Da die Erwartungen an die Beikost bei Eltern oft übertrieben hoch sind, ist es wichtig, die Bedeutung des Stillens beziehungsweise der Pre-Milchgabe im ersten Lebensjahr ausführlich zu besprechen. Eltern haben oft die Erwartung, dass Babys größere Mengen der neuen festen Kost annehmen und sind entsprechend besorgt, wenn dies in der Realität ganz anders aussieht. An dieser Stelle kann das Stillen aktiv gefördert werden, wenn auch die natürlich weiterhin vorhandene optimale Zusammensetzung der Muttermilch erläutert wird. Gerade im Vergleich zum geringen Brennwert des ersten Gemüsebreis wird den TeilnehmerInnen so schnell deutlich, dass Beikosteinführung kein schneller Abstillweg ist, sondern lange Zeit das Stillen ergänzt, bis sich die Stillmahlzeiten tatsächlich zunehmend reduzieren.
Wenn eine Mutter also einen frühzeitigen Abstillwunsch hat – vor dem vollendeten zwölften Lebensmonat – ist das Stillen durch eine geeignete Pre-Nahrung zu ersetzen. Auch der Hinweis, dass Folgenahrung weder erforderlich noch empfehlenswert ist, kann an dieser Stelle mit den Eltern besprochen werden. Die gesundheitsfördernden Aspekte des Stillens für Mutter und Kind steigen mit der Dauer der Stillzeit an. Eine Beikosteinführung unter dem Schutz des Stillens ist die optimale Allergieprävention. Ein Weiterstillen neben geeigneter Beikost wird eindeutig empfohlen (WHO 2013). Doch natürlich entscheidet jedes Mutter-Kind-Paar individuell über die Dauer der gemeinsamen Stillzeit. Im Kurs sollte hier auf die Option zur individuellen Still- und Ernährungsberatung bei der Hebamme hingewiesen werden.
Da das Thema „baby-led weaning“, also die vom Baby selbst gesteuerte Beikosteinführung nach Bedarf, zunehmend mehr Eltern bekannt ist, sollte die kursleitende Hebamme auch darüber ausführlich informieren können (siehe Seite 26ff.). Zudem gibt und gab es schon immer Babys, die keinen Brei akzeptieren. Auch für diese Kinder ist dieser Beikostweg, der ohne aktives Füttern auskommt, der geeignete Weg. Eltern sollen die wichtigsten Grundlagen der Beikosteinführung nach Bedarf kennenlernen und auch Anregungen für ein entsprechendes Nahrungsangebot fürs Baby bekommen. In einem Beikostkurs mit praktischem Kochteil kann hier ein abwechslungsreiches und gesundes Fingerfoodbuffet mit den Eltern erstellt werden, das die TeilnehmerInnen anschließend selbst verzehren dürfen. Dies wird von den TeilnehmerInnen auch wesentlich lieber angenommen als das Verkosten von pürierter Babykost. Das Essverhalten der Eltern hat eine wichtige Vorbildfunktion.
Egal ob in Breiform oder als stückige Kost: Eltern müssen über nicht geeignete Lebensmittel für Babys und Kleinkinder, wie zum Beispiel Rohmilchprodukte oder Honig, informiert werden. Aber auch über Zusatzstoffe in industriell hergestellten Lebensmitteln muss gesprochen werden, da diese von vielen Familien zumindest gelegentlich konsumiert werden. Diese sowie alle anderen Informationen und vorgestellten Rezepte sollten die TeilnehmerInnen auch als Skript ausgehändigt bekommen oder zumindest die Option erhalten, sich diese Inhalte, von der Kursleiterin bereitgestellt, herunterladen und ausdrucken zu können.
Da zum Essen auch das Trinken gehört, ist dies ein wichtiges Thema, bei dem viel präventiv für die Zahngesundheit der Kinder getan werden kann. Wasser als generell empfohlenes Getränk sowie die Verwendung eines Bechers oder Glases ist die beste Prophylaxe vor Karies in Form des „Nursing Bottle Syndroms“. Die Bedeutung und Durchführung der Zahnpflege sollte hier noch einmal erläutert werden.
Die Allergieprophylaxe ist nach wie vor für viele Eltern ein wichtiges Thema, so dass hier konkret über die Erkenntnisse der 2009 veröffentlichten S3-Allergieleitlinien informiert werden kann. Bis zum Erscheinen dieser Leitlinien ging man davon aus, dass ein Vermeiden potenzieller Allergene sowie ein sehr langsames Einführen neuer Lebensmittel Allergien vorbeugen könne. Die Auswertung von 217 wissenschaftlichen Untersuchungen zu dem Thema konnte dies nicht belegen und somit wurden die Allergieleitlinien 2009 entsprechend geändert. Dies führte zu einer wesentlich leichteren Vereinbarkeit der Beikostphase und dem Essen am Familientisch. Besonders die Einführung vieler verschiedener Lebensmittel unter dem Schutz des Stillens scheint sich allergiepräventiv auszuwirken (siehe Seite 23f.).
Sind bei einem Kind bereits konkrete Nahrungsmittelallergien bekannt, sollten die Eltern noch mal an eine individuelle Ernährungsberatung verwiesen werden, da dies in der Regel die Kompetenzen der Hebammen übersteigt und auch den Kursrahmen sprengen würde. Hier ist es von Vorteil, wenn die Hebamme den Eltern konkrete AnsprechpartnerInnen nennen kann.
Hebammen, die Beikostkurse anbieten, brauchen ein recht umfangreiches Wissen zum Thema Babyernährung. Die Beikosterfahrungen mit den eigenen Kindern sind sicher nicht ausreichend, weil sich in dem Bereich gerade in den vergangenen fünf Jahren sehr viel verändert hat. Auch in der Ausbildung von Hebammen hat das Thema Beikost noch keinen hohen Stellenwert. Es gibt aber ein gutes Fortbildungsangebot dazu. Zum Beispiel bietet die Hebamme Simone Lehwald über die Hebammenlandesverbände und auch über den Berufsverband der Deutschen Lakationsberaterinnen (BDL) Seminare zu diesem Thema an, die alle theoretischen und praktischen Aspekte sowie auch das Thema des „baby-led weaning“ beinhalten (Lehwald 2011).
Im praktischen Kochteil können sich Hebammen das praktische Wissen zur Selbstzubereitung von Babyernährung aneignen. Dies darf natürlich durch eigene gesunde und kindgerechte Rezepte ergänzt werden.
Hebammen sind für Beikostfragen oft die ersten Ansprechpartnerinnen. Deshalb ist es wichtig, zumindest ein aktuelles Grundwissen dazu zu haben. Wer viel Interesse und Freude an dem Thema hat, für den sind Beikostkurse sicher ein interessantes Zusatzangebot in der Hebammenarbeit. Diese Kurse bewahren Eltern vor Stress am Esstisch und sind eine gesundheitspräventive Maßnahme, die sich im besten Fall ein Leben lang auszahlt.