Gründe für Harnstauungen: Männliche Feten sind ungefähr doppelt so häufig betroffen wie weibliche. Die obstruktive Uropathie tritt häufiger linksseitig, in 20 bis 40 Prozent beidseitig auf. Ein kompletter Verschluss der Urethra ist bei beiden Geschlechtern sehr selten. Abbildung: © Birgit Heimbach

Bei Ungeborenen kommt es verhältnismäßig häufig an verschiedenen Stellen der ableitenden Harnwege zu Harnstauungen. Dies wird dann im Rahmen der Pränataldiagnostik sichtbar. Was steckt dahinter? Was sollte nach der Geburt beachtet werden?

Hebammen treffen in der Schwangerenberatung gelegentlich auf besorgte Eltern, die berichten, dass bei der Organ-Ultraschalluntersuchung eine Nierenstauung beim ungeborenen Kind beschrieben worden sei. Zu dieser Diagnose sagen ÄrztInnen wie auch Hebammen oft: „Ist es ein Junge? Dann ist es harmlos und verschwindet von alleine wieder.” Bagatellisieren wir damit diese Auffälligkeit, nachdem die Schwangere beim Ultraschall beunruhigt wurde? Was kann tatsächlich hinter einer Nierenstauung stecken?

Fetale Anomalien des Harnsystems sind die häufigsten intrauterinen Auffälligkeiten, die sonografisch während der Schwangerschaft diagnostiziert werden. Sie treten bei fünf bis acht von 1.000 Lebendgeburten auf (Mallik & Watson 2008; Gembruch 2013). Dies begründet sich in der Komplexität der Nierenentwicklung.

Bei bis zu fünf Prozent der Feten wird eine isolierte Erweiterung des Nierenbeckens unterschiedlicher Schweregrade ohne weitere Fehlbildungen diagnostiziert, die sich meistens im Schwangerschaftsverlauf oder postnatal spontan zurückbildet (Nguyen et al 2010; Mallik & Watson 2008). Männliche Feten sind ungefähr doppelt so häufig betroffen wie weibliche. Eine Harnstauung tritt häufiger linksseitig, in 20 bis 40 Prozent beidseitig auf. Die Harnstauungsniere stellt uns vor die Herausforderung, diejenigen Kinder zu erkennen, die tatsächlich Nachbetreuung, Diagnostik und Therapie benötigen, ohne bei harmlosen Verläufen eine Kaskade an Diagnostik zu veranlassen, die die Eltern, das Kind und letztlich auch das Gesundheitssystem unnötig belasten.

Kurzfristige Einflussfaktoren auf das Ausmaß der Nierenbeckenweite (APD) können abgesehen vom Gestationsalter auch der Hydratationszustand der Mutter und das aktuelle Blasenfüllungsvolumen des Feten sein (Babcook et al 1998). Es besteht keine Einigkeit, welcher Grenzwert eine klinisch relevante fetale Hydronephrose definiert und die Empfehlung für postnatale (invasive) Untersuchungen rechtfertigt, da es deutliche Überschneidungen der Nierenbeckenweiten von gesunden Feten und denen mit Uropathien gibt.

Vorhersageparameter

Laut Lee und Kollegen ist das APD dennoch der verlässlichste Vorhersageparameter für eine zugrunde liegende Pathologie. Das Risiko für eine relevante Erkrankung ist nach pränataler Diagnose einer fetalen Hydronephrose in milden Fällen 11,9 Prozent, in moderaten Fällen 45 Prozent, in schweren Fällen 88,3 Prozent (Lee et al. 2006).

An erster Stelle aller Nieren- und Harnabfluss-Anomalien steht die fetale Pyelektasie, deren Krankheitswert oft unklar ist, da der Großteil keine klinische Relevanz für den Feten oder das Neugeborene hat (Mallik & Watson 2008; Ek et al. 2007). Die Inzidenz wird mit ein bis drei Prozent der Feten angegeben (Gembruch 2013). Die Pyelektasie galt lange Zeit als möglicher Hinweis für eine Trisomie 21, was sich heute aber bei fehlenden zusätzlichen Markern oder Begleitfehlbildungen nicht mehr halten lässt (Gembruch 2013; Chudleigh et al. 2001). In einer großen prospektiven Beobachtungsstudie wurde bei isolierter Pyelektasie ohne zusätzliche Risikofaktoren in weniger als 0,5 Prozent der Fälle ein auffälliger Chromosomensatz gefunden (Chudleigh et. al 2001). Es sind jedoch in bis zu vier Prozent Assoziationen mit Fehlbildungen, Genmutationen mit zusätzlichen oder fehlenden Chromosomen (Aneuploidien) und syndromalen Erkrankungen beschrieben (Persutte et al. 1997).

Definition der fetalen Harnstauungsniere (Hydronephrose)

Fetale Harnstauungsnieren werden gemäß der Society of Fetal Urology (SFU) in vier Schweregrade eingeteilt. In dieser Einteilung wird neben der Nierenbeckenweite auch die Nierenkelcherweiterung und die Parenchym-Dicke berücksichtigt. Der Schweregrad I wird in der Literatur auch als Pyelektasie oder milde Hydronephrose bezeichnet, der Schweregrad IV beschreibt eine Parenchym-Ausdünnung bis hin zur Wasser(sack)niere.

Zudem existiert eine sonografische Definition und Abstufung der Nierenbeckenerweiterung beruhend auf der ausschließlichen Messung des anterioposterioren Querdurchmessers des Nierenbeckens (APD) abhängig von der Schwangerschaftswoche. Sonografische Zusatzkriterien wie Kelcherweiterung und Parenchym-Dicke werden hierbei nicht berücksichtigt. Die Normwerte für das Ausmaß der Nierenbeckenweite sind in der Literatur nicht einheitlich, was eine unterschiedliche Sensitivität/Spezifität bezüglich der klinischen Relevanz nach sich zieht und teilweise die Streubreite in der Häufigkeit erklären kann.

Ursachen der Nierenbeckenerweiterung

Das Ausmaß der Nierenbeckenerweiterung ist zwar ein sensitiver Hinweis auf eine mögliche Erkrankung, die zugrundeliegende Erkrankung kann jedoch pränatal nicht immer sicher diagnostiziert werden. In 41 bis 88 Prozent der milden Hydronephrose ist ursächlich von einer physiologischen Engstelle ohne Krankheitswert auszugehen. Dieser vorübergehenden (transienten) Nierenstauung liegt eine Verengung zwischen Ureter und Nierenbecken zu Grunde, die sich mit Ausreifung des Nierensystems spontan zurückbildet. Ursächlich wird eine Abflussbehinderung durch Hautfältelungen aufgrund der Unreife der glatten Muskulatur bis zu wachstumsbedingten Knickbildungen des Harnleiters diskutiert. Diese Unreife sollte spätestens in den ersten sechs Lebenswochen verschwinden (Mallik & Watson 2008).

Als zweithäufigste Ursache (10 bis 30 Prozent) ist die Nierenbeckenabgangsenge beschrieben, auch Uretropelvine Obstruktion (Ureteropelvic junction obstruction/UPJO) genannt. Die Inzidenz wird mit circa einer von 2.000 Lebendgeburten angegeben. Der Auslöser ist teilweise mechanischer Natur (Einengung beispielsweise durch ungewöhnlich verlaufende und den Harnleiter kreuzende Gefäße, muskuläre Hypertrophie, Ureter-Doppelanlage) oder aber funktionell bedingt, ohne dass ein anatomisches Korrelat nachweisbar ist.

Der UPJO folgt mit 10 bis 20 Prozent der Vesikouretrale Reflux (VUR), bei dem Urin von der Harnblase in den Harnleiter zurückläuft. Normalerweise ist der fetale Harnleiter sonografisch nicht darzustellen. Ein sichtbarer Ureter kann ein Hinweis auf eine Obstruktion des unteren Harnabflusstraktes sein oder auf einen Reflux hindeuten. Typischerweise ist die definitive Diagnose pränatal nicht zu stellen (Nguyen et al. 2010).

Weitere, seltenere Gründe für eine fetale Hydronephrose sind beispielsweise Harnröhrenklappen sowie eine doppelte Ureteranlage mit oder ohne Ureterozele.

Obstruktive Uropathien und ein vesikourethraler Reflux bergen ein Risiko für Nierenfehlentwicklungen und Schädigungen. Je früher in der Schwangerschaft eine Abflussbehinderung funktionell bedeutend wird, desto schwerer ist die Ausprägung der Nierenfunktionsstörung. Obstruktive Uropathien sind für 16 Prozent aller kindlichen Nierentransplantationen und für 13 Prozent aller chronischen kindlichen Dialysepatienten verantwortlich. 8,5 bis 26 Prozent aller Fälle von chronischer kindlicher Niereninsuffizienz sind auf einen VUR zurückzuführen (Oswald & Haid 2014).

Verdacht auf Urethralklappen?

Posteriore Urethralklappen, die die häufigste Form darstellen, entstehen durch eine angeborene Membran des Wolffschen Urnierenganges und führen zu einer Verengung der männlichen Harnröhre unterschiedlichen Ausmaßes (Epelman et al. 2012; Berrocal et al. 2002). Diese segelartigen Vorsprünge liegen unterhalb des Samenhügels (Colliculus seminalis). Dieser Hügel ist eine Schleimhautfalte in der Hinterwand der männlichen Harnröhre im Bereich der Prostata und ist zugleich die Mündungsstelle des Samenleiters (Vas deferens) mit der Bläschendrüse sowie der meisten der Ausführungsgänge der Prostata in die Harnröhre. Die Häufigkeit liegt bei etwa 1:5.000 bis 1:8.000 der männlichen Lebendgeburten (Nasir et al. 2011). Trotz chirurgischer Intervention kommt es in bis zu 50 Prozent der Fälle zu einer Nierenfehlentwicklung mit nachfolgender Dialysepflichtigkeit. Es scheint, als ob die renale Funktionsstörung nicht alleine durch die mechanische Stauung entsteht, sondern durch eine parallel ablaufende Nierenpathologie auftritt, welche auch nach Beseitigung der für die Hydronephrose ursächlichen Enge fortschreitet.

Bei beidseitigem Harnstau eines männlichen Feten ist stets an Harnröhrenklappen zu denken. Zusätzliche sonografische Hinweise sind eine sehr große Harnblase und eine vor der Klappenenge geweitete Harnröhre („Schlüssellochzeichen”). Bei Verdacht auf Urethralklappen sollte möglichst schon pränatal ein kinderurologisches Konsil und kurzfristig postnatal die weitere Diagnostik erfolgen, um unverzüglich einen ausreichenden Harnabfluss zu ermöglichen. Bei Verdacht auf Urethralklappen mit Oligohydramnion und erhöhter Echogenität der Niere(n) ist das Risiko für ein chronisches Nierenversagen hoch und es sollte je nach Schwangerschaftsalter und Befund über bestehende Optionen (intrauterine Intervention, Indikation zur Schwangerschaftsbeendigung, vorzeitige Geburtseinleitung) beraten werden. Die Langzeitprognose bezüglich der Nierenfunktion bei Urethralklappen ist selbst bei vorgeburtlicher Intervention ungünstig (Nasir et al. 2011).

Da die fetale Hydronephrose in etwa vier Prozent mit weiteren Anomalien assoziiert ist, sollte ein qualifizierter Fehlbildungsultraschall (DEGUM II) durchgeführt werden. Eine isolierte fetale Pyelektasie rechtfertigt heute keine invasive Diagnostik (Amniozentese), je nach Hintergrundrisiko ist jedoch eine nicht invasive Pränataldiagnostik (NIPT) anhand von zellfreier DNA aus mütterlichem Blut zu besprechen. Dieser Test wird von den meisten privaten Krankenkassen und zunehmend auch von den gesetzlichen Kassen, eventuell nach ärztlicher Rücksprache, übernommen und kostet etwa 300 Euro.

Management in der Schwangerschaft

Nach Ausschluss von assoziierten Fehlbildungen wird bei normaler Fruchtwassermenge die sonografische Kontrolle auf Persistenz/Progression der Nierenstauung in der 28. bis 32. Schwangerschaftswoche empfohlen. Meist besteht während der Schwangerschaft kein weiterer Handlungsbedarf. In etwa zehn Prozent der Fälle kommt es zur Progression der Hydronephrose (Gembruch 2013).

Zunehmende Nierenstauung und Entwicklung eines Oligohydramnions

Ab der 20. Schwangerschaftswoche besteht das Fruchtwasser zu etwa 90 Prozent aus fetalem Urin, weshalb ein Oligohydramnion im zweiten und dritten Trimenon an eine schwere fetale Nierenfunktionsstörung denken lassen muss. Da eine ausreichende Fruchtwassermenge im zweiten Trimenon entscheidend für die fetale Lungenentwicklung ist, kann es in kritischen Fällen sein, dass ein Überleben nicht möglich ist. Allerdings garantiert eine normale Fruchtwassermenge nicht die normale Nierenfunktion.

Um bei ausgeprägter früher, fetaler Nierenstauung eine Vorhersage über die Nierenfunktion zu versuchen, können Biomarker aus dem fetalen Urin bestimmt werden (beispielsweise ß2-Microglobulin, Natrium, Chlorid, Calcium), die derzeit jedoch nur eine eingeschränkte Aussagekraft bezüglich der tatsächlichen postnatalen Nierenfunktion ermöglichen (Nicolaides et al.1992; Morris et al. 2007).

Bei milder oder einseitiger Nierenstauung ist mit der Entwicklung eines Oligohydramnions nicht zu rechnen. Es existieren keine Daten, die einen Vorteil für eine vorzeitige Geburtseinleitung belegen (Benjamin et al. 2016). Eine iatrogene Frühgeburt sollte vermieden werden.

Bei ausgeprägter beidseitiger Nierenstauung und reduzierter Fruchtwassermenge sollte der Geburtszeitpunkt interdisziplinär diskutiert werden. In diesen Fällen ist unabhängig vom Geburtszeitpunkt von einer ungünstigeren Prognose bezüglich der Nierenfunktion auszugehen.

Eine fetale Nierenbeckenerweiterung stellt auch bei Oligohydramnion keine Kontraindikation für eine vaginale Geburt dar.

Muss intrauterin interveniert werden?

Es gibt Einzelberichte und kleinere Serien über vorgeburtliche intrauterine Shunt-Einlagen zur Entlastung schwerer fetaler Hydronephrosen vor der 20. Schwangerschaftswoche, jedoch ist ein langfristiger Nutzen für die Nierenfunktion durch diese Eingriffe nicht belegt. Allerdings kann in kritischen frühen Fällen das Überleben der Feten durch eine Steigerung der Fruchtwassermenge und Verhinderung einer Lungenentwicklungsstörung verbessert werden (Morris et al 2013; Freedman et al. 1999). Intrauterine Eingriffe sollten spezialisierten Zentren vorbehalten bleiben, da die Prognose bezüglich der postnatalen Nierenfunktion selbst bei strengsten Einschlusskriterien ungünstig bleibt (Coplen 1997). Die Frage der intrauterinen Intervention, um durch die Prävention der Lungenhypoplasie ein Überleben mit terminalen Nierenversagen zu ermöglichen, ist eine komplexe ethische Entscheidung, bei der auch die Eingriffsrisiken für die Mutter zu beachten sind.

Management nach der Geburt

Postnatal sollte frühestens nach 48 Stunden, optimalerweise um den vierten bis zehnten Lebenstag eine sonografische Kontrolle der Nieren erfolgen, da die initial nach der Geburt einsetzende Oligurie und Flüssigkeitsverschiebungen zu berücksichtigen sind, die bei zu früher Kontrolle fälschlicherweise zu einem unauffälligen Befund führen können. Bei immer kürzerer postnataler stationärer Verweildauer im Sinne einer erweiterten ambulanten Geburt, sollte die sonografische Nachkontrolle im empfohlenen Zeitraum ambulant erfolgen.

Eine Ausnahme stellt die ausgeprägte beidseitige Hydronephrose oder der Verdacht auf eine Harnblasenabflussstörung (Harnröhrenklappen) dar: Hier sollte eine prompte sonografische postpartale Kontrolle innerhalb der ersten 48 Stunden erfolgen, um dringend therapiebedürftige Obstruktionen, insbesondere Urethralklappen zu erkennen. Zur weiteren Diagnostik wird typischerweise ein Miktionszystourogramm durchgeführt. Hierfür wird ein transurethraler Blasenkatheter gelegt, über den Kontrastmittel appliziert wird, um unter Röntgendurchleuchtung die ableitenden Harnwege bei Miktion darzustellen.

Eventuell ist zur weiteren Differenzierung der Harnabflussfehlbildung eine Nierenzintigrafie angezeigt. Die Indikation zur Nierenszintigrafie, aber auch zu eventuell notwendigen chirurgischen Maßnahmen, wird nach den Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Nephrologie, der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie und der Deutschen Gesellschaft für Urologie gestellt.

Harnröhrenklappen bedürfen praktisch immer einer operativen Korrektur mittels endoskopischer Elektro-Ablation oder Laserabtragung. Postoperativ sind in bis zu 50 Prozent Urethralstrikturen beschrieben. Auch bei gutem Operationserfolg kommt es bei bis zu 50 Prozent der operierten Kinder zur fortschreitenden Niereninsuffizienz.

Bei einem ausgeprägten VUR ist eine Ureter-Neuimplantation in die Harnblase zu überlegen. Ein milder VUR bildet sich in etwa 80 Prozent der Fälle spontan zurück (Arlen et al. 2016), allerdings empfehlen einige AutorInnen aufgrund des erhöhten Infektionsrisikos mit nachfolgender möglicher Nierenfunktionsstörung eine Antibiotikaprophylaxe für das erste Lebensjahr (Estrada et al. 2009). Eine große dänische Kohortenstudie beschreibt zu 25 Prozent febrile Harnwegsinfektionen oder notwendige chirurgische Intervention bei pränatal erweiterten Nierenbecken über 10 mm bei einer niedrigen Gesamtprävalenz von 0,4 Prozent (Andres-Jensen et al. 2016).

Ein Vorteil bezüglich der Nierenfunktionsstörung ist jedoch nicht belegt (Lee et al. 2006; Hobermann et al. 2014). Phytopräparate sind umstritten. Eine Beschneidung soll bei Jungen das Harnwegsinfektionsrisiko um den Faktor acht bis zehn senken und ist im Hochrisikokollektiv zu diskutieren (Oswald & Haid 2014).

Die Eltern werden über mögliche Symptome (übelriechender Urin, Trinkschwäche, Bauchschmerzen, Fieber, rezidivierendes Erbrechen, tastbarer abdomineller Tumor) aufgeklärt. Die Zeit zwischen Symptombeginn und antibiotischer Therapie soll die Rate an Nierennarben und Funktionsstörungen wesentlich beeinflussen.

In den letzten Jahren hat sich zunehmend bestätigt, dass eine konservative, abwartende Haltung bei vielen Hydronephrosen im Kleinkindalter zu einer Remission führen kann und diese somit keine chirurgische Intervention benötigen.

Management der fetalen Nierenbeckenerweiterung
  1. Eine Verlaufskontrolle im dritten Trimenon scheint meist ausreichend, ein Eingreifen in den Schwangerschaftsverlauf ist selten notwendig. Eine frühzeitige Entbindung mit baldiger Intervention scheint keinen protektiven Effekt auf die langfristige Nierenfunktion zu haben.
  2. Eine intrauterine chirurgische Intervention ist nur in Ausnahmefällen in Erwägung zu ziehen, um die perinatale Morbidität und Mortalität zu senken. Dieses seltene Vorgehen sollte hochspezialisierten Zentren vorbehalten sein und unterliegt strengster Indikationsstellung.
  3. Alle Feten mit Nierenbeckenerweiterungen > 7 mm im dritten Trimenon sollten zwischen dem vierten und zehnten Tag nach der Geburt sonografisch kontrolliert werden. Bei zu früher Kontrolle können relevante Befunde verkannt werden.
  4. Die Eltern sind über die Symptome einer Harnwegsinfektion aufzuklären, um einen notwendigen Behandlungsbeginn nicht zu verzögern und Langzeitschäden zu vermeiden.
  5. Bei den Kindern ist stets auf einen ausreichenden Hydratationszustand zu achten. Nachsorgende Hebammen sollten in diesen Fällen eine besonders sorgfältige Dokumentation des Gewichtsverlaufes durchführen, um Gedeihstörungen und Trinkschwierigkeiten zeitnah zu erkennen.

Postnatales Risiko einschätzen

Besonders bei einseitiger und milder Hydronephrose ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass kein weiterer Behandlungsbedarf besteht. Relevantester Prädiktor ist der anterioposteriore Nierenbeckenquerdurchmesser, jedoch ist der Vorhersagewert bezüglich eines Vesicourethralen Refluxes unzureichend. Bis zu 75 Prozent der Neugeborenen mit klinisch relevantem VUR haben antenatal einen APD unter 10 mm im dritten Trimenon (Persutte et al. 2009). In einer Arbeit von Mallik & Watson wiesen 50 Prozent der Kinder mit VUR und 25 Prozent der Feten mit einer Ureterabgangsstenose im dritten Trimenon einen APD zwischen 7 und 10 mm auf. Im Gegenzug findet sich in dieser Größenordnung auch der größte Anteil ohne tatsächliche Pathologie.

Insgesamt scheinen Feten mit einem APD über 10 mm im zweiten Trimenon und Feten mit einem APD über 15 mm im dritten Trimenon das höchste Risiko für eine relevante Fehlbildung des Harntraktes mit konsekutiver Therapiebedürftigkeit zu haben (Lee et al. 2006).

Ein günstiger Prognosefaktor ist, wenn eine im zweiten Trimenon diagnostizierte Nierenbeckenerweiterung im Schwangerschaftsverlauf rückläufig oder nicht mehr darstellbar ist. Diese Fälle sind nur in absoluten Ausnahmen mit klinisch relevanten Erkrankungen des Urogenitalsystems assoziiert.

Im Gegensatz hierzu stellt eine Progression der Nierenbeckenerweiterung einen Risikofaktor für eine klinisch relevante Erkrankung dar, so dass der Diagnosezeitpunkt und der Trend bei Verlaufsuntersuchungen eine wesentliche Rolle spielt. Eine frühe Diagnose im ersten Trimenon ist mit einer schlechteren Prognose vergesellschaftet, ebenso ein später Diagnosezeitpunkt im dritten Trimenon (Nguyen et al. 2010).

Resümee

Die fetale Nierenbeckenerweiterung ist ein häufiger pränataler Ultraschallbefund. Assoziierte Fehlbildungen sollten durch einen qualifizierten Pränataldiagnostiker ausgeschlossen werden. Aktuell existieren unterschiedliche Diagnosekriterien und keine strikten Managementempfehlungen, was sich auch durch die individuellen Befundkonstellationen erklären lässt (siehe Kasten Seite 51).

Die Langzeitprognose der isolierten fetalen Pyelektasie/milden Hydronephrose ist ausgezeichnet.

Besonders bei einseitiger und milder Hydronephrose ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass kein weiterer Behandlungsbedarf besteht. Die häufigste Ursache ist eine physiologische, vorübergehende Engstelle, die mit zunehmender Reifung des ableitenden Harnsystems von alleine verschwindet.

Demgegenüber sind die oft – glücklicherweise zu Unrecht – „beschuldigten” Harnröhrenklappen jeglicher Form eine Erkrankung ausschließlich der männlichen Urethra und keine banale Fehlbildung. Die Langzeitprognose bezüglich der Nierenfunktion bei Urethralklappen ist häufig ungünstig.

Der Vesikouretrale Reflux (VUR) benötigt in etwa 20 Prozent der Fälle postnatal eine chirurgische Therapie, bei ausgeprägtem Befund wird eine Antibiotikaprophylaxe im ersten Lebensjahr empfohlen.

Es gibt kein definitives Vorhersagekriterium, ob bei einer antenatalen Hydronephrose eine behandlungsbedürftige Erkrankung bestehen wird. Ein APD über 15 mm im dritten Trimenon wird jedoch einheitlich als schwere und relevante Hydronephrose gewertet und birgt das höchste Risiko für eine relevante Fehlbildung des Harntraktes mit konsekutiver teils operativer Therapiebedürftigkeit.

Primäres Ziel sollte es sein, Eltern durch eine interdisziplinäre pränatale Beratung aufzuklären, um sie nicht unnötig zu beunruhigen, andererseits aber für eine eventuell notwendige weitere postnatale Diagnostik und Therapie vorzubereiten.

Zitiervorlage
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