Bei Zöliakie reagieren die Erkrankten überempfindlich gegen Bestandteile des Klebereiweißes Gluten, das in vielen Getreidesorten vorkommt. Foto: © Markus Heimbach

Das Immunsystem schützt vor krank machenden Eindringlingen. Es ermöglicht uns das Überleben in einer Welt voller Mikroorganismen und Viren. Was passiert jedoch, wenn sich unser Abwehrsystem gegen den eigenen Körper wendet und die Darmzellen angreift, etwa bei Erkrankungen wie Morbus Crohn, ulzerativer Kolitis und Zöliakie? Auch Fruchtbarkeitsstörungen können die Folge sein. Was gilt es in der reproduktiven Phase zu bedenken?

Greifen Zellen des Immunsystems spezifisch Darmzellen an, können dort chronische Entzündungen entstehen. Die betroffenen Personen leiden unter Erkrankungen wie der Morbus Crohn oder der ulzerativen Kolitis. Bauchschmerzen, Krämpfe, häufiger Durchfall und rektale Blutungen begleiten ihr tägliches Leben. Bei länger anhaltenden Krankheitsschüben kommen zudem Gewichtsverlust, Anämie, Fieber und Dehydrierung hinzu. Die genauen Ursachen, die diesen beiden Erkrankungen zugrunde liegen, sind noch nicht erforscht. Man vermutet, dass genetische Veranlagungen, gestörte Immunantworten, Umwelteinflüsse wie Koffein, Alkohol oder Tabak und bestimmte Ernährungsgewohnheiten eine Rolle spielen (Kirsner & Shorter 1982; McConnell et al. 1986; Loftus 2004). Die meisten PatientInnen zeigen erste Symptome im Alter von 20 bis 40 Jahren.

Das ist vor allem für Paare mit Kinderwunsch eine kritische Zeitspanne. Sie fragen: „Wie wirkt sich die Erkrankung und mögliche Behandlungen auf Fruchtbarkeit, Schwangerschaft und Stillzeit aus?”, „Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung der Erkrankung auf unser Kind?” und „Wird die Erkrankung Konsequenzen für die Entwicklung unseres Kindes haben?”

Fettreduzierte Diäten

Wenn die Erkrankung vor und zum Zeitpunkt der Empfängnis inaktiv ist, ist kaum mit Einschränkungen der Fruchtbarkeit und mit Komplikationen während der Schwangerschaft zu rechnen (Hudson et al. 1997; van der Woude et al. 2010). Ist die Erkrankung allerdings aktiv, kann es sowohl zu Beeinträchtigungen der Fruchtbarkeit als auch zu Schwangerschaftskomplikationen kommen. Verschiedene Studien konnten zeigen, dass chronisch-entzündliche Darmerkrankungen ein erhöhtes Risiko für Fehlgeburten, Frühgeburten vor der 37. Schwangerschaftswoche und geringe Geburtsgewichte von unter 2.500 Gramm darstellen (Kornfeld et al. 1997). Daher sollten sich Paare mit Kinderwunsch über eine Anpassung ihrer Therapie und ihrer Ernährung eingehend beraten lassen – also in jedem Fall auch die Männer, die wegen des negativen Einflusses von Medikamenten auf die Fruchtbarkeit ebenso betroffen sein können. Einige Medikamente haben nachweislich einen negativen Einfluss auf die Fruchtbarkeit und bewirken Mangelerscheinungen essenzieller Vitamine. So führt die Einnahme des Medikamentes Sulphasalazin bei Männern zu einer verringerten Spermienzahl. Wenn sie das Medikament absetzen, können sie ihre Spermienmenge jedoch binnen sechs Wochen voll wieder herstellen (O´Morain et al. 1984).

Andere Medikamente verstärken einen Folsäuremangel, so zum Beispiel die Einnahme von Salazosulfapyridin. Da viele Patientinnen mit entzündlichen Darmerkrankungen schon von Hause aus geringe Folsäurespiegel aufweisen, kann diese Mangelerscheinung besonders zu Beginn der Schwangerschaft zu schwersten Fehlbildungen führen, wie zum Beispiel einem offenen Rücken. Eine zusätzliche Einnahme von Folsäure ist daher unbedingt zu empfehlen. Andererseits haben die meisten Medikamente, vor allem in niedrigen Dosierungen, keine Auswirkungen auf den Schwangerschaftsverlauf und die Entwicklung des Kindes. Viele von ihnen lassen sich nur in geringen Mengen in der Muttermilch nachweisen und sind daher für die Stillzeit unproblematisch. Vorsicht ist jedoch bei einigen Immunsuppressiva und Substanzen mit krebsauslösenden Nebenwirkungen geboten. Hier wird empfohlen, die Medikamente längere Zeit vor Einritt einer Schwangerschaft abzusetzen oder die Behandlung anzupassen.

Zusätzlich zur medikamentösen Behandlung spielt die Ernährung eine entscheidende Rolle für den Krankheitsverlauf. Positiv wirken sich fettreduzierte Diäten mit einem hohen Anteil an Früchten, Fluiden, Magnesium und Vitamin C aus. Besonders Früchte, reich an Antioxidantien wie Blaubeeren, Kirschen und Tomaten sind zu empfehlen. Erkrankte sollten Nahrungsmittel wie Bohnen, scharfe Speisen, Schokolade und Süßstoffe vermeiden. Als besonders wirkungsvoll haben sich Entspannungstechniken zur Stressbekämpfung wie Yoga, Tai Chi, Progressive Muskelrelaxation, Tiefenatmung und Hypnose herausgestellt. Diese Techniken können auch Schwangere und Stillende gut anwenden.

Glutenfreie Diät bei Zöliakie

Die Zöliakie (Glutenunverträglichkeit) ist eine ebenfalls mit dem Darm assoziierte Autoimmunerkrankung. Sie ist bei Erwachsenen auch unter dem Namen einheimische Sprue bekannt. Es handelt sich dabei um eine Überempfindlichkeit gegen Bestandteile des Klebereiweißes Gluten, das in vielen Getreidesorten vorkommt. Durch Angriffe von Immunzellen werden die Darmepithelzellen zerstört, wodurch die vollständige Aufnahme von Nährstoffen verhindert wird. Die betroffenen Personen leiden oftmals unter Gewichtsverlust, Durchfall, Erbrechen, Appetitlosigkeit, Müdigkeit und Depressionen. Bei Kindern lässt sich zudem häufig eine beeinträchtigte körperliche Entwicklung beobachten. Erste Symptome der Erkrankung können bereits im Säuglingsalter auftreten und scheinen in ihrer Stärke mit dem Zeitpunkt und der Menge der Zufütterung zu korrelieren.

Allerdings ist es auch möglich, dass sich die Erkrankung erst im vierten Lebensjahrzehnt manifestiert. In jedem Fall ist derzeit eine glutenfreie Diät die einzige Behandlungsmethode.

Als Ursachen vermutet man sowohl genetische Veranlagungen als auch Infektionen. Wie bei vielen Autoimmunerkrankungen sind von der Glutenunverträglichkeit Frauen häufiger betroffen als Männer. Studien konnten zeigen, dass bei Frauen auf Grund einer nicht diagnostizierten Zöliakie vermehrt Frühgeburten auftraten. Die untersuchten Frauen zeigten dabei keines der klassischen Krankheitssymptome. Ebenfalls ließ sich feststellen, dass sich Patientinnen mit nachgewiesener Zöliakie zumeist in der Untersuchungsgruppe befanden, in der die Frauen unter idiopathischer Unfruchtbarkeit litten, die Ursache also unbekannt war (Collin et al. 1996; Meloni et al. 1999; Tiboni et al. 2006).

Die Glutenunverträglichkeit kann sich darüber hinaus, wenn unbehandelt, auch auf die Menstruation und die Menopause auswirken. Ein verspätetes Einsetzen der ersten Regelblutung, ihr vollständiges Ausbleiben (Amenorrhoe) sowie ein verfrühter Beginn der Menopause wurden beschrieben (Rujner et al. 1999).

Mangel an essenziellen Nährstoffen?

Die Bedeutung einer glutenfreien Diät für den erfolgreichen Schwangerschaftsverlauf und -ausgang lässt sich für die betroffenen Patientinnen anhand mehrerer Untersuchungen festmachen. Diese konnten zeigen, dass unbehandelte Frauen vermehrt unter Fehlgeburten litten oder Kinder zur Welt brachten, die ein zu geringes Geburtsgewicht aufwiesen (Ciacci et al. 1996; Norgard et al. 1999; Salvatore et al. 2007; McCarthy et al. 2009). Zwei Hauptprobleme könnten hierbei eine Rolle spielen: die Autoimmunität an sich und der Mangel an essenziellen Nährstoffen. Einige Studien widersprechen zwar einem Zusammenhang zwischen Zöliakie und Schwangerschaftskomplikationen (Greco et al. 2004; Solis Sánchez et al. 2008). Dennoch ist Frauen mit idiopathischer Unfruchtbarkeit zu empfehlen, sich auf Zöliakie testen zu lassen.

Zitiervorlage
Schumacher A: Autoimmunerkrankungen des Darms: Einflüsse auf die fruchtbare Phase. DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 2013. 65 (11): 45–47
Literatur
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