Menschen mit Behinderung könnten noch stärker als bisher als »vermeidbar« angesehen werden. Ferner könne der Eindruck entstehen, der NIPT sei Teil der gesetzlich vorgeschriebenen Mutterschaftsvorsorgeuntersuchungen. Dadurch würde, so befürchten 19 % der befragten Frauen, der Druck auf werdende Eltern steigen. Sie könnten es als Pflicht empfinden, die Untersuchung im Sinne eines »unausgesprochenen Konsens« durchführen zu lassen.
Zudem kritisieren insbesondere Frauen mit Schwangerschaftserfahrung, dass es zu wenig Unterstützung und Beratung im Umgang mit dem NIPT gebe. Diese Einschätzung stimmt mit der Befragung der Professionellen zum Thema Beratung überein: 83,3 % der GynäkologInnen gab an, das Aufklärungsgespräch zum NIPT in einen Routinetermin einzubauen, folglich nur wenig Zeit zu haben und dabei vorwiegend auf Materialien der Pharmaunternehmen oder der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zurückzugreifen. Nur 8 der 42 befragten GynäkologInnen bieten einen Extra-Termin zur Beratung an und verweisen Frauen an Schwangerenberatungsstellen. Dieser geringe Anteil spiegelt sich in den Aussagen der SozialarbeiterInnen wider: 61 % von ihnen beraten weniger als einmal im Monat zum Thema NIPT.
In der Gruppe der Hebammen liegt dieser Wert noch niedriger: 31 % beraten gar nicht zum Thema NIPT, 8 % grundsätzlich immer und 60 % ausschließlich auf Nachfrage der Schwangeren. In der Summe beraten 25 % der Hebammen einmal im Monat oder noch seltener zu NIPT.
Für Entscheidungskompetenz sorgen
Mit dem Beschluss des G-BA zur Finanzierung des NIPT gehen hochkomplexe Fragestellungen einher, die weit über Verfahrenssicherheit, Zugang und Information hinausgehen. Ethische Fragen werden quer durch alle Interessengruppen reflektiert. Nur ein kleiner Ausschnitt dieser Reflexionen konnte in dieser Forschung angeschnitten werden.
Frauen als potenzielle Nutzerinnen des Tests sowie SozialarbeiterInnen stufen den Beschluss im Gruppenvergleich am positivsten ein. Frauen betonen insbesondere die Chance zu einem Informations- und Entscheidungszuwachs, der ihnen unabhängig von ihrer finanziellen Situation zugestanden werde und somit eine gewisse Gleichbehandlung gewähre. Zugleich ist jedoch die Gruppe der Frauen diejenige, die sich über die begrenzte Aussagekraft des Tests am wenigsten im Klaren ist und sich mehr Beratung wünscht. Hier sind Fragen der Zuständigkeit relevant: Wer informiert die Frauen zukünftig zu welchem Zeitpunkt und mit welchen Aufklärungsmaterialien? Wer verfügt über ausreichend Zeit für eine ausgewogene Beratung? Bislang kommen Frauen in den Beratungsstellen kaum an, und auch bei Hebammen findet nur in seltenen Fällen eine Beratung statt. Alle beteiligten Berufsgruppen müssen reflektieren, wie sich die eigene Perspektive auf den G-BA-Beschluss auf ihre Beratungshaltung niederschlägt. Prioritäres Ziel sollte sein, Frauen darin zu stärken, eine individuelle, umfassend informierte Entscheidung zu treffen. Dazu ist es notwendig, sie über ihre Rechte, einschließlich des Rechts auf Nichtwissen, sowie über Chancen und Grenzen der Tests in einer Qualität zu beraten, die den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnissen entspricht.