Die Akut-Tokolyse zur intrauterinen Reanimation wird international sehr unterschiedlich gehandhabt. Während sie in Nordeuropa nicht üblich ist, ist sie in Deutschland nach wie vor verbreitet. Wann und warum wird sie eingesetzt und welche Kontraindikationen gibt es? 

Eine intrauterine Wiederbelebung des Feten kann bei prolongierter Dezeleration, Vena-cava-Syndrom oder maternaler Hypotonie notwendig sein. Bei einem Mindestblutdruck von 70 bis 80 mmHg systolisch ist die Plazentaperfusion noch nicht gefährdet. Der Sinn aller intrapartalen Überwachungsmethoden ist, eine fetale Gefährdung infolge einer Hypoxie frühzeitig zu erkennen und geeignete Gegenmaßnahmen einzuleiten. Leitsymptom ist ein hochpathologisches CTG. Schnelle Hilfe ist erforderlich, um entweder die Zeit bis zur operativen Geburt zu überbrücken oder die Fortführung der vaginalen Geburt gefahrlos für das Kind zu ermöglichen. Die Auslöser einer fetalen Depression sind vielfältig, daher muss die intrauterine Reanimation möglichst alle potenziellen Ursachen zu beseitigen versuchen (siehe Kasten).

Auslöser einer fetalen Depression

Maternale Ursachen

  • Vena-cava-Kompressionssyndrom
  • maternale Hypotonie oder Dehydratation mit Reduzierung der uteroplazentaren Perfusion
  • maternale Hypoxämie (falsche Atemtechnik, zu langes Pressen, Krampfanfall, Fruchtwasserembolie, Lungenödem etc.)

Uteroplazentare Ursachen

  • vorzeitige Plazentalösung
  • Versorgungsstörung bei Plazentainsuffizienz unter Wehen­belastung
  • Uterusruptur
  • progressive fetale Hypoxämie/Hypoxie bei Polysystolie oder uteriner Dauerkontraktion

Intrauterine und fetale Ursachen

  • Nabelschnurkomplikationen (Nabelschnurkompression, -knoten, -umschlingung, -vorfall; sehr selten die Verlegung der Gefäße bei Nabelschnurthrombose/-hämatom)
  • akutes fetales Kreislaufversagen (fetomaternale Transfusion, fetale Blutung bei Nabelschnurruptur/Insertio velamentosa, hypoxischer Schock)
  • fetale Herzrhythmusstörungen

Zur Notwendigkeit einer intrauterinen Reanimation vor der Geburt und in der Eröffnungsphase finden sich in der Literatur wenige Angaben (Klöck 1975).

Der renommierte Geburtshelfer Prof. Dr. med. Eckart Kastendieck beschreibt bei 10 % aller Geburten in der Geburtsphase eine schwere fetale Hypoxie. Eine intrauterine Reanimation mittels Tokolyse sei in etwa 9 % dieser Fälle notwendig (Kastendieck 1974).

Tokolyse: Kontraindikationen

  • ausgeprägte unklare vaginale Blutung – cave: Blutungsverstärkung durch Fenoterol möglich
  • vorzeitige Plazentalösung
  • intrauterine Infektion – sofortige Geburt
  • das Herz betreffend: tachykarde Arrhythmien, Herzvitien, pulmonale Hypertonie, Myokarditis, hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie, Wolff-Parkinson-White (WPW)-Syndrom, ischämische Herzerkrankungen, Minder­durch­blutung des Herzens – cave: kardiale Dekompensation der Mutter durch Fenoterol (Heidenreich 1978; Hiltmann 1976)

Sofortmaßnahmen

Neben einer Tokolyse sollten zusätzliche Sofortmaßnahmen ergriffen werden. Eine vaginale Untersuchung sollte zum Ausschluss eines Nabelschnurvorfalls erfolgen, gegebenenfalls mit Spiegeleinstellung. Wird tatsächlich die Nabelschnur getastet, sollte Entlastung durch Hochschieben des kindlichen Kopfes und eine Beckenhochlagerung erfolgen. Auch sollte der Muttermundbefund erhoben werden. Wenn die Gebärende ein Vena-cava-Kompressionssyndrom hat, hilft die linke Seitenlage. Sollte eine Oxytocininfusion laufen, muss diese unterbrochen werden, um dem Kind nicht zusätzlich Stress zuzufügen. Der Blutdruck der Mutter sollte kontrolliert werden. Bei einer Hypotonie braucht sie Flüssigkeit und gegebenenfalls ist die Gabe eines Antihypotonikums abzuwägen.

Eine Sauerstoffgabe ist nur bei kardiopulmonalen Störungen der Mutter sinnvoll, die den pO2 absenken. Der Effekt auf wehenbedingte uteroplazentare Perfusionsstörungen ist eher gering. Eine exzessive Hyperventilation mit Sauerstoff-Gabe ist zu vermeiden: Die entstehende respiratorische Alkalose verursacht eine Vasokonstriktion im uteroplazentaren Strombett mit Perfusionsverminderung. Abhängig vom Befund sollte das geburtshilfliche Team für eine Sectio bereit sein oder eine vaginal-operative Geburtsbeendigung vorbereiten.

Wenn Blutungen auftreten, beispielsweise bei tiefem Plazentasitz oder Placenta praevia, müssen schnell ein venöser Zugang gelegt und die Voraussetzungen für eine Volumensubstitution oder Bluttransfusion geschaffen werden. In jedem Fall muss die Gebärende umgehend für eine Sectio vorbereitet werden. Blutungskomplikationen erfordern in der Mehrzahl der Fälle die Sectio, insbesondere wenn sie mit einer erkennbaren Zustandsverschlechterung des Kindes einhergehen.

Eine vitale Bedrohung des Kindes mit gleichzeitiger Gefährdung der Mutter durch starke Blutungen ist selten und bedarf einer sofortigen Geburt per Sectio, etwa bei Placenta praevia oder vorzeitiger Plazentalösung, Uterusruptur, septischem Schock oder Eklampsie. Sollte die Erholung des Fetus nicht nach maximal 5 Minuten erkennbar sein, dann ist die Geburt schnellstmöglich zu beenden (siehe Abbildungen 1 und 2). Dabei ist die notwendige Vorbereitungszeit für eine Notsectio oder eine notfallmäßige vaginal-operative Entbindung mit einzuberechnen.

Abbildung 1: Alarmzeichen, die sofort eine Notfallgeburt erfordern.

Abbildung 2: In der Geburtsphase eine verlängerte variable Dezeleration mit finaler Bradycardie (pathologisches CTG). Indikation: sofortige Geburt.

Die intrauterine Reanimation

Um die Wehen als Stressor für das Kind auszuschalten, eignet sich Partusisten intrapartal® 25 Mikrogramm/ml. Dieses wird in 4 ml Trägerlösung über 2 bis 3 Minuten intravenös injiziert, meist in zwei Fraktionen. Nach 10 Minuten darf die gleiche Dosis von 25 µg nochmal injiziert werden. Herzfrequenz, Puls und Blutdruck der Mutter müssen dabei überwacht werden. Zu beachten ist, dass Fentanyl und Anästhetika zur Spinal- und Periduralanästhesie die periphere Gefäßerweiterung verstärken und einen schweren Schock auslösen können. Das Ziel ist die Verbesserung der uteroplazentaren Durchblutung, der plazentofetalen Durchblutung und der fetalen Oxygenierung (siehe Abbildung 4). War die intrauterine Reanimation erfolgreich, muss das Kind während des weiteren Geburtsverlaufes besonders intensiv überwacht werden, da die Gefahr einer erneuten Zustandsverschlechterung besteht. Der Säure-Basen-Status sollte nicht während der Notfallsituation, aber nach sichtbarer Erholung des Fetus im CTG mittels Fetalblutanalyse überprüft werden. Eine Ausnahme stellt nur die Geburtsphase dar, sofern zeitnah mit der Geburt gerechnet werden kann (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3: Beispielhaftes CTG für den Wirkmechanismus einer intrauterinen Reanimation.

Abbildung: 4: Die fetale Herzfrequenz sinkt unter der Wehe ab, die fetale Sauerstoffsättigung ebenfalls. Durch Gabe einer Tokolyse erholt sich die Herzfrequenz und parallel dazu die Sauerstoffsättigung.

Unterschiede in der Anwendung der intrapartalen Akut­tokolyse im deutschsprachigen Raum, Auskünfte von klinisch arbeitenden Hebammen in einer Facebook-Umfrage vom 7.2.2021. Die Mischung und Dosierungs­menge werden in der Regel vom abteilungsleitenden Geburtsmediziner festgelegt.

In der Eröffnungsphase kann eine drohende fetale Asphyxie, die durch uterine Hyperaktivität und Nabelschnurkomplikationen verursacht wurde, erfolgreich mit einer Tokolyse behandelt werden. Bei chronischer Plazentainsuffizienz gibt es in 30 % der Anwendungen keinen therapeutischen Erfolg durch eine intrapartale Tokolyse (Klöck 1975) In der Geburtsphase gibt es 5 % Versager bei dieser Therapie besonders durch Nabelschnurkompression bei schnellem Tiefertreten des kindlichen Kopfes, wobei die Nabelschnurkompression auch in der Wehenpause nicht nachlässt und der umbilikale Blutfluss auch im kontraktionsfreien Intervall reduziert ist (Kastendieck 1974).

Bei strenger Indikationsstellung und fundiertem Wissen über fetale Physiologie und Pathophysiologie ist die Intrauterine Reanimation ein hilfreiches Mittel in der Geburtsleitung.

Cochrane Review
Welche Evidenzen liegen zur Auswirkung einer Akut-Tokolyse vor?
Verschiedene Länder und Kliniken handhaben den Einsatz einer Akut-Tokolyse unterschiedlich. Die Evidenzlage wurde im Jahr 2018 in einem Cochrane-Review dargestellt. Eingeschlossen wurden acht randomisiert-kontrollierte Studien (n=734 Frauen), die bis Februar 2018 publiziert wurden. Die Studien wurden in den USA, Australien, Uruguay, Südafrika und Sri Lanka durchgeführt. Alle Geburten fanden im klinischen Setting mit der Möglichkeit zur Durchführung eines Kaiserschnittes statt.

Der Fokus der Evaluation lag auf dem Outcome der Kinder. In zwei Studien (n=57, geringes Qualitätslevel), in denen Frauen der Studiengruppen Tokolytika erhielten, kam es zu zwei Todesfällen bei Kindern aus den Kontrollgruppen. Hierbei hatte ein Kind einen Hydrozephalus, beim anderen Kind kam es zu einer Spontangeburt, nachdem 55 Minuten seit dem Entschluss zu einer Sectio Caesarea vergangen waren. In einer weiteren Studie (n=26) wurde die intravenöse Gabe von Atosiban mit der intravenösen Gabe von Hexoprenalin verglichen. Ein Kind in der Hexoprenalin-Gruppe wurde nach einer Forzepsgeburt auf die Kinder-Intensivstation gebracht und ein Kind der Atosiban-Gruppe zeigte auffällige Herztöne.

In nur einer Studie wurde die Gabe von Fenoterol (Partusisten™) mit der unmittelbaren Durchführung einer Notsectio vergleichen (n=390). In dieser Gruppe wurden keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich des kindlichen Outcomes festgestellt.

Eine weitere Studie untersuchte den Einfluss der subkutanen Gabe von Terbutalin bei Weiterführung einer Oxytocingabe im Vergleich zu einer abgesetzten Oxytocininfusion ohne die Gabe eines Tokolytikums (n=28). Hierbei kam es nicht zu signifikanten Unterschieden. Auch wurde die subkutane Gabe von Terbutalin mit dem Verzicht auf die Gabe eines Tokolytikums im Zeitraum des Abwartens auf einen Notfall-Kaiserschnitt verglichen (n=20). Wie in einer weiteren Studie zur intravenösen Gabe von Terbutalin im Vergleich zur intravenösen Gabe von Nitroglycerin (n=110) wurden auch hierbei keine signifikanten Unterschiede festgestellt. Die AutorInnen schlussfolgern, dass es derzeit keine belastbaren Evidenzen gibt, welche Rückschlüsse auf die Auswirkungen einer Tokolyse auf die fetale Belastung während der Geburt gezogen werden können. Gründe hierfür liegen in einer unzureichenden Datenlage mit zu geringen Fallzahlen in den einzelnen Studien, welche das Auftreten seltener möglicher Ereignisse, wie beispielsweise kindliche Todesfälle, nicht sicher abbilden. Hinzu kommt die Problematik, dass lediglich Studien evaluiert wurden, die im klinischen Setting mit der Möglichkeit zur Durchführung eines Kaiserschnittes stattfanden, was die Situation in Ländern mit geringeren Ressourcen nicht widerspiegelt. Die Durchführung weiterer Studien wird empfohlen.

Quelle: Leathersich SJ, Vogel JP, Tran TS, Hofmeyer GJ: Acute tocolysis for uterine tachysystole or suspected fetal distress. Cochrane Database Syst Rev 2018. 7, CD009770. Dio: 10.1002/14651858.CD009770.pub2 ∙ Beate Ramsayer/DHZ

Zitiervorlage
Kühnert, M. (2021). Intrauterine Reanimation. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 73 (5), 20–23.
Literatur
AWMF: 015–083 S3-Leitlinie Vaginale Geburt am Termin, 2021

Klöck F, Chantraine H. Possibilities and limits of the intrauterine reanimation. Z Geburtshilfe Perinatol 1975. 179(6): 401–19

Kastendieck E et al. Intrauterine reanimation of fetal distress using Partusisten during the second stage of labor. Z Geburtsh Perinat 1974. 178:439

Heidenreich J, Steyer M. Herz-Kreislauf-Wirkungen von intravenös niedriddosierten Langzeit- und hochdosierten Kurzzeitinfusionen von Partusisten. In: Fenoterol bei der Behandlung in der Geburtshilfe und Perinatologie. Hrg: Jung H, Friedrich E, Georg. Thieme Verlag Stuttgart 1978

Hiltmann WD et al.: Änderungen der maternalen kardiovaskulären Parameter während der Tokolyse und beim Rückenlageschocksyndrom. Z Geburtsh Perinat 1976. 180: 366

Fachinformation Partusisten intrapartal 25 µg/ml Konzentrat zur Herstellung einer Injektionslösung. Boehringer Ingelheim Espana, S. A. (Stand 12/2014) erhältlich über Boehringer

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