Sie sind zu erkennen, die Hebammen, wenn sie sich auf den Weg machen. So auch am 10. Februar, einem Samstagmorgen in Berlin: Es waren kleinere und größere Gruppen von Frauen, die in meinen Bus einstiegen und sich ganz selbstverständlich über Plazentalösungsstörungen und Laktationsprobleme unterhielten. So wie ich waren sie auf dem Weg an die Evangelische Hochschule Berlin (EHB) zur 1. Konferenz für pädagogische Arbeit im Hebammenstudium (HEBA-PÄD). Diese geht auf eine gemeinsame Initiative des Deutschen Hebammenverbandes e.V. (DHV) und der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft e.V. (DGHWi) zurück und ist die erste Kooperation dieser Art, wie Prof. Dr. Barbara Fillenberg, Präsidentin der DGHWi, in ihrem Grußwort im Audimax der EHB betonte.
Spezielle Fachdidaktik
Prof. Dr. Lea Beckmann, Beirätin für den Bildungsbereich im Präsidium des DHV, betonte die Pflicht beziehungsweise den Zweck des DHV, seine Mitglieder fort- und weiterzubilden. Eine Kooperation mit der DGHWi zu Fragen um das Studium sei für sie eine logische Folge daraus.
Prof. Dr. Melita Grieshop begrüßte als Vertreterin der EHB und als Gastgeberin die Anwesenden. Diese Konferenz sei ein Meilenstein für die Akademisierung der Hebammen, denn es werde nicht nur um Fragen der wissenschaftlichen Ausbildung gehen, sondern auch um fachpraktische Fragen wie beispielsweise Praxisanleitung und Prüfungen. Die 1. HEBA-PÄD schließe sich an die Tradition der Tagung für Lehrerinnen im Hebammenwesen an, denn fach-didaktische Fragen hätte es schon immer gegeben.
Für die akademische Ausbildung der Hebammen brauche es eine spezielle Fachdidaktik, wie es beispielsweise in der Pflege und in der Medizin auch der Fall sei. Deren Entwicklung nehme langsam Fahrt auf, betonte Grieshop. Dies sei anhand der Einreichungen für diese Konferenz und generell an der Themenwahl für Qualifikationsarbeiten zu erkennen. Um diese Entwicklung weiter auszubauen und zu intensivieren, wünschte Grieshop allen Anwesenden eine inspirierende und lebendige Konferenz.
Meilensteine der Akademisierung
Die Keynote hielt Prof. Dr. Claudia Hellmers, Beauftrage für den Studiengang Hebammenwissenschaft in Osnabrück. Eingangs stellte sie eine hohe Wertschätzung für das Thema der Konferenz fest. Die Initiatorinnen hätten mit etwa 80 Teilnehmer:innen gerechnet, gekommen seien circa 230.
In ihrer Keynote gab sie einen kurzen Abriss zur Geschichte der Akademisierung in Deutschland und resümierte, dass Kompromisse eingegangen worden seien und »die eine oder andere ausgeschert« sei. Hellmers beschrieb, dass bei allen Höhen und Tiefen immer der Idealismus für den Hebammenberuf motivierend und verbindend gewesen sei. Sie und ihre Weggefährtinnen aus der ersten Phase der Akademisierung in Deutschland könnten sich inzwischen als Zeitzeuginnen begreifen.
Als Meilensteine der Akademisierung stellte Hellmers die Änderung der EU-Richtlinie zur Anerkennung der Ausbildung innerhalb der EU dar, die Einführung der Modellklausel und die Entstehung der ersten Modellstudiengänge im Jahr 2008, die Gründung der DGHWi ebenfalls 2008, die letzte Novellierung des Hebammengesetzes und die Einführung der Studien- und Prüfungsverordnung für Hebammen, beides 2020.
In der aktuellen Situation sei die Praxisanleitung gesetzlich verankert und Praxisanleiter:innen bräuchten eine pädagogische Qualifikation. Es gebe inzwischen 50 Studienstandorte in Deutschland und die große Herausforderung sei es, qualifizierte Lehrkräfte an die Hochschulen zu bekommen. Für den Übergang von der fachschulischen zur akademischen Ausbildung gebe es eine Frist bis zum Ende des Jahres 2027.
Einen Studiengang aufzubauen sei wahre Hebammenarbeit, so Hellmers. Es brauche viel Geduld und Verhandlungsgeschick, und am Ende stünden im besten Fall strahlende Student:innen und eine erschöpfte Studiengangsleitung. Dies vor dem Hintergrund, dass die Logik der Berufsbildung für Hebammen teilweise im Widerspruch stehe zur geltenden Hochschulgesetzgebung. So gebe es zum Beispiel per Gesetz einen viel zu engen Spielraum für die Gestaltung der staatlichen Prüfungen, wodurch die vielfältigen Möglichkeiten der Planungen und Umsetzungen in den Hochschulen eingeschränkt würden.
Für die nahe Zukunft wünschte sich Hellmers einen Diskurs zur Frage der aufbauenden Masterstudiengänge und ein Promotionsrecht an Hochschulen für angewandte Wissenschaft. So könnten die Professorinnen an Hochschulen unabhängig von Kooperationen eigenständig Promotionen begleiten.
Allheilmittel Akademisierung?
Das Thema Erschöpfung blinkte an diesem Tag nochmals am Mittag auf in der »Interaktiven Podiumsdiskussion – Allheilmittel Akademisierung?!« Als Gäste waren auf dem Podium Michaela Bremsteller (Hochschule Bielefeld), Ulrike Geppert-Orthofer (Präsidentin des DHV), Prof. Dr. Melita Grieshop, Prof. Dr. Claudia Hellmers, Mara Hertele (Bundesvorstand JuWeHen), Prof. Dr. Christoph Hübener (Katholische Stiftungshochschule München) und Elsa Sachse (Bundesvorstand JuWeHen). Die Themenimpulse und die Moderation lagen in der Hand von Prof. Dr. Nicola Bauer.
Es gab einen Austausch darüber, was eine akademisch ausgebildete Hebamme auszeichne und woran Familien erkennen könnten, dass ihre Hebamme akademisch ausgebildet sei. In der Diskussion war man sich einig, dass ein Studium keinen Unterschied mache hinsichtlich der hebammenspezifischen Kompetenzen, die für Familien spürbar und wichtig seien. Akademisierung sei in erster Linie festigend für den Berufsstand der Hebammen. So würden jetzt beispielsweise andere fachpraktische und berufspolitische Fragen gestellt werden können.
Aus dem Publikum kam dazu die Rückmeldung einer Kollegin aus einem Geburtshaus. Sie arbeite als Praxisanleiterin und habe über die letzten zehn Jahre festgestellt, dass die Student:innen mit einem größeren theoretischen Wissen während ihrer Praktika im Geburtshaus auffallen würden. Die Vertreterinnen der JuWeHen sagten auf die Frage, ob sie sich gut auf den Hebammenalltag vorbereitet fühlten, nach erfolgreichem Studium erst einmal eine Pause nach dieser zehrenden Zeit einlegen zu wollen. Sie wünschten sich für das Studium mehr Praxisbegleitung, das Training im Skills-Lab könne die Erfahrungen aus der Praxis nicht ersetzen. Außerdem fänden sie es eine gute Option für das Studium, Pausensemester regulär einlegen zu können. Es sollte zu denken geben, wenn frisch gebackene Hebammen nicht auf die Praxis brennen, sondern schon zu Beginn ihres Berufslebens über Auszeiten nachdenken! Da auch von Seiten der Studiengangsleitungen über erschöpfte Lehrkräfte und Lehrkräftemangel berichtet wird, muss es sich um eine systemische Schräglage handeln, in denen sich die Rahmenbedingungen für Studiengänge befinden.
Programm für zwei Tage
Die Vortragsreihen am Vormittag und die Workshops am Nachmittag waren sehr gut besucht. Hier wurden dann die direkten pädagogischen und inhaltlichen Fragen des Studiums bearbeitet. Die unerwartet hohe Teilnehmer:innenzahl und entsprechend höheres Interesse auch an den Vorträgen machte eine größere Raumkapazität als ursprünglich geplant notwendig. Diese wurde mittels Live-Stream einiger Vorträge in zusätzliche Räume der EHB geschaffen.
Vormittags liefen zwei Vortragsreihen und eine geführte Posterbegehung parallel, so hatte man die Qual der Wahl. Auch waren die Vorträge sehr dicht getaktet, mit wenig Zeit für Austausch und Diskussion des gerade gehörten Stoffs. Im Nachklang erscheint es so, dass das Programm zwei Tage hätte füllen können.
»Nach der Tagung ist vor der Tagung«, hieß es am frühen Abend von Seiten der Veranstalterinnen. So darf also darauf gehofft werden, dass dieser engagierten und motivierenden Konferenz weitere folgen. Und dann werden sie sicher wieder zu erkennen sein, meine Kolleginnen, wie sie sich auf den Weg machen, um die Geschicke um die akademische Ausbildung der Hebammen zu gestalten.