Wenn die Wehen Schlag auf Schlag feurig und übermächtig anbranden, kann die Handschuhanästhesie helfen: Die Gebärende umspült eine Hand gedanklich mit Eiswasser, bis sie taub ist, dann überträgt sie die Betäubung auf ihren Bauch. Entspannt kann die werdende Mutter nun die Wehen wie leichte Wellen über sich hinüber schwappen lassen. Abbildung: © Birgit Heimbach

Hypnose ist keine Zauberei. Sie ist eine einfache Methode, die jeder Mensch im Alltag anwenden kann, um auf eine Bewusstseinsebene zu kommen, auf der eine tiefe Entspannung möglich ist. Schmerzen bei der Geburt können dadurch so in den Hintergrund treten, dass sie nicht mehr wahrgenommen werden. In der Geburtsbegleitung sind verschiedene Hypnosetechniken auf dem Vormarsch.

In den antiken Kulturen Griechenlands und Ägyptens wurde seit jeher ein hypnotischer Schlafzustand zur Heilung benutzt. „Hypnos” heißt im Griechischen „Schlaf”. Und schon vor Tausenden von Jahren haben Frauen ihre Kinder in Trance sowie mit Hilfe von Selbsthypnose zur Welt gebracht. Therapeuten wie Franz Mesmer, Milton Erickson, Dave Elman, Ernest Rossi und viele andere haben Hypnose immer bekannter und auch zugänglicher für Menschen in unserer Zeit gemacht.

Elman-Induktion und Handschuhanästhesie

Dave Elman war ein US-amerikanischer Hypnotiseur, der in den 1940er Jahren ein schnelles Hineinführen (Induktion) in die Hypnose entwickelt hat. Seine Methode war so erfolgreich war, dass er sie vielen ÄrztInnen beibrachte. Seine Methode wird bis heute in der Zahnmedizin und in der Notaufnahme benutzt. Sie ist fester Bestandteil der heutigen Hypnose.

Die Dave-Elman-Induktion ist eine spezielle Induktion, die es erstmals in der Geschichte der Hypnose erlaubte, gezielt mit Tiefenhypnose (Somnambulismus) zu arbeiten. Das Besondere daran ist, dass sie in der Lage ist, in weniger als vier Minuten circa 80 Prozent der KlientInnen in eine tiefe Hypnose zu führen (siehe auch Seite 40).

Die Handschuhanästhesie erlaubt uns dabei, uns vorzustellen, dass sich unsere Hände wie betäubt anfühlen, als ob wir sie in einen Eimer mit Eiswasser gehalten hätten und sie ganz taub wären, fast schon so wie ein Stück Holz oder Metall. Dieses Gefühl verstärken wir und übertragen es dann auf beliebige Körperteile. In Elman-Seminaren können Teilnehmer die Wirksamkeit der Methode mit Nadelstichen an sich
selbst ausprobieren.

Der amerikanischer Psychotherapeut Milton Erickson (1901–1980) erkrankte mit 17 Jahren an Kinderlähmung und konnte nur noch seine Augen bewegen. Sein intensiver Wunsch, aus dem Fenster zu schauen, erzeugte eine Bewegung des Schaukelstuhls. Er entdeckte, dass er unwillkürlich motorische Bewegungen erzeugen konnte, indem er sich auf bestimmte Bewegungsabläufe konzen­trierte. Indem sich Erickson in der Vorstellung wieder laufen sah, manipulierte er sich so, dass er nach knapp einem Jahr wieder an Krücken laufen konnte.

Dieses Gesetz der Anziehung (Law of attraction) wird heute oft im Sport und generell im mentalen Coaching genutzt wird. Man weiß, je detaillierter die Vorstellung des Vorgangs der Handlung ist, umso größer die Chance, dass der Vorgang dann so eintritt. Erickson erweiterte im Lauf der Jahre Hypnose und Hypnosetherapie mit vielen kreativen, individuellen Ansätzen und hat ganz neue Wege der Anwendung geschaffen. Sein Ansatz erhebt den Anspruch, es durch spezielle, verbale und nonverbale Techniken dem Unbewussten zu ermöglichen, die Führung einzunehmen. Viele bekannte Therapeuten unserer Zeit waren seine Schüler, wie Richard Bandler, Mitbegründer des Neurolinguistischen Programmierens (NLP).

Die Lösung liegt im Unbewussten

In Hypnose befindet man sich in einem anderen Bewusstseinszustand, der auch Trance genannt wird. Jedoch ist das Unterbewusstsein völlig angeschaltet und wach. Es ist ganz offen für Anregungen, neue Bilder und Vorschläge des Hypnotiseurs, kann eigene Bilder und Erlebnisse positiv verändern. Auf der körperlichen Ebene ist man im Zustand einer tiefen Entspannung. Von außen könnte man denken, die Person schläft. Puls, Blutdruck, Atemfrequenz und Muskelspannung sinken drastisch. Oft fühlt man sich nach einer Hypnose erfrischt und gestärkt, wie nach einem langen gesunden Schlaf. Wohlfühltrancen, Selbsthypnose, Trance, autogenes Training oder Meditation sind verschiedene Methoden, um durch uns selbst oder mit Hilfe einer anderen Person in einen tiefen Zustand von Entspannung und inneren Fokus zu gelangen. So bieten wir dem eigenen Unterbewussten eine einzigartige Möglichkeit, innere Realitäten zu verändern und auch an die eigenen Ressourcen anzudocken. Wir finden dadurch neue Lösungen und Perspektiven und können bestimmte Hürden müheloser überwinden. Während meiner fast 30-jährigen Praxis als Hebamme habe ich mir immer wieder darüber Gedanken gemacht, warum das Gebären oft so schwierig zu sein scheint und wo das Problem liegt. Ich sehe die Lösung im Unbewussten: Je weniger Ängste und Selbstzweifel eine Schwangere über die bevorstehende Geburt hat, umso höher sind ihre Chancen auf eine gute Geburt. Das hat der englische Arzt Dick Read, der sich für die natürliche Geburt einsetzte, bereits in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts erforscht und beobachtet.

Sein Konzept von Angst, Verspannung und Schmerz (Fear, Tension, Pain) bedeutet in der Umkehrung: Je entspannter die Frau ist, desto besser läuft die Geburt. Möglich sind etwa individuelle hypnotische Sitzungen, Kurskonzepte hypnotischer Geburtsvorbereitung, Selbsthypnose und Entspannungstechniken. Manche Ängste lassen sich in einer Sitzung auflösen, während Selbsthypnose ein längeres Prozedere mit etwas Übung erfordert. Hypnose funktioniert prinzipiell bei fast allen Menschen, es sei denn sie möchten nicht hypnotisiert werden. Natürlich gibt es immer Menschen, die suggestibler als andere sind und deshalb leichter und müheloser in einen Zustand von Trance gleiten können. Kinder lassen sich meist einfach hypnotisieren.

Ein Grundprinzip ist, dass unser Gehirn keinen Unterschied zwischen erlebter und gedachter Realität machen kann. Für einen Teil unseres Gehirns ist alles wahr. Ein Mensch, der an einer Spinnenphobie leidet, kann sich selbst tausendmal auf einer logischen Ebene sagen, dass dies nur eine Plastikspinne ist. Er wird trotzdem Angst, Schweißausbrüche und andere Symptome erleben.

Wie der russische Verhaltensforscher Petrowitsch Pawlow schon vor vielen Jahren mit seinem Hundeexperiment nachgewiesen hat, gibt es Konditionierungen, auf die wir reagieren. Jeder Gedanke ruft eine biochemische Reaktion im Körper hervor. Wenn wir an ein unangenehmes Ereignis in unserem Leben denken, können wir oft das Gefühl oder die Bilder reproduzieren. Genauso geht es uns mit positiven Erlebnissen. Und dies ist eine Verbindung, die wir für die Geburt gut nutzen können.

Unser Unbewusstes, dessen Bilder wir aus Träumen kennen, reagiert besser auf eine indirekte Sprache, Bilder, Geschichten und Metaphern. Dem Unbewussten kann man Raum für eigene Phantasien geben. Ich benutze in der Arbeit mit Schwangeren gerne den „Gebärmütterchengarten”, in dem die schönste Frucht von allen wächst. Ebenso die Vorstellung, dass vor vielen Monden ein Samen gepflanzt wurde und nun ganz ungestört im Rhythmus der Natur wächst und gedeiht.

Es gibt relativ einfache Methoden, jemanden zu hypnotisieren. Es versteht sich aber von selbst, dass dies verantwortungsvoll eingesetzt wird und natürlich einer Ausbildung bedarf. Zu jeder Hypnose gibt es verschiedene Einleitungstechniken. Das kann über Atmen, Fixieren eines Gegenstandes, Herunterzählen, progressive Muskelentspannung oder anderes geschehen. Es hängt ab von der Präferenz der Anwenderin, ihrer Klientin und den Umständen.

Gut funktioniert dies mit einer posthypnotischen Suggestion, nach jeder Trance ist man noch sehr suggestibel und nimmt Anweisungen mühelos auf: „… mit jedem Tag wird dein Zutrauen in deinen Körper immer stärker und du fühlst, wie die Freude auf die bevorstehende Geburt wächst.” In einer Trance ist das Unbewusste viel aufnahmefähiger und hört sehr genau hin. Daher soll die Sprache positiv sein und frei von Verneinungen, da das Unbewusste Verneinungen nicht versteht. Es versteht eine einfache klare Sprache. Fragen wie: „Tut es sehr weh?”, oder: „Wünschen Sie etwas gegen Schmerzen?”, bringen automatisch den Schmerz sofort in unser Bewusstsein.

Als Hebamme muss ich mich fragen, ob ich die Frau auf eine natürliche Geburt vorbereite oder ob ich ein Konzept unterstütze, in dem für alle Fälle schon mal alles für eine PDA ausgefüllt wird. Das entspricht einem indirekten Programmieren (Priming, Preframing), indem der Frau indirekt vermittelt wird, dass sie das wahrscheinlich braucht. Wir müssen im Auge behalten, dass eine Geburt ein physiologischer Vorgang des Körpers ist, und die Frau darin bestärken.

Einfache Techniken im Alltag

Schwangere und ihre Partner können davon profitieren, einfache Selbsthypnose und Entspannungstechniken zu erlernen, die sie am Tag der Geburt für sich selbst oder gemeinsam anwenden können. Auch für den Alltag ist sie ein Geschenk: Entspannung für das Leben. Als Hebamme jemanden in die Entspannung „zu atmen”, ist uns wohlbekannt. Und der Satz „Mit jedem Ausatmen lässt du immer mehr los…”, funktioniert bei Gebärenden oft sehr gut. Hier lassen sich gut Entspannungsanker einbauen. Als Anker kann im Prinzip alles dienen, was das limbische System kennt: ein Geruch, ein Gegenstand, ein Musikstück, ein Talisman. So einen Ressourcenanker kann man während der Schwangerschaft anlegen, trainieren und ihn während der Geburt benutzen. Das Unterbewusstsein lernt zum Beispiel: Immer wenn diese Musik ertönt, entspanne ich mich. Den inneren Autopiloten zu aktivieren, erfordert natürlich ein häufiges Üben der Technik.

Hypnobirthing

Ein Weg, der im Moment immer bekannter wird, ist ein hypnotisches Geburtsvorbereitungsmodell für Paare. Das bekannteste ist das Hypnobirthing, auch genannt Mongan-Methode. Marie Mongan, geboren 1933, ist die Gründerin von HypnoBirthing und Direktorin des HypnoBirthing-Instituts. Sie ist Amerikanerin, weshalb sich das Modell zuerst in den englischsprachigen Ländern verbreitet hat und erst seit ein paar Jahren in der Schweiz und Deutschland bekannter wird. Die Grundidee ist, Paaren eine Möglichkeit zu geben, die Normalität der Schwangerschaft und Geburt zu erkennen und mit Hilfe von Hypnose und hypnotischen Techniken wie Selbsthypnose oder „Ankern” eine entspannte und angstfreie Geburt zu haben. Als die Geburt ihres ersten Enkelkindes anstand, fasste sie bewährte Hypnosetechniken im geburtshilflichen Kontext zusammen und ermöglichte ihrer Tochter eine sanfte und natürliche Geburt innerhalb des rigiden amerikanischen Krankenhaussystems. Dies war etwas, das die ÄrztInnen und Schwestern dort in Erstaunen versetzte und somit war die Idee für dieses Geburtsvorbereitungskonzept vor etwa 30 Jahren geboren worden – ein 12- bis 14-Stunden Konzept, das sich als Partnerkurs versteht. Allerdings habe ich bei manchen Frauen festgestellt, dass sie individuelle Sitzungen brauchen, um ein Problem klarer für sich herauszuarbeiten oder um einen Glaubenssatz zu verändern.

Ausblick

Das Hypnobirthing kann eine gute Vorbereitung zur Geburt sein, unabhängig davon, wo Eltern gebären wollen und wie viel Information die werdenden Eltern insgesamt haben. Hypnobirthpractitoner können Hebammen und alle Menschen werden, die sich für das Thema Geburt interessieren. Wenn allerdings die konkrete Erfahrung mit Geburten fehlt, kann dies in meinen Augen ein Manko sein, da diese Menschen dann nicht immer die praktischen, geburtsspezifischen Fragen beantworten können.

Insgesamt sind Hypnosen ein wunderbarer Weg, sich auf eine Geburt frei von Ängsten vorzubereiten. Am Ende sollte die Frau beziehungsweise das Paar nach eigenem Gefühl entscheiden, wie und mit wem sie sich vorbereiten.

Nachgefragt

Birgit Heimbach: Auf dem Kongress des Deutschen Hebammenverbandes Anfang Mai in Nürnberg haben Sie den Vortrag gehalten: „Und denken Sie jetzt nicht an einen blauen Elefanten”. Eine Aufforderung, die zeigen sollte, dass das Unbewusste keine Verneinung versteht. Alle Zuhörerinnen werden sofort an einen blauen Elefanten gedacht haben. Wie groß war das Interesse bei den Hebammen am Thema Hypnose?

Jutta Wohlrab: Das Interesse war sehr groß und das Feedback auf den Vortrag fantastisch. Dadurch dass mein Vortrag aktive Anteile hatte, konnten die Teilnehmerinnen gleich etwas ausprobieren. Schön waren die zahlreiche Teilnahme und auch das anschließende Gespräch, das vor der Tür weiterging. Ich bin mir sicher, dass dieses Thema auch in Zukunft immer mehr Interesse finden wird.

Sie haben als Hebamme in Deutschland, Neuseeland und Australien gearbeitet. Sehen Sie Unterschiede im Schmerzempfinden oder -umgang der Frauen?

Das Schmerzempfinden ist von verschiedenen Faktoren geprägt. Ein Teil ist sicherlich ein kultureller Aspekt, der auch einen direkten Bezug zur Gebärkultur hat. Australien und Neuseeland sind echte Einwanderungsländer. Als Hebamme kam ich dort mit Frauen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen zusammen. Chinesinnen und Japanerinnen scheinen oft weniger Schmerz zu empfinden, zumindest verziehen sie kaum eine Miene. Arabische Frauen singen ihre Kinder oft mit einem „Yallah” heraus. Inderinnen, so erklärte es mir zumindest eine indische Ärztin, müssten oft sehr leiden. Das sei ihre Zeit und dem Ehemann müsse das große Leid und Schmerz gezeigt werden, damit er sie, die Frau, wertschätzt und respektiert. Aborigines, Maori und Frauen aus dem Südpazifik werden sicherlich eine unterdurchschnittliche Rate an PDAs haben, da eine medikamentöse Schmerzbehandlung nicht Teil ihrer Geburtskultur ist. Schmerz hat viele Ausdrucksformen von ganz still sein über Weinen bis Schreien. Genauso weit geht die Frage auseinander, wie wir ihn lindern wollen. Und genauso gibt es viele Formen, wie verschieden Kulturen damit umgehen. Insgesamt empfand ich den Unterschied oft wesentlich stärker geprägt durch die Wahl des Geburtsortes: Hausgeburts- oder Geburtshausfrauen, da wie dort, sind eher bereit mit Schmerz umzugehen oder sich bewusster vorzubereiten.

Welche schmerzlindernden Methoden werden in Australien und Neuseeland eingesetzt?

Pethidin ist in Kliniken relativ üblich zur Überwindung von Geburtsschmerz. Auch der Einsatz von TENS zur sanften Elektrostimulation der Muskeln zur Schmerzlinderung ist durchaus üblich. Lachgas ist Teil der normalen Gebärkultur und wird zum Teil auch in Geburtshäusern angeboten. Hypnose beziehungsweise Hypnobirthing sind in Australien auf alle Fälle schon weitaus mehr akzeptiert und verbreitet als hier . Generell habe ich das Gefühl, dass in Australien eine gewisse Offenheit und Neugier diesen Methoden gegenüber besteht. Besonders Hausgeburtsfrauen interessieren sich für natürliche Methoden wie Hypnose und Yoga, es gibt auch Yoga-Hypnose. Etwas, was wir zum Beispiel im Yoga praktizieren, ist das Verstehen, dass auch dieser Moment vergänglich ist und der Atem uns trägt.

Links
http://www.elementsofbirth.com
Zitiervorlage
Wohlrab J: Hypnose: Entspannungsanker. DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 2013. 65 (6): 36–38
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