Kein Nestschutz bei Keuchhusten
Der Impfkalender der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut sieht bei allen gebärfähigen Frauen nach vollständiger Grundimmunisierung alle zehn Jahre eine Auffrischung der Impfung gegen Tetanus, Diphtherie und Pertussis (Keuchhusten) vor. Die Pertussiskomponente ist dabei besonders wichtig, weil immer mehr Erwachsene an Pertussis erkranken und dann Neugeborene infizieren. Für Pertussis gibt es nämlich keinen Nestschutz. Deshalb sollten alle möglichen Kontaktpersonen von Neugeborenen bis spätestens vier Wochen vor der Geburt gegen Pertussis geimpft werden. Eine Pertussiserkrankung hinterlässt wie eine Pertussisimpfung nur einen Schutz von etwa acht bis zehn Jahren. Mit einem Totimpfstoff wäre die Impfung auch in der Schwangerschaft unbedenklich. Sie wird aber bei ungeschützten Schwangeren nach STIKO-Empfehlung erst direkt postpartal verabreicht.
Dass längst verschwundene Erkrankungen wieder bedrohlich werden können, zeigte 2013 das Wiederauftreten von Kinderlähmung (Poliomyelitis) in Somalia und Syrien. Es veranlasste die STIKO dazu, nochmals den vollständigen Schutz aller BürgerInnen in Deutschland anzumahnen. Für die Auffrischung gibt es sehr gute Vierfach-Impfstoffe, die neben Tetanus, Diphtherie und Pertussis auch einen zehnjährigen Schutz vor Poliomyelitis bieten.
Masern, Mumps und Röteln
Die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angestrebte Masernausrottung in Europa ist bislang an Ländern wie Deutschland gescheitert. Hier erkranken und sterben Kinder an Masern, weil immer noch Eltern ihre Kinder nicht impfen lassen. Das Robert Koch-Institut (RKI) meldete für 2013 fast 1.800 Erkrankungsfälle, nachdem im Jahr zuvor nur noch 167 Fälle auftraten. Seit 2003 gab es in Deutschland insgesamt 18 Fälle von subakuter sklerosierender Panenzephalitis (SSPE) – einer tödlichen Spätfolge der Masern. Darunter waren sechs Fälle aus Nordrhein-Westfalen. 17 dieser Kinder waren im Säuglingsalter an Masern erkrankt.
Neugeborene verlieren im Laufe des ersten Lebensjahres zunehmend den Nestschutz und sind damit infektionsgefährdet. Doch erst mit Beginn des zweiten Lebensjahres können sie dagegen geimpft werden. Vorher würden möglicherweise noch vorhandene Leihantikörper die Vermehrungsfähigkeit der abgeschwächten Viren im Lebendimpfstoff hemmen und damit die Impfwirkung abschwächen. Deshalb ist es so wichtig, dass sich masernempfängliche Kontaktpersonen von Neugeborenen gegen Masern impfen lassen.
Um die Masern bis 2015 auszurotten, gilt die neue Empfehlung der STIKO: Alle nach 1970 Geborenen, die nicht oder nur einmal gegen Masern geimpft wurden, sollen sich noch einmal dagegen impfen lassen. Ältere Personen sind meistens durch Masernerkrankung geschützt. Die geringe Zahl der eventuell noch masernempfänglichen Personen spielt eine zu geringe Rolle bei möglichen Neugeborenen-Infektionen, als dass man auch die Älteren nochmals impft.
Rötelnantikörper werden heute nur noch zu Beginn der Schwangerschaft überprüft, wenn im Impfausweis keine Dokumentation von zwei Rötelnimpfungen zu finden ist, die als Immunitätsbeweis gegen Röteln gelten. Dank einer konsequenten Impfung gegen Röteln sind Rötelnembryopathien in den letzten Jahren nicht mehr aufgetreten. Wenn fehlende Rötelnimpfungen nicht bereits vor der Schwangerschaft nachgeholt wurden, sollten diese im Wochenbett nachgeholt werden. Geimpft wird ausnahmslos mit einem kombinierten Lebendimpfstoff gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR-Impfstoff). Dieser enthält vermehrungsfähige, nicht mehr krank machende abgeschwächte Viren. Aus theoretischen Überlegungen wird immer noch zu einem Abstand von vier Wochen zwischen Impfung und Schwangerschaftseintritt geraten. Käme es zu einem früheren Eintritt einer Schwangerschaft oder bestünde bereits eine Frühschwangerschaft, wäre das aber kein Grund zur Beunruhigung oder gar zur Erwägung eines Schwangerschaftsabbruchs.
Bei dem MMR-Impfstoff handelt sich um einen Kombinationsimpfstoff gegen drei Erkrankungen, der außerhalb der Schwangerschaft auch dann problemlos verabreicht werden kann, wenn bereits gegen eine oder zwei der Erkrankungen Schutz besteht. In diesem Fall würden die abgeschwächten Viren im Impfstoff durch die bereits vorhandenen Antikörper neutralisiert.
Mumps hat für Ungeborene kein Schädigungspotenzial, jedoch sind bei Schwangeren schwerere und komplikationsreichere Verläufe zu erwarten. Deshalb ist die durch den Kombinationsimpfstoff verbundene Schutzwirkung gegen Mumps durchaus sinnvoll.
Windpocken
Windpocken (Varizellen) können in den ersten 20 Wochen einer Schwangerschaft schwere Embryopathien auslösen. Allerdings sind 96 Prozent der Erwachsenen immun, so dass nur maximal vier von 100 Schwangeren empfänglich sein könnten. Da die Meldepflicht für Varizellen erst seit einem Jahr im IfSG verankert ist, gibt es keine sicheren Zahlen über die Häufigkeit. Durch die generelle Empfehlung der Antikörperkontrolle bei allen Frauen gehen nur noch wenige ohne Schutz in eine Schwangerschaft. Um den Geburtstermin herum sind Varizellen besonders gefährlich und können bei Infektion des Neugeborenen sogar tödlich enden. Deshalb sollte keine Frau ohne Varizellenschutz eine Schwangerschaft planen.
Für Varizellen gilt die Immunität als bewiesen, wenn früher Varizellen-Antikörper nachgewiesen wurden. Jede Frau kann ihren Immunstatus überprüfen lassen – die Kosten übernimmt die Krankenkasse. Auf anamnestische Angaben sollte sie sich aus Sicherheitsgründen nicht verlassen. Ist bei einer Frau keine Immunität nachweisbar, wird sie zweimal gegen Varizellen geimpft. Zwischen den Impfungen sollten mindestens vier Wochen liegen. Auch hierbei handelt es sich um einen Lebendimpfstoff, für den die gleichen Aussagen gelten wie beim MMR-Impfstoff. Bei Schwangeren ist die Anwendung verboten.
Influenza
Der englische Biologe Peter Medawar erhielt für seine Forschung auf dem Gebiet der Immunologie 1960 den Nobelpreis. Er beschrieb „ … das Kind im Mutterleib als toleriertes Transplantat”, zu dessen Erhalt das mütterliche Immunsystem selektiv abgeschwächt reagieren müsse. Infektionskrankheiten verlaufen unter anderem deshalb bei Schwangeren schwerer und mit vermehrten Komplikationen. So verhält es sich auch bei der echten Grippe, der Influenza.
Wegen dieser erhöhten Risiken hat die STIKO 2010 die Schwangeren in die Indikationsliste der gegen Influenza zu impfenden Personengruppen aufgenommen. Alle Schwangeren sollen demnach ab dem zweiten Trimenon gegen Influenza geimpft werden. Bei zusätzlichen chronischen Begleiterkrankungen sollte die Influenzaimpfung gleich nach Feststellung der Schwangerschaft erfolgen – also auch im ersten Trimenon. Das gilt für Frauen, die beispielsweise Leber-, Nieren-, Lungen- oder Herzleiden haben oder an Neurodermitis, neurologischen Erkrankungen, Diabetes und anderen Stoffwechselerkrankungen, aber auch an Adipositas leiden. Frauen, die in der Frühschwangerschaft geimpft werden müssen, sollten wissen, dass eine Impfung auf keinen Fall eine Fehlgeburt auslösen kann (STIKO).
Hepatitis B
Um eine Hepatitis B-Übertragung auf das Neugeborene zu vermeiden, wird bei jeder Schwangeren möglichst nah am Geburtstermin im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge eine Untersuchung des HBsAg durchgeführt. Das größte Übertragungsrisiko besteht beim Neugeborenen, deshalb muss zur Geburt der Infektionsstatus der Mutter bekannt sein. Eine Kontrolle zu Beginn der Schwangerschaft wäre sicherlich sinnvoll, verursacht allerdings Kosten. Infektionen in der Neugeborenenperiode führen zu 90 Prozent zu chronischen Hepatitis-Verläufen. Nur ein genereller Hepatitis B-Schutz bei Frauen mit Kinderwunsch kann dieses Risiko verhindern. Die Impfung wird bis zum 18. Geburtstag von den Krankenkassen bezahlt, danach nur bei bestimmten Indikationen.
Eine vorher begonnene Grundimmunisierung kann in der Schwangerschaft fortgesetzt werden. Sie darf auch in der Schwangerschaft begonnen werden. Mit einmaliger Grundimmunisierung ist ein lebenslanger Schutz gegen Hepatitis B gesichert.
Frühsommer-Meningoencephalitis
Wer in einem Risikogebiet wohnt, sollte sich gegen die Frühsommer-Meningoencephalitis (FSME) impfen lassen, eine durch den Stich infizierter Zecken übertragene komplikationsreiche Erkrankung. Auch bei Reisen in gefährdete Regionen – wie beispielsweise den süddeutschen Raum – kann sich jeder dagegen zu Lasten der Krankenkasse impfen lassen. Auch diese Impfung darf in der Schwangerschaft erfolgen.
Reiseimpfungen
Schwangere sollten auf Reisen in infektionsgefährdete Regionen der Welt möglichst verzichten. Falls diese Reise beruflich notwendig und unaufschiebbar ist, dürfen sie aber nicht auf den erforderlichen Impfschutz verzichten. Alle dann notwendigen Impfungen – auch die Lebendimpfung gegen Gelbfieber – sind ungefährlicher, als sich dem Risiko einer Erkrankung auszusetzen.