Die Lösung liegt im Unbewussten
In Hypnose befindet man sich in einem anderen Bewusstseinszustand, der auch Trance genannt wird. Jedoch ist das Unterbewusstsein völlig angeschaltet und wach. Es ist ganz offen für Anregungen, neue Bilder und Vorschläge des Hypnotiseurs, kann eigene Bilder und Erlebnisse positiv verändern. Auf der körperlichen Ebene ist man im Zustand einer tiefen Entspannung. Von außen könnte man denken, die Person schläft. Puls, Blutdruck, Atemfrequenz und Muskelspannung sinken drastisch. Oft fühlt man sich nach einer Hypnose erfrischt und gestärkt, wie nach einem langen gesunden Schlaf. Wohlfühltrancen, Selbsthypnose, Trance, autogenes Training oder Meditation sind verschiedene Methoden, um durch uns selbst oder mit Hilfe einer anderen Person in einen tiefen Zustand von Entspannung und inneren Fokus zu gelangen. So bieten wir dem eigenen Unterbewussten eine einzigartige Möglichkeit, innere Realitäten zu verändern und auch an die eigenen Ressourcen anzudocken. Wir finden dadurch neue Lösungen und Perspektiven und können bestimmte Hürden müheloser überwinden. Während meiner fast 30-jährigen Praxis als Hebamme habe ich mir immer wieder darüber Gedanken gemacht, warum das Gebären oft so schwierig zu sein scheint und wo das Problem liegt. Ich sehe die Lösung im Unbewussten: Je weniger Ängste und Selbstzweifel eine Schwangere über die bevorstehende Geburt hat, umso höher sind ihre Chancen auf eine gute Geburt. Das hat der englische Arzt Dick Read, der sich für die natürliche Geburt einsetzte, bereits in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts erforscht und beobachtet.
Sein Konzept von Angst, Verspannung und Schmerz (Fear, Tension, Pain) bedeutet in der Umkehrung: Je entspannter die Frau ist, desto besser läuft die Geburt. Möglich sind etwa individuelle hypnotische Sitzungen, Kurskonzepte hypnotischer Geburtsvorbereitung, Selbsthypnose und Entspannungstechniken. Manche Ängste lassen sich in einer Sitzung auflösen, während Selbsthypnose ein längeres Prozedere mit etwas Übung erfordert. Hypnose funktioniert prinzipiell bei fast allen Menschen, es sei denn sie möchten nicht hypnotisiert werden. Natürlich gibt es immer Menschen, die suggestibler als andere sind und deshalb leichter und müheloser in einen Zustand von Trance gleiten können. Kinder lassen sich meist einfach hypnotisieren.
Ein Grundprinzip ist, dass unser Gehirn keinen Unterschied zwischen erlebter und gedachter Realität machen kann. Für einen Teil unseres Gehirns ist alles wahr. Ein Mensch, der an einer Spinnenphobie leidet, kann sich selbst tausendmal auf einer logischen Ebene sagen, dass dies nur eine Plastikspinne ist. Er wird trotzdem Angst, Schweißausbrüche und andere Symptome erleben.
Wie der russische Verhaltensforscher Petrowitsch Pawlow schon vor vielen Jahren mit seinem Hundeexperiment nachgewiesen hat, gibt es Konditionierungen, auf die wir reagieren. Jeder Gedanke ruft eine biochemische Reaktion im Körper hervor. Wenn wir an ein unangenehmes Ereignis in unserem Leben denken, können wir oft das Gefühl oder die Bilder reproduzieren. Genauso geht es uns mit positiven Erlebnissen. Und dies ist eine Verbindung, die wir für die Geburt gut nutzen können.
Unser Unbewusstes, dessen Bilder wir aus Träumen kennen, reagiert besser auf eine indirekte Sprache, Bilder, Geschichten und Metaphern. Dem Unbewussten kann man Raum für eigene Phantasien geben. Ich benutze in der Arbeit mit Schwangeren gerne den „Gebärmütterchengarten”, in dem die schönste Frucht von allen wächst. Ebenso die Vorstellung, dass vor vielen Monden ein Samen gepflanzt wurde und nun ganz ungestört im Rhythmus der Natur wächst und gedeiht.
Es gibt relativ einfache Methoden, jemanden zu hypnotisieren. Es versteht sich aber von selbst, dass dies verantwortungsvoll eingesetzt wird und natürlich einer Ausbildung bedarf. Zu jeder Hypnose gibt es verschiedene Einleitungstechniken. Das kann über Atmen, Fixieren eines Gegenstandes, Herunterzählen, progressive Muskelentspannung oder anderes geschehen. Es hängt ab von der Präferenz der Anwenderin, ihrer Klientin und den Umständen.
Gut funktioniert dies mit einer posthypnotischen Suggestion, nach jeder Trance ist man noch sehr suggestibel und nimmt Anweisungen mühelos auf: „… mit jedem Tag wird dein Zutrauen in deinen Körper immer stärker und du fühlst, wie die Freude auf die bevorstehende Geburt wächst.” In einer Trance ist das Unbewusste viel aufnahmefähiger und hört sehr genau hin. Daher soll die Sprache positiv sein und frei von Verneinungen, da das Unbewusste Verneinungen nicht versteht. Es versteht eine einfache klare Sprache. Fragen wie: „Tut es sehr weh?”, oder: „Wünschen Sie etwas gegen Schmerzen?”, bringen automatisch den Schmerz sofort in unser Bewusstsein.
Als Hebamme muss ich mich fragen, ob ich die Frau auf eine natürliche Geburt vorbereite oder ob ich ein Konzept unterstütze, in dem für alle Fälle schon mal alles für eine PDA ausgefüllt wird. Das entspricht einem indirekten Programmieren (Priming, Preframing), indem der Frau indirekt vermittelt wird, dass sie das wahrscheinlich braucht. Wir müssen im Auge behalten, dass eine Geburt ein physiologischer Vorgang des Körpers ist, und die Frau darin bestärken.
Einfache Techniken im Alltag
Schwangere und ihre Partner können davon profitieren, einfache Selbsthypnose und Entspannungstechniken zu erlernen, die sie am Tag der Geburt für sich selbst oder gemeinsam anwenden können. Auch für den Alltag ist sie ein Geschenk: Entspannung für das Leben. Als Hebamme jemanden in die Entspannung „zu atmen”, ist uns wohlbekannt. Und der Satz „Mit jedem Ausatmen lässt du immer mehr los…”, funktioniert bei Gebärenden oft sehr gut. Hier lassen sich gut Entspannungsanker einbauen. Als Anker kann im Prinzip alles dienen, was das limbische System kennt: ein Geruch, ein Gegenstand, ein Musikstück, ein Talisman. So einen Ressourcenanker kann man während der Schwangerschaft anlegen, trainieren und ihn während der Geburt benutzen. Das Unterbewusstsein lernt zum Beispiel: Immer wenn diese Musik ertönt, entspanne ich mich. Den inneren Autopiloten zu aktivieren, erfordert natürlich ein häufiges Üben der Technik.
Hypnobirthing
Ein Weg, der im Moment immer bekannter wird, ist ein hypnotisches Geburtsvorbereitungsmodell für Paare. Das bekannteste ist das Hypnobirthing, auch genannt Mongan-Methode. Marie Mongan, geboren 1933, ist die Gründerin von HypnoBirthing und Direktorin des HypnoBirthing-Instituts. Sie ist Amerikanerin, weshalb sich das Modell zuerst in den englischsprachigen Ländern verbreitet hat und erst seit ein paar Jahren in der Schweiz und Deutschland bekannter wird. Die Grundidee ist, Paaren eine Möglichkeit zu geben, die Normalität der Schwangerschaft und Geburt zu erkennen und mit Hilfe von Hypnose und hypnotischen Techniken wie Selbsthypnose oder „Ankern” eine entspannte und angstfreie Geburt zu haben. Als die Geburt ihres ersten Enkelkindes anstand, fasste sie bewährte Hypnosetechniken im geburtshilflichen Kontext zusammen und ermöglichte ihrer Tochter eine sanfte und natürliche Geburt innerhalb des rigiden amerikanischen Krankenhaussystems. Dies war etwas, das die ÄrztInnen und Schwestern dort in Erstaunen versetzte und somit war die Idee für dieses Geburtsvorbereitungskonzept vor etwa 30 Jahren geboren worden – ein 12- bis 14-Stunden Konzept, das sich als Partnerkurs versteht. Allerdings habe ich bei manchen Frauen festgestellt, dass sie individuelle Sitzungen brauchen, um ein Problem klarer für sich herauszuarbeiten oder um einen Glaubenssatz zu verändern.
Ausblick
Das Hypnobirthing kann eine gute Vorbereitung zur Geburt sein, unabhängig davon, wo Eltern gebären wollen und wie viel Information die werdenden Eltern insgesamt haben. Hypnobirthpractitoner können Hebammen und alle Menschen werden, die sich für das Thema Geburt interessieren. Wenn allerdings die konkrete Erfahrung mit Geburten fehlt, kann dies in meinen Augen ein Manko sein, da diese Menschen dann nicht immer die praktischen, geburtsspezifischen Fragen beantworten können.
Insgesamt sind Hypnosen ein wunderbarer Weg, sich auf eine Geburt frei von Ängsten vorzubereiten. Am Ende sollte die Frau beziehungsweise das Paar nach eigenem Gefühl entscheiden, wie und mit wem sie sich vorbereiten.