Ein Austausch über unerwünschte Ereignisse in der Geburtshilfe ist wichtig, um daraus zu lernen, die Arbeit zu verbessern und sie sicherer zu machen. »Fälle für Alle« macht diesen Austausch möglich: Auf der Plattform können kritische Ereignisse gemeldet und die Meldungen anderer gelesen werden. Demnächst gibt es für die Bearbeitung einzelner Fälle sogar Fortbildungspunkte.

»Fälle für Alle« ist ein elektronisches Meldesystem, auf dem kritische Ereignisse oder sogenannte Beinah-Schäden, aber auch Best-Practice-Fälle aus Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Kursen anonym gemeldet werden können. Dabei steht immer das Lernen im Vordergrund – durch die Berichterstattung und aufgeführten Lösungsansätze. Das Reflektieren kritischer Ereignisse soll eine bessere Lern- und Fehlerkultur ermöglichen und damit die Patientinnensicherheit verbessern.

Verein »Fälle für alle«
Von Hebammen für Hebammen
Eine Initiative von Hebammen hat »Fälle für Alle« 2012 als gemeinnützigen Verein gegründet. Es ist das erste internationale Critical Incident Reporting and Learning System (CIRLS) für Hebammen.

Das Portal steht klinisch und außerklinisch arbeitenden Hebammen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol zur Verfügung. Mitglieder des Vereins sind Hebammen, Geburtshäuser und Hebammenverbände auf Bundes- und Landesebene. Für das klinische Setting ist das Betreiben eines Critical Incident Reporting Systems (CIRS) seit 2016 verpflichtend. Nur »Fälle für Alle« hat das Wort Lernen mit aufgenommen.

Zehn Jahre »Fälle für Alle«

Im vergangenen Jahr konnte der Verein sein zehnjähriges Bestehen feiern. In diesem ersten Jahrzehnt sind mehr als 180 Fälle eingegangen, von denen bis heute 140 Fälle eingestellt und bearbeitet sind. Leider wird die Plattform noch nicht so genutzt, wie die Gründerinnen es gerne hätten. Zum einen ist CIRLS für Hebammen in Deutschland, Österreich und Südtirol in der außerklinischen Arbeit noch nicht verpflichtend, wie in der Schweiz, in der die Nutzung eines CIRLS schon seit Jahren für Geburtshäuser und seit Kurzem auch für freiberufliche Hebammen Pflicht ist. Zum anderen fehlt die Kapazität innerhalb des Vereins, die Fälle zu bearbeiten.

Aufruf
Für die Zukunft bereit machen!
Wir von »Fälle für alle« möchten diese wichtige Arbeit auf mehr verantwortliche Schultern verteilen. Dafür brauchen wir engagierte und fachlich versierte Kolleg:nnen, die den Vorstand unterstützen und letztlich ablösen.

Des Weiteren möchten wir ein Team einsetzen, das die Fälle zeitnah bearbeitet. Wir freuen uns über jede Kolleg:in, die sich mit der Arbeit bei »Fälle für Alle« angesprochen fühlt und sich engagieren möchte!

Wir haben ein tolles Team, das sich freut, neue Kolleg:innen einzuarbeiten. Für die Bearbeitung eingegangener Fälle zahlen wir eine Aufwandspauschale.

Bei Interesse melden Sie sich bei der 1. Vorsitzenden Patricia Gruber (info@patricia-gruber.de) oder bei der Schatzmeisterin Denize Krauspenhaar (krauspenhaar@hebammenverband.de). Wir freuen uns jetzt schon auf interessierte Kolleg:innen und informieren Sie gern.

Fälle melden

Um ein unerwünschtes Ereignis oder ein Best-Practice-Beispiel zu melden, klicken Sie auf der Website www.fälle-für-alle.org auf den türkisen Button »Meldeportal«. Im Meldeportal müssen Sie sich noch nicht einloggen; klicken Sie einfach auf den Button »Meldung erfassen«.

Es erscheinen Informationen, die Sie gut durchlesen sollten. Von dort geht ein weiterer Link auf eine Seite, auf der Sie die Meldung eingeben. Sie werden Schritt für Schritt durch das Meldesystem geführt. Wichtig: den Fall gut schildern, so dass alle Fakten vorliegen.

Am Ende können Sie das Geschehen selbst einschätzen und Verbesserungen vorschlagen. Dann können Sie entscheiden, ob die Fallbearbeiterin per anonymer E-Mail Rückfragen stellen kann. Zum Schluss versenden Sie den Fall, und die Fallbearbeiterin übernimmt die Meldung. Sie achtet hierbei immer genau darauf, ob der Fall veröffentlicht werden kann. Dabei kommt es vor allem auf die Wahrung der Anonymität an, oder ob der Fall zu einem Schadensfall werden könnte. Gibt es hier Probleme, werden die Fälle nicht bearbeitet und nicht veröffentlicht.

Bearbeitung

Jeder Fall geht anonym ein. Die CIRLS-Bearbeiterinnen werden per E-Mail benachrichtigt. Eine von ihnen sichtet den Fall und schaut, ob er für die Veröffentlichung geeignet ist. Dabei wird schon überlegt, welches Teammitglied den Fall fachlich am besten bearbeiten kann.

Die Bearbeiterin anonymisiert den Fall, indem sie Wörter oder Absätze, die eine Zuordnung möglich machen, neutral umschreibt. Und sie gibt ihre Einschätzung ab und macht Anmerkungen zur Analyse und zu möglichen Maßnahmen. Häufigkeit und Schwere des Falls werden abgeschätzt und nach einer Risikoeinschätzung eingestuft. Anhand der Risikoeinschätzung kann die Dringlichkeit des Handlungsbedarfs erkennbar gemacht werden. Bei Unklarheiten sprechen sich die CIRLS-Bearbeiterinnen ab.

Fälle lesen

Um veröffentlichte Fälle zu lesen, gehen Sie über www.fälle-füralle.org auf das Meldeportal (türkiser Button oben links). Über den Button »Fallpublikationen« (im Menü oben) kommen Sie in den passwortgeschützten Raum. Hebammen, die Mitglied im DHV oder BfHD sind, erfahren ihr Passwort von ihrem Verband. Beim DHV finden Sie das Passwort auf www.hebammenverband.de im Mitgliederbereich unter Qualitätsmanagement CIRLS/Fälle für Alle.

Die Fälle sind nach Bearbeitungsdatum sortiert. Oben links auf der Seite können Sie gezielt Tätigkeitsbereiche aussuchen. Oder Sie geben eine Fallnummer ein, wenn Sie nach einem konkreten Fall suchen. Die Seite ist aber auch dafür da, sich einzelne Fälle rauszupicken und zu lesen. Schon beim ersten Stöbern merkt man oft, welche Lerneffekte das Portal bietet: Das Lesen dieser Fälle aus der Praxis bewirkt eine Sensibilisierung im Berufsalltag, denn wir können potenzielle Fehlerquellen besser erkennen (siehe Abbildung).

Fortbildungseinheit mit »Fälle für Alle«
Behalten Sie den monatlichen Newsletter des DHV im Auge! Hier werden wir Sie informieren, wann und wie die Fortbildungseinheit mit »Fälle für Alle« stattfindet. Sollten Sie den Newsletter noch nicht bekommen, können Sie ihn unter > https://hebammenverband.de/newsletter abonnieren.

Fortbildungspunkte auf OlGA

Um den Bekanntheitsgrad von »Fälle für Alle« zu steigern, startet der DHV im Lauf der zweiten Jahreshälfte gemeinsam mit dem Verein eine Fortbildungsreihe.

Drei Fallnummern werden auf der E-Learning-Plattform OlGA eingestellt, über die Sie dann im Meldeportal die entsprechenden Fälle einsehen können. Zu diesen gibt es auf OlGA Fragen. Wer diese beantwortet, erhält Fortbildungspunkte.


Hinweis: Bei diesem Artikel handelt es sich um den Nachdruck des Beitrags der Autorin im Hebammenforum 7/2023; 24: 52–54 unter dem Titel: »Jeder Fall ist wichtig«. Der Artikel wurde für die Zwecke der DHZ redaktionell überarbeitet. Wir danken der Autorin und dem Redaktionsteam des Hebammenforums für die freundliche Abdruckgenehmigung.


Downloads

Anonymisierte Fallbeschreibung des CIRLS-Portals »Fälle für alle« Abbildung: © Portal »Fälle für alle«
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Zitiervorlage
Krauspenhaar, D. (2023). Meldeportal »Fälle für alle«: Jeder Fall zählt. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 75 (8), 47–49.
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