Foto: © Markus Heimbach

Mit Impfungen schützen sich Hebammen am effektivsten vor schweren Infektionen am Arbeitsplatz. Vorrangig sollten sie sich gegen Hepatitis, Grippe, Keuchhusten, Windpocken, Masern, Mumps und Röteln impfen lassen. Damit schützen sie zugleich Schwangere und Neugeborene.

Wer in der Geburtshilfe arbeitet, kommt regelmäßig mit Körperflüssigkeiten und Ausscheidungen in Kontakt. Dabei kann man sich mit Krankheitserregern infizieren. Stich- und Schnittverletzungen an benutzten Instrumenten bergen ein Risiko, sich mit blutübertragbaren Viren anzustecken. Zu den wichtigsten Präventionsmaßnahmen im Gesundheitsdienst gehört – neben der Händehygiene – die Immunisierung gegen bestimmte Krankheitserreger. Mit Impfungen lässt sich zum Beispiel heute der Hepatitis B (und damit auch der Hepatitis D) vorbeugen, ebenso der Hepatitis A, Masern, Mumps und Röteln, Windpocken, Keuchhusten, Kinderlähmung und Grippe. Andere Impfstoffe, zum Beispiel gegen die Zytomegalie, sind in der Entwicklung.

Hebammen melden eher selten den Verdacht auf beruflich bedingte Infektionskrankheiten. Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) erhielt beispielsweise im Jahr 2013 über selbstständige sowie in Praxen und nicht staatlichen Krankenhäusern angestellte Hebammen und Entbindungspfleger nur eine einzige Meldung des Verdachts auf eine berufsbedingte Infektion durch Hepatitis B. Auch in den Vorjahren war die Zahl der gemeldeten Infektionskrankheiten sehr niedrig. Das spricht für eine insgesamt gute Infektionsprophylaxe und Durchimpfung bei den Hebammen, bei gleichzeitig sinkender Infektionsgefahr für Hepatitis B in der Allgemeinbevölkerung. Das heißt aber nicht, dass man schon auf Impfungen verzichten könnte. Und es ist weiterhin wichtig, jeden Verdacht auf eine beruflich bedingte Infektionserkrankung an die Berufsgenossenschaft zu melden – auch, um deren Präventionsarbeit zu unterstützen.

Welche Impfungen wichtig sind

Für den Gesundheitsschutz der Hebamme steht an erster Stelle die Impfung gegen Hepatitis B. Hepatitis B-Viren sind 100-mal infektiöser als HIV. Als sexuell übertragbare Krankheit ist die Hepatitis B noch immer für die Allgemeinbevölkerung gefährlich und manchmal lebensgefährlich. Auch wenn gleichzeitig mit der Durchimpfung der deutschen Kinder und Jugendlichen das Risiko in der Allgemeinbevölkerung sinkt und die beruflich bedingten Hepatitis B-Erkrankungen deutlich zurückgegangen sind, gibt es noch immer ungeimpfte Risikogruppen, Neuinfektionen und chronische Virusträger (Poethko-Müller et al. 2013). Hebammen sollten sich deshalb dagegen impfen lassen, solange sie über eine reine Beratungstätigkeit hinaus Frauen untersuchen und bei Geburten unterstützen.

Für Erwachsene wird eine Grundimmunisierung mit drei Teilimpfungen empfohlen. Die Impfung gilt als erfolgreich, wenn sich vier bis acht Wochen nach der Grundimmunisierung impfspezifische Antikörper (HBsAK) mit einem Titer über 100 IE/l bilden. Nach dem derzeitigen Stand des Wissens wird der Schutz vor einer Erkrankung nach erfolgreicher dreiteiliger Impfung als lebenslang eingeschätzt. Bei besonders hohem individuellem und beruflichem Risiko werden deshalb Titerkontrollen und gegebenenfalls Auffrischungen nach zehn Jahren empfohlen, falls der Titer unter 100 IE/l abgesunken ist. Auch vor größeren Operationen wird eine Hepatitis B-Immunisierung empfohlen. Die Hepatitis B-Impfung kann als „Krebsimpfung” sogar Leberkrebs als Spätfolge der chronischen Leberentzündung verhindern.

Andere Erreger können Hepatitiden mit akutem Verlauf hervorrufen, zum Beispiel die Hepatitis A. Im Kreißsaal ist als Hygieneunfall sowohl der regelmäßige Kontakt mit größeren Mengen von Stuhl als auch ein fäkal-oraler Infektionsweg vorstellbar. Die Hepatitis A tritt heutzutage in Deutschland hauptsächlich als Reisekrankheit auf, nach dem Genuss von infizierten Getränken und Lebensmitteln. Sie könnte auch von Schwangeren in den Kreißsaal eingeschleppt werden, die auf Reisen erkrankt sind.

Ob die Impfung gegen Hepatitis A für eine Hebamme sinnvoll erscheint und vom Arbeitgeber angeboten werden soll, ist im Rahmen der konkreten Gefährdungsbeurteilung zu entscheiden. Sie erfolgt am besten gemeinsam mit einer Hepatitis B-Impfung, da ein Kombinationsimpfstoff vorhanden ist. Die Impfstoffe gegen Hepatitis A und B sind moderne, sogenannte Totimpfstoffe. Sie gelten allgemein als gut verträglich, besonders die A-Komponente besitzt eine hohe Immunogenität. Personen, die bereits eine Grundimmunisierung erhalten haben, müssen meist erst nach mehreren Jahrzehnten erneut gegen Hepatitis A geimpft werden. Die Frist hängt vom Impfstoff ab. Personen, die die Erkrankung durchgemacht haben, sind ihr Leben lang immun.

Impfungen sinnvoll?

Ferner sollten sich Hebammen wie alle anderen MitarbeiterInnen des Gesundheitsdienstes jedes Jahr gegen die saisonale Grippe (Influenza) impfen lassen. Um des Eigen- und Patientenschutzes willen sollte der Impfschutz überprüft werden gegen Windpocken (Varizellen), Kinderlähmung (Poliomyelitis), Diphtherie und Keuchhusten (auch als Vierfachimpfstoff gegen Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten und Windpocken). Schließlich sind Ungeborene und Neugeborene unter bestimmten Bedingungen besonders „wehrlos”. Je schlechter der Immunschutz einer Schwangeren aufgebaut ist, desto geringer fällt der Schutz für das Kind aus. Es ist bekannt, dass der sogenannte Nestschutz besonders bei Frühgeborenen schwächer ausgebildet ist. Und selbst bei reifen Neugeborenen mit den besten Voraussetzungen ist er nicht umfassend. Bei Masern, Mumps, Röteln und Windpocken etwa kann die Mutter Antikörper weitergeben, wenn sie die Erkrankungen selbst durchgemacht hat oder gegen sie geimpft wurde. Bei einigen anderen Infektionen wie etwa Tetanus, Diphtherie und Keuchhusten (Tdap) dagegen bildet das Immunsystem nur nach Tdap-Impfungen langanhaltende Antikörper aus, die auch als Nestschutz diaplazentar an die Kinder weitergegeben werden können.

Besonders wichtig ist die Keuchhustenimpfung (in Kombination mit Diphtherie- und Keuchhustenimpfstoff): Säuglinge haben ein erhöhtes Komplikationsrisiko und müssen daher häufiger als alle anderen Gruppe im Krankenhaus aufgenommen werden. Hebammen, die sich selbst und ihre Familien, die Schwangeren und die Neugeborenen schützen wollen, sollten sich gegen Keuchhusten (Pertussis, Tdap) impfen lassen, sofern in den letzten zehn Jahren keine Impfung stattgefunden hat (Indikationsimpfung).

Nachdem Deutschland die Schluckimpfung Anfang der 1960er Jahre eingeführt hat, wird die Poliomyelitis heute nicht mehr beobachtet. Da eine Einschleppung weiter möglich ist, wird generell für jeden Erwachsenen eine Auffrischungsimpfung in Kombination mit Tetanus-, Diphtherie- und Poliomyelitisimpfstoff (Tdap-IPV) empfohlen. Eine spezielle berufliche Impf­indikation mit Auffrischung nach zehn Jahren besteht außerdem für Hebammen, wenn die Gefährdungsbeurteilung dies ergibt. Das ist zum Beispiel bei der Tätigkeit im Entwicklungsdienst der Fall oder bei der Betreuung von Flüchtlingen aus Endemiegebieten (aktuell zum Beispiel Syrien). Für Auslandstätigkeiten gibt es länderspezifische Regelungen zu Gelbfieberimpfungen zu beachten. Für Keuchhusten und Kinderlähmung übernimmt die gesetzliche Krankenkasse eine einmalige Auffrischungsimpfung im Erwachsenenalter, für Pertussis außerdem bei Kinderwunsch oder bei Familienangehörigen von Schwangeren und Neugeborenen.

Ein erhöhtes Infektionsrisiko für Masern, Mumps und Röteln speziell für Hebammen war im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung bislang nicht bekannt. Denn ihre Klientel der Mütter war bereits zum größten Teil immun und die neugeborenen Kinder bringen im Allgemeinen noch keine Exposition mit. Es ging bisher also primär um den Schutz der Neugeborenen (Drittschutz, altruistische Motivation) und erst sekundär um Arbeitnehmerschutzaspekte (egoistische Motivation). Nun droht infolge lückenhafter Masernimpfungen der Kinder und Jugendlichen in Deutschland ein neuer Trend: Masern sind heute nicht mehr ausschließlich eine Kinderkrankheit. Sie treten immer öfter auch bei jungen Erwachsenen auf. Deshalb sollten auch Hebammen ihren Immunschutz überprüfen lassen: Sicher ist sicher. Eine durchgemachte Erkrankung schützt vor einer neuerlichen Erkrankung. Windpockenerkrankungen sind für die meisten gut erinnerlich und werden nicht mit anderen Erkrankungen verwechselt. 95 bis 97 Prozent der erwachsenen Frauen haben Windpocken durchgemacht und damit einen lebenslangen Immunschutz erworben. Nur wenn die Erinnerung unsicher ist, lohnt sich eine Blutuntersuchung zur Antikörperbestimmung. Vom Ergebnis wird die Indikation zur Windpockenimpfung abhängig gemacht. Dagegen sind jedoch 50 Prozent der mündlichen Angaben zu durchgemachten Masern-, Mumps- oder Rötelnerkrankungen falsch und Titerbestimmungen nicht immer verlässlich. Wer jedoch zweimal eine Kombinationsspritze gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) erhält, kann davon ausgehen, dass ein besserer Schutz gegen Röteln und Masern vorhanden ist. Der Schutz vor Mumps ist wesentlich unsicherer, abhängig von den verabreichten Impfstoffen. Grundlage für die Impfentscheidung sind Empfehlungen des Robert Koch-Instituts (RKI) und länderspezifische Regelungen.

Für Röteln bestehen seit dem 29. März 2013 zusätzliche Meldepflichten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG): An das zuständige Gesundheitsamt sind der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an Röteln, einschließlich der konnatalen Röteln, namentlich zu melden. Bei den gemeldeten, sehr selten gewordenen Rötelnembryopathien der letzten Jahre wurde am RKI geprüft, ob die Mutter vorher geimpft war: Man geht heute davon aus, dass nach einer zweimaligen Rötelnimpfung der Mutter keine Rötelnembryopathien mehr bei den Kindern auftreten (vgl. www.rki.de).

Verträglichkeit und Impfabstände

Moderne Impfstoffe sind hoch gereinigt und enthalten zumeist nur einzelne Bestandteile der Erreger. Tatsächlich muss sich das Immunsystem tagtäglich mit einer vielfach höheren Menge von körperfremden Stoffen auseinandersetzen als bei Impfungen. Auch gibt es keine Hinweise, dass Mehrfachimpfstoffe das Abwehrsystem überlasten würden. Unter dem Strich jedoch kann die Zahl der erforderlichen Spritzen und der enthaltenen Konservierungsstoffe durch Mehrfachimpfstoffe deutlich reduziert werden. Zwischen einzelnen Lebendimpfungen (MMR, Gelbfieber) müssen mindestens vier Wochen liegen. Für Totimpfstoffe gibt es keine derartigen Empfehlungen. Die Fristen für die Teilimpfungen einer Grundimmunisierung sollten auf keinen Fall unterschritten werden, da ansonsten der langfristige Impf­erfolg deutlich in Frage gestellt werden muss. Dagegen stellt eine Überschreitung kein Problem dar. Hier gilt die Regel: Im Leben zählt jede Impfung! Weitere Informationen dazu und Antworten auf häufig gestellte Fragen finden sich auf der Internetseite des Robert Koch-Instituts unter www.rki.de.

Immer freiwillig

In Deutschland gibt es keine Impfpflicht, sondern nur Impfempfehlungen. Eine Impfung ist auch im beruflichen Kontext immer freiwillig. Wer betriebliche Impfangebote ablehnt, verliert dadurch nicht seinen gesetzlichen Unfallversicherungsschutz. Und wer sich zum Beispiel mit Hepatitis B infiziert, verliert nur in Ausnahmefällen dauerhaft die Eignung zum Ausüben eines Gesundheitsberufs. Zum Beispiel könnte eine Infektionsgefährdung für PatientInnen entstehen, wenn es bei operativen Tätigkeiten zur Verletzung des Chirurgen kommt und infektiöses Blut übertragen wird. Deshalb wird auch PatientInnen eine Hepatitis B-Impfung vor größeren chirurgischen Eingriffen empfohlen.

Allerdings können schwere Verlaufsformen der Erkrankung Hebammen dazu zwingen, ihren Beruf aufzugeben. Deshalb gibt es für die meisten Impfungen sowohl gute altruistische als auch egoistische Gründe.

Zuständig für das Aussprechen „öffentlicher Empfehlungen für Schutzimpfungen” sind nach § 20 Abs. 3 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) die obersten Gesundheitsbehörden der Länder. Deshalb können die einzelnen Bundesländer unterschiedliche Empfehlungen aussprechen. Die Behörden stützen sich dabei auf die jährlich aktualisierten Impfempfehlungen der beim RKI angesiedelten Ständigen Impfkommission (STIKO). Die wiederum äußert sich sowohl zum Basisimpfschutz für alle Bevölkerungsgruppen als auch zu speziellen Indikationsimpfungen. In die Rubrik „beruflich indiziert” gehen sowohl Aspekte des Arbeitsschutzes als auch des Drittschutzes ein. Das ist für die Ermittlung des Kostenträgers für die jeweilige Impfleistung und im Falle von Impfkomplikationen wichtig. Daneben gibt es international abgestimmte Ziele wie zum Beispiel die Programme zur Eliminierung von Polio und Masern der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Sie beeinflussen auch die nationalen Empfehlungen.

Wer zahlt?

Welche der öffentlich empfohlenen Impfungen aus der Liste der STIKO bei welcher Indikation die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen müssen, legt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) als höchstes Gremium der Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen nach Kosten-Nutzen-Aspekten fest.

Welche Impfungen vom Arbeitgeber zu bezahlen sind, ergibt sich aus der betrieblichen Gefährdungsbeurteilung und einem Blick in den Anhang der Arbeitsmedizinischen Vorsorgeverordnung (ArbMedVV). Der Arbeitgeber muss bei einer beruflichen Infektionsgefährdung, die über die der Allgemeinbevölkerung hinausgeht, eine betriebsärztliche Beratung und gegebenenfalls Impfung vorhalten. Für angestellte Hebammen, die Schwangere untersuchen und Geburten betreuen, begründet die Infektionsgefährdung gegen Hepatitis B auf alle Fälle eine arbeitsmedizinische Pflichtvorsorge. Sie ist als Erstberatung Tätigkeitsvoraussetzung und muss über den Betriebsarzt regelmäßig wiederholt werden, solange keine Immunität besteht.

Zitiervorlage
Stranzinger J: Impfungen für Hebammen: Eine Empfehlung, keine Pflicht. DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 2014. 66 (7): 39–41
Literatur

CDC Guidance for Evaluating Health-Care Personnel for Hepatitis B Virus Protection and for Administering Postexposure Management. MMR. 62: 1-19 (2013)

Poethko-Müller, C.; Zimmermann, R. et al.: Die Seroepidemiologie der Hepatitis A, B und C in Deutschland. Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz- 5/6: 707–715 (2013)

Robert Koch-Institut (RKI): Epidemiologisches Bulletin 34 (2013)

Robert Koch-Institut (RKI): Epidemiologisches Bulletin 36/37 (2013)

https://staudeverlag.de/wp-content/themes/dhz/assets/img/no-photo.png