Illustration: © high_resolution/stock.adobe.com

Einerseits spiegelt die kleine Berufsgruppe der Hebammen die polarisierte Gesellschaft wider – mit allen Ängsten und Vorbehalten zum Klima­wandel. Andererseits fällt Hebammen eine wichtige Rolle als Beschützerin, Lotsin und Vorbild für die Familien zu. Die Berufsverbände unterstützen sie politisch und praktisch, damit sie auch in Zukunft auskömmlich und nachhaltig arbeiten können.

Hebammen spielen eine entscheidende Rolle in der Gesundheitsversorgung, insbesondere in der Schwangerschafts- und Geburtsbegleitung. Angesichts der wachsenden Bedrohung durch den menschengemachten Klimawandel ist es unerlässlich, dass Hebammen aktiv gegen dessen Auswirkungen kämpfen. Der Bund freiberuflicher Hebammen Deutschland (BfHD) setzt sich ebenso wie der Deutsche Hebammenverband (DHV) für deren Belange auf politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene ein.

Durch ihre Arbeit können die Berufsverbände Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen, die auch den Klimawandel und dessen gesundheitliche Konsequenzen betreffen. Zudem fördern die Verbände, mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten, den Austausch von Informationen und Best Practices unter den Hebammen. Unser gemeinsames Ziel ist es, das Bewusstsein für die Notwendigkeit eines Umweltschutzes zu schärfen, auch innerhalb der Hebammenarbeit.

Widerstand und Aufklärungsarbeit

Auch unter Hebammen gibt es, wie in der gesamten Gesellschaft, eine große Skepsis bis hin zum deutlichen Widerstand zum Thema Klimawandel, beziehungsweise zu den menschlichen Faktoren zur Verstärkung des Klimawandels. Die Meinungen dieser Kolleginnen erreichen uns als Antwort auf unser Engagement gegen den Klimawandel.

Allerdings sind es nur vereinzelte Stimmen, die uns vorwerfen, Klimaschutz hätte nichts mit Hebammen zu tun, beziehungsweise der menschliche Einfluss auf den natürlichen Klimawandel wäre extrem gering. Auch gesellschaftliche Randmeinungen, etwa dass Extremwetterereignisse durch Wettermanipulationen (Chemtrails) bewusst herbeigeführt würden, haben uns erreicht. Ich zitiere aus Reaktionen auf unseren Aufruf zum 5. Mai dieses Jahres – hier hatten wir uns dem internationalen Motto »Nachhaltige Hebammenarbeit stärken« angeschlossen und einen Newsticker dazu verschickt.

»Geht‘s noch?!?!? Was schreibt ihr da denn für einen Blödsinn zusammen???? Was wollt ihr von uns???? Wir sind freiberuflich arbeitende Hebammen. Wir produzieren, anders als die Kolleginnen und Kollegen in den Kliniken, eh schon wenig Müll.«

»CO2 ist für die Pflanzen wichtig, und das vom Menschen verursachte ist kaum relevant.«

»Sollen wir uns etwa alle noch schnell ein Elektroauto, bestückt mit Akkus bestehend aus seltenen Erden, fragwürdiger Herkunft und kurzer Lebensdauer mit anschließender umweltschädlichster Entsorgung zulegen … von den eh schon viel zu geringen Vergütungen (kümmert euch lieber mal da drum!!!)???«

»Was soll diese E-Mail????? Lasst die Politik aus dem Verband, lasst euch nicht vor den Karren dieser hirnverbrannten Politik(erInnen*Einhornpups) spannen!!!«

»Kümmert euch um Hebammenrelevantes!!!! Was ist zum Beispiel mit unserem Geld? Was ist mit der dramatisch gesunkenen Geburtenrate? Was ist mit den RKI-Files? Was was was was was?????«

Warum es auch uns betrifft …

Durch eine konsequente Aufklärungsarbeit mit den Möglichkeiten der Berufsverbände einer sehr kleinen Berufsgruppe versuchen wir, die Kolleginnen mit ins Boot zu holen und für ein Engagement zur Nachhaltigkeit zu sensibilisieren – zum Beispiel, indem wir auf mögliche Auswirkungen des Klimawandels hinweisen, die jede Kollegin ganz konkret betreffen können. Starkregenereignisse bis hin zu mittlerweile fast alltäglichen »Jahrhunderthochwassern« betreffen jede einzelne von uns. Sie haben natürlich auch Auswirkungen auf unseren Beruf. Die Kolleginnen im Ahrtal hatten 2021 ganz konkret durch den Verlust ihrer Unterlagen ein riesiges Problem. Hier konnten wir Berufsverbände bei den Krankenkassen darauf hinwirken, dass Rechnungen unbürokratisch eingereicht werden konnten.

Auswirkungen auf den Hebammenalltag

Steigende Versicherungsprämien für unsere Autos, bedingt durch immer mehr Unwetterschäden, sind neben den steigenden Energiekosten für Privatwohnung und Praxis Kostenfaktoren, die für freiberufliche Hebammen nicht zu unterschätzen sind. Unwetterbedingte Ernteausfälle, die sich immer häufiger ereignen, tragen ebenfalls zu steigenden Lebenshaltungskosten bei. Da unsere Einkommenssituation bereits alles andere als rosig ist, ist jeder mehr ausgegebene Euro eine riesige Belastung. Diese Steigerungen rechnen wir fortlaufend in unsere Forderungen an die Krankenkassen mit ein.

Eine der Folgen der zunehmenden Krisen unserer Zeit kann der weltweite Geburtenrückgang sein, vor allem in hoch industrialisierten Gesellschaften. Die sinkende Geburtenrate ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Angst vor klimatischen Veränderungen ist sicherlich einer dieser Gründe, verknüpft mit sozioökonomischer Unsicherheit in Krisenzeiten. Weniger Geburten bedeuten für uns Hebammen aber auch weniger Arbeit und weniger Einkommen.

Konkrete Forderungen

Hier kommt der Ansatz zum Tragen, zukünftig nicht mehr mittels gedeckelter Pauschalen, sondern nach Zeit fortlaufend bezahlt zu werden: Dem realen Einkommensverlust durch sinkende Geburtenzahlen arbeiten wir entgegen, indem wir bei den Verhandlungen zum neuen Hebammenhilfevertrag den Schwerpunkt auf die Bezahlung längerer Gesprächsbedarfe legen. Einerseits betreuen Hebammen immer weniger Familien. Andererseits haben die Menschen, die sich auch weiterhin für ein Kind entscheiden, deutlich mehr Fragen und sind zunehmend verunsichert. Dem können wir dann eine erweiterte und besser bezahlte Betreuungsleistung entgegensetzen. Der Betreuungsbedarf sowohl in der Schwangerschaft als auch im Wochenbett wird natürlich auch durch das Schrumpfen der Peer-Group (Freundinnen mit Kindern im gleichen Alter) schlichtweg erhöht.

Das haben wir bereits während der Corona-Krise erlebt: Einerseits waren wir gehalten, die Termine so knapp wie möglich zu halten. Andererseits hatten die betreuten Familien einen immensen Beratungsbedarf. Aus dieser Unwucht haben wir Verhandlerinnen gelernt.

Mit den zukünftig deutlich besser bezahlten Terminen, die je nach Ausgang der Vertragsverhandlungen voraussichtlich nach circa 25–30 Minuten einen finanziellen Kipppunkt zu den jetzigen Pauschalen erreichen und dann fortlaufend exponentiell besser bezahlt werden als bei den aktuellen Pauschalen, können Hebammen den Wegfall von zu betreuenden Schwangeren und Wöchnerinnen gut kompensieren und auch deutlich mehr Einkommen generieren. Dies ist ein bereits geeinter Punkt in den noch laufenden Verhandlungen mit den Krankenkassen. Offen ist noch die Frage, ob wir die Vorsorge als Pauschale halten und vor allem die Geburten weiterhin pauschal bezahlt werden oder wir eine Lösung finden, die auch die kurzen Geburten berücksichtigt.

Wenn wir weniger Frauen betreuen, können wir deutlich mehr Zeit zum Lösen dringender Probleme aufbringen. Stillberatungen und Begleitungen in schwierigen Situationen werden adäquat entlohnt und nicht mehr pauschal mit knapp 40 Euro. Dadurch können wir dem steigenden Konkurrenzdruck durch Doulas, Stillberaterinnen, Prä-, Postnatal- und sonstigen Coachs entgegnen und ganzheitliche Hebammenarbeit anbieten. Dies war einer der Gründe, warum wir bei den Verhandlungen mit den Krankenkassen den Wandel in unserer Arbeit berücksichtigt haben und hier eine größere Flexibilität unserer Arbeit möglich machen müssen.

Was Hebammenverbände leisten

Durch einen Ausbau der Fortbildungsangebote können Kolleginnen zum ressourcenschonenden und nachhaltigen Arbeiten angeleitet werden, sei es durch die Verwendung umweltfreundlicher Materialien oder durch die Förderung gesunder Lebensstile bei ihren Klient:innen. Durch eine kluge Mischung aus Videoangeboten und aufsuchender Hilfe können Wege eingespart oder Praxisbelegungszeiten optimiert werden.

Ein Beispiel: Statt zwei nacheinander stattfindenden Rückbildungskursen könnte jeweils ein Teil in Selbstlerneinheiten und ergänzend als Online-Kurs stattfinden. Dies spart gegebenenfalls Wege sowie Heizkosten und optimiert die eingesetzte Arbeitszeit der Hebamme. Wir Verbände unterstützen diese Bemühungen, indem wir Kolleginnen vernetzen und Fortbildungsangebote in diesem Bereich fördern.

Ebenso müssen wir über gesundheitliche Auswirkungen informieren: Der Klimawandel hat direkte und indirekte Auswirkungen auf die Gesundheit von Müttern und Neugeborenen. Extremwetterereignisse, steigende Temperaturen und schlechtere Luft können zu gesundheitlichen Komplikationen führen. Hebammen sind als Fachkräfte gefordert, sich für eine gesunde Umwelt einzusetzen, um die Geburtsbedingungen zu verbessern und gesundheitliche Risiken zu minimieren.

Hebammen haben eine besondere Beziehung zu werdenden Müttern und Familien. Sie können eine Schlüsselrolle bei der Aufklärung über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit übernehmen und als Fürsprecherinnen für nachhaltige Praktiken in der Gemeinschaft agieren.

Nachhaltige Verbandsarbeit

Natürlich wollen wir als Berufsverband für die freiberuflichen Hebammen, die tagtäglich einen guten Job machen, keine Mehrbelastung »on top«. Sondern wir plädieren dafür, dass in die Arbeit mit den Familien mehr umwelt- und klimapolitische Ziele implementiert werden. Dies unterstützen wir auf berufspolitischem Wege, indem wir uns für die Integration von Umwelt- und Klimaschutz in die Hebammenpraxis einsetzen.

Wir Verbände können Schulungen und Ressourcen bereitstellen und den Hebammen dabei helfen, umweltfreundliche Praktiken in ihren Arbeitsalltag zu integrieren. Zudem leisten wir Lobbyarbeit, um politische Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Gesundheitsversorgung zu schaffen und bereits vorhandene, gute Strukturen zu fördern. Durch die Vernetzung von Hebammen und den Austausch von Best Practices können wir gemeinsam an einem umweltbewussten Ansatz arbeiten.

Wir als Verband versuchen ebenfalls, nachhaltig zu arbeiten: Für Kongresse und Verbandsarbeit wird der öffentliche Personenverkehr bevorzugt, Inlandsflüge werden vermieden.

Konferenzen, Tagungen und Fortbildungsveranstaltungen werden von uns ökologisch verantwortlich und CO2-neutral geplant, organisiert und durchgeführt. Kongress-Streaming, Videokonferenzen und Webinare werden angeboten, um auch hier reisebedingte CO2-Emissionen zu reduzieren. Durch den Wandel einer gedruckten Mitgliederzeitschrift hin zu einem Online-Magazin konnten nicht nur Kosten reduziert, sondern vor allem durch den Wegfall des Transports auch erhebliche Einsparungen im Bereich der CO2-Emissionen erreicht werden.

Zusammenfassung

In einer Zeit, in der die Auswirkungen des Klimawandels immer spürbarer werden, können Hebammen durch ihre Arbeit und ihr Engagement einen wertvollen Beitrag zum Schutz der Umwelt leisten. Hebammen können durch Aufklärung, berufspolitisches Engagement und gesellschaftliche Aktivitäten einen bedeutenden Beitrag zum Umweltschutz und zur Bekämpfung des Klimawandels leisten.

Der BfHD erachtet die Rolle der Hebammen im Klimaschutz als wichtig und ermutigt sie dazu, aktiv zu werden. Indem sie sich für Umwelt- und Klimaschutz einsetzen, tragen Hebammen nicht nur zur Gesundheit ihrer Klientinnen bei, sondern auch zur Schaffung einer nachhaltigeren Zukunft für kommende Generationen. Durch Fortbildungen, Mitarbeit in Leitlinien, konkrete Hilfe im Schadensfall und eine an eine veränderte gesellschaftliche Situation angepasste Einkommensgestaltung versucht der BfHD als Berufsverband, eine nachhaltige Hebammenarbeit zu ermöglichen.

Zitiervorlage
Strache, I. (2024). Berufsverbände in Zeiten des Klimawandels: Der Krise trotzen. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 76 (12), 50–52.
https://staudeverlag.de/wp-content/themes/dhz/assets/img/no-photo.png