» Nach Aufklärung über die potenziellen Risiken der Insertio velamentosa sollten Frauen motiviert werden, eine Spontangeburt anzustreben. « Foto: © Katharina Bau

Hebammen erleben immer wieder, dass Schwangere von niedergelassenen FrauenärztInnen mit der Ultraschall-Diagnose »Insertio velamentosa« mit einer unbedingten Sectioempfehlung verunsichert werden. Aktuelle Leitlinien geben dazu keine genaue Auskunft – eine Indikation für eine primäre Sectio besteht nur bei einer Vasa praevia. 

Eine 21-jährige Erstgravida stellte sich im Klinikum rechts der Isar in München nach bisher unauffälliger Schwangerschaft erstmalig in der 34. Schwangerschaftswoche zur Geburtsanmeldung vor. Bis auf einen insulinpflichtigen Gestationsdiabetes brachte sie keine weiteren Risikofaktoren mit. Aufgrund pathologischer Dopplerwerte in der Nabelschnurarterie erfolgten engmaschige Kontrolluntersuchungen in der Ambulanz, und im Einverständnis mit der Patientin wurde die Indikation zur Geburtseinleitung ab 37+0 SSW gestellt.

Zu Beginn der Eröffnungsperiode traten variable Dezelerationen auf, letztlich kam es jedoch zur komplikationslosen Spontan­geburt eines vitalen 2.630 g schweren Mädchens (18. Perzentile) mit unauffälligen Nabelschnur-pH- und Apgar-Werten. Bei der Inspektion der Plazenta zeigte sich eine mögliche Erklärung für die eingeschränkte Versorgung des Kindes: eine langstreckige Insertio velamentosa. Der peripartale Blutverlust war unauffällig.

Ausgeprägte Insertio velamentosa mit großem umlaufendem Gefäß – links von der fetalen und rechts von der maternalen Seite aus betrachtet.
Insertio velamen

Solche Geschichten kennen wir alle – immer wieder werden Kinder mit pränatal nicht diagnostizierter Insertio velamentosa geboren. Meist verlaufen diese Geburten normal – und trotzdem sind alle GeburtshelferInnen froh, dass es zu keinen Problemen unter der Geburt gekommen ist, wenn sich postpartal der Zufallsbefund zeigt. Doch ist diese Sorge berechtigt? Wie häufig führt die Insertio velamentosa zu Komplikationen? Und was sollen wir den Frauen, bei denen diese Diagnose bekannt ist, bezüglich ihres Geburtsmodus raten? Ein Blick in die aktuellen Leitlinien hilft nicht weiter: Weder in der S3-Leitlinie »Vaginale Geburt am Termin« noch in der S3-Leitlinie »Sectio caesarea« wird die Insertio velamentosa behandelt.

Insertio velamentosa

Die Insertio velamentosa tritt in etwa 0,4 bis 2,4 % aller Schwangerschaften auf, wobei sie bei Zwillingen, Placenta praevia oder nach künstlicher Befruchtung deutlich häufiger zu finden ist (Buchanan-Hughes et al. 2020). Bei einer Insertio velamentosa setzt die Nabelschnur nicht mittig im Bereich der Plazenta, sondern im Bereich der Eihäute an. Die Gefäße verlaufen dann, nur durch ihre Gefäßwand geschützt, bis zur Plazenta – die Wharton-Sulze, die die Nabelschnur als Isolationsschicht umgibt, fehlt. Daher ist die Sorge groß, dass diese Gefäße bei Wehentätigkeit oder Blasensprung verletzt werden könnten – was fatale Folgen für das Kind hätte. Die Insertio velamentosa kann außerdem mit weiteren Plazentaanomalien, wie der Placenta praevia, assoziiert sein (Buchanan-Hughes et al. 2020). Die Mutterschafts-Richtlinien sehen keine sonografische Untersuchung des Nabelschnuransatzes vor, weshalb die Insertio velamentosa pränatal häufig unentdeckt bleibt. In den letzten Jahren entscheiden Schwangere sich zunehmend für eine Feindiagnostik im zweiten Trimenon, im Rahmen derer auch immer häufiger Nabelschuranomalien diagnostiziert werden. Viele dieser Frauen wenden sich vertrauensvoll an ihre Hebamme, um eine Beratung bezüglich der Risiken unter der Geburt und im Schwangerschaftsverlauf zu erhalten.

Welche Risiken sollten mit den Frauen diskutiert werden? Feten mit Insertio velamentosa sind, wie in unserem Fallbeispiel beschrieben, häufiger von abflachendem Wachstum betroffen und haben ein geringeres Geburtsgewicht (Räisänen et al. 2012). Regelmäßige Biometrie- und Doppleruntersuchungen sind daher sinnvoll. Auch könnte die Insertio velamentosa mit einer geringfügigen Erhöhung des Risikos für einen intrauterinen Fruchttod (IUFT) einhergehen, wobei einige Studien etwa von einer Verdopplung des Risikos ausgehen, während andere Studien keinen signifikanten Zusammenhang gefunden haben (Räisänen et al. 2012; Ebbing et al. 2017). Außerdem ist das Risiko für eine Frühgeburt etwa doppelt so hoch (Ebbing et al. 2017). Als Ursache wird vermutet, dass im Rahmen der Plazentation nicht nur eine Fehlinvasion der Nabelschnurgefäße stattfindet, sondern auch die Entwicklung des Amnions und der Plazenta gestört sind. Als Folge davon ist das Amnion fragiler, was einen vorzeitigen Blasensprung deutlich vor dem Termin sowie eine vorzeitige Wehentätigkeit begünstigen könnte. Besondere Sorge bereitet der GeburtshelferIn aber die Geburt selbst: Durch die fehlende Schutzschicht der Wharton-Sulze können die Gefäße beim Blasensprung nicht nur verletzt, sondern auch komprimiert werden, weshalb sich bei diesen Frauen häufiger Pathologien im CTG finden (Baumfeld et al. 2016). Die Ruptur der fetalen Gefäße scheint aber so selten vorzukommen, dass sich in der Literatur hierfür keine Angaben finden. Auch über die sekundäre Sectiorate wird kontrovers berichtet – während einige Studien von einer Verdopplung der Häufigkeit ausgehen, berichtet eine andere Studie keinen Unterschied (Räisänen et al. 2012; Hasegawa et al. 2009; Ebbing et al. 2015). Ein wichtiges Augenmerk sollte auf die Nachgeburtsperiode gelegt werden: Hier werden bei Insertio velamentosa häufiger Plazentaretentionen (5 % vs. 1 %) und ein erhöhter Blutverlust beobachtet (dreifach erhöhtes Risiko ), was auch die Theorie der gestörten Plazentation stützen könnte (Ebbing et al. 2015).

Wie sollten wir die betroffenen Frauen nun beraten? Der Zusammenhang zwischen schweren Geburtskomplikationen und Insertio velamentosa scheint nur gering zu sein. Erstaunlicherweise fand ein in 2020 veröffentlichtes Review zum Thema keine einzige Studie, die sich mit dem Management der Insertio velamentosa sowohl prä- als auch peripartal auseinandersetzt (Buchanan-Hughes et al. 2020). Risikofaktoren, die eine spontane Geburt beeinträchtigen könnten, sind bisher nicht identifiziert worden. Die DEGUM empfiehlt dementsprechend die vaginale Geburt bei Insertio velamentosa.

Vasa praevia

Es ist allerdings essenziell, eine Insertio velamentosa nicht mit einer Vasa praevia gleichzusetzen. Letztere ist mit ungleich höheren Komplikationsraten assoziiert und muss deshalb zur Festlegung des peripartalen Managements unbedingt mit einer gezielten vaginalsonografischen Untersuchung ausgeschlossen werden, sobald die Verdachtsdiagnose einer Insertio velamentosa besteht. Vasa praevia sind fetale Gefäße, die innerhalb von 2 cm um den inneren Muttermund verlaufen. Mit einer Prävalenz von etwa 1:1.200 bis 1:5.000 ist eine Vasa praevia eine seltene Schwangerschaftskomplikation. Sie können eine Variante der Insertio velamentosa oder Verbindungsgefäße zwischen den Teilen einer Placenta bipartita sein (Jauniaux et al. 2019). Eine präpartal unentdeckte Vasa praevia kann intrapartal durch eine vaginale Untersuchung detektiert werden. Dabei lässt sich die Pulsation der Gefäße an den Eihäuten tasten. Das Risiko einer intrapartalen Verletzung dieser Gefäße ist im Bereich des inneren Muttermunds höher. Insbesondere bei einer akuten Blutung nach Blasensprung in Kombination mit CTG-Beeinträchtigungen muss an eine Vasa praevia gedacht werden. Rasches Handeln ist essenziell: Um den Geburtstermin herum haben Kinder nur ein Blutvolumen von 100 ml/kg Körpergewicht, so dass sie bei Gefäßblutungen vital bedroht sind. Die kindliche Mortalität bei rupturierten Gefäßen liegt sogar nach Notsectio noch bei etwa 40 %. Diese Mortalität kann auf unter 3 % gesenkt werden, wenn die Vasa praevia präpartal sonografisch entdeckt werden und als Geburtsmodus der Kaiserschnitt geplant wird (Oyelese et al. 2004).

Die Leitlinien des Royal College of Obstetrics & Gynecologists (RCOG) empfehlen bei Vasa praevia die elektive Sectio vor Wehenbeginn. Eine prophylaktische Hospitalisierung ab der 30. bis 32. SSW sollte individuell angeboten und die Entbindung zwischen der 34. und 36. SSW angestrebt werden (Jauniaux et al. 2019). In dem Zusammenhang sollte erwähnt werden, dass der Vorteil einer stationären Aufnahme von asymptomatischen Patientinnen nicht erwiesen ist – die Prognose bezüglich des fetalen Outcomes unterscheidet sich nicht im Vergleich zu stationär aufgenommenen Patientinnen (Sullivan et al. 2017). Als Risikofaktor, der eine Aufnahme sinnvoll erscheinen lässt, ist die Zervixverkürzung beschrieben worden (Jauniaux et al. 2017).

Fazit

Nach Aufklärung über die potenziellen Risiken der Insertio velamentosa sollten Frauen motiviert werden, eine Spontangeburt anzustreben. Als Geburtsort sollte eine Klinik mit der Möglichkeit zur operativen Geburtsbeendigung gewählt werden. Ebenso sollte die Klinik auf einen potenziell erhöhten Blutverlust der Mutter reagieren können. Eine angebundene Neonatologie ist im Falle einer Komplikation von Vorteil. Im Gegensatz dazu stellt die Vasa praevia eine Schwangerschaftskomplikation dar, bei der Frauen in jedem Fall eine elektive Sectio benötigen und bei denen eine engmaschige klinische Kontrolle erfolgen sollte. Der Zeitpunkt der elektiven Sectio sollte mit der Frau individuell besprochen werden, von einer Prolongation über 37+0 SSW hinaus ist aber abzuraten.

Zitiervorlage
Karge, A. et al. (2021). Geburtshilfliches Vorgehen bei Insertio velamentosa: Nur zur Sicherheit. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 73 (5), 8–11.
Literatur
Baumfeld Y, Gutvirtz G, Shoham I, Sheiner E: Fetal heart rate patterns of pregnancies with vasa previa and velamentous cord insertion. Arch Gynecol Obstet 2016. 293(2):361–7

Buchanan-Hughes A, Bobrowska A, Visintin C, Attilakos G, Marshall J: Velamentous cord insertion: results from a rapid review of incidence, risk factors, adverse outcomes and screening. Syst Rev 2020. 9(1):147

Ebbing C, Johnsen SL, Albrechtsen S, Sunde ID, Vekseth C, Rasmussen S: Velamentous or marginal cord insertion and the risk of spontaneous preterm birth, prelabor rupture of the membranes, and anomalous cord length, a population-based study. Acta Obstet Gynecol Scand 2017. 96(1):78–85

Ebbing C, Kiserud T, Johnsen SL, Albrechtsen S, Rasmussen S: Third stage of labor risks in velamentous and marginal cord insertion: a population-based study. Acta Obstet Gynecol Scand 2015. 94(8):878–83

Hasegawa J, Matsuoka R, Ichizuka K, Kotani M, Nakamura M, Mikoshiba T et al: Atypical variable deceleration in the first stage of labor is a characteristic fetal heart-rate pattern for velamentous cord insertion and hypercoiled cord. J Obstet Gynaecol Res 2009. 35(1):35–9

Jauniaux E, Alfirevic Z, Bhide AG, Burton GJ, Collins SL, Silver R: Vasa Praevia: Diagnosis and Management: Green-top Guideline No. 27. BJOG 2019. 126(1):e49–e61

Jauniaux E, Melcer Y, Maymon R: Prenatal diagnosis and management of vasa previa in twin pregnancies: a case series and systematic review. Am J Obstet Gynecol 2017. 216(6):568–75

Oyelese Y, Catanzarite V, Prefumo F, Lashley S, Schachter M, Tovbin Y et al.: Vasa previa: the impact of prenatal diagnosis on outcomes. Obstet Gynecol 2004. 103(5 Pt 1):937–42

Räisänen S, Georgiadis L, Harju M, Keski-Nisula L, Heinonen S: Risk factors and adverse pregnancy outcomes among births affected by velamentous umbilical cord insertion: a retrospective population-based register study. Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol 2012. 165(2):231–4

Sullivan EA, Javid N, Duncombe G, Li Z, Safi N, Cincotta R et al.: Vasa Previa Diagnosis, Clinical Practice, and Outcomes in Australia. Obstet Gynecol 2017. 130(3):591–8

https://staudeverlag.de/wp-content/themes/dhz/assets/img/no-photo.png