Während sich bei der Diastole das Herz ganz normal füllt (links, Abb. 1), kontrahiert der apikale Teil des Herzens, die Herzspitze, in der Kontraktions- und Austreibungsphase (Systole) nicht mehr, sondern bleibt stehen (rechts, Abb. 2). Aufgrund des typischen Kontraktionsmusters hat man in Anlehnung an den japanischen Begriff »Takotsubo« (»Oktopusfalle«, Tintenfischvase) für dieses Beschwerdebild den Begriff Takotsubo-Kardiomyopathie eingeführt, besser bekannt unter dem Namen Broken-Heart-Syndrom (gebrochenes Herz).

Quelle: Koronarangiografie, Rhein-Maas-Klinikum, Würselen.

Im Rahmen von Schwangerschaft und Geburt durchläuft die werdende Mutter gewaltige psychische und physiologische Veränderungen – eine immense Leistung für Psyche und Körper. Für das Herz sind die physiologische Umstellung der Hormone, die Veränderungen im Blutkreislauf, Volumenhaushalt und Gerinnungssystem eine große Herausforderung. Aber auch psychischer, emotionaler oder sozialer Dysstress wirkt sich auf die Herzgesundheit aus. Ein Einblick. 

Beim klassischen Myokardinfarkt kommt es zu einer Plaque-Ruptur eines arteriosklerotisch veränderten Koronargefäßes (Typ 1). Daneben gibt es bei jüngeren Frauen im reproduktiven Alter deutlich häufiger bei »glatten« Herzkranzgefäßen sogenannte nicht atherosklerotische Myokardinfarkte (Typ 2) (ESC/DGK Leitlinie/Regitz-Zagrosek et al., 2020).

Der nicht-atherosklerotische Myokardinfarkt

Als Ursachen für nicht-atherosklerotische akute Koronarsyndrome im Rahmen von Schwangerschaft und Geburt nennen die Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC), der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) (Leitlinie, 2020) und der DGK (Regitz-Zagrosek et al., 2008) unter anderem

  • Koronarembolien
  • Spasmen der Koronararterien
  • Spontane Koronararteriendissektionen/SCAD (Bac et al., 1985, zit. n. Regitz-Zagrosek, 2008)
  • Koronaranomalien
  • Vaskulitiden (entzündliche Gefäßerkrankungen, s. Ralling, 1989, zit. n. Regitz-Zagrosek, 2008)
  • eine mikrovaskuläre Dysfunktion
  • Bradyarrhythmien sowie
  • Tachyarrhythmien (zum Beispiel die medikamenteninduzierte Torsade-Pointes-Arrhythmie).

Durch diese Ereignisse kommt es jeweils zu einer lebensbedrohlichen Sauerstoffunterversorgung des Herzmuskels.

Herzrhythmusstörungen
In der Kardiologie werden langsame (Bradykardien), schnelle (Tachykardien), von den Vorhöfen (supraventrikuläre) oder Herzkammern ausgehende (ventrikuläre) Rhythmusstörungen unterschieden.

Hormone beeinflussen das Herz

Stellt sich der weibliche Körper mit Beginn einer Schwangerschaft oder der Menopause hormonell um, können Palpitationen auftreten: Herzrhythmusstörungen. »Mit einer Schwangerschaft kommt ein ganzer Cocktail an Hormonen zusammen: ein Überschuss an weiblichen Geschlechtshormonen, an Stresshormonen wie Katecholamin (Adrenalin), aber auch an Emotionen, vielleicht an Sorgen«, sagt Prof. Dr. med. Marc-Michael Becker, der Gründer des Frauen-Herz-Zentrums und Chefarzt der Klinik für Kardiologie, Nephrologie und internistische Intensivmedizin am Rhein-Maas-Klinikum in Würselen. Der ganze Körper werde aktiviert. »Und diese Aktivierung bedeutet natürlich auch, dass das Herz getriggert wird. Wird es zu stark getriggert, kann das Herz ins Stolpern geraten.«

Handele es sich lediglich um viele Extraschläge, sogenannte ventrikuläre Extrasystolen (VES), könne man die Patientin erst einmal beruhigen und weiter beobachten. »Detektiert man eine Tachykardie bei 140 bpm und spricht erst einmal mit der Patientin in ruhigem Ton, wird ihre Herzfrequenz oft schon langsamer und man stellt vielleicht fest, dass eher eine psychische Blockade im Vordergrund steht.«

Nicht jede Rhythmusstörung sei gleich behandlungsbedürftig, vorausgesetzt, dass diese gut aushaltbar sei, fährt der erfahrene Notarzt und interventionistische Kardiologe fort. Palpitationen (Herzaktionen, die von der Patientin selbst als ungewöhnlich schnell, angestrengt, kräftig oder unregelmäßig wahrgenommen werden) seien hingegen sehr ernst zu nehmen, sobald erkennbar werde, dass sich die Frau schlecht fühle, keine Luft mehr bekomme, schwitzig oder kollaptisch werde. »Dann nämlich könnte es sich um typische Anzeichen einer gefährlichen Torsade de Pointes-Tachykardie handeln«, sagt Becker. Schwindel, Bewusstseinsverlust (Synkopen) und Krampfanfälle könnten auftreten.

Die Hormonlevels bei Frauen ändern sich nicht nur im Lebensverlauf oder im monatlichen Zyklus, wobei das weibliche Östrogen bis zur Menopause offenbar eher vor kardialen Erkrankungen zu schützen scheint. Auch die Menstruation kann sich auf hämatologische und elektrokardiografische Parameter auswirken. Die Ausschüttung der Hormone Cortisol (Cortison) und Katecholamin (Adrenalin) ändern sich im Tagesverlauf – bei Frauen stärker als bei Männern. »Mit der Steigerung der Hormonlevels von Cortisol und Katecholamin bereitet sich der Körper auf den Tag vor und auf das, was da kommen mag«, sagt der Chefarzt des Rhein-Maas-Klinikums in Würselen. Gegen Abend fielen diese Hormonlevels dann wieder ab. »Diese Rhythmen erklären, warum gerade in den frühen Morgenstunden Herzinfarkte durchschnittlich häufiger auftreten als zu anderen Tageszeiten. Ein vulnerables Herz-Kreislauf-System kann dann anfälliger sein«, weiß der Kardiologe.

Myokardinfarkt-Symptome durch Stresshormone

Offenbar ist der weibliche Körper mit einer ganzen Reihe von Schutzmechanismen ausgestattet, mit denen Frauen vorübergehend besser überleben können – vielleicht, um das Ungeborene und bereits geborenen Kinder zu schützen und für sie zu überleben. »Wenn das Herz eines Mannes mit Stresshormonen geflutet wird, bricht er eher mal mit gefährlichen Rhythmusstörungen zusammen und stirbt«, sagt Becker. Anders bei der Frau. »Wenn sie eine Todesnachricht erhält, sich im Wald verläuft oder auch eine Überraschungsparty hat – wirklich ausgeprägte, besondere Gegebenheiten erlebt – ist das weibliche Herz relativ schnell in der Lage, die Rezeptoren für Stresshormone herunter zu regulieren«, fährt er fort. »Das heißt, der Körper ist dann zwar voller Katecholamine, sie wirken aber nicht mehr so gut.«

Das weibliche Herz begebe sich in eine Art Winterschlaf. »Eigentlich etwas sehr Intelligentes, was Frauenherzen da schaffen«, fügt der interventionistische Kardiologe hinzu. Ein Notfall ist es dennoch: »Das Beschwerdebild kann auf einen Myokardinfarkt schließen lassen; alle EKG-Veränderungen sind möglich, wie bei einem Chamäleon«, erklärt Becker. Im Fachjargon spricht man bei diesem Beispiel von einer Takotsubo-Kardiomyopathie, einem »gebrochenen Herzen«.

Höhere Prävalenz für gefährliche Rhythmusstörungen

Das Reizleitungssystem des weiblichen Herzens ist viel schneller auf neue Herzschläge eingestellt und bereit, neue elektrische Ströme zu produzieren. Auch die QTc-Zeit-Intervalle im Reizleitungssystem sind bei Frauen länger als beim Mann, so reagieren sie kardial in vielen Bereichen frühzeitiger (sensibler) auf Stress oder auch auf eine Vielzahl von Pharmaka, die auf die QT-Zeit verlängernd einwirken und besonders in der Anfangszeit der Einnahme proarrhythmogen sind.

Frauen haben ein doppeltes Risiko, eine sogenannte Torsade-de-Pointes-Tachykardie zu entwickeln (kurz: TdP von franz. »Zopf aus Spitzen«, Spitzenumkehr-Tachykardie, gezacktes Bild). Das ist eine lebensbedrohliche polymorph ventrikuläre, von den Herzkammern ausgehende Tachyarrhythmie. Sie kann bei einigen gebräuchlichen Medikamenten auftreten, zum Beispiel bei bestimmten Antiarrhythmika, Antipsychotika, Antiinfektiva, Antidepressiva und auch Medikamenten gegen Migräne (EKG & Echo o.D., Regitz-Zagrosek et al., 2020).

»Die Frequenz ist dann mit 300, 400, 500 bpm so schnell, dass das Herz keine ausreichende Blutmenge mehr auswirft und der Blutdruck absinkt«, erklärt Dr. Becker. Diese Situation komme einem Herzstillstand gleich. Eine Torsade-de-Pointes-Tachykardie könne nach sehr kurzer Zeit in ein gefährliches Kammerflimmern übergehen und eine Kardioversion notwendig machen. Doch wo sonst hoch dosiertes Magnesium als Gegenmaßnahme eingesetzt wird, bringt es für die Mutter und das Ungeborene häufig Nebenwirkungen mit sich und wird daher nicht empfohlen.

Besonders jene Frauen sind gefährdet, eine TdP-Tachykardie zu entwickeln,

  • die aufgrund einer arteriellen Hypertonie unter einer myokardialen Hypertrophie leiden
  • die eine angeborene (kongenitales QT-Syndrom) oder erworbene, verlängerte Sinusknotenerholungszeit aufweisen, weil sie zum Beispiel auf die Repolarisation des Herzens einwirkende (QT-Zeit-verlängernde) Medikamente einnehmen (siehe Tabelle)
  • die Bradykardien im Zusammenhang mit einer Blockierung im Reizleitungssystem haben
  • deren Kalium- (Hypokaliämie) oder Magnesiumgehalt (Hypomagnesiämie) im Blut entgleist ist
  • die eine Intoxikation mit Arzneimitteln, Drogen, Alkohol etc. durchmachen
  • deren Ausscheidungsorgane (Leber, Nieren) Medikamente nur gemindert abbauen können
  • die QT-Zeit-verlängernde Medikamente mit wirkstoffverstärkenden oder -hemmenden Säften einnehmen (Vorsicht bei Grapefruit-, Bitterorangen-, Sternfurcht- oder Rhabarbersaft).

Inwiefern Geschlechtshormone zusätzlich Einfluss nehmen, wurde noch nicht hinreichend untersucht. Sie haben jedoch eine große Bedeutung bei der Aufnahme, Wirksamkeit und Konzentration im Blutserum und bei der Verstoffwechselung von Medikamenten. Der Hormonstatus scheint mitentscheidend zu sein, wie ein Medikament im Körper wirkt, wie es aufgenommen und wieder ausgeschieden wird.

Schwangerschaftsassoziierte spontane koronare Arteriendissektionen (P-SCAD)

Schwangerschaftsassoziierte spontane Koronararteriendissektionen (engl.: Pregnancy-related Spontaneous Coronary Artery Dissection, kurz: P-SCAD) gehören zu den schwangerschaftsassoziierten akuten Myokardinfarkten (AMI). 5–17 % aller SCAD-Fälle treten im Rahmen von Schwangerschaft und Geburt auf, je nach Studie. Bis zu 43 % der schwangerschaftsassoziierten Myokardinfarkte sind auf eine P-SCAD zurückzuführen und treten bei 1,81 von 100.000 Schwangerschaften auf (Faden et al., 2015, zit. n. Wyss, 2015). Mehr als zwei Drittel der P-SCAD ereignen sich während der frühen Postpartalzeit, insbesondere in der ersten Woche nach einer Geburt (Registerstudie, Tweet, 2017). Sie treten aber auch im dritten Trimenon und unter der Geburt auf. In 9–23 % der Fälle, je nach Studie, kann es simultan zu Dissektionen mehrerer Arterien kommen (Saw et al., 2014).

Prof. Dr. med. Christophe Wyss, Leiter der Akutkardiologie an der HerzKlinik Hirslanden in Zürich, schreibt: »SCAD sind definiert als intramurales Hämatom der Koronararterien (zwischen Media und Adventitia, mit oder ohne Riss der Intima) ohne vorangegangenes Trauma oder iatrogene Manipulation (spontanes Auftreten).« (Wyss, 2015)
Die akuten Symptome bei einer P-SCAD sind oft atypisch und kündigen sich mit einer stabilen, aber auch instabilen Angina pectoris an. Im EKG gibt es nicht in jedem Fall ST-Hebungen (STEMI/NSTEMI). Belegt sind bislang Akutsymptome wie

  • ventrikuläre Arrhythmien (3–11 %)
  • kardiogener Schock (2–5 %)
  • plötzlicher Herztod (< 1 %) (Saw et al., 2014).
Spontane Koronararterien‧dissektioNen (SCAD)
Grundvoraussetzungen
  • Schwangerschaft
  • Vorbestehende Wandschwäche, Gefäß- und Lipödeme (Arteriopathie)
  • Fibromuskuläre Dysplasie (FMD) mit nicht-entzündlicher Verdickung der Arterienwand und Wucherungen glatter Muskelzellen und von Bindegewebe (Saw et al., 2013)
  • Andere Bindegewebserkrankungen (polyzystische Ovarien u.a.)
  • Entzündliche Systemerkrankungen, wie Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Rheumatoide Arthritis, Zöliakie
  • Hypertonie, einschließlich Gestationshypertonie zwischen der 20. Schwangerschaftswoche und bis sechs Wochen nach der Geburt (Regitz-Zagrosek et al., 2008)
  • Anhaltende Hormontherapie (Geschlechtshormonsubstitutionen, Antikonzeption)
  • Tendenz zu koronaren Vasospasmen (Wyss, 2015), vorwiegend bei Frauen (für die wissenschaftliche Evidenz fehlt es noch an guten Daten)
  • Migräne
  • Genetische Disposition
  • Idiopathie

Was passiert bei einer P-SCAD?

»Kommt es zu einer SCAD, kann entweder die Intima (Innenschicht) einer Koronararterie in die Media (die mittlere Schicht eines Blutgefäßes, Anm. d. Autorin) einreißen«, erklärt der Akutkardiologe Dr. Wyss. »Dieser Typ wird in der Kardiologie mit ›Entry Door‹ (Eingangstür) bezeichnet, weil er sich in der Angiografie an verschiedenen Lumina (Gefäßinnenräumen, Anm. d. Autorin) und diversen Membranen innerhalb einer Koronararterie zeigt. Die Flussverhältnisse im Gefäß geraten sichtbar durcheinander und verzögern sich so, dass es zu einer Sauerstoffunterversorgung des Herzmuskels kommt.«

Abbildung 3: Assoziierte Grundvoraussetzungen und Auslöser eines nicht-atherosklerotischen Myokardinfarktes – die Spontane Koronar-arteriendissektion (SCAD) und ihre Typisierung (PDF).

Oder es platzen kleinste Blutgefäße, sogenannte Vasa vasorum, die sich in der lockeren Bindegewebsschicht der Koronararterie befinden, welche die Außenschicht, die Adventitia bilden. Es könne ein Hämatom mit oder ohne Verbindung zum Lumen der Koronararterie entstehen (extraluminale Kompression), fährt der Kardiologe fort. »In der Koronarangiografie zeigt sich dann das Bild eines falschen Lumens (Typ False Lumen Thrombosis). Man erkennt es an einer abrupten, langstreckigen Stenosierung oder Skelettierung des Gefäßes ohne Doppelmembranen im Innern« (siehe Abbildungen 3 und 4). Auch das führe zu einer Ischämie des Myokards. Im Rahmen von Schwangerschaft und Geburt trete diese SCAD häufiger auf.

Abbildung 4: Stenose bei SCAD: Koronarangiografie und intra­vaskuläres Ultraschallbild. Legende: RIVA (Ramus interventrikularis anterior) = LAD = Vorderwandgefäß; RD1 (Ramus diagonalis 1) = Vorderseitenwandgefäß, proximal: in Richtung/Nähe zur Aorta, distal: näher der Herzspitze.

Treffen auf bestimmte Grundvoraussetzungen (siehe Kasten) zusätzliche akute Faktoren, welche die Blutzirkulation steigern und die hämodynamischen Scherkräfte an den Wänden der Koronarien verstärken, kann eine SCAD ausgelöst werden.
Trigger einer SCAD können sein:

  • Intensive Anstrengung, dadurch erhöhter kardialer Output und Fülldruck (Wyss, 2015)
  • Intensiver emotionaler Stress (Tweet et al., 2012)
  • Pressmanöver unter der Geburt (Wyss, 2015)
  • Vorgezogene Tokolyse mit adrenergen Agonisten (medikamentöse Hemmung von Uteruskontraktionen zur Verhinderung einer Frühgeburt vor der 34. Schwangerschaftswoche), Tokolyse bei Placenta praevia und Fruchtblasenprolaps (Regitz-Zagrosek et al., 2008) und anderen Wehen-bedingten Komplikationen unter der Geburt
  • Geschlechtshormone, dadurch Veränderungen in der Architektur der Mediaschicht (Wyss, 2015)
  • Drogenkonsum: Kokain-Exposition (Steinhauer, 2001), Amphetamin, Metaamphetamine
  • Akute Hormontherapie mit ß-HCG-Injektionen zur künstlichen Befruchtung (Regitz-Zagrosek et al., 2008; Wyss, 2015).

»Auch wenn das Risikoprofil bei noch jungen Schwangeren vielleicht gering erscheinen mag, ist es wichtig, bei auftretenden Symptomen frühzeitig auch einen Myokardinfarkt in Erwägung zu ziehen und die entsprechende Diagnostik zu veranlassen«, sagt Prof. Dr. Micha Maeder, Leitender Arzt und stellvertretender Chefarzt am Kantonsspital St. Gallen.

Insofern die Patientinnen beschwerdefrei sind und keine wiederkehrenden Ischämie-Zeichen zeigen, besteht eine gute Selbstheilungstendenz (Wyss, 2015). Die medikamentöse Therapie erfolge dann in der Regel mit einer dualen Thrombozyten-Aggregationshemmung, sagt der Oberarzt und interventionistische Kardiologe Dr. Peter Ong vom Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart. Besteht jedoch eine hämodynamische Instabilität, eine Rhythmusstörung oder sind wesentliche Gefäßabschnitte intensiver betroffen, kann es notwendig sein, das Gefäß wiederherzustellen (Wyss, 2015). Ausführliche Informationen dazu sind nachzulesen in der ESC-Leitlinie (Regitz-Zagrosek et al., 2018).

Koronare Vasospasmen

Acetylcholin wird normalerweise vom Körper ausgeschüttet, um die Gefäße unter Katecholamin-Überschuss (im Sympathikus-Zustand) zu weiten. Bei manchen Frauen löst es aber das Gegenteil aus: Im Acetylcholin-Test, der bei einer Herzkatheteruntersuchung durchgeführt wird, reagieren Frauen mit diesem Beschwerdebild mit einer spastischen Verengung der Herzkranzgefäße, starken Schmerzen im Brustkorb und Atemnot.

Die Mechanismen werden noch genauer erforscht. »Inzwischen aber weiß man, dass eine vasospastische Angina sehr gut behandelt werden kann«, sagt Prof. Dr. Marc-Michael Becker. »Muss Adrenalin zur Beschleunigung der Herzkontraktionen eingesetzt werden, wenn etwa die Patientin wirklich im Schock ist, wiederbelebt oder eine starke Blutung gestoppt werden muss, sie extrem hypoton ist, kann das einen koronaren Vasospasmus verschlimmern«, erklärt der erfahrene Notarzt. »Im Notfall müssen wir aber alles dafür tun, damit der Kreislauf erst einmal erhalten bleibt.«

Auch die Tokolyse mit adrenergen Agonisten und die medikamentöse Hemmung der Laktation oder von Uterusblutungen mit Bromocriptin, Oxytocin und Prostaglandine können einen anhaltenden Vasospasmus der Koronarien auslösen oder verstärken – auch unabhängig von einer vorbestehenden vasospastischen Angina (Regitz-Zagrosek, 2008/DGK-Leitlinie). Daher sollte ein solcher Eingriff sehr gut überlegt sein.

Es sei eine hohe Kunst, stets Ruhe zu bewahren, sagt Prof. Dr. Marc-Michael Becker. Frauen, so seine Einschätzung, profitierten mehr von Behandlungsstrategien, die Emotionen fokussieren. »Mit ihnen muss man emotionaler sprechen, man muss sich kümmern um sie.« Klare Ansagen funktionierten bei Männern, bei Frauen sei es nicht immer die richtige Methode.

Interview mit Christophe Wyss zu P-SCAD
Die Früherkennung ist wichtig
Im Interview erläutert der Züricher Akutkardiologe Prof. Dr. Christophe Wyss, warum Schwangere und junge Mütter ein erhöhtes Risiko für spontane Koronararteriendissektionen haben.

Von Melanie M. Klimmer

Melanie M. Klimmer: Was weiß man über den Zusammenhang von spontanen Koronararterien‧dissektionen – englisch abgekürzt P-SCAD – mit dem weiblichen Hormonhaushalt im Rahmen von Schwangerschaft und Geburt?

Dr. Christophe Wyss: Inzwischen wissen wir, dass der weibliche Hormonhaushalt ursächlich für SCAD sein kann. Vermutlich ist die Hormonumstellung, wie sie klassischerweise bei einer Geburt und auch zu Beginn der Menopause stattfindet, für die Gefäße – und das Bindegewebe generell – heikel. Die Kollagen- und Mukopolysaccharidsynthese geht zurück und so kommt es zu einer Veränderung in der Gewebestruktur der Arterien. Nehmen zusätzlich die hämodynamischen Scherkräfte zu, zum Beispiel durch einen erhöhten Blutdruck, können SCAD auftreten.

Warum treten SCAD im ersten Monat nach der Geburt häufiger auf?

Eine Kombination aus verschiedenen klinischen Risikofaktoren führt dazu, dass SCAD gehäuft unmittelbar postpartal auftreten. Dazu zählen hormonell bedingte Veränderungen der Arterienwand, erhöhter hämodynamischer Stress durch das gesteigerte Blutvolumen (Bluthochdruck) sowie Pressmanöver unter der Geburt.

Welchen Einfluss haben Eingriffe in den weiblichen Hormonhaushalt, wie Antikonzeption oder Beta-HCG-Injektionen im Rahmen von künstlicher Befruchtung bei Kinderwunsch – erhöhen sie das SCAD-Risiko?

Grundsätzlich kann jegliche Form von Hormontherapie mit Sexualhormonen das SCAD-Risiko steigern.

Wie hoch ist das mütterliche Mortalitätsrisiko bei einem solchen Myokardinfarkt?

Retrospektive Daten verweisen auf eine relativ geringe mütterliche Mortalität von bis zu 4 % (Saw, 2013). Es wurden aber auch mehrere Fallserien publiziert, nach denen 12 % der Frauen mit einer peripartalen SCAD an einem plötzlichen Herztod versterben. Die Mortalität im Hospital liegt sogar bei etwa 50:50 (Koller et al., 1998).

Wie dramatisch sind SCAD für das Kind?

Da SCAD überwiegend postpartal auftreten, ist das Kind zumeist gesund. SCAD sind – selbst bei gutem Verlauf – stets aber emotional sehr belastend für Mutter und Kind, da sie voneinander getrennt werden. Die Prognose für die Mutter ist unsicher und das Neugeborene muss aufgrund der Medikation der Mutter meist abgestillt werden.

Was sollten Hebammen in der peripartalen Versorgung von gefährdeten Schwangeren beachten?

Peripartale SCAD sind eher selten, daher braucht es dazu keine generelle Schwangerenberatung oder Screenings. Bei Frauen hingegen, von denen bekannt ist, dass sie bereits eine SCAD hatten, sollte man vorab das Rezidiv-Risiko abschätzen, eine Geburtsplanung vornehmen und die Indikation für eine Sectio prüfen. Grundsätzlich ist es wichtig, eine SCAD frühzeitig zu erkennen. Sind Zeichen eines Myokardinfarktes erkennbar – typischerweise Thoraxschmerzen, verändertes EKG, Schock – sollte frühzeitig an die Möglichkeit einer SCAD gedacht werden. Da mit SCAD keine Veränderungen der Laborwerte einhergehen, kann die Diagnose erst nach einer Manifestation gestellt werden.

Wie werden Frauen mit SCAD weiterbehandelt?

Meist reicht eine konservative Behandlung mit Verlaufsbeobachtung und einer dualen Thrombozyten-Aggregationshemmung mit oder ohne niedermolekulares Heparin aus. Halten die Beschwerden weiter an, gibt es ST-Hebungen im EKG oder liegt eine hämodynamische Instabilität vor, empfehle ich eine Koronarangiografie, während der das Gefäß gegebenenfalls geweitet werden kann.

Der Interviewte

Prof. Dr. med. Christophe Wyss ist Facharzt für ‧Kardiologie (FMH) und Leiter der Akut‧kardiologie an der HerzKlinik Hirslanden in Zürich sowie Advanced Cardiac Life Support (ACLS) Course Director (AHA).
Kontakt: christophe.wyss@hirslanden.ch

Zitiervorlage
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Literatur
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Crouch, M.A., Limon, L., Cassano, A.T. (2012). Clinical relevance and management of drug-related QT interval prolongation. 23 (7):881-908. doi: 10.1592/phco.23.7.881.32730

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EKG&Echo: QT-Zeit-Verlängerung, Long-QT-Syndrom (LQTS) und Torsades-de-Pointes-Tachykardie, o.D. (einschließlich Medikamentenliste. https://ekgecho.de/thema/ekg-qt-zeit-verlaengerung-long-qt.syndrom-lqts-und-torsades-de-pointes-tachykardie/ (4.1.2023)

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