Ein glückseliges Kind kann bei unbedachter Verbreitung eines Bildes im Netz leicht in einem missbräuchlichen Kontext dargestellt werden. Foto: © yanadjan/stock.adobe.com

Schon vor der Geburt gehen die Fototermine los. Das erste Ultraschallbild ist oft der Startschuss zu einer Vielzahl von Kinderbildern, die Eltern mit der Familie, FreundInnen und der Welt teilen. Doch Achtung! Es gibt Menschen, die Kinderfotos sammeln und diese auf Profilen und Seiten in einen sexualisierten Kontext stellen. 

Ein Foto aus dem Kreißsaal von Mutter und Kind ist häufig das erste, was die frischgebackenen Großeltern, Verwandte und FreundInnen per WhatsApp erreicht. Danach folgen unendlich viele Aufnahmen: Das erste Mal bei Papa auf dem Arm, das erste Mal stillen, das erste Mal schlafen. Diese vielen ersten Male werden inzwischen von Eltern lückenlos dokumentiert und für das digitale Familienalbum verewigt.

Kinderbilder mit Vorsicht teilen

Das Teilen von Videos und Fotos von Kindern in den sozialen Medien und per Messenger sollte gut überlegt werden. Ob das erste Baden, intime Momente beim Stillen oder das schlafende Kind.

Diese Fotos bleiben oft auf dem eigenen Smartphone oder Computer, wandern jedoch per Messenger-Dienste auch auf andere Endgeräte. Selbst wenn die meisten Bilder nur im engsten Familien- und Freundeskreis geteilt werden, nimmt der stolze Opa das Enkelkind jedoch auch mal in den WhatsApp-Status, die Tante postet das Foto mit dem Säugling auf Instagram, bei Facebook wird stolz Name, Geburtstag und -stunde, Gewicht und Größe veröffentlicht. Die Großmutter schickt der Nachbarin ein Foto von Enkelin oder Enkel.

Und schon ist nicht mehr nachvollziehbar, wer wo welches Foto mit wem teilt. Wer hat Zugriff auf den Status vom Opa? Mit wem bin ich eigentlich auf Facebook alles befreundet? Wer speichert das Posting bei Instagram von der Schwester ab oder macht sogar einen Screenshot und teilt diesen weiter? Auch in geschlossenen Gruppen auf WhatsApp oder in Messenger-Diensten geteilte Bilder sind nicht sicher davor, anderweitig verbreitet zu werden. Selbst aus dem privaten Status können „Schnappschüsse“ verwendet werden. Das Ausmaß der Verbreitung von Bildern im Internet ist vielen nicht klar – obwohl ein Foto im Profil oder Blog gelöscht wird, kann es weiter kursieren. Andere können es kopieren, verfremden und verbreiten.

Faktencheck
Welches Foto darf geteilt werden?
  • Ist mein Kind zu nackt für ein Foto im Internet?
  • Würde ich wollen, dass mein Fotoalbum aus Kinderzeiten online zu finden ist?
  • Ist es im Interesse meiner Kinder, dass diese Bilder im Internet zu finden sind?
  • Würde mein Kind das (auch noch in zehn Jahren) wollen?
  • Verletze ich die Rechte meines Kindes?

Tipps

  • Zeigen Sie Kinder auf Fotos lieber nicht ganz, verdecken Sie den Kopf.
  • Wenn Sie in den sozialen Netzwerken Momente mit Ihrem Kind teilen möchten, vermeiden Sie es, den vollen Namen des Kindes in Zusammenhang mit einem Foto zu erwähnen – das erschwert das Finden in Suchmaschinen.
  • Überprüfen Sie, ob auf den Fotos unbeabsichtigte Dinge preisgegeben werden, beispielsweise im Hintergrund, Spiegelungen in der Sonnenbrille oder in einem Spiegel. Verzichten Sie auf Geotagging.
  • Wer kann die Bilder sehen und kommentieren? Kontrollieren Sie regelmäßig Ihre Sicherheitseinstellung bei Facebook, Instagram, Snapchat und anderen Diensten. Die Voreinstellungen sind von den Unternehmen nicht zum Vorteil der NutzerInnen gewählt!
  • Informieren Sie Ihr Umfeld unmissverständlich, dass Sie nicht möchten, dass bestimmte Fotos veröffentlicht werden. Eine hundertprozentige Datensicherheit gibt es nicht.

Kann man doch löschen? Falsch!

Auch das Löschen der Bilder nutzt dann nichts mehr. Das sollten sich alle Eltern bewusst machen und die eigenen Eltern, Geschwister und den FreundInnenkreis dafür sensibilisieren. Auch wenn die Fotos des badenden Säuglings einfach nur süß sind und Momentaufnahmen festhalten sollen. Niemand denkt sich etwas Böses dabei, doch es gibt Menschen, die diese Aufnahmen als erregend empfinden. Und schon wird das Foto in Foren und auf Festplatten gespeichert und geteilt, von denen man als Eltern keine Vorstellung hat.

Influencerinnen und Influencer in den sozialen Netzwerken teilen fast schon beruflich Fotos von Säuglingen. Vermarkten regelrecht ihren Nachwuchs, je jünger das Kind, desto mehr Likes gibt es. Die Allerkleinsten werden als Beiwerk für Werbeaufnahmen genutzt. Es ist sehr wichtig darauf aufmerksam zu machen, dass dieses Verhalten problematisch ist. Müttern und Vätern sollte daher zumindest empfohlen werden, mit Kinderbildern im Netz vorsichtig umzugehen und nicht alles bedenkenlos zu teilen.

Kinder haben ein Recht auf Privatsphäre

Erwachsene finden die Fotos der Kinder, süß, niedlich oder amüsant. Doch ist das Kind der gleichen Meinung? Kinder haben ein Recht auf Privatsphäre, Schutz und Beteiligung. Es sollte nicht verletzt werden. Das Internet vergisst nichts und jedes geteilte Foto hinterlässt einen „digitalen Fußabdruck“. Manche Kinderfotos gehören eher als ausgedrucktes Bild ins private Familienalbum als digital in die Öffentlichkeit.

In allen Bereichen, in denen Fotos von Kindern entstehen, sollte darauf geachtet werden, dass diese Bilder nur mit deren Einverständnis oder der Erlaubnis der Eltern geteilt werden. Denn auch kleine Kinder haben Persönlichkeitsrechte. Insbesondere Großeltern oder Babysitter sind sich oft ihrer Verantwortung für die Verbreitung von Fotos und Videos der ihnen anvertrauten Kinder nicht bewusst. Dabei geht es nicht nur um später einmal „peinliches“ Bildmaterial, das den Kindern im weiteren Leben Kummer bereiten können, sondern ganz besonders um Nacktaufnahmen oder Fotos von leicht bekleideten Kindern. Solches Bildmaterial kann ungewollt zu kinderpornografischen Aufnahmen werden.

Fotos in den falschen Händen

Sind Fotos und Videos erstmal hochgeladen, haben Eltern nicht mehr in der Hand, was mit diesen Aufnahmen im Netz geschieht. Es gibt Profile und Seiten, die Kinderbilder sammeln, gezielt verbreiten und in einen sexualisierten Kontext stellen. Umso wichtiger ist es, dass Erwachsene, insbesondere Eltern und Großeltern bewusst und rücksichtsvoll mit den Persönlichkeitsrechten ihrer Kinder im Internet umgehen.

Trudeln in den ersten Wochen nach der Geburt Geschenke für das Neugeborene ein, dann bedanken sich viele mit einem Foto von Baby zusammen mit dem Geschenk oder mit einem kurzen Video. Gerade in Corona-Zeiten, in wenn ältere und vulnerable Personen sich selbst stark schützen und auch von anderen geschützt werden, wird digital Kontakt gehalten. Einerseits verständlich und nachvollziehbar, auf der anderen Seite aber auch problematisch. Denn so gelangen noch mehr Fotos und Videos ins Internet.

Missbrauchs-Prävention

Wie können Eltern vermeiden, dass die Bilder des eigenen Kindes unangemessen, missbräuchlich oder in einem strafrechtlich relevanten Zusammenhang verwendet werden? Indem sie besonders freizügige Bilder ihrer Sprösslinge gar nicht erst posten. Die meisten Eltern haben viele Möglichkeiten, ihr Familienleben auch anders im Netz zu präsentieren.

Deutsches Kinderhilfswerk
7 Tipps für den Umgang mit Kinderfotos im Netz
  • Beziehen Sie Ihre Kinder mit ein.
  • Vermeiden Sie, personenbezogene Daten des Kindes preiszugeben.
  • Überprüfen Sie regelmäßig Ihre Sicherheits- und Privatsphäre-Einstellungen in Online-Netzwerken.
  • Posten Sie keine Fotos von Kindern in peinlichen, unangenehmen oder unangemessenen Situationen.
  • Überlegen Sie, ob es für die Bildaussage des Fotos zwingend notwendig ist, das Gesicht des Kindes zu zeigen.
  • Auch Verpixelungen und Morphungen bei Fotos können mittlerweile zurückgerechnet werden.
  • Nehmen Sie Ihre Vorbildfunktion wahr.

Weitere Hinweise der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes stehen unter > www.polizei-beratung.de

Tipps zu Instagram, Facebook und Twitter:

www.zivile-helden.de

www.polizei-beratung.de/opferinformationen/ sexueller-missbrauch-von-kindern/

www.polizei-beratung.de/themen-und-tipps/ sexualdelikte/kinderpornografie/faq-zu- kinderpornografie/

www.polizei-beratung.de/themen-und-tipps/ sexualdelikte/kinderpornografie/die-kampagne/

Nachgefragt

Peggy Seehafer: Ist die missbräuchliche Nutzung von Fotos zur Herstellung von sexuellen Darstellungen Kinderpornografie, auch wenn das Kind in die abgebildeten Handlungen körperlich nicht involviert war? Die norwegischen Institutionen verwenden den Begriff »Übergriffs- oder Missbrauchsmaterial« für genau diese Abbildungen.

Martina Plackmann: Sexueller Missbrauch von Kindern ist gemäß § 176 StGB (Strafgesetzbuch) eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Die ungestörte Entwicklung der sexuellen Selbstbestimmung von Kindern ist dadurch rechtlich besonders geschützt. Erwachsene oder Jugendliche ab 14 Jahren machen sich strafbar, wenn sie sexuelle Handlungen an einem Kind unter 14 Jahren vornehmen oder von einem Kind an sich vornehmen lassen. Sexuelle Handlungen können mit und ohne Körperkontakt stattfinden. Auch das Zeigen oder gemeinsame Betrachten pornografischer Bilder oder das Entblößen von Geschlechtsteilen sind Missbrauchshandlungen. Sexuelle Handlungen an oder mit Kindern sind immer strafbar, auch wenn ein Kind scheinbar damit einverstanden war. Aufgrund seiner emotionalen und intellektuellen Entwicklung kann ein Kind einer sexuellen Handlung nicht wissentlich zustimmen – und somit niemals dafür verantwortlich sein, wenn es Opfer eines sexuellen Missbrauchs wird.

Würden Sie sagen, die Eltern riskieren zu viel?

Es ist wichtig, dass Eltern sich über ein immer bestehendes Risiko bewusst sind und danach auch handeln. Sie sollten sich informieren, ihr direktes Umfeld aufklären und auch Familienmitglieder, FreundInnen und Bekannte darauf hinweisen, dass nicht alle Fotos geteilt werden sollen.

Gibt es Bestrebungen, Eltern bereits in der Klinik nach der Geburt über diese Veröffentlichungsflut aufzuklären? Dort erreicht man über 95 % der jungen Eltern.

Wir versuchen, unsere Informationen so breit zu streuen wie eben möglich. Regelmäßig erscheinen Artikel in Zeitschriften und Online-Portalen, unsere Broschüren der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes liegen in Arztpraxen aus. Inzwischen gibt es unsere Präventionstipps auch auf Instagram, Facebook und Twitter, wo wir als »Zivile Helden« unterwegs sind. Auf > www.polizei-beratung.de informieren wir tagesaktuell über eine Vielzahl an Themen aus der Welt der Kriminalprävention. Dort können sich Interessierte auch unser Medienangebot online anschauen und bei Bedarf herunterladen. Empfehlen kann ich jungen Eltern unsere kostenlosen Broschüren »Missbrauch verhindern« und »Onlinetipps für Groß und Klein«. Diese erhalten Sie bei Ihrer Polizei­dienststelle vor Ort oder unter > www.polizei-beratung.de/Medienangebot

Zitiervorlage
Plackmann, M. (2021). Schutz vor sexuellem Missbrauch: Das ganze Leben ein Fotoshooting. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 73 (5), 31–35.
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