Der gekachelte Kreißsaal der 1970er Jahre schmerzte schon im Auge. Geburtssoziologin Sheila Kitzinger schrieb: „Die Atmosphäre für eine Geburt ist genauso wichtig wie für ein Liebeserlebnis. Wer würde sich dafür einen gekachelten Raum mit rostfreien Stahlgeräten und grellem Licht aussuchen?“ In den 80ern ersannen Pioniere neue Räume – Irrtümer inbegriffen: In Bremen gestaltete man einen Kreißsaal „so gemütlich, wie man wohnt“ – damals tendenziell dunkelbraun. Er wurde ein Flop. Ein Farbpsychologe erkannte: „Unmöglich in so einer Höhle zu atmen.“ Er evaluierte Grünblau als die richtige Farbe für Schwangere und gestaltete zur allgemeinen Zufriedenheit den Bremer Kreißsaal um. Die 90er Jahre brachten erste Studien zum Evidence Based Design – die für Patienten angenehme und gesundheitsfördernde Gestaltung von Krankenhausräumen. Neue Begriffe entstanden wie „Healing Hospital“ und „Healing Environment“. Auch Geburtsräume wurden beforscht und entsprechend gestaltet.

Heute dient das besondere Outfit den Kliniken im Kampf um die Kundinnen. Denn bekannt ist: Diese messen subjektiv die medizinische Leistung auch an Service und Atmosphäre. Nun wird gelockt mit einer Geburtshilfe inmitten von Feng Shui, mediterranem Terrakotta-Ambiente oder Design-Purismus. Letzter Schrei für den ersten Schrei: Fußball-Kreißsäle in Vereinsfarben mit Wimpel-Emblem an Wänden und Pezzibällen. „Eff–Zeeh“ als neue Atemtechnik? Geburtshilfe mit Marke. Wie Anja Lüthy, Professorin für Dienstleistungsmanagement an der Fachhochschule Brandenburg, rät: „Kliniken müssen eine eigene Marke mit einer unverwechselbaren Identität schaffen und aktiv bewerben.“ Reiner Kommerz? Architekten und Designer haben den lukrativen Medizinmarkt entdeckt. Der neue Slogan „Patient Experience Design“ verspricht die „Gestaltung positiver Patientenerfahrungen“. Es gibt Schrilles und Witziges, etwa eine Praxis im Look einer futuristischen quietschgelben Hochglanz-Dünenlandschaft. Eine Idee für die neuen „Entbindungslandschaften“?

Wärme und Empathie als Gestaltungsprinzip fehlen mir bei vielen der neuen Konzepte für Kliniken. Dr. Gerd Eldering, einst Chefarzt im Vinzenz Palotti Hospital in Bensberg, der sich ungern an die früheren „abstoßenden Kreißsäle“ erinnert, mit denen sich „Frauen innerlich nicht verbunden fühlten“, ist mit der jetzigen Entwicklung auch nicht zufrieden: „Gebärende brauchen kein Design des 30. Jahrhunderts, sondern Geborgenheit.“ Wir möchten in diesem Heft Wissen für eine gute Geburtsraumgestaltung
– speziell in der Klinik – vermitteln.

Im Kulturteil stelle ich Geburtsbilder von HAP Grieshaber vor, der 1956 für die Uniklinik Freiburg 14 Collagen schuf. Der engagierte Maler schuf häufiger Kunst am Bau. Er beklagte nur, dass sie „oft die Wunden heilen soll, welche der Produktionsprozess dem Architekten geschlagen hat.“

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