Da sitze ich nach einem langen Tag im Sitzungszimmer mit meinen Mitstreiterinnen in der Pizzeria bei der Berufspolitik. Wir sind mal wieder die letzten, der Chef kommt bereits mit der letzten Runde Espresso. Wir haben uns schon den ganzen Abend durch knifflige Diskussionen gearbeitet: Wie können wir das Maximale aus der Situation rausholen? Wie nehmen wir die anderen Kolleginnen mit – die angestellten, freiberuflichen, geburtshilflichen, wochenbettigen, vorsorglichen, kursigen Hebammen? Alle sind so erschöpft und haben so unendlich viel zu tun. Es muss doch trotzdem möglich sein, sie zu motivieren! So oft waren wir schon in den letzten Jahren unterwegs und haben gemeinsam gekämpft …
Weiter geht`s mit dem nächsten Diskussionspunkt: Wie positionieren wir uns in der Frage der Ausbildung? Haben wir alles bedacht? Uni oder Schule, Theorie oder Praxis, Lehrerin oder Professorin? Oder geht nicht sogar alles gleichzeitig?
Neues Thema: die kleinen und die großen Kliniken. Vor- und Nachteile, Argumente und Gegenargumente. Wochenbettambulanzen oder Hausbesuch? Die Köpfe rauchen. Nervennahrung wird in die Runde geworfen: vegane Gummibärchen oder Rotwein? Wer hat noch nicht, wer möchte noch?
Und dann zum guten Schluss: Wo kriegen wir unseren Nachwuchs her? Wie wollen wir die jungen Hebammen für unsere Arbeit begeistern? Engagement im Berufsverband – klingt für eine junge Frau erst mal nicht so sexy, oder?
Und dann schaue ich in die Runde und merke: Es geht den anderen auch so wie mir. Wir sind doch wie eine große Familie – mit Diskussionen, Reibung, unterschiedlichen Meinungen, manchmal auch mit Streit. Da gibt es Hierarchien, Frauen mit Stärken und Schwächen, die Vorstellungen der Älteren und der Jungen.
Und mitten drin ist Oxytocin. Dieses Hormon, das bei Tieren im Herdenverband, bei Menschen in Familien oder sozialen Gruppen das Gefühl von Zusammenhalt gibt, und das nicht zuletzt dafür sorgt, gemeinsam für (oder gegen) etwas zu kämpfen: Wir verteidigen unsere Jungtiere, sagt die Natur. Wir verteidigen unsere Werte, sagen wir. Na dann, machen wir weiter in unserer Art Großfamilie. Neue Jungtiere sind willkommen!