Erinnerung an einen glückliche und dankbare Zeit: Seija, Kai Mikael und Gunnar Mattsson Foto: © privat

Der finnische Autor Gunnar Mattsson schrieb 1965, wie er sich in die Krankenschwester Seija verliebte, die an einem Hodgkin-Lymphom litt und unbedingt ein Kind bekommen wollte. Mit seinem Buch »Die Prinzessin« wollte er anderen Krebskranken Mut machen, was auch gelang: Es wurde ein Welterfolg. Gunnars und Seijas gemeinsamer Sohn erinnert sich an seine Eltern. 

Gunnar traf Seija im Jahr 1964. Er hatte gerade ein Buch veröffentlicht, das auf großes Interesse und Lob stieß. Bei einer Tanzfeier von Student:innen forderte Gunnar die frischgebackene Krankenschwester zum Walzer auf und begann mit den Worten: »Hast du heute Abend irgendwelche Prinzen getroffen?« »Nein«, antwortete Seija, als sie plötzlich losstürmte und sich übergab und ihn allein auf der Tanzfläche stehen ließ. So lernten sie sich kennen.

Seija litt am Hodgkin-Lymphom, damals noch Morbus Hodgkin genannt, mit einer damals sehr schlechten Überlebensprognose. Neben Übelkeit und starken Schmerzen litt sie unter unerträglichem Juckreiz, der sie dazu brachte, sich so sehr zu kratzen, dass sie am ganzen Körper Wunden hatte. Oft beschloss Gunnar, sie nicht mehr zu besuchen. »Ich wollte kein Mädchen kennen lernen, das auf der Tanzfläche kotzte und nicht einmal wirkliches Interesse an Gunnar Mattsson zeigte.«

Dennoch wuchs seine Zuneigung zu ihr. Seija bemerkte nach endlosen Tagen des Juckens und der Schmerzen kleine Verbesserungen ihres Zustands durch die Therapie im Krankenhaus und konnte die Welt allmählich in einem positiveren Licht sehen. Schließlich erkannten Gunnar und Seija, dass es sinnlos war, es zu leugnen: Sie waren verliebt.

Schwanger gegen den ärztlichen Rat

Zwischen ihren Krebsbehandlungen fühlte sich Seija gelegentlich besser und ihre Lebensfreude wuchs. Sie hatte den großen Wunsch zu leben – und Kinder zu bekommen. Natürlich wusste sie, dass sie kein Kind bekommen sollte, wenn sie nicht lange genug leben würde, um es zu versorgen. Und ihre Ärzte hatten ihr auch strikt verboten, schwanger zu werden.

Seija und Gunnar heirateten im Dezember 1964. Gunnar bemerkte, dass es Seija besser ging. Sie war fröhlicher, begann zu scherzen, hatte einen guten Appetit und ständig Lust auf Süßigkeiten. Die Symptome waren eindeutig, Seija war schwanger.

Sofort setzte sie ihre Medikamente ab, da sie zu stark für einen Fetus waren, so Seija. Es wurden neue Krebsgeschwüre gefunden, aber sie weigerte sich, sich einer Strahlenbehandlung zu unterziehen. Sie wusste, dass die Bestrahlung dem Kind schaden könnte, und sie war fest entschlossen, es zur Welt zu bringen.

(K)ein Wunder …

Ich wurde am 4. Juni 1965 geboren und erhielt den Namen Kai Mikael. Und ich war völlig gesund.

Als Seija nach der Geburt geröntgt wurde, waren die Ärzte verwirrt. Zuvor waren in ihrer Lunge Krebsknoten entdeckt worden, aber jetzt war sie völlig gesund. Seija erklärte mehrmals, dass die psychologischen Auswirkungen der Schwangerschaft und ihre Lebensfreude für ihre Genesung wichtig waren. Aber sie betonte immer wieder, dass es die Medikamente und die Strahlentherapie waren, die ihr das Leben ermöglichten, und nicht etwa ein Wunder.

Von Tag zu Tag wurde Seija stärker und ihre Freude über ihren Sohn kannte keine Grenzen.

Gunnar war nicht nur Autor, sondern auch Journalist bei Hufvudstadsbladet, einer schwedischen Tageszeitung in Helsinki. Er erkannte bald, dass ihre Liebesgeschichte erzählenswert war und anderen Krebspatient:innen Hoffnung geben könnte.

Im Sommer 1965 mieteten sie eine Villa in den Schären von Borgå. Während Seija sich in der nordischen Sonne sonnte und ich in meinem Kinderwagen neben ihr lag, schleppte Gunnar seine Schreibmaschine an den Strand, um zu schreiben. Während der langen hellen Sommertage schrieb Gunnar »Prinsessan« (deutsch: »Die Prinzessin – ein Bericht«). Das Buch sollte unser aller Leben verändern. Es gibt einen Film über unser Strandleben im Sommer 1965. Es war ein glücklicher Sommer! Im Buch klingt am Ende der Wunsch an, dass es nun ein weiteres Kind geben könnte. Ich blieb aber das einzige Kind, vermutlich weil sie es so für besser befanden.

»Die Prinzessin«

»Die Prinzessin« war ein großer Erfolg. Nicht nur in Finnland, sondern auch international, es wurde in 29 Sprachen veröffentlicht. Später wurde es auch verfilmt. Nach dem Erfolg ließ sich Gunnar von der Zeitung beurlauben, um hauptberuflich als Schriftsteller zu arbeiten.

Sie kauften ein großes Haus außerhalb von Helsinki und verbrachten die Sommer oft auf einer schönen Insel im finnischen Archipel. Eine Zeit lang lebten sie auch in Marbella, Spanien, wo einer der Nachbarn Sean Connery war. Es wird erzählt, dass Connerys Fahrer eines Tages vorbeikam, als Gunnar im Ausland unterwegs war, um Seija zum Essen mit dem Filmstar einzuladen. Seija lehnte Connerys Einladung ab, sagte uns aber später, dass sie es bereue.

Sein Erfolg als Schriftsteller und vor allem der Erfolg von »Die Prinzessin« stürzten Gunnar 15 Jahre lang in einen starken Alkoholrausch. In den 1980er Jahren wurden die Alkoholprobleme immer gravierender. Insgesamt schrieb Gunnar zehn Bücher. Sein letztes Werk mit dem schlichten Titel »Gunnar« wurde 1987 veröffentlicht. Es ist eine Autobiografie über seinen Kampf mit dem Alkoholismus.

Darin öffnet er die Augen für den Kampf der Alkoholabhängigen und macht sich viele Gedanken darüber, was hinter der Krankheit stecken könnte. Der Erfolg des Buches gab ihm Auftrieb, und er vertrat Finnland sogar bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften der Masters in Australien, wo er den fünften Platz im Diskuswurf belegte. Gunnar schließt mit einem offenen Ende. »Es ist nicht so einfach, wie Sie vielleicht denken, die Sucht zu besiegen«. Das Wissen, dass seine Alkohol­dämonen immer lauerten, vielleicht schon hinter der nächsten Ecke, bedeutete, dass er das Buch nicht mit einem abschließenden Punkt beenden konnte. Am 9. August 1989 beging Gunnar in seiner Wohnung Selbstmord, wie sein Vorbild, der Schriftsteller Ernest Hemingway. Er war erst 52 Jahre alt.

Neue Liebe

Nach Gunnars Tod fand Seija eine neue Liebe: zu Ole Tungesvik, einem norwegischen Lehrer und Journalisten. Dieser hatte von ihr über die Medien erfahren hatte und er schrieb später ebenfalls ein Buch über Seija: »Wenn ich glücklich sein darf« (Om jeg får vaere lykkelig). Wieder einmal erregte Seija die Aufmerksamkeit der Medien, vor allem in Norwegen. Das Buch wurde auch ins Finnische übersetzt. Seija starb 1996 im Alter von 56 Jahren an einem Schlaganfall nach einer Herzoperation.

Mein Familienleben war glücklich

Ich habe viele schöne Erinnerungen an meine Kindheit. Wenn Gunnar bei der Familie war, war er voll und ganz präsent. Manchmal verkatert, aber immer positiv und bereit, Spiele zu spielen und Dinge zu organisieren.

Seija hielt Gunnar bis zu seinem Tod die Treue, auch wenn er ihr viel Kummer und Sorgen bereitete. Sie sprach nie schlecht über ihn. Mein Familienleben war glücklich, und ich habe das Gefühl, dass ich eine gute Erziehung genossen habe, die mir eine solide Grundlage für mein eigenes Leben gegeben hat.

Zitiervorlage
Mattsson, K. M. (2023). Erinnerungen an »die Prinzessin«. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 75 (3), 68–69.

Die Übersetzerin

Birgit Heimbach hat den Text aus dem Englischen übersetzt.

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