Am 8. Juni startet der Film „Ein Kuss von Béatrice“ in den deutschen Kinos. Die Tragikomödie über eine Hebamme feierte in diesem Jahr auf der Berlinale ihre Weltpremiere.
Claire (Catherine Frot) arbeitet als Hebamme in einer kleinen Klinik, die geschlossen werden soll. In einem großen Geburtenzentrum möchte sie nicht arbeiten. Foto: © www.universumfilm.de/kino
Am 8. Juni startet der Film „Ein Kuss von Béatrice“ in den deutschen Kinos. Die Tragikomödie über eine Hebamme feierte in diesem Jahr auf der Berlinale ihre Weltpremiere.
Im französischen Original heißt der Film „Sage femme”, was „Hebamme” oder auch „weise Frau” bedeutet. Claire, gespielt von Catherine Frot, ist 49 Jahre alt, Tochter eines berühmten Olympiasiegers, der sich aus Liebeskummer früh das Leben nahm, und Hebamme in einer Klinik. Mit Herz und Verstand. Sie lebt mit ihrem Sohn zusammen, der Medizin studiert, und freut sich an einem kleinen Schrebergarten.
Plötzlich bringt ein Anruf von Béatrice, der Ex-Geliebten ihres Vaters, sie aus ihrer Bahn. Ein bewältigt geglaubtes Familiendrama vermischt sich mit ihren alltäglichen Herausforderungen, die nun erweitert werden um die exaltierte ehemalige Geliebte des Vaters, gespielt von Catherine Deneuve. Die Geschichte enthält ein paar Wendungen, bis man darauf kommt, was es mit dem titelgebenden „Kuss von Béatrice” auf sich hat.
Der Film wird fast ausschließlich von vier Hauptcharakteren getragen und mutet so intim an wie ein Kammerspiel. „Amour, Bohème et Drame” gibt es inklusive – in einer typisch französischen Mischung. Es ist ein großes Vergnügen, sich in die Welt von Claire hineinziehen zu lassen.
Claires Beruf hat mit der Geschichte nur am Rande zu tun. Es ist aber erfreulich, eine Hebamme in einer tragenden Frauenrolle in einem Kinofilm zu sehen, weil es die sonst kaum sichtbare Präsenz von Hebammen in unserer Lebenswelt unterstreicht. Nach einem anstrengenden Dienst nach Hause zu gehen und sich den Alltagsproblemen der Familie oder anderer Leute zuzuwenden, ist die hohe Kunst des Hebammendaseins. Und dieser Spagat gelingt dem Film ganz großartig. Wenn Claire erzählt, was sie arbeitet, hört sie immer, wie toll das sein müsse, einem Menschen auf die Welt zu helfen. Gezeigt wird dann der normale Wahnsinn im Leben einer Hebamme, ohne rührselig oder deprimierend zu werden. Die kleine Klinik, in der Claire arbeitet, schließt, weil sie unrentabel ist. Das große Geburtszentrum ist nicht auf Maximalversorgung, sondern auf Profitmaximierung aus und entspricht nicht Claires Vorstellungen von zugewandter Betreuung.
Für die Hebammen unter den KinobesucherInnen gewährt der Film einen Einblick in das französische Geburtssystem. Manches ist vertraut, anderes wirkt befremdlich. So finden beispielsweise alle Geburten in Rückenlage statt und die Hebamme sitzt zwischen den Beinen der Frau. Der Film enthält aber auch viele Szenen, die jede Hebamme in Deutschland kennt: Man versucht die Frau aus dem Bett in die aufrechte Position zu bekommen, die Frau will aber einfach nicht und ihre schwer beleibte Mutter versteht auch nicht, warum sich ihre Tochter in Gottes Namen jetzt auch noch bewegen soll. Ein Vater, der mit der Kamera um alle herumkreist, sich aber nicht auf das Geburtsgeschehen einlassen will. Eine traumatisierte junge Flüchtlingsfrau, zu der der erste Kontakt schwierig ist. Da ist wenig Kitsch und keine Peinlichkeit für Hebammen in diesem Film, sondern der sehr, sehr genau beobachtete Alltag einer Klinikhebamme. Die Kameraführung bei den gezeigten Geburten ist immer aus dem Winkel einer Person, die der Frau nah ist, und wirkt trotz der realistisch dargestellten Eindringlichkeit nicht übergriffig oder unästhetisch.
Zwei Frauen, zwei Welten – eine alte Verbindung führt sie wieder zusammen. Foto: © www.universumfilm.de/kino
Béatrice (Catherine Deneuve), Ex-Geliebte von Claires Vater, braucht Claires Ohr und Rat. Foto: © www.universumfilm.de/kino
Als Claires Sohn sein Chirurgie-Studium hinschmeißt, um Hebamme zu werden, fragt sie sich, was sie falsch gemacht hat. Schade, dass Hebammen heute so denken, aber auch das ist uns nicht fremd. Ganz rührend ist auch die Szene, in der das Team nach einem Verkehrsunfall vergeblich um das Leben von Mutter und Kind kämpft und die Hebamme weiter versucht, das Neugeborene zu reanimieren. Sie reagiert zickig gegenüber einer Kollegin, weil sie dessen Tod einfach nicht hinnehmen will. Das sind die kleinen Momente, in denen dieser Film die Hebammenarbeit extrem gut abbildet. Hoffentlich lernen alle KinobesucherInnen, Hebammen wieder mehr zu schätzen.
Ein schöner Film, der auf mehreren Ebenen nachwirkt. Ich empfehle allen Hebammen, sich den Abend des 8. Juni freizuhalten und gerne mit Kolleginnen in die Premiere dieses wundervollen Films zu gehen. Taschentuch nicht vergessen!
Genre: Französische Tragikomödie um eine Hebamme
HauptdarstellerInnen: Catherine Frot, Catherine Deneuve, Olivier Gourmet, Quentin Dolmaire
Regie und Drehbuch: Martin Provost
Deutschlandpremiere: 8. Juni 2017