Zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres machen Eltern mobil für Hebammen: Im „Dialog-über-Deutschland”, bei dem die Bundeskanzlerin im Internet unter www.dialog-ueber-deutschland.de nach Handlungsvorschlägen fragt, posten BürgerInnen Ideen für ein besseres Zusammenleben. Der Vorschlag „Geburt” fordert den Erhalt der außerklinischen Geburtshilfe. Er hat es innerhalb weniger Tage unter die Top Ten der Vorschläge mit der höchsten Zustimmung gebracht. Wie schon bei der Petition des Deutschen Hebammenverbandes (DHV), die am Welthebammentag vor zwei Jahren startete, unterstützen unzählige Eltern die Hebammen. Die Kommentare im „Dialog-über-Deutschland” belegen erneut die überwältigende Dankbarkeit der Eltern. Kein Zweifel: Eltern, die Hebammenbetreuung zu Hause oder in einem Geburtshaus erlebt haben, bringen gerne ihre Solidarität für unseren Beruf zum Ausdruck. Zwischen Hebammen und Frauen entsteht in einer meist langen Betreuung durch die Schwangerschaft, während der Geburt und in der Stillzeit ein besonderes Verhältnis. Dies hat sich nicht verändert seit den 1980ern. Damals machten Eltern mobil für den Erhalt der Hausgeburtshilfe. Auch wenn es Unterschiede gibt zwischen den Frauen, die sich für eine Hausgeburt entscheiden, und denjenigen, die ein großes Geburtshaus in Kliniknähe aufsuchen: Geburtshaus- wie Hausgeburtseltern sind für eine kompetente und professionelle Beratung und Betreuung durch empathische Hebammen dankbar und schätzen die individuelle Begleitung.

Die große Anerkennung durch die Eltern ist ein wunderbarer und notwendiger Ausgleich für die großen Belastungen unserer Tätigkeit. Aber kann die Solidarität dazu beitragen, den Hebammen zum Durchbruch bei den dringend nötigen Verbesserungen der Berufsbedingungen zu verhelfen?

Bei aller Freude über die zufriedenen Familien: Ich sehe das nicht so. Es gibt Berufsgruppen, die in den letzten Jahren sehr erfolgreich waren in ihrem Kampf für bessere Entlohnung. Ärzte, Lokführer oder Fluglotsen konnten beachtliche Steigerungen erzielen. Dies gelang ihnen, obwohl – oder weil? – sie nicht die Unterstützung ihrer PatientInnen und KundInnen hatten. Weder die PatientInnen vor verschlossenen Praxen noch Reisende auf Flughäfen und Bahnhöfen erklärten sich solidarisch mit den hohen Forderungen der Streikenden – im Gegenteil: Eine große Zahl reagierte empört und unwirsch. Unabhängig davon setzten diese Berufsgruppen ihre Forderungen durch.

Unsere Verhandlungsstrategie und Lobbyarbeit dagegen ist im Wesentlichen auf die Unterstützung der wohlgesonnenen Eltern und auf Straßenproteste aufgebaut. Dies hat dem Verband zwar zu einem Preis für die beste Lobbyarbeit verholfen, uns in der Sache allerdings kaum ein Stück weiter gebracht.

Ich glaube, es ist Zeit für einen Strategiewechsel. Unsere Probleme, beispielsweise eine Haftpflichtversicherung für eine sehr kleine Berufsgruppe mit höchsten Schadenssummen zu ermöglichen, sind komplex. Lösungen werden sich nicht durch Streiks oder Forderungen erzwingen lassen. Neue Ideen gehören auf den Tisch, externe Berater, eine Vernetzung mit anderen Berufsgruppen. Wir stehen nicht alleine da: Das Haftpflichtproblem trifft die ärztlichen Geburtshelfer genauso wie uns. Die ungenügenden, veralteten Regelungen der Berufsausbildung teilen wir mit anderen Gesundheitsberufen, und die schlechte Bezahlung betrifft ebenso die Pflege. Im Gesundheitswesen sind neue Konzepte gefragt. Und wir müssen uns dringend auf die Suche danach machen. Schon deshalb, weil wir auch weiterhin Schwangere und ihre Familien so umfassend betreuen möchten wie bisher – ihre Dankbarkeit und Solidarität ist Ansporn genug!

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