Daniela Erdmann: »Unter den jetzigen Voraussetzungen könnten Hebammen die an sie gestellten Anforderungen für die Kurse nicht erfüllen.« Foto: © privat

Die datenschutzrechtlichen Anforderungen an hebammengeleitete Kurse im Online-Angebot wurden nach dem Ende der »epidemischen Lage von nationaler Tragweite« Ende November sehr hoch gehängt. Aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Ein Kommentar zu den Gefahren hoher Hürden für die Versorgung mit digitalen Kursangeboten vor und nach der Geburt.

Mit dem Ende der »epidemischen Lage von nationaler Tragweite« Ende November haben auch die Sondervereinbarungen zur Erbringung von Hebammenleistungen mit Hilfe digitaler Medien ihre Gültigkeit verloren. Die Hebammenverbände haben mit den Krankenkassen eine Übergangsvereinbarung geschlossen, die seit dem 25. November 2021 in Kraft ist, also im direkten Anschluss. Während die Videobetreuung in § 134a Absatz 1d SGB V »Versorgung mit Hebammenhilfe« aufgenommen wurde und relativ unstrittig in der bisher erprobten Form weitergeführt wird, stellt sich die Weiterführung der hebammengeleiteten Kurse in der jetzigen Form als kompliziert dar.

Eine Frage der Technik?

Zum Hintergrund: Die gesetzlichen Krankenkassen ermöglichen es Hebammen ab 2022, Kurse über die Krankenkassen abrechenbar (remote) anzubieten, was zunächst erstmal ein Schritt in die richtige Richtung ist, da es sicher – entsprechend der veränderten Bedürfnisse von Frauen – eine Leistung ist, die auch über die Covid-19-Pandemie hinaus angefragt werden wird.

Allerdings haben sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Spitzenverband der Krankenkassen (GKV-SV) auf technische Anforderungen geeinigt, die diese Leistungserbringung für alle Beteiligten erschwert.

Konkret: Damit Leistungserbringer:innen (Ärzt:innen oder Hebammen) eine Leistung via Video-Tool abrechenbar erbringen dürfen, müssen bestimmte technische Vorgaben für die Sicherung der Persönlichkeitsrechte erfüllt sein. Das ist gut und wichtig, da es sich dabei in der Regel um einen Austausch von Gesundheitsdaten handelt und gegebenenfalls sensible Informationen ausgetauscht werden. Das hat der Gesetzgeber im Artikel 9 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) entsprechend geregelt. Dort geht es um den Schutz sensibler Gesundheitsdaten und dazu zählt auch die Schwangerschaft. Die KBV und der GKV-SV orientieren sich dabei an der Anlage 31b zum Bundesmantelvertrag für Ärzte (BMV-Ä). Diese Anlage bezieht sich auf §365 SGB V und dort heißt es: »Die KBV vereinbart mit dem GKV-SV die Anforderungen an die technischen Verfahren zu Videosprechstunden (…) sie berücksichtigen in der Vereinbarung nach Satz 1 die sich ändernden Kommunikationsbedürfnisse der Versicherten.«

Eng ausgelegtes Gebot

Innerhalb der Vereinbarung der KBV mit dem GKV-SV wurde jedoch für die hebammengeleiteten Kurse das berühmte Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Im Zuge der Vereinbarung fordern nämlich die KBV und der GKV-SV für von Hebammen geleitete Geburtsvorbereitungs- und Rückbildungskurse in der Gruppe die gleichen technischen Voraussetzungen wie für die ärztliche Sprechstunde. Sie legen dabei einen identischen Maßstab für den Datenschutz an, obwohl in einem Kurs die Hebamme vor allem die Aufgabe des Wissenstransfers erfüllt und nicht eine Patientin ihre Gesundheitsdaten teilt.

Was bedeutet das nun? Die KBV hält sich streng an die DSGVO: »Du darfst keine Gesundheitsdaten verwenden«. Die damit verbundenen Aufwände für die einzeln arbeitende Hebamme werden damit aber unverhältnismäßig hoch gesetzt.

Es gibt darüber hinaus aktuell kaum lizensierte Software, die das Kursszenario mit zwölf Teilnehmer:innen bedienen könnte – das wird aber innerhalb der aktuellen Richtlinie gefordert. Das bedeutet, hier sind Tatsachen geschaffen worden. Und obwohl sich die Schwangere oder Mutter freiwillig für ein Online-Angebot entscheidet und über die bestehenden Datenschutzrisiken aufgeklärt wird, wäre es der Hebamme nur unter erschwerten Bedingungen möglich, diese Leistung anzubieten.

Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber innerhalb der DSGVO durchaus auch die Möglichkeiten für Ausnahmen offenlässt, indem er ebenfalls im Artikel 9 Absatz 2 beschreibt, dass der/die Besitzer:in (Urheber:in) der Daten diese freigeben kann.

Worum geht es eigentlich?

Wenn man nun einmal genauer hinschaut, stellt sich die Frage, um was es eigentlich genau geht: Eine Schwangere nimmt an einem Geburtsvorbereitungskurs teil. Dadurch könnten andere erfahren, dass sie schwanger ist. Prinzipiell hat die Schwangere das Recht, dass diese Information geschützt wird und niemand darauf Zugriff hat. Interessant ist aber der Aspekt, dass es nicht um die Inhalte oder die Kommunikation während des Kurses geht, sondern einzig und allein darum, dass die Tatsache, dass die Frau sich zu dem Kurs angemeldet hat – und damit die Information, dass sie schwanger ist – schützenswert ist.

Noch bemerkenswerter ist allerdings, dass an die bestehenden Software-Angebote zur Terminanmeldung und zum Patient:innenmanagement in Praxen nicht die identischen Anforderungen gestellt werden. Das bedeutet, dass der Umstand, dass sich eine Frau zum Beispiel bei eine:r Pränataldiagnostiker:in anmeldet, nicht in der gleichen Weise geschützt wäre. Vereinfacht zusammengefasst: Damit niemand davon erfährt, dass die Frau schwanger ist oder ein Kind geboren hat, kann sie nicht an einem hebammengeleiteten Online-Kurs teilnehmen – auch nicht nach entsprechender Aufklärung. Das ist absurd.

Risiko einer mangelhaften Versorgung

Das Gesetz schreibt der KBV und dem GKV-SV im Grundsatz vor, sich nach den Bedarfen der Versicherten zu richten. Videokurse tragen zu gleichberechtigter Versorgung bei, da so niedrigschwellig auch Schwangere und/oder Mütter erreicht werden, denen sonst unter Umständen eine Teilnahme aufgrund ihrer persönlichen Umstände verwehrt bliebe. Aus einer aktuellen Erhebung geht hervor, dass Frauen die digitalen Angebote von Hebammen schätzen und sich diese auch über die Covid-19-Pandemie hinaus als Leistungsangebot wünschen (Bauer & Schlömann 2021). Unter den jetzigen Voraussetzungen könnten Hebammen die an sie gestellten Anforderungen für die Kurse jedoch nicht erfüllen.

Damit bestünde die Gefahr, dass Schwangere und Frauen den Bedarf dann stattdessen beispielsweise bei YouTube und anderen Plattformen stillen würden. Diese erfüllen aber kaum Anforderungen an den Datenschutz. Darüber hinaus verursachen Fehl- und Falschinformation gegebenenfalls weitere Kosten im Gesundheitssystem. Außerdem entsteht das Risiko einer schlechteren Versorgung, denn Kurse zur Geburtsvorbereitung und/oder zur Rückbildung von der Hebamme sind kein nettes »Add-on«, sondern eine Gesundheitsleistung, auf die Versicherte Anspruch haben.

Ein kleiner Hoffnungsschimmer: Das letzte Wort scheint hier noch nicht gesprochen. Der Deutsche Hebammenverband (DHV) ist in engem Austausch mit den zuständigen Ministerien und ringt um eine benutzer:innenfreundliche Regelung für alle Beteiligten.

Nutzen und Schaden abwägen!

Selbstverständlich geht es nicht darum, dass sich die Hebamme den (digitalen) Entwicklungen im Gesundheitsbereich verschließt. Gerade in den letzten Monaten haben viele von uns eine hohe Flexibilität und Kreativität bewiesen, als es darum ging, das zugesicherte Recht der Frauen und Familien auf eine gute Versorgung sicherzustellen. Viele von uns haben in kurzer Zeit Kompetenzen erworben, die weit über die originäre Tätigkeit hinausgehen. Dazu gehört es auch, sich mit der Datensicherheit auseinanderzusetzen, um eine eigene Expertise zu erlangen. Was aber passiert, wenn die Hürden immer höher werden? Was die Überbürokratisierung für Auswirkungen hat, können wir gerade vielfach beobachten. Auch wenn die Wahrung der Persönlichkeitsrechte ein hohes Gut ist, so gilt es doch, Nutzen und Schaden im Sinne einer gesicherten Versorgung gegeneinander abzuwägen.


Hinweis:

Vortrag zum Thema: Am 22. Februar findet ein Online-Vortrag der Autorin zum Thema »Telemedizin und Digitalisierung« in der Staude Akademie statt: > www.staude-akademie.de. 


Zitiervorlage
Erdmann, D. (2022). Datenschutz bei hebammengeleiteten Online-Kursen: Das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 74 (1), 66–67.
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