COVID-19
Die COVID-19-Impfung wird in der Schwangerschaft mit einem mRNA-Vakzin empfohlen (RKI, 2023). Auch hier gilt die Überlegung nach einer sorgfältigen Risiko-Nutzen-Abwägung, dass die Gefahr einer schweren COVID-19-Erkrankung aufgrund des supprimierten Immunsystems in der Schwangerschaft besonders hoch ist. Grunderkrankungen und Risikofaktoren wie Diabetes oder Adipositas verschlechtern die Prognose zusätzlich. Ebenso kommt es bei SARS-CoV-2-infizierten Schwangeren zu gehäuftem Auftreten von Frühgeburtlichkeit und Präeklampsie (Pashaei et al., 2022).
Außerdem gibt es Fälle einer vertikalen Transmission des SARS-CoV-2 Erregers auf das Neugeborene, das dann schwer an einer COVID-19-Infektion mit Organversagen erkranken kann. Wenige Tage bis Wochen nach der Geburt könnte es auch ein Multisystem-Inflammations-Syndrom (MIS-C) entwickeln mit schweren Gefäßentzündungen und Herzbeteiligung, Hautausschlägen, Schwellungen des lymphatischen Systems, systemischen Entzündungszeichen, Bindehautentzündungen und Magen-Darm-Beteiligungen. Dieses Syndrom wird im deutschen Sprachraum auch als Pädiatrische Inflammations-Multisystem-Erkrankung (PIMS) bezeichnet. Es erinnert an ein Kawasaki-Syndrom mit der Gefahr von Gefäß- und Herzschäden.
Es wird empfohlen, die Grundimmunisierung gegen COVID-19 unabhängig vom Alter mit zwei Teilimpfungen mit dem mRNA-Impfstoff Comirnaty im zweiten Trimenon durchzuführen. Wurde die erste COVID-19-Impfung vor der Schwangerschaft verabreicht, sollte die zweite Impfung erst im zweiten Trimenon erfolgen. Schwangere, die bereits zwei (bei Grunderkrankung: drei) »immunologische Ereignisse« (Impfung oder Infektion) hatten und diese mindestens sechs Monate zurückliegt, sollten eine Auffrischimpfung mit Comirnaty erhalten, wobei bevorzugt ein bivalenter Omikron-angepasster Impfstoff verwendet werden sollte.
Es wurden keine Signale für eine schlechtere Verträglichkeit oder Schwangerschaftskomplikationen gefunden, wie Aborte, Totgeburten, Frühgeburten oder Fehlbildungen. Als positiver Effekt der COVID-19-Impfung in der Schwangerschaft konnte gezeigt werden, dass die Antikörper der Mutter auf den Fetus übertragen werden und dies sogar zu einem »Nestschutz« beim Neugeborenen führt (Badell et al., 2022).
Sonstige Impfungen in der Schwangerschaft
Tetanus und Diphtherie
Gegen Tetanus (Wundstarrkrampf) sollte alle zehn Jahre eine Auffrischimpfung erfolgen. Diese kann auch in der Schwangerschaft erfolgen als Kombinationsimpfung gegen Diphtherie und Pertussis. Das gleiche gilt für die Diphtherie.
Hepatitis A und Hepatitis B
Die Hepatitis-A-Impfung stellt eine Reiseimpfung in Infektionsgebiete dar, wo das Risiko einer fäko-oralen Übertragung hoch ist, zum Beispiel beim Verzehr roher Meeresfrüchte oder rohem, ungeschältem und ungewaschenem Gemüse. Gleiches gilt für beruflichen Kontakt mit Ausscheidungen, zum Beispiel in der Pflege oder Kleinkindererziehung. Eine Impfung ist für Schwangere möglich, wenn sie ein hohes Risiko für eine Ansteckung haben. Hepatitis A kann in der Schwangerschaft aufgrund der natürlichen Immunsuppression schwer bis tödlich verlaufen mit einer Letalität von etwa 20 % der Fälle.
Die Impfung gegen Hepatitis B ist in der Schwangerschaft notwendig, wenn die Schwangere keinen nachgewiesenen Schutz gegen Hepatitis B hat, wobei eine Antikörperkonzentration von über 100 IU/ml notwendig ist. Eine Hepatitis B kann bei der Geburt auf das Kind übertragen werden und zu einer schweren Erkrankung führen. Aus diesem Grund sollten alle Schwangere einen Schutz aufweisen. Bei allen Schwangeren nach der 32. Schwangerschaftswoche, möglichst nahe am Geburtstermin, ist laut Mutterschutzleitlinien das Serum auf das Oberflächenantigen HBs (HBsAg) zu untersuchen, das eine Infektion mit Hepatitis B anzeigt. Ist die Schwangere positiv für HBs, dann ist beim Neugeborenen unmittelbar nach der Geburt, das heißt innerhalb von zwölf Stunden mit der Immunisierung gegen Hepatitis B zu beginnen.
Das Neugeborene erhält dabei simultan die erste Dosis des Hepatitis-B-Impfstoffes als aktive und Immunglobuline (= Antikörper) gegen Hepatitis B als passive Immunisierung. Einen Monat nach der ersten Impfung erhält der Säugling eine zweite Impfung und frühestens nach fünf Monaten nach der zweiten Impfung eine dritte Impfung (vollständige Grundimmunisierung gegen Hepatitis B). Ist der HBsAg-Status der Mutter unbekannt, wird auf Grund der eher niedrigen Häufigkeit von Hepatitis B in Deutschland empfohlen, direkt nach der Geburt dem Neugeborenen vorerst eine erste Dosis des Hepatitis B Impfstoffes zu verabreichen und die Mutter gleichzeitig auf das HBsAg zu testen.
Immunglobuline gegen Hepatitis B muss das Neugeborene nur erhalten, falls die Mutter positiv für HBsAg ist. Hierbei sollten die Immunglobuline möglichst innerhalb von 48 Stunden und maximal sieben Tage nach der Geburt verabreicht werden.
Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME)
Die FSME-Impfung, auch als Zecken-Impfung bezeichnet, ist empfohlen bei Aufenthalten in Risikogebieten, wozu auch große Teile von Süd- und Mitteldeutschland gehören. Die Auffrischung erfolgt nach der Grundimmunisierung mit drei Teilimpfungen zunächst nach drei Jahren beziehungsweise 12–18 Monaten abhängig vom Impfstoff, danach alle fünf Jahre. Ab 60 Jahren alle drei Jahre. Die FSME-Impfung ist bei einem hohen Risiko auch in der Schwangerschaft möglich, da es sich um einen Totimpfstoff mit inaktivierten Erregern handelt.
Poliomyelitis (Kinderlähmung)
Da die Poliomyelitis aufgrund von Migrationsbewegungen, in Krisengebieten, bei nachlassender Impfrate und schlechten Hygienebedingungen wieder im Vormarsch ist, sollte an eine Auffrischimpfung alle zehn Jahre gedacht werden. Als Totimpfstoff ist der Poliomyelitis-Impfstoff bei Schwangeren unbedenklich. Er sollte bei dringender Notwendigkeit geimpft werden, wenn zum Beispiel eine ungeimpfte Schwangeren in Risikogebiete reisen will oder Kontakt zu Personen aus Risikogebieten hat.
Meningokokken
Die Impfung gegen Meningokokken der Serogruppen A, C, W135 und Y sollte erfolgen, wenn die Schwangere eine Reise in ein Risikogebiet plant.
Pneumokokken
Die Pneumokokken-Impfung ist allen Personen empfohlen, die an bestimmten chronischen Erkrankungen oder einer Immunschwäche leiden. Sequentiell erfolgt sie zunächst mit einem Konjugatimpfstoff und anschließend mit einer Serotypen-Erweiterung mit einem Polysaccharid-Impfstoff. Der Konjugatimpfstoff bedient den immunologischen Trick, dass durch die Bindung der Pneumokokken-Serotypen-spezifischen Zuckerketten (Polysaccharide) an ein Einweißmolekül die T-Zell-Hilfe mit angeschaltet wird und die B-Zellen unterstützt, ein Immungedächtnis aufzubauen und Antikörper zu produzieren. Es ist sinnvoll, die Pneumokokken-Impfung vor der Schwangerschaft zu komplettieren, prinzipiell ist aber eine Impfung in der Schwangerschaft nach sorgfältiger Risiko-Nutzen-Abwägung möglich.
Tollwut
Eine Tollwut-Impfung ist mit dem inaktivierten Totimpfstoff auch in der Schwangerschaft möglich und sollte bei erhöhter Gefährdung – beruflich oder durch Reisen in Risikogebiete – durchgeführt werden mit drei Teilimpfungen. Bei einem Kontakt mit einem tollwutkranken Tier oder wenn eine Tollwut nicht sicher ausgeschlossen werden kann, müssen sofort die Maßnahmen nach WHO-Schema mit passiver und aktiver Immunisierung eingeleitet werden, da die Erkrankung sonst immer tödlich verläuft.
Typhus und Cholera
Wenn eine Reise in ein Typhus-Risikogebiet unumgänglich ist, kann auch in der Schwangerschaft mit dem Totimpfstoff geimpft werden. Gleiches gilt für die Impfung gegen Cholera, wobei auch hier der Totimpfstoff verimpft werden sollte.
Humane Papillomviren (HPV)
Bei der HPV-Impfung handelt es sich um einen Totimpfstoff aus Virus-ähnlichen Partikeln, die keine Erbinformation des Virus enthalten und das Immunsystem optimal anregen. Auch wenn der HPV-Impfstoff aus theoretischen Überlegungen für Schwangere unbedenklich ist, sollte dennoch eine vor der Schwangerschaft begonnene Impfserie unterbrochen werden.
Japanische Enzephalitis
Die Impfung gegen die Japanische Enzephalitis stellt eine Reiseimpfung dar, für die Erfahrungen in der Schwangerschaft noch fehlen. Es handelt sich um einen Totimpfstoff, weshalb eine Impfung möglich ist, aber nur bei unumgänglicher Reise und Aufenthalt im Risikogebiet nach sorgfältiger Risiko-Nutzen-Abwägung gegeben werden sollte.
Kontraindizierte Impfungen in der Schwangerschaft
Lebendimpfstoffe gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen
Impfungen mit attenuierten Lebendimpfstoffen (zum Beispiel gegen Mumps, Masern, Röteln oder Varizellen) sind in der Schwangerschaft aus theoretischen Überlegungen kontraindiziert. Da man davon ausgeht, dass das Immunsystem der Schwangeren supprimiert ist und insbesondere auf virale Erreger weniger effizient reagieren kann. Dabei könnte theoretisch der abgeschwächte Lebendimpfstoff-Virusstamm sich zu stark vermehren, sodass es zu einer disseminierten Erkrankung kommt. Normalerweise sind attenuierte Lebendimpfstofferreger so weit abgeschwächt, dass sie sich zwar vermehren können, aber die geimpfte Person nicht mehr krank machen. Sie sind normalerweise ideale Impfstoffe, da sie der natürlichen Infektion ähneln und somit zu einer optimalen Antikörper- und zellulären Immunantwort führen. Aus dieser Überlegung heraus sollten Impfserien mit Lebendimpfstoffen unbedingt vor der Schwangerschaft abgeschlossen werden.
Nach der Impfung mit einem Lebendimpfstoff sollte für mindestens einen Monat eine Schwangerschaft vermieden werden. Allerdings hat es sich gezeigt, dass versehentliche Impfungen mit einem Lebendimpfstoff in der Schwangerschaft nicht zu Embryofetopathien oder einer erhöhten Abortrate oder Frühgeburtlichkeit führen. Eine versehentliche Impfung mit einem Lebendimpfstoff stellt somit keine Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch dar.
Gelbfieber
Eine klare Kontraindikation besteht in der Schwangerschaft gegen die Impfung mit Gelbfieber. Bei der Gelbfieber-Impfung handelt es sich um eine attenuierte Lebendimpfung, die ein stark replikationsfähiges Gelbfieber-Virus enthält. Durch das schwächere Immunsystem der Schwangeren kann es zu einer schweren disseminierten Erkrankung nach Impfung gegen Gelbfieber kommen. Schwangere, die keinen Immunschutz gegen Gelbfieber durch eine vorangegangene Impfung haben, sollten Risikogebiete für Gelbfieber meiden. Bei einer dringenden Reise in ein Risikogebiet mit Gelbfieber-Impfpflicht kann eine Impfbefreiung (Exemption Certificate, in englischer oder französischer Sprache) ärztlich attestiert werden oder nach sorgfältiger Risiko-Nutzen-Abwägung trotzdem gegen Gelbfieber geimpft werden.
Impfungen bei Stillenden
Stillende Mütter, die immungesund sind, die also keine Immunsuppression erhalten oder einen Immundefekt haben, können mit Ausnahme der Gelbfieber-Impfung alle Impfungen erhalten. Unter Immunsuppression oder bei bestimmten Immundefekten gelten die Regeln zum Impfen bei pharmakologisch relevanter Immunsuppression oder Immunodefizienz (Wagner et al. 2019). Besonders in der Stillzeit ist es wichtig, an Auffrischimpfungen und Nachholimpfungen zu denken. Gynäkologische Nachsorgeuntersuchungen eignen sich besonders gut, um etwaige Impflücken zu schließen. Wenn nicht bereits in der Schwangerschaft erfolgt, sollte die Pertussis-Impfung in den ersten Tagen nach der Geburt nachgeholt werden. Mütter ohne dokumentierte Impfung gegen Röteln oder in der Schwangerschaft seronegativ für Röteln getestete Frauen, sollten zwei Mumps-Masern-Röteln-Impfungen bereits im Wochenbett mit einem Abstand von vier Wochen zwischen den Teilimpfungen bekommen.
Die STIKO empfiehlt allen ungeimpften Stillenden die Grundimmunisierung mit einem mRNA-Impfstoff gegen COVID-19 (RKI, 2023), sowie eine Auffrischimpfung mit einem Omikron-angepassten Impfstoff in der Stillzeit. Stillende über 30 Jahre können alternativ zu Comirnaty auch mit Spikevax geimpft werden. Ein IgG-Antikörpertransfer konnte in die Muttermilch belegt werden, wobei die Antikörperspiegel am höchsten ein bis zwei Wochen nach der Verabreichung der zweiten COVID-19-Impfstoffdosis sind. Die schützende Wirkung dieser Antikörper auf den Säugling ist nicht belegt, aber theoretisch zu erwarten.
Es gibt wenige Studien zur Sicherheit der COVID-19 mRNA-Impfung bei Stillenden, die bisherigen Studien zeigen jedoch keine Häufung von unerwünschten Nebenwirkungen. Die Übertragung von minimalen Mengen von mRNA wurde gezeigt, aber es ist davon auszugehen, dass die in der Muttermilch und im Magen-Darm-Trakt des Kindes vorkommenden Ribonukleasen (Nukleasen, die RNA-Moleküle spezifisch abbauen) die mRNA des Impfstoffes sehr schnell abbauen.
Maternale Impfung gegen Respiratorisches Synzytial-Virus (RSV)
Erkrankungen mit Respiratorischem Synzytial-Virus (RSV) verlaufen im jungen Säuglingsalter und insbesondere bei Risikopatient:innen, wie Frühgeborenen, Kindern mit niedrigem Geburtsgewicht oder Säuglingen mit kardialen, pulmonalen oder neurologischen Grunderkrankungen, oftmals sehr schwer. Eine interessante Zielstruktur für neutralisierende Antikörper ist das Fusionsprotein (F-Protein), das das Verschmelzen des Virus mit der Zielzelle vermittelt und bei der Synzytien-Bildung und der damit assoziierten massiven Entzündungsreaktion beteiligt ist. Das F-Protein liegt in zwei Konformationsformen vor, der Prä- und der Post-F-Konformation.
Aktuell sind zwei Präparate mit monoklonalen Antikörpern gegen das Prä-F-Protein bei Säuglingen zugelassen, Pavalizumab und Nirsevimab, wobei letztere Anwendung sich durch eine langanhaltende Wirksamkeit gegen RSV-Erkrankungen in der ersten RSV-Saison auszeichnet. Derzeit in Entwicklung – bereits in Phase 2- und 3-Studien und in Zulassung – sind Konzepte zur maternalen Impfung von Schwangeren, um einen »Nestschutz« gegen RSV bei den Säuglingen zu erreichen.