Abbildung 1: Kinder mit kranio­fazialen Fehlbildungen a) Patient mit Trisomie 21 b) Patient mit Trisomie 21 und offener Mundhaltung mit typischer, hypotoner perioraler Muskulatur c) und d) Patient mit linksseitiger Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte e) Patient mit Robin-Sequenz und eingesetzter Tübinger Atemplatte f) Intraorale Aufnahme des Patienten mit Robin-Sequenz und damit einhergehender Spalte des harten und weichen Gaumens. Fotos: © Weismann C/Aretxabaleta M/UKT/ZMK/KFO

Eine nicht-invasive Behandlung ohne schwere Nebenwirkungen ist möglich: In der Poliklinik für Kieferorthopädie am Universitätsklinikum Tübingen wurden kieferorthopädische Apparaturen für Neugeborene und Säuglinge mit funktionellen Störungen durch kraniofaziale Anomalien entwickelt. Die Tübinger Expertinnen stellen das Verfahren vor und geben praktische Tipps für den Alltag im Umgang mit den Apparaturen.

Die kieferorthopädische Therapie bei Kindern mit einer kraniofazialen Anomalie beginnt unmittelbar nach der Geburt. Aufgrund der Fehlbildung entstehen erhebliche funktionelle Probleme, die in manchen Fällen die Nahrungsaufnahme und die Atmung nahezu unmöglich machen. Für diese Patient:innen ist eine frühzeitige Therapie mit kieferorthopädischen Plattenapparaturen lebensnotwendig. Zu den häufigsten kraniofazialen Fehlbildungen, die damit versorgt werden, zählen die Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte (LKG-S), die Trisomie 21 (TS21) und die Robin-Sequenz (RS) (siehe Abbildung 1).

Seit 2018 werden in der Poliklinik für Kieferorthopädie am Universitätsklinikum Tübingen diese Apparaturen mittels eines digitalen Workflows hergestellt. Dieser basiert auf der Computer-Aided-Designed/-Manufactured (CAD/CAM) Technologie und hat das konventionelle Verfahren mit der risikobehafteten Abdrucknahme und die Herstellung im zahntechnischen Labor komplett abgelöst.

Der digitale Workflow

Seit der Einführung des digitalen Workflows zur Herstellung von kieferorthopädischen Apparaturen konnten bisher 436 Patient:innen erfolgreich versorgt werden. Klinische Studien belegen, dass der Workflow risikoarm und patientenfreundlich ist und die Effizienz der Behandlung sowie die Passgenauigkeit der Apparaturen steigert (Aretxabaleta et al., 2022; Aretxabaleta, Unkovskiy, Koos, Spintzyk, & Xepapadeas, 2021; Aretxabaleta, Xepapadeas, Poets, Koos, & Spintzyk, 2021).

Abbildung 2: Intraoralscan bei einem Säugling mit Robin-Sequenz (Weise et al., 2022)

Der Einstieg in den Workflow ist der digitale Abdruck in Form eines Intraoral­scans mittels Scanner. Die Umstellung vom konventionellen Abdruck mit Alginat-Masse bietet viele Vorteile. Der größte Faktor ist, dass der konventionelle Abdruck risikobehaftet ist. Gerade bei Patient:innen mit einer LKG-S besteht die Gefahr, dass Reste von Abdruckmaterial in den Unterschnitten der Spalte bleiben, sich in die Atemwege verlagern oder das umliegende Gewebe entzünden können. Daraus können lebensbedrohliche Situationen entstehen. Deshalb werden die Patient:innen für eine Abdrucknahme intubiert, um den oberen Atemweg zu sichern. Während eines intraoralen Scans entfällt diese Maßnahme, da man jederzeit mit dem Kopf des Scanners aus dem Mund des Kindes gehen und es sich erholen kann.Es bieten sich viele Vorteile in der Herstellung und in der Logistik im klinischen Alltag. Die Eltern sind während des Scans die ganze Zeit anwesend (2 – 5 Minuten). Das Kind wird auf den Rücken gelegt, der Kopf ist dem Behandler zugewendet (siehe Abbildung 2). Durch eine Assistenz oder die Eltern kann der Kopf etwas fixiert werden. Seit Beginn der Einführung des digitalen Abdruckes traten keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse auf.

Ausgehend von dem Intraoralscan wird ein digitales Modell virtuell erstellt und mit einer Dental Designer Software wird die Plattenapparatur designt. Hierbei können je nach Bedarf Gaumenfalten nachempfunden werden, ein Stimulationselement oder eine velopharyngeale Verlängerung an der Platte angebracht werden (Velopharyngeal: das Gaumensegel – Velum palatinum – und den Rachen – Pharynx – betreffend). Die Herstellung der Apparatur erfolgt mit einem 3D-Drucker. Danach kommt die Platte ins Zahntechniklabor für die Fertigstellung.

Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte behandeln

Die Behandlung in Tübingen erfolgt mit einer Gaumenabdeckplatte in Kombination mit einem Tape der Lippe. Idealerweise werden die Patient:innen bereits am Universitätsklinikum Tübingen entbunden und kommen direkt nach der Geburt auf die Abteilung Neonatologie. Hier erfolgen der intraorale Scan durch die Kieferorthopäd:innen und die Herstellung der Gaumenabdeckplatte im digitalen Workflow.

Die Platte hat die Funktion, Mund- und Nasenhöhle voneinander zu trennen und somit das Trinken zu ermöglichen. Des Weiteren soll sie das Wachstum in eine physiologische Richtung fördern. Beim ersten Einsetzen wird die Platte auf die Passung kontrolliert und bei Bedarf direkt vor Ort stationär angepasst. Die Eltern werden über die Handhabung und Hygienemaßnahmen aufgeklärt. Idealerweise setzen sie beim ersten Mal die Gaumenplatte selbstständig in den Mund und entfernen sie wieder, um Sicherheit im Umgang zu erlangen.

Abbildung 3: Intraoralscan mit der jeweiligen kieferorthopädischen Plattenapparatur a) Oberkieferscan eines Kindes mit Trisomie 21 und Stimulationsplatte b) Intraoralscan eines Kindes mit Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte links und Gaumenabdeckplatte c) Intraoralscan eines Kindes mit Robin-Sequenz und Tübinger Atemplatte mit velopharyngealer Verlängerung. d) Näherung der Spaltsegmente unter Gaumenabdeckplatten-Therapie. Oben: Beginn der Behandlung. Unten: Deutliche Verkleinerung des Spalts nach 3 Monaten Plattenbehandlung

Die Lippenspalte wird mit einem Tape aneinander genähert (siehe Abbildung 4). Dies soll den perioralen Muskel in eine physiologische Position und zugleich die fehlgestellten Spaltsegmente in Position bringen. Das Tape wird mit einem kieferorthopädischen Gummiband verbunden, um kontrolliert Spannung auszuüben (siehe Abbildung 4).

Durch die Spaltbildung können die meisten Kinder nicht gestillt werden, da kein Unterdruck an der Brust aufgebaut werden kann und somit zu wenig Sog zum Fördern der Milch vorhanden ist. Daher wird den Müttern empfohlen, die Milch abzupumpen und ihr Kind mit einem Flaschensystem zu füttern. Während des stationären Klinikaufenthalts bekommen sie ein Ernährungstraining und die Therapie nach Castillo-Morales (Castillo-Morales, 1982; Limbrock, Castillo-Morales, Hoyer, Stöver, & Onufer, 1993) (siehe auch Seite 8ff.). Dies sollten die Eltern nach der Entlassung selbstständig zu Hause fortsetzen.

Die Patient:innen werden in der Regel nach drei bis fünf Tagen aus der Klinik entlassen. Eine Erstanpassung der Apparatur kann allerdings auch ambulant in der Poliklinik für Kieferorthopädie erfolgen. Zur Weiterbehandlung wird direkt ein Folgetermin etwa sechs bis acht Wochen nach der Entlassung in der Poliklinik für Kieferorthopädie vereinbart. Die ambulante Plattenkontrolle erfolgt dort alle sechs bis acht Wochen.

Durch gezieltes Ausschleifen der Platte wird durch orthopädische Wachstumslenkung ein Aneinandernähen der Spaltsegmente ermöglicht. Aufgrund des physiologischen Wachstums der Patient:innen ist eine Neuanfertigung der Plattenapparaturen circa alle drei bis vier Monate indiziert. Dies erfolgt ambulant in der Poliklinik für Kieferorthopädie.

Abbildung 4: Lippen-Taping bei einem Patienten mit einseitiger Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte und getapter Lippe. Das Tape wird vom größeren Spaltsegment unter Spannung des Gummis in Richtung des kleineren Segments (Pfeil) angebracht, um die fehlgestellten Spaltsegmente in eine physiologische Position zu bringen.

Therapie der Robin-Sequenz

Die Therapie der betroffenen RS-Patient:innen ist variabel; eine non-invasive Therapie ist die Tübinger Atemplatte mit velopharyngealen Verlängerung (Tübingen Palatal Plate, TPP) (siehe Abbildungen 3c, 3c) (Knechtel, Weismann, & Poets, 2023; C. F. Poets, B. Koos, S. Reinert, & C. Wiechers, 2019; Wiechers, Arand, Koos, & Poets, 2021; Wiechers et al., 2019).

Ziel ist es, direkt nach der Geburt mit der TPP-Behandlung zu beginnen, um bereits früh das Wachstum des Unterkiefers zu fördern (Effert, Uhlig, et al., 2023; Effert, Wiechers, et al., 2023; Wiechers et al., 2024).

Die TPP ist eine individuell angefertigte funktionskieferorthopädische Apparatur, die aus einer palatinalen Basisplatte, einer velopharyngealen Verlängerung und zwei extraoralen Fixierungsbögen besteht (siehe Abbildung 5c). Die Konstruktion dieser Verlängerung wird den jeweiligen anatomischen Bedingungen angepasst. Die korrekte Positionierung endet über der Epiglottis. Deren Design ist sehr wichtig und muss perfekt geeignet sein, damit das Kind den Zungengrund nach vorne bewegen und somit den oberen Atemweg effektiv öffnen kann. Der ausgeübte Drück auf Zunge und Kiefer darf nicht zu hoch sein, damit Druckstellen vermieden werden und die Zunge sowie das Gaumensegel ausreichend Platz haben für funktionelle Bewegungen, wie zum Beispiel das Schlucken (Abbildung 5b).

Die Indikation zur Therapie ergibt sich aus dem klinischen Bild der Patient:innen und der Anzahl der oberen Atemwegsobstruktionen (OAO). Die Bewertung des Schweregrads der OAO wird in einer nächtlichen Schlaflaboruntersuchung in Rückenlage durchgeführt. Die Indikation zur Einleitung einer TPP-Therapie ist ein obstruktiver Apnoe-Index (OAI) > 3 (Christian F. Poets, Bernd Koos, Siegmar Reinert, & Cornelia Wiechers, 2019).

Die Polygrafie wird in der ersten Nacht nach stationärer Aufnahme der Patient:innen in der Abteilung Neonatologie der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin durchgeführt, wo die Patient:innen während der Plattenanpassung stationär aufgenommen werden. Am Tag der Aufnahme erfolgt der intraorale Scan, auf dessen Basis ein Prototyp der TPP im digitalen Workflow gefertigt wird. Der Prototyp besteht aus einer Basisplatte mit velopharyngealer Verlängerung ohne Fixierungsbügel. Die korrekte Position wird mit einer faseroptischen Spiegelung von Nase und Rachen (Nasopharyngoskopie) im Wachzustand kontrolliert. Die Eltern können bei der Untersuchung anwesend sein, wenn sie möchten. Das Kind muss wach sein, damit die Muskulatur der oberen Atemwege und damit die Relation der Verlängerung dazu unter Normalbedingungen beurteilt werden kann. Die Untersuchung ist zwar unangenehm, aber nicht schmerzhaft und dauert in der Regel etwa drei bis fünf Minuten.

Die Dimension der Verlängerung kann während der Untersuchung von den Kieferorthopäd:innen an die anatomischen Gegebenheiten mittels rotierenden Schleif- und Poliermotor angepasst werden. Ist die exakte Position der Verlängerung gefunden, wird der Prototyp im zahntechnischen Labor in eine definitive TPP mit Fixierungsbügel überführt. Wenn die Kieferorthopäd:innen in der Abteilung die fertige Platte einsetzen, sind Pflegepersonal, ein Neonatologe oder eine Neonatologin sowie die Eltern anwesend. Hier werden die Eltern über die Hygienemaßnahmen und den Umgang mit der Apparatur aufgeklärt und sie üben direkt das Ein- und Ausgliedern der Apparatur. Zum optimalen Halt müssen extraorale Tapes an den Fixierungsbügeln angebracht werden (siehe Abbildung 1e), um den Druck auszugleichen, der die Zunge an der Verlängerung ausübt.

Abbildung 5: Die Robin-Sequenz (RS) und deren non-invasive, funktionskieferortho­pädische Behandlung mit der Tübinger Atemplatte (TPP) a) RS ist gekennzeichnet durch die Kombination von mandibulärer Retrognathie (zu kleiner, zurückliegender Unterkiefer), Glossoptose (unkontrolliertes Zurückfallen der Zunge) und meistens einer Gaumenspalte, was zur Obstruktion der oberen Atemwege führt. b) Die korrekte Platzierung der TPP führt zu einer anschließenden Öffnung der Atemwege und richtigen Positionierung des Unterkiefers. c) Beispiel einer individualisierten TPP (Aretxabaleta et al., 2022).

Nachsorge und Anleitung

Die meisten RS-Patient:innen erhalten direkt nach der Geburt eine Magensonde, da selbstständiges Saugen und Trinken an der Brust oder Flasche aufgrund der funktionellen Einschränkungen nicht möglich ist. Daher beinhaltet das TPP-Behandlungskonzept eine frühe spezielle Fütterungstechnik, die das Pflegepersonal zunächst mit einem Fingerfeeder den Eltern zeigt. Wenn die Patient:innen in der Lage sind, aus einer Flasche zu trinken, wird der Fingerfeeder durch eine spezielle Flasche ersetzt. Um die Mundmuskulatur zu trainieren, wird die orofaziale Regulationstherapie nach Castillo-Morales durchgeführt.

Die TPP soll kontinuierlich getragen werden, das heißt 24 Stunden pro Tag. Während des stationären Aufenthaltes überprüfen die Kieferorthopäd:innen den richtigen Sitz täglich in der klinischen Routine. Hier werden die Eltern miteingebunden, indem sie den Plattenwechsel durchführen, auftretende Fragen und Probleme geklärt und weitere Therapieschritte besprochen werden. Hat das Kind noch Atemgeräusche, ist eine erneute Anpassung der velopharyngealen Verlängerung erforderlich.

Die Kinder werden stationär entlassen, wenn die Eltern in der Plattenpflege eingelernt sind, sich darin sicher fühlen und wenn sie selbst ausreichend mit der Apparatur trinken können, um eine altersgerechte Gewichtszunahme zu erzielen. Dann muss eine weitere Polygrafie durchgeführt werden, um die Wirksamkeit der TPP zu kontrollieren, mit dem Ziel eines OAI < 3. Wenn das Ergebnis oberhalb eines OAI > 3 liegt, muss die Position der Verlängerung korrigiert werden. Falls nicht, kann das Kind nach Hause entlassen werden. Auch dann erhalten die Eltern direkt einen Folgetermin nach etwa sechs bis acht Wochen in der Poliklinik für Kieferorthopädie. Hier werden auftretende Druckstellen und die Handhabung zu Hause überprüft.

Aufgrund des physiologischen Wachstums der Patient:innen muss nach drei bis vier Monaten eine zweite Platte angefertigt werden. Die zweite TPP wird innerhalb von vier bis fünf Tagen im stationären Aufenthalt angepasst. Nach weiteren drei bis vier Monaten muss eine weitere Polygrafie durchgeführt werden, um zu prüfen, ob eine neue TPP notwendig ist oder ob die Therapie beendet werden kann. Nach der TPP-Behandlung erhalten die Patient:innen eine Stimulationsplatte (siehe Abbildung 3a) und die Castillo-Morales-Therapie zu Hause.

Kinder mit Trisomie 21

Das typische Bild der TS21 ist gekennzeichnet durch eine hypotone intra- und extraorale Muskulatur mit habitueller offener Mundhaltung und extraoraler Zungenruhelage auf der Unterlippe. Um die Muskulatur zu trainieren, werden Patient:innen ab dem dritten Lebensmonat mit einer Stimulationsplatte versorgt (siehe Abbildung 3a) (Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), aktueller Stand 07/2016), in Kombination mit der Regulationstherapie nach dem Castillo-Morales-Konzept.

Die Stimulationsplatte wird ebenfalls ambulant und komplett im digitalen Workflow hergestellt. Sie hat ein Stimulationselement, das die Aufgabe hat, die hypotone Muskulatur zu trainieren, indem die Patient:innen zum Beispiel mit der Zunge daran »spielen« und diese somit anspannen, wie bei einem Trainingsgerät im Fitnessstudio.

Zur Kontrolle bringen die Eltern die Patient:innen alle acht bis zehn Wochen in die Poliklinik für Kieferorthopädie. Hier wird der Stimulationsknopf an entsprechender Stelle verändert. Dies hat die Aufgabe, dem Kind einen neuen Anreiz und ein anderes Gefühl im Mund zu vermitteln. Die Tragezeit sollte nicht dauerhaft sein, sondern zu unterschiedlichen Tageszeiten, damit es zu keiner Routine kommt. Außerdem ist es empfehlenswert, die Apparatur während der logopädischen Übungen in den Mund einzusetzen.

Eine Neuanpassung ist in der Regel alle drei bis vier Monate indiziert. Wenn die Seitenzähne durchbrechen, ist die Therapie vorerst beendet. Dies ist bei TS21-Patient:innnen deutlich verspätet, etwa mit anderthalb bis zwei Jahren. Wenn alle Milchzähne in situ sind, kann die Therapie in Abhängigkeit der Compliance weitergeführt werden.

Täglicher Umgang mit den Apparaturen

Alle Plattenapparaturen werden mit Haftcreme eingesetzt und müssen mindestens einmal am Tag aus dem Mund genommen werden. Dann muss die Mundhöhle auf mögliche Druckstellen oder Auffälligkeiten untersucht werden. Hierzu können ein kleines Licht und ein Spatel verwendet werden. Treten Auffälligkeiten auf, sollten die Eltern einen Termin in der Poliklinik für Kieferorthopädie vereinbaren. Die Reinigung der Apparatur erfolgt unter fließendem Wasser mit Zahnbürste und Kinderzahnpasta. Die Mundhöhle wird mit einer Mullkompresse ausgewischt, auf die wahlweise eine Wundsalbenlösung oder Salbeitee gegeben wird.

Wenn die Apparatur häufiger am Tag aus dem Mund fällt, ist die Passung meist nicht mehr gegeben. In diesem Fall soll ebenfalls ein Termin vereinbart werden. Die Tapes sollten idealerweise 24 Stunden am Tag getragen werden. Damit sie besser auf der Haut halten, wird zuerst eine Hafttinktur mit Wattestäbchen aufgetragen. Danach wird das Tape geklebt.

Abbildung 6: a) Druckstelle im Bereich der Umschlagfalte linksseitig (Kreis) (Knechtel et al., 2023) b) Patient mit Robin-Sequenz mit einer stufenförmigen Einkerbung der Schleimhaut linksseitig (Pfeile)

Wenige Nebenwirkungen

Nebenwirkungen sind zum Beispiel intraorale Druckstellen oder durch das Tape hervorgerufene Hautreizungen. Vor allem wird die Schleimhaut durch das TPP gereizt. Hierbei sind Einkerbungen von Druckstellen abzugrenzen (siehe Abbildung 6).

Druckstellen sind zu Beginn linsenförmige, weiße Auffälligkeiten mit einem roten Rand. Wenn sich diese verschlimmern, können sie schmerzhaft und blutig werden. Sie entstehen, wenn der Rand der Apparatur zu lang ist, insbesondere im Übergang von der befestigten zur flexiblen Mundschleimhaut. Eine typische Druckstelle tritt beim freiliegenden Pflugscharbein bei LKG-S-Patient:innen auf. Druckstellen sind nicht zu akzeptieren. Daher müssen betroffene Kinder direkt in der Poliklinik für Kieferorthopädie vorgestellt werden, um den Sitz der Apparatur zu ändern.

Aufgrund des physiologischen Wachstums der Säuglinge kommt es bei den TPPs immer zu Einkerbungen. Diese äußern sich als Stufe in der Umschlagfalte, welche die gleiche Farbe hat wie die umliegende Schleimhaut (blassrosa). Da sie nicht schmerzhaft sind, muss nicht direkt gehandelt werden. Allerdings zeigt sich dadurch, dass die Plattenapparatur zu klein wird und eine neue angepasst werden muss.

Hautreizungen durch das Tape können bei der sensiblen Säuglingshaut vorkommen und sind ohne Folgen. Falls sie auftreten, kann das Tapen für ein paar Tage ausgelassen werden, bis die Stelle abgeheilt ist. Falls möglich, kann das Tape etwas versetzt angeklebt werden.

Zitiervorlage
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Literatur
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