Antibiotikaresistenzen
Die Ausbreitung resistenter Keime ist ein zunehmendes Risiko für das Überleben von Frauen und Neugeborenen. Seit der Entwicklung der Antibiotika waren Frauen und Neugeborene noch nie so sehr der Gefahr ausgesetzt, an Puerperal- und Neugeborenensepsis zu sterben wie heute. Die mütterliche Sepsis ist eine der drei Hauptursachen für die mütterliche Mortalitätsrate. Jedes Jahr sterben 30.000 Frauen und 400.000 Neugeborene an vermeidbaren Infektionen. Jüngste Statistiken zeigen, dass alarmierende 38 Prozent der Gesundheitseinrichtungen keinen Zugang zu sauberem Wasser haben, weder direkt in der Einrichtung noch in der Nähe. Des Weiteren haben 35 Prozent keine Seife zum Händewaschen und 19 Prozent (also fast eine von fünf) der Einrichtungen verfügt noch nicht einmal über eine sanitäre Anlage. Um diesen Notstand zu bekämpfen, arbeitet die WHO eng mit ICM, WaterAid und UNICEF zusammen, um weltweit Hygienestandards für geburtshilfliche Settings zu entwickeln. Um Infektionen zu vermeiden, sind tiefgreifende Veränderungen der Hebammenarbeit notwendig, um sichere und saubere Geburten mit Hygienestandards in der Geburtshilfe zu gewährleisten
Neues Verständnis der Richtlinien
In einer progressiven globalen Initiative wurden die kürzlich veröffentlichten WHO-Richtlinien zur Schwangerenvorsorge als „Antenatal Care for a positive pregnancy experience” (Schwangerenvorsorge für eine positive Schwangerschaftserfahrung) betitelt. Die Richtlinien beinhalten eine evidenzbasierte Empfehlung für von Hebammen geleitete und kontinuierliche Betreuung (midwife-led continuity of care, MLCC). Die Einführung neuer Qualitätsstandards, inklusive MLCC, bei allen Partnern der WHO hat das Potenzial, evidenzbasierte Hebammenarbeit öffentlich sichtbar zu machen.
Die Hebammenausbildung stärken
Trotz vielfältiger Bemühungen im Kontext der Millenniumsentwicklungsziele (MSGs) wurde immer wieder deutlich, dass die mangelhafte Qualität der Versorgung durch Hebammen, Pflegende und ÄrztInnen eine permanente Barriere bei der Verbesserung der Gesundheit von Müttern und Neugeborenen ist. In einer systematischen Erfassung dieser Barrieren wurde die unzureichende Ausbildung von Hebammen, oft reduziert auf wenige Wochen ohne eine entsprechende Ausbildungsrichtung und ohne die Möglichkeit einer praktischen Ausbildung, als entscheidender Faktor identifiziert.
Der Bericht „State of the World’s Midwifery Report (SOWMy) 2014″ stellt fest, dass von 73 Ländern, in denen Daten erhoben wurden, nur vier Länder genügend Hebammenkapazitäten zur Verfügung hatten, um die Betreuung von Frauen in der reproduktiven Lebensphase sowie der Neugeborenen zu gewährleisten. Zusätzlich zeigten viele der Ausbildungsprogramme Mängel in der Vermittlung grundlegenden Wissens in Bezug auf Infektionsprävention und respektvolle Betreuung. Dies weist auf den Zusammenhang zwischen schlechter Ausbildung und schlechter klinischer Versorgung, Sepsis und der Misshandlung von Frauen in den Einrichtungen hin (Filby et al. 2016).
2016 organisierte die WHO eine Konferenz in Zusammenarbeit mit der Universität in Dundee (Schottland) mit dem Thema „Strengthening Midwifery Education 2016-2030″: „Die Hebammenausbildung stärken”. Das Ergebnis war eine Vereinbarung von fünf wichtigen Maßnahmen:
- die Etablierung einer „Global Platform for Action” (globalen Aktionsplattform)
- der „Strengthening Midwifery Education Action Plan 2016–30″, um Kontrolle und Evaluierung der Hebammenausbildung einzubeziehen
- eine internationale Übersicht der Hebammen, die gemäß der ICM-Kompetenzen ausgebildet sind, sowie eine Übersicht über die Lehrmaterialien der Partnerorganisationen mit der Möglichkeit, ein globales „midwifery eduaction toolkit” – Bausteine für eine weltweite Hebammenausbildung – zu erstellen.
- Evidenzbasierte aktualisierte ICM-Hebammenkompetenzen zur Anpassung an die WHO-Ziele
- Erläuterung der Führungsrollen und Verantwortlichkeiten der Hebammenarbeit mit dem Ziel, eine kollektive und geeinte Position und Stimme zu stärken.
Koordinierte Maßnahmen zu diesen fünf vereinbarten Punkten sind angelaufen. Die ICM-Kompetenzen werden zurzeit überarbeitet, und zum ersten Mal werden die Evidenzen der WHO in diese Arbeit mit einbezogen. Ein „Essential Childbirth Care Course (ECBC)” – ein Basiskurs für geburtshilfliche Versorgung – wird entwickelt, geleitet von WHO und ICM und anderen Partnern, um eine wirklich vernetzte, evidenzbasierte Dienstleistung zu gewährleisten. Außerdem wurde mit der Entwicklung eines globalen Mapping-Tools für Hebammenkompetenzen begonnen.
Hebammen im Gesundheitswesen
Die Hebammenarbeit wird immer mehr in die Arbeit der WHO mit einbezogen, sei es bei der Förderung des Stillens, der Einstellung des Rauchens, der Verhinderung des Passivrauchens während der Schwangerschaft, bei der Bekämpfung resistenter Keime oder bei der Familienplanung. Auch der Bedarf an Hebammen beim Wiederaufbau von Gesundheitseinrichtungen in Katastrophengebieten wird immer wichtiger. In Libyen, einem der Länder, die am stärksten von der Ebolaepedemie, getroffenen wurden, die 2014 begann und wo eine von 38 Frauen die Geburt nicht überlebt, leitet Bentoe Tehoungue eine von der WHO begründete Initiative in Zusammenarbeit mit der Global Financing facility (GFF) und den sogenannten H6 – WHO, UNFPA, UNICEF, UNWOMEN und UNAIDS. Bentoe, selbst Hebamme, sagt: „Um das Leben von Frauen und Babys zu retten, brauchen wir mehr ausgebildete Hebammen, die sicherstellen, dass die Frauen eine sichere Schwangerschaft haben, sogar schon bevor sie schwanger sind. Wir brauchen Hebammen, die in der Lage sind, Familienplanung und Ernährungsberatung durchzuführen, körperliche Aktivitäten anleiten, und die Übertragung von HIV von Müttern auf ihre Kinder verhindern können.” Um den Zugang zu qualitativ hochwertiger Hebammenarbeit zu verbessern, fördern der liberianische Minister für Gesundheit und Sozialwesen, die WHO und andere Partner die sechs Hebammenschulen im Land, von denen sich drei in abgeschiedenen ländlichen Gebieten befinden.
Hebammenwirklichkeiten
Auf internationaler Ebene blieb die Hebammenarbeit über lange Zeit weitgehend unsichtbar und sie erhielt nur minimale globale Förderung. Um besser zu verstehen, was die Hebammenarbeit behindert, hat die WHO eine systematische Aufzeichnung der Evidenzen durchgeführt. Die Publikation heißt: „What Prevents Quality Midwifery Care? A Systematic Mapping of Barriers in Low and Middle Income Countries from the Provider” (Filby et al 2016).
Welche Faktoren behindern eine hochwertige Versorgung durch Hebammen? Eine systematische Übersicht über die Dienstleistungen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen hebt drei Arten von Barrieren hervor: sozio-kulturelle, ökonomische und professionelle. Die Barrieren beruhen auf der Ungleichheit der Geschlechter, der Feminisierung des Hebammenberufs als „Frauenarbeit” und einer daraus resultierenden geringen Wertschätzung. Wenn diese Barrieren in Kombination erlebt werden, kommt es zu moralischer Verzweiflung und Burnout. Um die Erfahrungen von Hebammen zu verstehen, haben WHO und ICM gemeinsam die größte internationale Studie zu Hebammen durchgeführt. Das Ergebnis, das Dokument „Midwives Voices, Midwives Realties” (2016) basiert auf den Stimmen und Lebenswirklichkeiten von 2.740 Hebammen aus 93 Ländern. Es beschreibt aus ihrer Perspektive die Barrieren, die sie erleben und die sie daran hindern, qualitativ hochwertige und respektvolle Arbeit für Frauen und Kinder zu leisten. Dieser Bericht zeigt, dass Hierarchien und Geschlechterdiskriminierung die Entwicklung ihrer Arbeitsqualität behindern, es zeigt aber auch das große Potenzial für die Verbesserung der Versorgungsqualität, wenn die Stimmen von Hebammen gehört werden (siehe Link).
Um hier einen kontinuierlichen Fortschritt zu unterstützen, arbeiten WHO, ICM, die White Ribbon Alliance und andere Partner gemeinsam an einer globalen Strategie der Interessenvertretung für die Hebammenarbeit. Diese wird die Notwendigkeit für eine gemeinsame Stimme, weltweite Zusammenarbeit und engere Partnerschaft zwischen all den Ländern betonen, die daran arbeiten, die Qualität der Versorgung von Müttern und Neugeborenen zu verbessern.
Resümee
Die gemeinsame weltweite Anstrengung bei der Senkung der Mütter- und Säuglingssterblichkeit zeigt ermutigende Erfolge. Die neue Ära der SDGs (Agenda 2030) bietet der internationalen Hebammengemeinde eine einzigartige Möglichkeit, die Hebammenarbeit strategisch im Kontext der neun Handlungsfelder zu positionieren und dabei Hebammen und Hebammenarbeit in den Mittelpunkt dieser Debatte zu stellen. Die Qualität der Versorgung ist maßgeblich – das Recht auf qualitativ hochwertige Pflege ist ein Menschenrecht. Die Verbesserung der Hebammenausbildung für eine bessere Versorgung ist deshalb eine Priorität für die WHO. Kontrolle, Evaluierung und Forschung müssen diese Anstrengungen verstärken. Um die Kontinuität der Versorgung durch Hebammen zu gewährleisten, ist ein inklusiver Public Health Ansatz notwendig, damit Hebammen wichtige Aufgaben übernehmen können, wie das Fördern des Stillens, den Kampf gegen resistente Keime, gegen mangelnde Hygiene, und das Angehen anderer großer Probleme im Gesundheitswesen. Es ist Zeit, dass die Stimmen von Hebammen gehört werden, dass sie sich einbringen und eine größere Führungsrolle mit und für Frauen übernehmen. Weder die WHO, noch irgendeine andere Organisation kann sich alleine auf internationaler Ebene für Frauen und Neugeborene einsetzen, dies kann nur gemeinsam mit den Hebammen in weltweiter Zusammenarbeit geschehen.