Abbildung: © S.Kobold /stock.adobe.com

Wenn Säuglinge viel spucken, unter Koliken leiden oder Probleme beim Stuhlgang haben, ist oft keine einfache Ursache zu finden. Aber der Leidensdruck für die ganze Familie ist groß. Hebammen sollten die wichtigsten funktionellen Beschwerden bei Babys, diagnostische Kriterien, organische Differential­diagnosen und therapeutische Optionen kennen.

Babys, die viel weinen, häufig spucken oder beim Entleeren des Darms Schwierigkeiten haben, bereiten ihren Eltern oft große Sorgen. Aber nicht immer stecken gravierende organische Probleme hinter diesen Symptomen. Man spricht dann von funktionellen gastrointestinalen Störungen. Die bekannteste funktionelle Störung bei Erwachsenen ist der Reizdarm. Im Folgenden werden die wichtigsten funktionellen Beschwerden bei Säuglingen vorgestellt, die Differenzialdiagnosen erläutert und Ansätze für Beratung und Behandlung gegeben. Für Hebammen ist es wichtig, die Charakteristika der funktionellen Störungen zu kennen, denn damit kann man in vielen Fällen lange diagnostische Irrwege abkürzen.

Rom IV
Die Rom-IV-Kriterien sind von der Rome Foundation veröffentlichte Diagnosekriterien für funktionelle gastrointestinale Störungen (Functional gastrointestinal disorders, FGID). Im Kern geht es darum, bei Patient:innen mit eindeutigen Beschwerden, aber fehlenden Auffälligkeiten bei den Untersuchungen ein Konstrukt zur Erklärung und Behandlung dieser Probleme zu haben. Im Laufe der Zeit wächst das Verständnis für die pathophysiologischen Zusammenhänge zwischen Darm-Immunsystem, Darm-Mikrobiom, Ernährung und zentraler Reizverarbeitung. Für die Familien ist es oft entlastend, dem Beschwerdebild einen klaren Namen zu geben und Behandlungsansätze aufzuzeigen.

https://theromefoundation.org/rome-iv/ rome-iv-criteria/

Funktionelle Störungen bezeichnen Störungen der Interaktion zwischen Bauch und Hirn, ohne dass mit klinischen Methoden eindeutige Erkrankungen nachzuweisen sind. Es liegt also eine Störung der Funktion des entsprechenden Organs vor bei eigentlich unauffälligen Befunden. Auch nach einer angeborenen oder akuten Erkrankung können nach Überstehen dieses Problems funktionelle Beschwerden bestehen bleiben, etwa wie ein Schmerzgedächtnis.

Detaillierte Untersuchungen weisen nach, dass das Darm-Mikrobiom und die zentrale Reizverarbeitung sowie oft auch psychische Faktoren wesentliche Rollen in der Pathogenese spielen (Benninga et al., 2016). Die Charakterisierung erfolgte in verschiedenen Konferenzen, die in Rom stattfanden; mittlerweile werden die Störungen nach Rom IV definiert (siehe Kasten). Nach Alter und Beschwerdesymptomatik werden verschiedene Störungen charakterisiert (siehe Abbildung 1) (Benninga et al., 2016).

Grundsätzlich gilt, dass zur Diagnose einer funktionellen Störung organische Erkrankungen ausgeschlossen werden sollen, die eine ähnliche Symptomatik hervorrufen können (Zeevenhooven et al., 2017). Dabei muss mit klinischem Sachverstand abgewogen werden, ob und welche Diagnostik sinnvoll ist. Überdiagnostik sollte unbedingt vermieden werden, weil man damit oft die Ansicht der Eltern bestärkt, man müsse nur lange genug suchen, um eine organische Ursache der Beschwerden zu finden. Manche der funktionellen Störungen verlaufen so charakteristisch, dass man die Diagnose auch anamnestisch und durch eine körperliche Untersuchung stellen kann. Beweisende Untersuchungen für funktionelle Störung gibt es nicht; oft sind aber einige Basisuntersuchungen zum Ausschluss häufiger Erkrankungen sinnvoll.

Im Folgenden geht es um die funktionellen Störungen, die das erste Lebensjahr betreffen:

  • Spucken bei Säuglingen
  • Rumination von Säuglingen
  • Zyklisches Erbrechen
  • Säuglingskoliken
  • Funktionelle Diarrhoe
  • Dyschezie (erschwerte Defäkation ohne Obstipation)
  • Funktionelle Obstipation.

Abbildung 1: Funktionelle gastrointestinale Störungen bei Kindern und Jugendlichen in verschiedenen Altersgruppen gemäß Rom IV (mod. nach Benninga et al., 2016) Quelle: © Dr. Martin Claßen

Spucken, Erbrechen und gastro-ösophagealer Reflux

Unter Erbrechen versteht man die Entleerung größere Nahrungsmengen, zum Teil im Schwall und oft mit Zeichen der Reizung des vegetativen Nervensystems: Übelkeit, Speichelfluss, Blässe, Schwitzen, Tachykardie.

Ein gastro-ösophagealer Reflux ist definiert als Rückfluss von Mageninhalt in die Speiseröhre. Dies ist nicht per se krankhaft, sondern meist ein physiologischer Vorgang, der bei allen Menschen vielmals pro Tag auftritt.

Wenn die refluxierte Flüssigkeit ausgespuckt wird, spricht man von Regurgitation, im allgemeinen Sprachgebrauch vom Spucken oder Speien. Dies ist insbesondere bei kleinen Säuglingen fast nach jeder Mahlzeit nachzuweisen: In Studien spucken 41 – 67 % der gesunden vier Monate alten Säuglinge mehr als einmal am Tag (Chogle et al., 2016; van Tilburg et al., 2015). Pathophysiologisch liegt ein noch unzureichender Verschlussdruck des unteren Speiseröhrenverschlusses zugrunde. Die Verschlussfunktion reift dann bis Ende des zweiten Lebensjahres aus, so dass die Menge des Spuckens zum Ende des ersten Lebensjahres oft nachlässt und nach dem zweiten Geburtstag keine Rolle mehr spielen dürfte.

Viele Eltern berichten, dass im zweiten Lebenshalbjahr das Problem noch einmal zunimmt, weil es dann beim Krabbeln und mit vermehrter Bewegung zu Druckanstiegen im Bauch kommt, die zum Übertritt von Nahrung in die Speiseröhre führen. Auch eine Überfüllung des Magens sowie starker Husten können zur vermehrten Refluxepisoden führen. Die reflux­begünstigenden Faktoren bei Erwachsenen wie Kaffee, Zigarettenrauch, Alkohol sowie Schokolade sollten im Säuglingsalter keine Rolle spielen.

Eine krankhafte Bedeutung kommt diesem Vorgang nur dann zu, wenn Komplikationen auftreten – man spricht dann von gastro-ösophagealer Refluxkrankheit. Als Komplikationen gelten Würgen, Blutbeimengungen in der ausgespuckten Nahrung, pulmonale Komplikationen wie Aspiration oder rezidivierende Bronchitis, Gedeihstörung oder Ernährungsprobleme (Sintusek et al., 2023). Gerade bei milchernährten kleinen Babys sind Speiseröhrenentzündungen sehr selten, weil noch wenig Magensäure produziert wird und die Milch die Magensäure puffert. Das bedeutet auch, dass Unruhe und Weinen beim Säugling sehr selten durch eine gastro-ösophageale Refluxkrankheit mit Speiseröhrenentzündung bedingt ist.

Behandlung heißt zuerst Beratung

Wenn also ein Baby mit rezidivierendem Spucken vorgestellt wird, muss man durch Anamnese und klinische Untersuchung nach Hinweisen auf eine dieser Komplikationen beziehungsweise organische Ursachen suchen (siehe Tabelle). Nur dann bestünden Gründe für weitergehende Untersuchungen (Sintusek et al., 2023). Liegen keine Probleme vor, spricht man von einem physiologischen gastro-ösophaealen Reflux beziehungsweise einer funktionellen Regurgitation.

In der Behandlung ist der wichtigste Schritt die Beratung der Eltern über die Harmlosigkeit des Problems und die gute Prognose. Hinweisen kann man auf die bevorzugte Lagerung mit erhöhtem Oberkörper. Obwohl Seiten- und Bauchlage die Regurgitation vermindern, sollten Hebammen sie wegen des SIDS-Risikos nicht empfehlen.

Das Andicken der Milch, zum Beispiel mit Reismehl oder Johannisbrotkernmehl, kann in ausgeprägten Fällen diskutiert werden (Ernährungskommission der Österreichischen Gesellschaft für Kinder und Jugendheilkunde e. V.) (ÖGKJ et al., 2022). Dies vermindert die Menge der regurgitierten Nahrung. Das Andicken sollte aber auf keinen Fall ein Grund sein, von Muttermilch auf Formula-Milch zu wechseln – auch das Einrühren von Dickungsmitteln in abgepumpte Milch ist möglich. Kommerziell sind spezielle »Anti-Reflux«-Nahrungen erhältlich. Eine Behandlung mit Magensäureblockern (Protonenpumpeninhibitoren) ist laut mehreren Studien sinnlos und wahrscheinlich gefährlich, da sie ein erhöhtes Infektionsrisiko mit sich bringen (Madisch & Koop, 2023).

Differenzialdiagnosen

Abzugrenzen ist das Spucken von der Rumination und vom Syndrom des zyklischen Erbrechens: Bei der Rumination, die typischerweise später beginnt als die Regurgitationen (3.–8. Lebensmonat), beobachtet man Kontraktionen der Bauchmuskulatur und des Zwerchfells, die dann zum Übertritt von Mageninhalt in den Mund führen (Benninga et al., 2016). Von dort wird der Mageninhalt entweder ausgespuckt oder wieder heruntergeschluckt, zum Teil nach erneutem Kauen.

Dies tritt nie bei einem schlafenden Kind auf und ist in der Regel nicht begleitet von Zeichen des Unwohlseins. Rumination beim Säugling kann ein Zeichen einer sozialen Deprivation sein (Zustand der Entbehrung, Isolation). Die Unterscheidung vom einfachen Spucken ist oft nur durch längere Beobachtungsphasen des Säuglings nach der Nahrungsaufnahme möglich.

Das Syndrom des zyklischen Erbrechens findet man bei Babys eher selten. Das zyklische Erbrechen ist so definiert, dass es zu stundenlangen Episoden mit mehrfachem, heftigem Erbrechen kommt. Diese Erbrechensepisoden verlaufen oft ähnlich in Dauer und Präsentation. Zwischen den einzelnen Episoden gibt es aber keinerlei gastrointestinale Symptome (Benninga et al., 2016).

Die organischen Differenzialdiagnosen bei Symptomen des oberen GI-Traktes (Spucken, Erbrechen, Rumination) finden sich in der Tabelle.

Säuglingskoliken – Trimenonkoliken

Bei den Trimenonkoliken handelt sich um ein multifaktoriell bedingtes Geschehen, das von Eltern und manchen Behandler:innen auf Bauchschmerzen zurückgeführt wird und deswegen oft als Bauch­kolik eingestuft wird (Buderus, 2024). Eltern berichten, ihr Baby krümme sich, der Bauch sei hart und gebläht und das Weinen bessere sich nach Abgang von Darmgasen.

Definiert sind diese Koliken als anhaltende Schreiphasen bei Säuglingen unter fünf Monaten (bei Beginn der Symptome), die nicht zum Beispiel durch Hunger, Schlafmangel oder eine volle Windel bedingt sind. Als signifikant wurde über Jahrzehnte eine Dauer von mehr als drei Stunden an mehr als drei Tagen pro Woche innerhalb von drei Wochen angesehen (Lindberg, 2000; Savino, 2007). 29–49 % der normalen Babys erfüllen diese Zeitdefinition; als Problem wird dies bei 5–19 % der Kinder wahrgenommen. Die Zeitdefinition wurde in der neuesten Definition nach Rom IV aufgegeben.

Typisch ist die Symptomatik zwischen zwei Lebenswochen und vier Lebensmonaten (bei Frühgeborenen um die Frühgeburtlichkeit korrigiert). Außerhalb dieser Zeiten muss eher von anderen Ursachen des Schreiens ausgegangen werden und die Kinder müssen intensiver untersucht werden. Das Schreien nimmt abends und nachts zu und überschreitet die Toleranz der Eltern.

Eine Zusammenstellung möglicher Ursachen und Einflussfaktoren zeigt Abbildung 2. Es gilt als sicher, dass Säuglingskoliken nicht allein auf abdominelle Ursachen zurückzuführen sind (Indrio et al., 2023; Shamir et al., 2013).

Eine der größten Herausforderungen ist es, aus den vielen Familien, die sich mit einem schreienden Säugling vorstellen, diejenigen herauszufinden, bei denen eine Diagnostik oder weitergehende Maßnahmen erforderlich sind (siehe Kasten: Warnzeichen).

Warnzeichen
Wann sollen weitergehende Maßnahmen eingeleitet werden bei einem Säugling mit Koliken?

  • Erhebliche Irritation der Eltern
  • Überforderung der Eltern
  • Antizipiertes Schütteltrauma-Risiko
  • Abnorme Dauer des Schreiens
  • Alter des Kindes > 6 Monate
  • Körperliche Symptome:
    •              Gedeihstörung
    •              Abnormes Trinkverhalten
    •              Erbrechen
    •              Fieber
  • Auffällige Stühle
  • Erhebliche Blähungen.

Therapeutische Maßnahmen

Die wichtigste therapeutische Maßnahme bei Kindern ohne Hinweise auf eine organische Ursache ist auch hier die empathische Beratung der Eltern. Dabei sollten verschiedene Aspekte angesprochen werden: Zunächst wird die Harmlosigkeit und gute Prognose der Trimenonkoliken besprochen. Dann werden Strategien erarbeitet, wie Überforderung und Schlaf­losigkeit abgebaut werden können. Anregungen für Beruhigungsstrategien und Hinweise zur Stressreduktion für die Eltern sollten erörtert werden, zum Beispiel Kinderwagen statt Arm, Hinzuziehen weiterer Betreuungspersonen zur Entlastung. Eltern können lernen, kindliche Wachphasen für Spielen und Interaktionen zu nutzen. Intensiviert werden können die Beratungsinhalte durch Gruppenangebote, Internet-basierte Schulungsprogramme sowie den Verweis an Schreiambulanzen (Buderus, 2024).

Wenn Betreuende den Eindruck haben, dass das Ausmaß der Koliken über das normale Maß hinausgehen, können Interventionen erwogen werden. Es gibt ein weites Spektrum angebotener Therapien, deren Effekt zum Teil unbewiesen ist, auch weil die Studiendurchführung in Bezug auf Verblindung und Outcomekriterien schwierig ist (Biagioli et al., 2016).

Andererseits gibt es eine Reihe randomisierter, kontrollierter Studien, die 2017 in einer Übersichtsarbeit zusammengefasst wurden (Gutiérrez-Castrellón et al., 2017): Die besten Daten gibt es zum Einsatz von Probiotika, was für eine Bedeutung des Darm-Mikrobioms in der Entstehung des Problems spricht. Im Durchschnitt der Studien reduziert L. reuteri DSM 17938 die Schreidauer bei gestillten Kindern um 46 Minuten pro Tag; die Effekte sind bei formulaernährten Kindern geringer (Karkhaneh et al., 2020). Alle Studien weisen einen großen Plazeboeffekt nach.

Auch Fenchelextrakt hat Effekte gezeigt. Wissenschaftlich schlecht belegt sind Wirkungen von Osteopathie und Manual­therapie, Babymassage und dem Entschäumungsmittel Dimeticon (Biagioli et al., 2016; Gutiérrez-Castrellón et al., 2017).

Intensiv diskutiert werden immer wieder diätetische Maßnahmen der stillenden Mutter beziehungsweise Wechsel der Formula-Nahrung. Studien haben gezeigt, dass ein kleiner Teil von Kindern mit ausgeprägten Koliken allergische Unverträglichkeiten hat (Nocerino et al., 2015). Zur Erkennung ist Allergiediagnostik nicht hilfreich. Man würde in ausgeprägten Fällen empfehlen, für ein bis zwei Wochen eine allergiereduzierte/kuhmilchproteinfreie Ernährung der Mutter oder einen Wechsel der Formula-Milch auf eine Hydrolysat- oder Aminosäuremilch zu erproben. Danach ist eine Re-Exposition notwendig. Falls die Diät der stillenden Mutter langfristig fortgesetzt wird, ist eine Calciumsupplementierung erforderlich.

Abbildung 2: mögliche Ursachen und Einflussfaktoren für häufiges Schreien oder Säuglings­koliken (modifiziert nach Buderus, 2024) Abbildung © Dr. Martin Claßen

Funktionelle Obstipation und Dyschezie

Ein weiterer Symptomkomplex wird bei der Vorstellung von Säuglingen immer wieder von Eltern als problematisch angegeben: Es geht um die Stuhlentleerung.

Bei einigen Babys unter neun Monaten wird beobachtet, dass sie einige Minuten pressen und schreien, bevor sie einen weichen Stuhl entleeren. Danach beruhigen sie sich wieder. Die Eltern ordnen dies als Verstopfung ein, ärztlich kann aber keine Stuhlretention nachgewiesen werden. Zugrunde liegt wahrscheinlich eine fehlende Koordination von Bauchpresse und Entspannung der Schließmuskel. Dies bezeichnet man als Dyschezie (Benninga et al., 2016). Die Bezeichnung ist in Deutschland unüblich; man muss aber davon ausgehen, dass 1–2,4 % kleiner Säuglinge betroffen sind (Kramer et al., 2015; van Tilburg et al., 2015).

Grundsätzlich gilt, dass Stuhlentleerungsprobleme, die in den ersten Lebenswochen beginnen, verdächtig sind für eine organische Pathologie. Insbesondere müssen dann Fehlbildungen im Bereich des Anus ausgeschlossen werden, ebenso ein Morbus Hirschsprung, bei dem sich Darmnervenzellen (Ganglienzellen) nicht richtig entwickelt und verteilt haben, was die Ausscheidung des Stuhlgangs verzögert oder unmöglich macht (Claßen et al., 2022). Weitere Hinweise auf eine angeborene Fehlbildung können eine verspätete erste Mekoniumentleerung nach der 24. Lebensstunde sein, ein ausgeprägt vorgewölbtes Abdomen oder eine Gedeihstörung. Es gibt insbesondere bei Frühgeborenen allerdings auch das harmlose Mekoniumpfropfsyndrom (Mekonium-Plug-Syndrom) bei funktionaler Unreife des Darms.

Wenn Kinder den Darm sehr selten entleeren, der Stuhl sehr hart beziehungsweise großkalibrig ist oder es zu einer Ansammlung von Stuhl im Abdomen kommt, spricht man von einer Obstipation. In den meisten Fällen findet man bei Kindern keine organischen Ursachen. Man spricht dann in diesen Fällen von einer funktionellen Obstipation. Diese wird grundsätzlich auch schon im ersten Lebensjahr beobachtet.

Ausgeschlossen werden müssen wiederum organische Ursachen einer Verstopfung. Dazu sollte eine pädiatrische Untersuchung erfolgen. Zusätzlich zu den angeborenen Fehlbildungen kommt noch eine Kuhmilchallergie infrage, so dass bei Kindern mit Verstopfung im ersten Lebensjahr auch ein Versuch mit einer kuhmilchproteinfreien Ernährung gemacht werden sollte (Claßen, Martin et al., 2022).

Die Trinkmenge spielt bei der Entstehung einer Verstopfung keine so große Rolle. Wenn das Kind schon Beikost isst, dann sollte man ihm reichlich lösliche Ballaststoffe geben (in vielen Obstsorten enthalten). Wenn das nicht ausreicht, kann man einen Stuhlweichmacher geben, wobei Macrogol deutlich effektiver ist als Laktulose. Laktose hat bei vielen Kindern keine gute stuhlweichmachende Wirkung. Wichtig ist, dass ältere Säuglinge keine schmerzhaften Defäkationen erleben, weil das die Chronifizierung des Problems begünstigt: Die Angst vor der Defäkation steigert sich. Aus diesem Grund sollten auch Manipulationen mit dem Thermometer am Anus unterbleiben.

Fazit

Funktionelle abdominelle Probleme treten bei Säuglingen sehr häufig auf. Sie müssen von organischen Störungen abgegrenzt werden, was zunächst mit Anamnese und klinischer Untersuchung möglich ist. Funktionelle Störungen haben oft typische anamnestische und klinische Charaktistika, die man sich merken sollte, um sie gut erkennen zu können. Immer spielen eine empathische Beratung und Begleitung von Eltern betroffener Kinder eine wichtige Rolle.

Zitiervorlage
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Literatur
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