Die einzelnen Fehlstellungen des Klumpfußes werden durch spezielle Gipse nacheinander korrigiert. In regelmäßigen Abständen wird ein neuer Gips angelegt. Foto: © SylwiaMoz/stock.adobe.com

Der Klumpfuß ist die häufigste Fehlstellung des Fußes bei Neugeborenen. Er ist stark verdreht, so dass die Fußsohle nach innen oder sogar fast nach oben zeigt. Was ist zu tun, um die Fußhaltung zu korrigieren und eine gesunde Entwicklung der Bewegungsabläufe zu fördern?

Wenn Neugeborene einen Klumpfuß haben, befinden sich mehrere Fußknochen bereits vor der Geburt in Fehlstellung, sodass ihr Fuß stark nach innen verdreht wird und das Gewebe des inneren Fußstrahles stark verkürzt ist. Damit geht eine Verkürzung der Achillessehne mit strukturellen Veränderungen der Unterschenkelmuskulatur einher.

Die ärztliche Behandlung durch manuelle Korrekturgriffe, Gipsserien und eventuell eine Durchtrennung der Achillessehne richtet sich nach dem Schweregrad der Deformität. Eine interdisziplinäre Frühtherapie in Form von ärztlicher Korrektur, physiotherapeutischer Behandlung und orthopädietechnischer Versorgung ist dabei entscheidend für das Behandlungsergebnis.

In der natürlichen Bewegungsentwicklung des Säuglings bereitet sich der Fuß auf den physiologischen Gangablauf vor. Die Greiffunktion der Füße in Rückenlage und Bauchlage mit beweglichen Knie- und Hüftgelenken geht in eine Einstemm- und Stützreaktion der Füße im Seitsitz über. Der Säugling drückt sich über die Füße von der Unterlage ab und entwickelt die aktive Aufrichtung seines Körpers gegen die Schwerkraft. Mit der Supinationsbewegung des Greifens der Füße, die eine freie Außenrotation und Abduktion des Hüftgelenkes sowie freie Hüft- und Kniebeugung erfordert, trainiert der Säugling sowohl die Gewölbekonstruktion als auch die drei Dimensionen des Fußes: die funktionelle Länge, die Breite und die Höhe mit seinem Quer- und Längsgewölbe (Zukunft-Huber, 2005).

Der Erfahrung nach lassen sich die vielfältigen Fortbewegungsmuster und Positionswechsel des Säuglings für eine physiotherapeutische Behandlungsmethodik nutzen, indem die Funktionen Wegschieben, Gegenstemmen und Abdrücken des Fußes gezielt eingefordert werden. So wird dann die Muskulatur in sämtlichen Anpassungsreaktionen an den Untergrund für Mobilität, Koordination und Kraft optimiert.

Physiotherapeutische Behandlung
Knöcherne Fehlstellungen: Mobilisierung zur Derotation des Sprungbeines und für die korrekte Einstellung des Rückfußes unter den Enden der Unterschenkelknochen mittels verschiedener Grifftechniken (Hayn & Schwarz-Dennier, 2019).

Weichteilveränderungen: Lösung von Verklebungen der Weichteilstrukturen im Bereich des oberen und unteren Sprunggelenkes und der Sehnenplatte des Fußes. Dies geschieht unter Berücksichtigung der gesamten Faszienketten (Thomas, 2007) und unter Beachtung der Längung des medialen Fußstrahles.

Muskuläre Kontrakturen: Dehnung der verkürzten Muskulatur auf der Innenseite des Fußes.

Muskuläre Dysbalancen: Kräftigung der Fußheber, Einwärtsdreher und Beuger des Fußes und Verbesserung der Koordination dieser Muskeln in synergistischen Muskelketten.

Sensorik: Sensorischer Input über intensive Spürreize in der Belastung des Fußes. Aktivierung der synergistischen Muskelketten in der physiologischen Beinachse. Temporär werden Tapeverbände aus elastischem Tapematerial angelegt.

Stabilität aller Gelenke des Fußskelettes: Stabilisierung des Fußes mit seinem Längs- und Quergewölbe in seinen funktionellen Achsen über Kraft, Koordination und Ausdauer.

Gelenke stabilisieren

Mit einer guten Koordination der Muskulatur über Zwischenpositionen bei Bewegungsübergängen wie beispielsweise Seitsitz, Hocke, Kniestand und Hochziehen zum Stand können Bewegungen in jedem Stadium ihres Ablaufes angehalten werden. Die Voraussetzung für diese Übergänge ist eine sichere Stabilisierung aller Gelenke.

Eine ausgewogene Aktivität von stabilen und mobilen Anteilen der Gelenke über die Muskulatur in der Motorik setzt eine fein abgestimmte sensorische Rückmeldung voraus, da Bewegung und Empfindung untrennbar miteinander verbunden sind und sich gegenseitig bedingen. Ultraschallaufzeichnungen bestätigen, dass Feten sich ab dem vierten Schwangerschaftsmonat in ganzkörperlichen Streckbewegungen an der Gebärmutterwand abstoßen. Schon das Neugeborene nutzt Stütz- und Stemmpunkte gegen den Boden, es tastet und »be-greift« mit seinen Füßen (Stemme & Eickstedt, 2007) (siehe Abbildung 6).

In der Bauchlage macht der Säugling von Beginn an wichtige Vorerfahrungen über angeborene Kriechbewegungen durch Einstemmen der Füße in die Unterlage, bevorzugt mittels der Zehen. Hierdurch wird die Grundlage gelegt für die Stützfunktion der Beine und das differenzierte Spiel der Füße, das für den Gangablauf später notwendig ist. Der Drehvorgang eines Säuglings von Rückenlage in die Bauchlage und wieder zurück, unterstützt durch Greifen über die Körpermitte hinweg, benötigt feine Balancereaktionen sowie Stützaktivitäten des Rumpfes und aller Gliedmaßen. Besonders die Beine und Füße sammeln dabei hochdifferenzierte, grundlegende Erfahrungen in der Vorbereitung ihrer späteren Aufgabe, das Körpergewicht auf zwei Beinen zu übernehmen und sich den Umweltgegebenheiten anzupassen. Diese schon in der Horizontalen eingeübte Beindifferenzierung findet sich beim Gehen wieder, aber auch bei allen seitlichen Gewichtsverlagerungen im Stehen.

Behandlungsphasen
Phase 1: nach Gipsabnahme und eventueller Durchtrennung der Achillessehne
Phase 2: Krabbelalter mit Aufrichtung des Säuglings von der Horizontalen in die Vertikale
Phase 3: Stand und Gehen mit Festhalten oder Abstützen der Arme
Phase 4: freies Gehen
Phase 5: zweites bis viertes Lebensjahr. Freies Gehen in unterschiedlichen Fortbewegungsarten, wie Hüpfen und Galoppieren
Phase 6: bis Ende des Fußwachstums

Interprofessionelle Behandlung

In der Zusammenarbeit zwischen Ärzt:innen, Physiotherapeut:innen und Orthopädietechniker:innen wurde ein funktionelles Behandlungskonzept für die Therapie des kongenitalen Klumpfußes entwickelt. Es berücksichtigt sowohl eine Wiederherstellung des physiologischen Fußskelettes als auch die Funktion des tragenden Fußes in seiner Gesamtheit der knöchernen, muskulären und bindegewebigen Strukturen. Somit wird eine zufriedenstellende Mobilität der oberen und unteren Sprunggelenke als auch eine verbesserte Stabilisierung der gesamten Beinachse im Gangablauf erzielt.

Die Behandlung bedarf des Wissens über die normale Fußentwicklung sowie Kenntnisse der Pathogenese des Klumpfußes mit ihren typischen Komponenten der Abweichung in dreidimensionalen Ebenen. Die ärztliche Untersuchung, Gipsredression nach dem Orthopäden Dr. Ignacio Ponseti (Ponseti, 2008) und die eventuell notwendige Durchtrennung der Achillessehne (Achillotenotomie) werden mit darauffolgenden Mobilisationsgriffen nach Bonnet-Dimeglio, der Tonusregulation der Muskulatur sowie einer Geweberelaxation von Faszienanteilen durch den oder die Physiotherapeut:in begleitet (siehe Abbildung 3 und 4).

Dieses manuell erarbeitete Mobilisationsergebnis kann wiederum nur durch eine exakt angepasste Unterschenkelschiene von erfahrenen Orthopädietechniker:innen gehalten werden, welche den Fuß in der Korrektur hält. Nur durch eine engmaschige Vernetzung dieser drei Professionen lassen sich Ergebnisse erzielen, die strukturell sowie funktionell wirksam sind und somit der Entwicklung eines Rezidivs entgegenwirken.

Tapeverband

Die temporäre Anlage eines speziellen Tapeverbandes (Exner et al., 2005) gibt einen sensorischen Input für die Ausbildung der Tiefensensibilität zur Entfaltung der Spiraldynamik der Füße – das bedeutet eine Verwringung des Fußes im Sinne einer stabilen Gewölbekonstruktion. Die Füße werden dynamisch stabilisiert, sowohl in Halte-, als auch Bewegungselementen, in variantenreichen Bewegungsübergängen und in den verschiedensten Fortbewegungsarten, die sich jederzeit adäquat dem Untergrund anpassen.

Orthopädietechnische Maßnahmen

Laut der Orthopädin Dr. Nina Berger wird der Säugling zu Beginn, nach Abnahme einer korrigierenden Gipsserie, mit einer einteiligen Orthese aus Thermoplast versorgt (Berger et al., 2018). Im Unterschied zur klassischen Fußabduktionsschiene, bei der der Klumpfuß mit Schuhen über eine Mittelstange eingestellt ist, wird bei der Unterschenkelorthese mit einer zirkulären, engen Ringfassung zwischen Knöchel und Achillessehne fixiert. Eine unkontrollierte Kräfteverteilung auf die Gelenke zwischen Vorfuß, Sprunggelenk, Knie und Hüfte wird vermieden, um eine Überdehnung des Gewebes auszuschließen. Ein mit Leder ausgekleideter Innenschuh dient der Druckabsorption und der breitflächigen Verteilung der Korrekturkräfte, wodurch Druckstellen vermieden werden. Durch eine Auspolsterung innen und außen am Fersenbein wird die Ferse am Hochrutschen gehindert.

Die Kinder tragen die Orthese bei Behandlungserfolg üblicherweise drei Monate lang als 24 Stunden-Therapie tags und nachts, nachdem der letzte Gips abgenommen wurde. Anschließend brauchen sie die Orthese nur noch nachts bis zum Alter von drei bis vier Jahren. Die Tragezeit wird sukzessive verringert, je nach Schweregrad, Mobilität sowie Stabilität des Klumpfußes in Absprache mit Ärzt:in und Physiotherapeut:in.

Die Compliance ist bei dieser einseitigen Unterschenkelorthese recht groß, da sie aktive und passive Bewegungsfreiheit zulässt und physiologische Strampelbewegungen des Säuglings ermöglicht. Um auf eine verbleibende Vorfußkrümmung Einfluss zu nehmen, ist ein gutes Schuhwerk mit Einlage und Zehenbänkchen in Erwägung zu ziehen.

Zitiervorlage
Szilvas, C. (2023). Klumpfüße behandel. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 75 (7), 70–73.
Literatur
Berger, N., Lewens, D., M., S., Hapfelmeier, A., Döderlein, L., & Prodinger, P. (2018). Ist die einseitige Unterschenkelorthese mit zirkulärer Fußfassung eine Alternative in der Schienenbehandlung idiopathischer Klumpfüße nach der Ponseti-Methode? BMC Muskuloskeletal Disorders, S. 229.

Exner, G., Friedrich, A., Verena, H.-B., Jacob, H. A., & Gunther, W. (2005). Klumpfuß. Darmstadt: Steinkopff Verlag.

Hayn, T., & Schwarz-Dennier, K. (2019). Ein sensomotorisches manualmedizinisches Konzept in der Klumpfuß-Therapie. pädiatrische praxis Band 92/4, S. 1–6.

Ponseti, I. V. (2008). Congenital Clubfoot – Fundamentals of treatment. New York: Oxford University.

Stemme, G., & v.Eickstedt, D. (2007). Die frühkindliche Bewegungsentwicklung. Düsseldorf:verlag selbstbestimmtes leben.

Thomas, M. W. (2007). Anatomy Trains. In: Kapitel 4.2.1. und 4.2.2. München: Urban & Fischer.

Zukunft-Huber, B. (2005). Der kleine Fuß ganz groß. In: Kapitel 1.2. München: Urban&Fischer

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