Die norwegischen Leitlinien zur normalen Geburt beinhalten auch den Umgang mit der vollen Harnblase während der Geburt und im frühen Wochenbett. In der Leitlinie wird darauf hingewiesen, dass die Blase während der Wehen regelmäßig entleert werden soll, sowohl in der Eröffnungsperiode als unbedingt vor der Austreibungsperiode und vor jeder instrumentellen Geburtsbeendigung.
Als Risikofaktoren für eine Harnretention gelten:
- PDA, Spinalanalgesie und der Pudendusblock
- lange Geburtsverläufe inkl. langer Austreibungsperiode
- operative Geburtsbeendigungen
- Episiotomien und ausgeprägte Rissverletzungen
- große Infusionsmengen
- Erstgebärende
- Status nach Urinretention.
Oxytocin hat einen schwach antidiuretischen Effekt! Bei zusätzlichen Gaben von Oxytocin sollte das in die Beurteilung mit einbezogen werden.
Trotzdem kann es sein, dass bei spontanem Wasserlassen von mehr als 300 ml eine größere Menge Resturin in der Blase verbleiben kann. Im Zweifelsfall, besonders wenn auf Grund von Infusionen etc. größere Urinmengen erwartet werden, sollte der Resturin mit dem Blasenscanner überprüft werden. Der Restharn in der Blase sollte mit einem Ultraschall-Blasen-Scan beurteilt und nach dem Katheterisieren gemessen werden. Bei einem Resturin von 100–150 ml regelt sich die Blasenentleerung oft von selbst.
Kann eine Frau innerhalb der ersten drei Stunden nach der Geburt bzw. nach dem Entfernen des Katheters nicht spontan Wasserlassen, sollte sie katheterisiert werden. Überschreitet die Menge 150 ml nicht, wird ohne weitere Maßnahmen abgewartet. Bei einer Urinmenge von 150–1.000ml wird sie alle zwei bis vier Stunden zum Wasserlassen angehalten und gegebenfalls erneut katheterisiert so lange bis die Restharnmenge unter 150 ml liegt.
Liegt die Resturinmenge bei über 1.000 ml wird eine Dauerkatheter für die nächsten ein bis zwei Tage gelegt, unter Umständen bis zu einer Woche, abhängig von den Begleitfaktoren. Wenn der Dauerkatheter entfernt wird, wird wieder alle drei bis vier Stunden auf spontanes Urinieren gedrängt und die Restharnmenge durch Katheterisieren so lange kontrolliert, bis die Restharnmenge unter 150 ml liegt.
Bei andauernden Problemen länger als 3 bis 4 Tage wird die Frau zu einer urologischen Poliklinik überwiesen und zur Selbstkatheterisierung angeleitet.
Anmerkung der Autorin: In Gesprächen mit Kolleginnen aus dem Norden sehen diese gehäuft Blasenentzündungen im Wochenbett, die ich in meiner Praxis praktisch nie erlebe. In Anbetracht des seltenen Vorkommens einer echten Urinretention halte ich die restriktiven Empfehlungen der deutschen Leitlinie zur Harndrainage für angemessen. Es fehlen allerdings aussagekräftige Studien zu diesem Thema.