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Zunächst ein positives Ergebnis: Die Erreichbarkeit von Geburtskliniken ist in Deutschland nach wie vor überwiegend sehr gut. Fast alle Mütter konnten in dem Krankenhaus ihr Kind zur Welt bringen, das sie ausgewählt hatten. Sie zeigten außerdem eine sehr hohe Zufriedenheit mit der dortigen Hebammenbetreuung.
Diese aus Müttersicht insgesamt sehr gute Betreuungssituation bedeutete allerdings für Hebammen teilweise eine übermäßige Arbeitsbelastung. Im Durchschnitt aller Klinikstandorte lässt sich zwar keine Überlastung feststellen, aber es gibt größere Abweichungen in beide Richtungen. Überlastungssituationen betrafen vor allem Geburtshilfezentren und Geburtskliniken in größeren Städten. Sie äußerten sich in zeitweise deutlich schlechteren zahlenmäßigen Betreuungsverhältnissen zwischen Hebammen und Schwangeren beziehungsweise Gebärenden sowie in stellenweisen Aufnahmestopps von Kreißsälen. Solche Kapazitätsengpässe traten zwar nicht flächendeckend auf, waren aber auch keine seltenen Einzelfälle.
Ursache dieser Überlastungssituationen ist, dass in einem Teil der Geburtskliniken die verfügbaren Arbeitskapazitäten der Hebammen nicht (mehr) ausreichten, um in Phasen mit überdurchschnittlicher Inanspruchnahme der stationären Geburtshilfe den üblichen Versorgungsstandard aufrechtzuerhalten beziehungsweise Belastungsspitzen abzufangen.
Zwar hat die Zahl der Hebammen in den Geburtskliniken in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Diese Zunahme konnte aber den außergewöhnlich starken Geburtenanstieg vor allem in den Jahren 2014 bis 2016 nicht ausgleichen. Die Geburtenzahlen waren bis 2020 insgesamt wieder rückläufig, lagen zuletzt aber immer noch um knapp 17 % (etwa 110.000 Geburten) über ihrem Tiefpunkt im Jahr 2011. Hinzu kommt, dass ein hoher und weiterhin zunehmender Anteil der Hebammen in den Kliniken nur in Teilzeit oder geringfügig beschäftigt ist (zuletzt rund 73 %). Hauptgrund hierfür ist die hohe Arbeitsbelastung.
Eine weitere Form der Verknappung der Arbeitskapazität von Hebammen ist der relativ hohe Anteil ihrer Arbeitszeit, der nicht auf die eigentliche Hebammenhilfe im Kreißsaal und damit ihre Kernkompetenz entfällt, sondern auf andere, teilweise fachfremde Tätigkeiten, unter anderem Reinigung, Hol- und Bringdienste sowie Verwaltungsaufgaben.
Aus den Befragungen ergaben sich keine Anzeichen für eine Entspannung: Mehr als 40 % der Hebammen erwogen ernsthaft eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit, mehr als ein Viertel sogar eine vollständige Aufgabe ihrer Tätigkeit. Gleichzeitig rechneten 70 % der Geburtskliniken mit einem steigenden Hebammenbedarf, wobei 57 % der Kliniken schon aktuell unbesetzte Hebammenstellen hatten.
Das IGES Institut kam in seiner Studie zu drei wesentlichen Empfehlungen, um die Situation in der stationären Hebammenversorgung zu verbessern:
Diese Empfehlungen aus dem Gutachten hat die Bundesregierung aufgegriffen: So wurde im Rahmen des Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetzes (GPVG) ein Hebammenstellen-Förderprogramm für die Jahre 2021 bis 2023 mit einem Gesamtvolumen in Höhe von insgesamt rund 300 Mio. Euro beschlossen. Mit diesem Förderprogramm gemäß § 4 Abs. 10 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) wird die Neueinstellung oder Aufstockung von vorhandenen Teilzeitstellen für festangestellte Hebammen bis zur Höhe der Kosten für 0,5 Vollzeitstellen pro 500 Geburten in einem Krankenhaus oder für Hebammen unterstützendes Fachpersonal finanziell gefördert.
Ziel ist eine Verbesserung der Betreuungsrelation von Hebammen zu Schwangeren, die »im Regelfall bei 1:2 und unter optimalen Bedingungen bei 1:1 liegen soll« (Bundestags-Drucksache 19/23483). Die Förderung darf nur für neue zusätzliche Stellenkapazitäten zu tariflichen Löhnen genutzt werden. Ein Fokus der Förderung auf Kliniken mit besonders hoher Auslastung erfolgte – anders als empfohlen – hingegen nicht.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) geht nach eigenen Angaben davon aus, dass mit dem Förderprogramm rund 600 zusätzliche Hebammenstellen und bis zu 1.750 Stellen für unterstützendes Fachpersonal geschaffen werden könnten. Daran bestehen allerdings Zweifel, denn gegenwärtig gibt es freie Hebammenstellen, die zu üblichen Löhnen nicht besetzt werden können, worauf Verbände im Gesetzgebungsverfahren hinwiesen. Zur Umsetzung und Wirkung des Förderprogramms ist bisher nur wenig bekannt, erst nach Ablauf des Förderzeitraums wird ein Evaluationsbericht durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-SV) erstellt.
Die für die Krankenhausversorgung vorrangig zuständigen Bundesländer sehen die Verantwortlichkeit primär beim Bund. Dezidierte Förderprogramme für die klinische Hebammenversorgung und Geburtshilfe sind auf Landesebene daher eher selten: So wurde etwa in Nordrhein-Westfalen 2021 mit der Förderung von Hebammenkreißsälen in Krankenhäusern begonnen. Im Freistaat Bayern startete schon 2018 ein Programm zur finanziellen Förderung von defizitären, versorgungsnotwendigen Geburtskliniken.
Auf kommunaler Ebene erfolgt eine indirekte Förderung von defizitären (Geburts-)Kliniken in kommunaler Trägerschaft insbesondere durch eine (teilweise) Übernahme der Defizite durch die Kommunen. Direkte Förderprogramme wie in Dresden sind wohl selten: Dort erhalten freiberuflich tätige Hebammen neben Zuschüssen für ihre außerklinische Tätigkeit einen Zuschuss in Höhe von 200 Euro für jede begleitete Beleggeburt.
Im aktuellen Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP finden sich nun mehrere Ansätze zur Verbesserung der klinischen Hebammenversorgung, welche die Kritik am Hebammenstellen-Förderprogramm aufgreifen: So soll ein Personalschlüssel für eine Eins-zu-eins-Betreuung durch Hebammen während wesentlicher Phasen der Geburt eingeführt werden. Der Ausbau hebammengeleiteter Kreißsäle soll gestärkt und eine bedarfsgerechte auskömmliche Finanzierung der Geburtshilfe in Krankenhäusern kurzfristig sichergestellt werden. Mittelfristig soll die Krankenhausfinanzierung weiterentwickelt und insbesondere um ein nach Versorgungsstufen differenziertes System erlösunabhängiger Vorhaltepauschalen ergänzt werden. Die Geburtshilfe soll auskömmlich finanziert werden. Damit werden die Schlussfolgerungen der IGES-Studie nur teilweise adressiert.