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Eine junge Kreißsaalhebamme hat sich entschieden, nach dem Examen in ihrem Lehrkrankenhaus zu bleiben. Den Ausschlag gaben die kollegiale Unterstützung und der Zuspruch aus ihrem Team.

Das Gefühl, mit einem Bachelorzeugnis das Universitätsgelände zu verlassen, umgeben von Freund:innen aus dem Studium, alle mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht und voller Stolz und Vorfreude, ist unbeschreiblich. Das Examen ist vorbei, wir haben es geschafft. Wir sind jetzt Hebammen und es beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Vermutlich können sich viele an diesen Moment erinnern.

Wie geht es nun weiter und welchen Weg will man einschlagen? Spricht einen die Freiberuflichkeit an, das Arbeiten in einer Praxis oder einem Geburtshaus oder geht es in die Klinik und in den Kreißsaal? Diese Entscheidung hängt sowohl von persönlichen Vorstellungen und privaten Voraussetzungen ab, wie Kinder und Familie, als auch von den Erfahrungen, die man im Studium gemacht hat.

Wie prägend das Kollegium aus dem Studium oder der Ausbildung für den weiteren Berufsweg ist, ist mir durch eigene Erfahrungen und diverse Erzählungen von Kolleg:innen deutlich geworden. Viele Hebammen aus meinem Team haben mir Erlebnisse aus ihrer Ausbildung erzählt, die teilweise schon 30 bis 40 Jahre her sind. Selten ging es dabei um geburtshilfliche Erfahrungen, sondern vielmehr um zwischenmenschliche Interaktionen mit damaligen Kolleg:innen und leider handelt es sich oft um unschöne Erfahrungen. Allerdings muss man nicht immer in die Vergangenheit blicken, um von Hebammenschülerinnen oder -studierenden zu hören, die Erniedrigung, Missbilligung oder Ausgrenzung von Kolleg:innen im Kreißsaal erfahren haben. Auch Kommiliton:innen aus meinem Jahrgang haben von solchen Erlebnissen berichtet. Sie haben den Kreißsaal gewechselt oder beschlossen, nach dem Studium das Kapitel Kreißsaal zu beenden. Somit drängt sich die Frage in den Vordergrund: Was brauchen junge Hebammen, um im Kreißsaal anzufangen?

»Bauchschmerzen«

Die ersten praktischen Einsätze im Kreißsaal sind anstrengend und überfordernd. Es ist weniger das Arbeiten an sich als der soziale Druck, neu in einem Team anzukommen. Viele neue Gesichter und fremde Abläufe, sich bei jedem mindestens dreimal vorzustellen, um dann trotzdem mit falschem Namen angesprochen zu werden, all das kann sehr ermüdend sein. Gleichzeitig möchte man einen guten Job machen, lernen, aufgeweckt sein, mithelfen, Aufgaben sehr gut machen und mit der Zeit selbstständig übernehmen, wobei einem zu Beginn des Studiums das erforderliche Wissen für viele Situationen fehlt.

Retrospektiv ist es spannend, sein Anfangs-Ich zu betrachten. Es gibt viele Momente und Situationen, die mir detailliert in Erinnerung geblieben sind, so als wäre es gestern gewesen. Viele schöne, aber auch einige unschöne Momente. Die praktischen Einsätze in den ersten drei bis vier Semestern waren oft mit »Bauchschmerzen« verbunden. Doch es gab einen Tag, da sind die Bauchschmerzen durch Freude ersetzt worden. Wie ist es zu dieser Veränderung gekommen und was hat letztlich die anfängliche Unsicherheit in Freude verwandelt? Was hat dazu geführt, dass ich in dem Kreißsaal, in dem ich gelernt habe, auch anfange zu arbeiten?

»Du kannst das, ich bleibe im Hintergrund«

Es sind kleine Interaktionen und Umgangsformen im Kollegium, ehrliches Mitgefühl und bestärkende Worte vor Prüfungen und in den Wochen vor dem Examen. Lob und Wertschätzung, Sätze wie »Du kannst das, ich bleibe im Hintergrund und gucke zu«, konstruktive Kritik und Vertrauen, das einem Kolleg:innen entgegenbringen. Kolleg:innen, die deine Bachelorarbeit lesen und dir anschließend in einer E-Mail schreiben, dass sie begeistert von deiner Arbeit sind. Eine Einladung zur Weihnachtsfeier des Kollegiums oder Nachtdienste, in denen gemeinsam Eis gegessen und sich ausgetauscht wird. Es sind Umarmungen von Kolleg:innen nach einem langen, anstrengendem Dienst, mit denen sie sich für deine Mitarbeit bedanken, und es ist ein ausgesprochenes »Danke«, welches einem viel gibt.

Es sind auch die Kolleg:innen, mit denen man Geburten und Pathologien nachbespricht. Die einem den Raum zur Reflexion und für offene Fragen geben, die einen bestärken, Feedback und Mut für zukünftige Notfallsituationen geben. Und es ist das Gefühl, willkommen zu sein, Kolleginnen, die sich freuen, dass du zum Dienst kommst und dir diese Freude mitteilen. In den vergangenen dreieinhalb Jahren Studium haben sich einige Schlüsselmomente angesammelt, die mich in meiner Entscheidung bestärkt haben, in meinem Team anzufangen.

»Das hast du gut gemacht«

Mit einer Kollegin hatte ich meine erste Geburtsbegleitung im Vierfüßlerstand, diese Geburt und der ganze Tag sind noch sehr präsent in meiner Erinnerung. Die Gebärende hat mit uns auf Englisch kommuniziert, sie hatte ein beeindruckendes Körpergefühl. Neben dem Kreißbett hatten wir eine Matte auf den Boden gelegt und die Gebärende hat dort sowohl im Vierfüßler, in der Hocke als auch im Liegen ihre Wehen veratmet. Meine Kollegin und ich haben viel Zeit mit der Frau im Kreißsaal verbracht und mit ihr die Wehen verarbeitet. Für mich war es sehr interessant, die Frau während der verschiedenen Geburtsphasen zu beobachten. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich kaum Erfahrungen, ich befand mich am Beginn meines Studiums und hatte bis dahin vielleicht zwei bis drei Geburten vierhändig begleitet. Insbesondere das vaginale Untersuchen im Vierfüßlerstand war verwirrend, zumal ich damals auch in diesem Untersuchungsfeld kaum Erfahrungen und Kenntnisse hatte.

Meine Kollegin war durchgängig da, sie hat mich machen lassen, auf meine Bitte hin nachuntersucht und viel Ruhe ausgestrahlt, was sich positiv auf meine Aufregung und auch auf die Gebärende auswirkte. Bevor der Muttermund vollständig war, hat meine Kollegin mich gefragt, ob ich die Geburt im Vierfüßlerstand begleiten möchte, wenn das für die Gebärende in Ordnung sei. Ich habe eingewilligt, jedoch gesagt, dass ich noch nie eine Geburt aus dieser Gebärposition begleitet hätte. Meine Kollegin beruhigte mich. Sie erklärte mir noch mal genau den Dammschutz und die Entwicklung des Kindes in Führungslinie aus dem Vierfüßlerstand.

Die Geburt im Vierfüßlerstand war sehr schön, die Gebärende befand sich weiter auf der Matte. Meine Kollegin, die Kreißsaalärztin und ich hockten mit der Frau auf dem Boden, ermutigten und bestärkten sie. Ich war sehr aufgeregt und gleichzeitig ruhig, da ich wusste, dass meine Kolleginnen da sind und mich bei Unsicherheiten unterstützen. Das Kind wurde komplikationslos geboren und ich habe sowohl den Dammschutz als auch die Kindsentwicklung gemacht. Damm und Scheide waren intakt, Mutter und Kind wohlauf, und ich hätte nicht glücklicher sein können.

Unsere Kreißsaalärztin kam danach zu mir und meinte: »Das hast du sehr gut gemacht«. Auch mit meiner Kollegin habe ich die Geburt und die Betreuung nachbesprochen. Sie hatte sich Zeit für mich und meine Fragen genommen, meine Unsicherheiten zwar ernst genommen, mich aber trotzdem machen lassen und mich in meinem Können bestärkt. Außerdem wurde im Nachgespräch der Raum für Reflexion und Fragen eröffnet. Das war der Tag, an dem ich gemerkt habe, dass ich im richtigen Beruf bin und wie bereichernd die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen sein kann.

»Habe Respekt, aber niemals Angst «

Mit einer weiteren Kollegin hatte ich viele Geburten und habe viel von ihr gelernt. Insbesondere zwei Situationen waren sehr prägend, noch heute zehre ich von diesen Erlebnissen und den Gesprächen mit ihr.

Ich befand mich damals bereits im sechsten Semester und wir betreuten im Spätdienst eine Zweitgebärende. Sie war »Zustand nach sekundärer Sectio« und im Laufe der Betreuung hat sich ein protrahierter Geburtsverlauf abgezeichnet. Sie hatte eine PDA und einen Oxytocintropf auf maximal 30 ml/h laufen. Da ich noch Geburtenzahlen sammeln musste, habe ich kurz vor Feierabend eine weitere Frau übernommen, die ihr Kind sehr zügig und spontan mit mir bekommen hat. Zur selben Zeit ertönte von draußen der Notsectioalarm und eine weitere Kollegin teilte mir mit, dass meine Betreuungskollegin mit ihrer Patientin im OP sei. Auch wenn die Geburt, die ich begleitet habe, sehr schön war, war ich mit dem Kopf bei dem Paar, das ich zuvor betreut hatte. Nach der Geburt habe ich meine Kollegin getroffen, sie war inzwischen aus dem OP wiedergekommen und hat mir nun erzählt, was passiert war. Plötzlich habe die Frau geblutet und das CTG habe einen Herztonverlust aufgezeichnet, letztlich hatte die Frau eine Uterusruptur und eine vorzeitige Plazentalösung. Die Situation wurde schnell erkannt und dementsprechend gehandelt, so dass es sowohl der Gebärenden als auch dem Kind gut ging.

Nichtsdestotrotz hat mich die Situation nachhaltig beschäftigt. Hätten wir den Oxytocintropf besser nicht anhängen sollen? Was hätte ich gemacht, wenn meine Kollegin nicht da gewesen und ich als Hebamme gerade im anderen Kreißsaal gewesen wäre und somit den Herztonabfall nicht mitbekommen hätte?

Solche und andere Fragen und Gedanken haben mich in der Nacht nach dem Dienst beschäftigt, obwohl meine Kollegin und ich noch lange nach Feierabend darüber gesprochen hatten. Am nächsten Tag hatten wir wieder einen Dienst zusammen und ich konnte noch mal meine Gedanken, Fragen und Ängste loswerden. Ich erinnere mich, dass nicht nur wir beide, sondern auch weitere Kolleginnen sich zu uns gesetzt haben und wir uns ausgetauscht haben. Wie geht man mit Notfallsituationen um? Wie verarbeitet man sie und wie betreibt man Eigenschutz? Meine Kollegin hat zu mir gesagt: »Auch nach über 35 Jahren Berufserfahrung nehmen mich solche Situationen mit und bereiten mir schlaflose Nächte. Es ist wichtig, Respekt vor der Geburtshilfe zu haben, aber keine Angst!« Dieser Satz, aber vor allem auch der intensive, vertraute und kollegiale Austausch haben mich sehr berührt und begleiten mich seither.

Mit derselben Kollegin hatte ich auch meine erste Schulterdystokie, mit eigenständiger Kindsentwicklung. Es war der vorletzte Dienst als Hebammenstudierende und bereits nach der Examensprüfung. Auch hier ist alles gut gegangen und trotzdem war ich nach der Geburt den Tränen nahe. Meine Kollegin hat mich aufgefangen und mir Mut zugesprochen. Sie hat ihre Erfahrungen mit mir geteilt und mir Tipps für zukünftige Schulterdystokien gegeben. Das war sehr hilfreich, da solche Tipps wenig mit Lehrbuchwissen, sondern vielmehr mit Berufserfahrung zu tun haben. Im Großen und Ganzen ist jedoch das Gefühl entscheidend, was mir in solchen Situationen vermittelt wird. Meine Kolleginnen sind verständnisvoll, besänftigen und beruhigen mich. Gleichzeitig zeigen sie mir, dass auch sie von Pathologien und Geburten ergriffen sind und dass man als Hebamme nie auslernt.

»Wenn du unsicher bist, frage einfach«

Kurz vor meiner Examensprüfung habe ich eine Frau betreut und war nach der vaginalen Untersuchung sehr verunsichert, da ich keinen eindeutigen Muttermundbefund tasten konnte. Also habe ich eine Kollegin dazu geholt und sie gebeten, einmal nachzuuntersuchen. Sie hat mir versichert, dass der Befund wirklich schwer zu tasten sei, da der Muttermund sakral nach links verzogen sei und man einen Befund nur in der Wehe tasten könne, da der Muttermund außerhalb der Wehe zu weich sei. Nichtsdestotrotz war ich etwas desillusioniert und fragte mich, wie es sein kann, dass ich kurz vor dem Examen bei einem vaginalen Befund so unsicher bin.

Daraufhin meinte meine Kollegin, dass das sicherlich nicht das letzte Mal gewesen sei, dass ich als examinierte Hebamme eine weitere Kollegin dazu hole, damit diese nachuntersucht. »Das ist doch das Schöne an einem Team, du bist hier nie allein und jede von uns hat Momente, Befunde und Situationen, die man nicht einordnen kann. Dann fragst du einfach nach und wir sind da, egal ob als Studierende oder examinierte Hebamme.«

Es sind solche Sätze, das Gefühl, aufgefangen zu werden, und der kollegiale Austausch, die mich dazu ermutigt haben, im Kreißsaal und in dem Kollegium anzufangen, in dem ich gelernt habe. Natürlich gibt es Dienste und Situationen, die mich frustrieren. Nichtsdestotrotz habe ich in den vergangenen Jahren durchgehend Unterstützung, Zuspruch und eine angenehme Lernatmosphäre erfahren dürfen. Dadurch habe ich die Arbeit in der Klinik und in der Geburtshilfe lieben gelernt, bin sehr dankbar für meine Kolleginnen und freue mich auf das, was kommt.

Zitiervorlage
Mahne, G. (2024). Weiterarbeiten im Ausbildungskreißsaal: »Du bist hier nie allein«. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 76 (8), 22–24.
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