Wer klopft denn da? Eine Antwort ist fast gewiss – doch wie viele Bewegungen in welchem Zeitraum sind normal? Foto: © imago/westend61

Wie lange dauert es, bis eine Schwangere zehn Bewegungen ihres Kindes gespürt hat? Die „Zähl-bis-zehn-Strampel-Tabelle“ ist ein einfaches Frühwarnsystem, das werdenden Müttern Sicherheit geben und unnötige Interventionen vermeiden kann. Welcher Zeitraum für zehn Kicks tolerierbar sein soll, ist allerdings umstritten.

Ein gut versorgtes ungeborenes Kind zeigt der Mutter durch seine Bewegungen im Wachzustand an, dass es gedeiht. Nachlassende Kindsbewegungen dagegen können ein Hinweis auf eine beginnende feto-plazentare Minderversorgung sein. Die Beobachtung von Kindsbewegungen durch die Schwangere selbst kann dieser eine gewisse Sicherheit zwischen den Vorsorgeterminen geben.

Werdende Mütter berichten in der Regel ab Mitte der Schwangerschaft über ihre sichere Wahrnehmung von fetalen Bewegungen mit einem Gipfel zwischen der 28. und 34. Schwangerschaftswoche (SSW). Mehrgebärende spüren die Bewegungen durchschnittlich zwischen der 16. und 20. SSW, Erstgebärende etwas später, zwischen der 20. und 22. SSW. Ab der 28. SSW gelten fetale Bewegungen als sicherer Ausdruck von kindlichem Wohlbefinden und folgen einem individuellen zirkadianen Rhythmus (Unterscheider et al. 2009; Peat et al. 2012). In einer gesunden Schwangerschaft dauert es im Schnitt zehn Minuten, bis eine Schwangere zehn Bewegungen wahrgenommen hat. Zum Entbindungstermin hin erhöht sich dieser Zeitraum um knapp zwei Minuten (Winje et al. 2011). Nimmt die Zeitspanne für die Beobachtung von zehn Bewegungen zu, muss davon ausgegangen werden, dass die fetale Versorgung abnimmt. Auf chronische Hypoxie reagiert der Fetus mit einer Reduktion seiner Bewegungen. Nachlassende fetale Bewegung ist in etwa einem Viertel der Schwangerschaften mit schlechtem fetalem Outcome, wie Frühgeburtlichkeit, intrauterine Wachstumsretardierung (IUGR), oder Todgeburt assoziiert (Unterschieder et al. 2009; Tveit 2010; Peat et al. 2012). Beobachtet wurde, dass ein intrauteriner Fruchttod (IUFT) dem Versiegen von Bewegungen häufig in weniger als 24 Stunden folgt (Unterscheider et al. 2009).

Zehn Kicks in welcher Zeit?

Die englischen Geburtshelfer J.F. Pearson und J.B. Weaver entwickelten 1976 die „Count-to-ten-Kick-Chart” – zu Deutsch die „Zähl-bis-zehn-Strampel-Tabelle” – für die Überprüfung des fetalen Zustandes durch die Schwangere. Ausgehend von der Erkenntnis, dass ein strampelnder Fetus ein gut versorgter ist, entwarfen sie ein Formular mit einer Tabelle, in die die werdende Mutter ab der 28. Schwangerschaftswoche täglich die Dauer bis zur zehnten von ihr wahrgenommenen Kindsbewegung eintragen sollte. Als maximal tolerable Zeitspanne bis zur Wahrnehmung der zehn Kindsbewegungen nannten die Autoren zwölf Stunden. Danach müsse von einer möglichen Gefährdung des Feten ausgegangen werden. Gezählt wurden Tritte, Rollen, Dehnungen und andere Bewegungen. Schluckauf und Reaktionen auf Kontraktionen hingegen wurden nicht gezählt. Das Überschreiten einer Zeitspanne von zwölf Stunden für zehn Kindsbewegungen sollte die Schwangere veranlassen, sich zeitnah geburtshilflich untersuchen zu lassen.

Aktuelle Count-to-ten-Kick-Charts sind modifiziert unter anderem in Neuseeland, den USA und Norwegen im Einsatz. Begonnen wird nach Möglichkeit täglich zur gleichen Zeit, ideal nach der Nachtruhe und einem Frühstück. Nach einer Stunde ohne Bewegung soll die Schwangere einen Weckversuch vornehmen (kaltes Getränk, Essen …).

Das auch heute noch am weitesten verbreitete Verständnis von reduzierten Kindsbewegungen entspricht der Definition von Pearson und Weaver aus dem Jahr 1976 mit weniger als zehn Bewegungen in zwölf Stunden. Die maximal tolerierbare Zeitspanne für zehn Bewegungen ist in der heutigen Anwendung auf zwei Stunden begrenzt, danach sollten Schwangere eine geburtshilfliche Einrichtung aufsuchen. Der empfohlene Zeitraum, innerhalb dessen bei festgestellten nachlassenden Kindsbewegungen eine geburtshilfliche Einrichtung aufgesucht werden soll, variiert heute zwischen 12 und 24 Stunden (Saastad et al. 2010).

Erkenntnisse zur Sicherheit

Die standardisierte Informierung von Schwangeren über die physiologische Häufigkeit von Kindsbewegungen und das zeitnahe Aufsuchen von Hilfe bei deren Nachlassen verbessert das mütterliche Selbstscreening auf fetales Befinden. Dies trifft besonders für Erstgebärende zu. Die gezielte Selbstbeobachtung mittels Kick-chart ist nicht mit einer Zunahme an Sorgen um die Schwangerschaft und das Kind assoziiert (Saastad et al. 2010). Sie verringert die Zahl verspäteter Inanspruchnahme (mehr als 48 Stunden verzögert) von fachärztlicher Hilfe bei fetaler Mangelversorgung sowie die Anzahl von Todgeburten (Tveit 2010). Gemäß der norwegischen Gesundheitswissenschaftlerin Eli Saastad und ihren KollegInnen ist die mütterliche Kompetenz, die Bewegungen ihres eigenen Kindes zu spüren und zu zählen, das beste Frühwarnsystem für eine beginnende fetale Versorgungseinschränkung (Saastad et al. 2010). Schwangere Frauen mit Migrationshintergrund oder einem Alter über 34 Jahre sowie Raucherinnen weisen von der Aufklärung allerdings bisher keinen Benefit auf (Tveit 2010).

Die Ursachen für nachlassende oder ausbleibende fetale Bewegung reichen von Schlaf über eine für fetale Bewegungen zu abgelenkte Mutter, verschiedene Formen der fetalen Mangelversorgung und IUFT bis zu kongenitalen Fehlbildungen. Nach norwegischen Untersuchungen stellen sich 5 bis 15 Prozent der Schwangeren am Ende der Schwangerschaft mit nachlassenden oder dem Verlust von Kindsbewegungen in geburtshilflichen Einrichtungen vor, gehäuft sind dies Raucherinnen, übergewichtige Frauen oder Erstgebärende (Tveit 2010).

Nutzen der Methode

Der individuelle Einsatz einer Zähl-bis-zehn-Strampel-Tabelle ist als eine zusätzliche, nicht-invasive Ergänzung der bestehenden Schwangerschaftsvorsorgeleistungen zu sehen. Sein Benefit liegt ähnlich wie bei CTG und Doppler-Untersuchungen in der Verlaufskontrolle der fetalen Versorgung. Im Zweifelsfall können unnötige und invasive Untersuchungen vermieden werden. Andererseits verdeutlichen nachlassende Kindsbewegungen die Dringlichkeit einer raschen geburtshilflichen Untersuchung. Die Tabelle kann Frauen noch mehr für ihre Schwangerschaft sensibilisieren und im Falle regelmäßiger Kindsbewegungen beruhigen.

Da noch keine abschließende Klarheit darüber besteht, in welchem Zeitraum welche Anzahl von Kindsbewegungen verlässlich eine gute Versorgung anzeigt, und vor allem, ab wann eine Gefährdung des Kindes vermutet werden kann oder muss, kann die Tabelle zur Selbstkontrolle nicht als Ersatz für die etablierten Vorsorgemethoden empfohlen werden. Für unsichere Frauen, bei subjektiv empfundenen längeren Vorsorgelücken könnte sie jedoch eine sinnvolle Ergänzung dazu darstellen. Darüber hinaus ist eine Sensibilisierung der Frau für die Bedeutung der Kindsbewegungen sowohl vom gesundheitlichen Aspekt her als auch im Sinne einer Vertiefung der Verbindung zum ungeborenen Kind sicher eine sinnvolle Anregung für die Praxis.

Zitiervorlage
Büthe K: Zehn Kicks für das Wohlbefinden. DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 2017. 69 (1): 24–26
Literatur

Flenady V, MacPhail J, Gardener G, Chadha Y, Mahomed K, Heazell A, Fretts R, Froen F: Detection and management of decreased fetal movements in Australia and New Zealand: a Survey of obstetric practice. Australian & New Zealand Journal of Obstetrics and Gynaecology 2009. Vol. 49, 358–363

Gomez LM, de la Vega G, Padilla L, Bautista F, Villar A: Compliance with a fetal movement chart by high-risk obstetric patients in a peruvian hospital. American Journal of Perinatology 2007. Vol. 24, 89–93

Pearson JF: Fetal movements: a new approach to antenatal to antenatal care. Nursing Mirror 1977. 14: 51

Peat AM, Stacey T, Cronin R, McCowan LME: Maternal knowledge of fetal movements in late pregnancy. Australian & New Zealand Journal of Obstetrics and Gynaecology 2012. Vol. 52: 445–449

Royal College of Obstetricians and Gynecologists: Reduced Fetal Movements. Green-top Guideline No. 5, February 2011 https://www.rcog.org.uk/globalassets/documents/guidelines/gtg_57.pdf (letzter Zugriff 4.8.2016)

Saastad E et al.: Implementation of uniform information on fetal movement in a norwegian population reduced delayed reporting of decreased fetal movement an stillbirths in primiparous women – a clinical quality improvement. BioMedCentral Research Notes 2010. Vol. 2. hppt://bmcresnotes.biomedcentral.com/articles/10.1186/1756-0500-3-2 (letzter Zugriff: 5.9.2016).

Tveit JVH: Decreased fetal movement in late pregnancy – importance today? Universitätskrankenhaus Oslo. Medizinische Fakultät 2010

Unterscheider J, Horgan R, O´Donoghue K, Greene R: Reduced fetal movements. The Obstetrician & Gynaecologist 2009. Vol. 11, S. 245–251

Winje BA, Saastad E, Gunnes N, Tveit JV, Stray-Pedersen B, Flenady V, Frøen, JF: Analysis of ‚count-to-ten‘ fetal movement charts: a prospective cohort study. British Journal of Obstetricians and Gynaecology/BJOG 2011. Vol. 118, 1229–1238

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