Die Aa. ovarica kommt direkt von der Aorta, wo sie nach dem Abgang der Nierengefäße entspringt. Sie kreuzt den Ureter. Äste der Ovarica verbinden sich teils mit dem R. ovaricus der A. uterina, teils ziehen sie bis zu Ampulla und Isthmus der Tuben. Die A. uterina entspringt der A. iliaca interna, zieht etwa 2 cm vom Uterus entfernt im Bogen über den Ureter hinweg und gibt auf Höhe des Isthmus einen absteigenden Ast ab, der die Zervix umrundet und mit den Ästen der A. vaginalis anastomosiert. Auch zwischen äußerem und innerem Genitale gibt es zwischen den Arterien vielerlei Verbindungen. Neben diesem Geflecht aus Arterien gibt es ein ähnliches Netz an Venen, die etwa jeweils ein ähnliches Lumen haben.
Illustration: © Birgit Heimbach
Der Chefarzt der Frauenkliniken der Asklepios-Kliniken in Hamburg teilt seine Erfahrung und Expertise im Umgang mit postpartalen Blutungen. Er fordert mehr Aufmerksamkeit, Alarmbereitschaft und interprofessionelle Zusammenarbeit.
Postpartale Blutungen beziehungsweise Postpartale Hämorrhagien (PPH) werden im Allgemeinen nach der Höhe des Blutverlustes definiert. Bei der vaginalen Geburt führt ein Blutverlust von >500 ml, bei der Sectio von >1.000 ml zur Diagnose einer PPH (AWMF-Leitlinie, 2022; Belfort et al., 2024), Escobar et al., 2022).
Dass dies klinisch schwierig und häufig auch unsinnig ist, liegt auf der Hand. Schon die Unterschiede in der Bewertung des Blutverlustes zwischen vaginaler Geburt und Sectio caesarea sind wenig plausibel. Außerdem handelt es sich um eine Ex-post-Bewertung, die nichts über den Zeitpunkt, die Geschwindigkeit und die klinischen Konsequenzen aussagt.
Definition und Diagnose
Daher hat sich in den letzten Jahren eine stärker klinisch geprägte Definition durchgesetzt, die eine Ex-ante-Sicht zulässt, die stärker antizipiert und damit auch direkten Einfluss auf das weitere Management nimmt. Danach ist PPH zu definieren als eine exzessive Blutung, die bei der Patientin zu weiteren klinischen Auffälligkeiten wie Blässe, Benommenheit, Schwäche, Palpitationen (bewusstes Wahrnehmen des Herzschlages), Schwitzen, Ruhelosigkeit, Verwirrung, Luftnot und Synkopen führt. Mit anderen Worten: Die Definition greift sehr früh und resultiert so auch in einem stärkeren Bewusstsein für die Notwendigkeit zu handeln, auch wenn die Diagnose natürlich in gewissem Ausmaß subjektiv geprägt ist.
Schwere postpartale Blutungen sind wesentlich häufiger, als man denkt. Sie treten bei mehr als 1 % aller Geburten auf – meiner Erfahrung als Chefarzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe nach liegt die Zahl der relevanten PPH aufgrund höherer Wachsamkeit eher bei etwa 4–5 % aller Geburten! Und sie sind für bis zu 49 % der aus der Geburtshilfe stammenden Aufnahmen auf Intensivstationen verantwortlich (Prata et al., 2010).
Grundsätzlich zählt immer rasches Handeln nach früher Erkennung, weswegen ich die genannte klinische Definition für sinnvoller halte. Das Ergebnis ist immer abhängig von der rechtzeitigen Diagnose.
Unterschiedliche retrospektive Analysen konnten belegen, dass bis zu 93 % der PPH-bedingten Todesfälle vermeidbar gewesen wären. Eine US-amerikanische Arbeitsgruppe kam zu dem Ergebnis: »Women die from postpartum hemorrhage because they do not receive early, effective and aggressive lifesaving treatments.« (AWHONN, 2015)
Zwei Hauptprobleme definieren die Schwere des Outcomes: »Denial«, also die Leugnung, das Nicht-Wahrhaben-Wollen, das Wegsehen, und »Delay«, also die Verzögerung und die unkoordinierte, unstrukturierte Behandlung.
Abbildung 2: Die vier Ts geben einen Überblick über die Ursachen postpartaler Blutungen
Quelle: Scott Kobner, 2019
Pathogenese
Einen guten Überblick über die Ursachen postpartaler Blutungen geben die vier Ts, die für Tonus, Trauma, Tissue und Thrombin stehen (siehe Abbildung 2).
70 % der postpartalen Blutungen gehen auf das Konto eines unzureichenden uterinen Tonus. Nur 20 % sind traumatisch bedingte Blutungen, also vor allem Blutungen aus Damm-, Scheiden- und Zervixverletzungen. 10 % sind auf Plazentationsstörungen zurückzuführen, vor allem auf Placenta adhaerens, Placenta accreta oder Plazentareste. In nur 1 % der Fälle spielen angeborene oder erworbene Gerinnungsstörungen die primäre Rolle, zum Beispiel beim Von-Willebrand-Syndrom oder einer Thrombozytenfunktionsstörung.
Die Schwierigkeit ist, dass jeder Blutverlust irgendwann zu einer Gerinnungsstörung führt. Das heißt, aus einer primär atonischen oder traumatischen Blutung entwickelt sich nach einer gewissen Zeit eine koagulopathische Blutung. Da die Gerinnungsfaktoren wie zum Beispiel Thrombin teilweise auch uteroton wirken, kann der Verlust von Gerinnungsfaktoren irgendwann in eine Atonie übergehen.
Grundsätzlich sollte über jede Form des Blutverlustes vollkommen anders gedacht werden: Jeder Blutverlust bedeutet letztlich den Verlust eines komplexen, wenn auch flüssigen Organs. Mit dem Blut gehen viele lebensnotwendige Funktionen teilweise oder ganz verloren, so auch Immunglobuline und weiße Blutkörperchen, die die Immunabwehr sicherstellen. Blutverlust bedeutet auch Wärmeverlust und Funktionsverlust oder -beeinträchtigung vieler anderer lebenswichtiger Organe, die auf die Blutversorgung und die darin enthaltenen Bestandteile in unterschiedlicher Form angewiesen sind.
Vor diesem Hintergrund ist die in der AWMF-Leitlinie »Vaginale Geburt am Termin« derzeit sehr offene Haltung gegenüber der Gabe von Oxytocin nach der Geburt vollkommen unverständlich. Es ist wissenschaftlich belegt, dass das aktive Management der Plazentarperiode zur signifikanten Senkung des Blutverlusts führt und zu signifikant weniger Anämien im Wochenbett. Anämie ist aber eben nicht nur lapidar als ein »Verlust von roten Blutkörperchen« zu sehen, der irgendwann folgenlos ausgeglichen ist. Sondern es ist eine globale Schwächung eines komplexen Systems mit Einfluss auf viele weitere Körperfunktionen. Anämie bedeutet auch ein erhöhtes Risiko für Immunschwäche, Kreislaufschwäche, Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Depression, Thrombose und Lungenembolie, um nur einige Punkte zu nennen.
Abbildung 3: Korrosionspräparat aus dem Lehrbuch des Geburtshelfers Prof. Ernst Bumm aus dem Jahr 1908. Es zeigt, dass sich bis zur Geburt die Venen des Uterus stärker als die Arterien vergrößern. Bumm schreibt: »Während die zuführenden Arterie uterinae und spermaticae internae die Dicke eines Rabenfederkiels erreichen, werden die gleichnamigen Venenstämme kleinfingerdick.« Sie durchkreuzen die Muskelfasern des Uterus in alle Richtungen.
Reproduktion: Birgit Heimbach. Aus »Grundriss zum Studium der Geburtshilfe«, Bumm, 1908
Praktisches Vorgehen
Der bedeutsamste Faktor ist die »Awareness«, also das Bewusstsein, dass bei ausnahmslos jeder Geburt schwerwiegende Blutungen auftreten können. Es gibt keine gut funktionierende Risikostratifizierung. Natürlich wissen wir, dass Frauen, die bereits eine PPH in der Anamnese haben, ein höheres Blutungsrisiko aufweisen. Wir wissen auch, dass Zustände uteriner Überdehnung durch Mehrlinge oder Polyhydramnion mit einem erhöhten Blutungsrisiko einhergehen, ebenso wie eine uterine »Erschöpfung« durch länger andauernde Geburt, länger andauernde Einleitung oder Infektionen sowie uterine Kontraktionsstörungen durch Uterusmyome oder Uterusfehlbildungen.
Andererseits kann aber jede Frau aus heiterem Himmel und auch ohne jeden Risikofaktor eine schwere PPH erleiden. Das heißt: Man muss letztlich immer auf das Schlimmste gefasst sein. Tut man das nicht, bringt man Frauen unter Umständen in Lebensgefahr. Auch wenn es meistens »gut geht« – die Haltung stimmt nicht, wenn hier bagatellisiert wird.
Eines der größten Probleme und eine der größten Gefahren ist die Tatsache, dass Frauen rund um die Geburt höhergradige Blutverluste zunächst relativ symptomarm verkraften. Wenn es zur Verschlechterung der klinischen Situation kommt, liegen meist schon ein hochgradiger Blutverlust und eine konsekutive Gerinnungsstörung vor, die dann allerdings nur noch schwer in den Griff zu bekommen sind.
Die nach wie vor verbreitete Haltung, Blutungen seien normaler Bestandteil jeder Geburt und gehörten praktisch dazu, muss ein Ende finden.
Blutverlust in Prozent (ml) | Blutdruck (mmHg) | Symptome |
10–15 (500 bis 1.000) | normal | Herzklopfen, Benommenheit, Tachykardie |
15–25 (1.000 bis 1.500) | etwas niedrig | Schwäche, Schwitzen, Tachykardie |
25–35 (1.500 bis 2.000) | 70 bis 80 | Unruhe, Verwirrung, Blässe, Oligurie |
35–45 (2.000 bis 3.000) | 50 bis 70 | Lethargie, Luftnot, Anurie, Kollaps |
Symptome in Relation zum Blutverlust bei postpartalen Hämorrhagien
Quelle: Bonnar J. (2000). Massive obstetric haemorrhage. Bailliere‘s best practice & research. Clinical obstetrics & gynaecology, 14(1), 1–18.
Maßnahmen
Erstmaßnahmen
Die wichtigste Maßnahme besteht darin, von Beginn an jeglichen Blutverlust im Blick zu haben. Blutungen aus Rissverletzungen mögen anfänglich gering erscheinen, sie summieren sich aber. Wenn nur 20 ml/min aus einem Dammriss bluten, dann mag das kaum auffallen. Wenn allerdings die Geburt der Plazenta 20 min dauert, dann sind allein dadurch schon 400 ml Blut verloren gegangen. Das Bewusstsein dafür muss allen in der Geburtshilfe Tätigen innewohnen.
Das bedeutet: Blutungen der Geburtswege sollten durch Kompression oder Abklemmen von lokalisierbaren Gefäßen unmittelbar gestillt werden. Die Plazentarperiode ist in diesen Fällen gegebenenfalls zusätzlich zur aus meiner Sicht ohnehin zwingend erforderlichen Gabe von 3–5 IE Oxytocin durch Maßnahmen wie Cord traction zu verkürzen (WHO, 2018). Wenn man das nicht möchte, besteht auch die Möglichkeit, die Dammverletzung zu nähen, bevor die Plazenta geboren ist. Hauptsache, der Blutverlust wird gering gehalten!
Schon der Verdacht auf eine mögliche Blutung sollte sofort Anlass dafür sein, den Blutverlust zu quantifizieren. Vorlagen sammeln und wiegen und dann rechtzeitig Verstärkung holen, wenn sich der Verdacht bestätigt.
Besonders wichtig ist es, auf Zeichen der Kreislaufdysregulation zu achten: Frösteln, Gänsehaut, Müdigkeit, Luftnot, Gähnen können ebenfalls Anzeichen für einen höhergradigen Blutverlust sein, der von außen unter Umständen gar nicht erkennbar ist. Dabei ist aus meiner Sicht die Erfassung von Messparametern wie Blutdruck oder Puls weniger entscheidend als die klinische Beobachtung, das Befinden der werdenden Mutter, das Reaktionsmuster.
Blutungen vor Geburt der Plazenta
Wenn es vor der Geburt der Plazenta zu Blutungen aus dem Uterus kommt, sollte dafür gesorgt werden, die Plazenta schnellstmöglich zur Geburt zu bringen, entweder durch Cord traction oder durch Funduskompression oder den Credéschen Handgriff, der bei schlanken Frauen oder Mehrgebärenden mit weichen Bauchdecken gut anzuwenden ist. Ein steigender Fundus (ohne gleichzeitiges Schmaler-werden des Corpus uteri) bei noch nicht geborener Plazenta ist immer als besonders gefährliches Zeichen einer retroplazentaren Blutung zu betrachten (nicht zu verwechseln mit dem Schröder- beziehungsweise Kantungszeichen, was im Einzelfall aber schwierig sein kann).
Eine Blutung ist oft von außen nicht erkennbar. Auch hier ist dafür zu sorgen, die Plazenta schnellstmöglich zutage zu fördern. In diesem Zusammenhang sind Aussagen wie, »Die Plazenta ist zwar noch nicht geboren, aber die Patientin blutet ja nicht«, einfach untragbar und sollten der Vergangenheit angehören. Wenn man die Plazenta doch zunächst belässt, sollte man zumindest retroplazentare Hämatome mittels Ultraschall ausschließen und wiederholt sonografisch kontrollieren.
Patientinnen, die kreislaufinstabil werden und nicht verstärkt vaginal bluten, sind unverzüglich bis zum Beweis des Gegenteils zu untersuchen: Labien spreizen, Druck auf den Fundus, gegebenenfalls tasten, ob sich in der Scheide oder im unteren Uterinsegment ein größeres Koagel gebildet hat, gegebenenfalls Ultraschallkontrolle nicht nur des Uteruscavums, sondern insbesondere nach uterinen Voroperationen auch der parakolischen Rinnen, also des Bereichs links und rechts des Douglasschen Raums, um intraabdominelle Blutungen sicher auszuschließen.
Blutungen nach Geburt der Plazenta
Wenn die Plazenta geboren ist und es trotz Versorgung eines Scheiden- oder Dammrisses/-schnittes immer noch vaginal blutet, muss die Gebärende so schnell wie möglich auf hohe Scheidenrisse oder Zervixrisse hin kontrolliert werden. Dazu wird die Lagerung in Steinschnittlage erforderlich und es werden lange, breite, geteilte Spekula für die Inspektion bis ins hintere Scheidengewölbe benötigt. Die dünn ausgezogene Zervix ist rundum durch Anklemmen mit langen ovalären Fasszangen zu begutachten.
Rissverletzungen der Zervix und des oberen Scheidendrittels, insbesondere solche, die bei 3 Uhr und 9 Uhr aufgetreten sind, können zu massiven Blutverlusten führen und müssen umgehend – innerhalb weniger Minuten – effektiv versorgt werden. Die vaginalen und zervikalen Äste der A. uterina fördern unter Umständen bis 500 ml Blut pro Seite pro Minute!
Schwellungen der Labien
Schwellungen der Labien – einseitig oder beidseitig – sind sehr ernst zu nehmen, insbesondere wenn sie mit einer lividen Verfärbung der Labien einhergehen. Nicht selten handelt es sich um hohe Scheidenrisse oder Einrisse im Bereich der vaginalen Äste der Aa. uterinae, bei denen sich die Blutung im Parakolpium nach kaudal und im Parametrium nach kranial, gegebenenfalls auch retroperitoneal bis zu den Nieren »vorwühlt«. Solche Blutverluste können massiv sein, unter Umständen mehr als einen Liter betragen und schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen. Sie sind in ihrer Dimension nur durch rechtzeitige Intervention zu limitieren. Für die Behandlung braucht es versierte Geburtshelfer:innen!
Blutungen aus dem Uterus
Kommt es nicht zu einer ausreichenden Kontraktion der Gebärmutter, können noch einmal in Summe maximal 30–40 IE Oxytocin über eine Infusion verabreicht werden (gegebenenfalls nach einem erneuten Bolus von 3–5 IE). Auch die Gabe von Carbetocin (Pabal®), einem länger wirkenden Oxytocinagonisten, kann erwogen werden (Gallos et al., 2018). Allerdings darf man sich davon keine stärkere Wirkung als die von Oxytocin versprechen. Sie hält nur länger an (ca. 12 h). Carbetocin ist daher für alle Situationen geeignet, in denen das Risiko für sogenannte Spätatonien hoch ist, zum Beispiel Geminigeburten, Uterusanomalien, Uterus myomatosus, lang dauernde Geburten oder Fieber unter der Geburt.
Hilft Oxytocin nicht, bleibt stattdessen in dieser Situation nur die Gabe von Sulproston (Nalador®) i.v. [500 µg pro 500 ml: 500 ml/min über 3 min, dann auf 100 ml/min für 7 min reduzieren] (Hofer et al., 2007). Danach kann in der Regel auf eine sehr geringe Dosis zurückgegangen werden (10–20 ml/min).
Wenn Sulproston nicht innerhalb weniger Minuten wirkt und der Uterus unter Therapie nicht »steinhart« wird, muss diagnostisch auf die Suche gegangen werden! Wichtig ist, dass alle Geburtshelfer:innen die genaue Dosierung von Sulproston im Kopf haben, da Überdosierungen lebensbedrohliche Konsequenzen haben können. Daher sind Bolusinjektionen oder intramyometrane Injektionen unbedingt zu unterlassen. Die Höchstdosierung von Sulproston beträgt ausweislich des Beipackzettels 1.000 µg in 10 Stunden, 1.500 µg in 24 Stunden. Darüber hinaus darf Sulproston nicht gleichzeitig mit Oxytocin verabreicht werden (Cave: Anurie!)!
Weitere Blutung trotz Sulproston
Spätestens jetzt muss eine Nachkürettage erfolgen – und zwar unabhängig davon, ob die Plazenta vollständig war oder nicht. Jetzt ist die Zeit gekommen, unverzüglich in den OP zu fahren(!). Ich selbst würde die Kürettage in der Regel bereits im Rahmen der Spiegeleinstellung durchführen, sofern es von der Patientin toleriert wird oder eine Periduralanästhesie ausreichend wirkt. Wichtig ist die sorgfältige Inspektion der Geburtswege, insbesondere der Zervix und der lateralen Scheidenwände.
Man sollte den Uterus bis dahin nicht mehr loslassen. Es bietet sich an, den Fundus uteri durch die Bauchdecke ins kleine Becken hinabzudrücken (das führt gegebenenfalls zum Abknicken der Aa. uterinae und anderer Blutgefäße) und gleichzeitig Druck auf die untere Aorta und die Aortenbifurkation auszuüben. Wenn es gelingt, kann man auch den Uterusfundus zwischen Faust und Symphyse »einklemmen« und gleichzeitig Druck auf die Aorta beziehungsweise Aortenbifurkation bringen, und zwar so lange, bis die Rahmenbedingungen hergestellt sind, mit denen operativ »alles« möglich ist. Der Hamiltonhandgriff – Einführen der ganzen Hand in die Scheide und gleichzeitig mit der anderen Hand Gegendruck auf den Fundus uteri – ist meist nicht erforderlich, als ultima ratio aber gelegentlich notwendig (der Zweck heiligt die Mittel) [siehe auch Seite 44ff.].
Gabe von Tranexamsäure
Tranexamsäure ist ein Medikament, das die Hyperfibrinolyse hemmt. Im Rahmen der Gerinnungsaktivierung kommt es zur Bildung von Fibrin. Damit das Blut nicht vollständig koaguliert, dient die Fibrinolyse als physiologischer Gegenspieler, der die Fibringerinnsel teilweise wieder auflöst (zu sogenannten Fibrinspaltprodukten, zum Beispiel D-Dimeren). Dies kann bei schweren Blutungen wie einer PPH zu einem weiteren Verbrauch von Gerinnungsfaktoren führen, dem man auf diese Weise unkompliziert, nebenwirkungsarm und preisgünstig begegnen kann. Üblich ist die Gabe von 1–2 g Tranexamsäure i.v.
Einzelne Studien haben die generelle Gabe von Tranexamsäure nach der Geburt untersucht und konnten eine signifikante Reduktion postpartaler Blutungen nachweisen (WOMAN Trial Collaborators, 2017).
Abbildung 4: Das JADA-System ist ein Schlauchsystem, dessen flexible Schleife (Loop) über kleine Poren im Uterus ein Vakuum erzeugt. Ein Ballonkatheter dichtet währenddessen den Muttermund ab. Der Uterus wird innerhalb weniger Minuten zusammengezogen, das dabei angesaugte Blut wird in einem Gefäß aufgefangen.
Illustration: © Birgit Heimbach
Blutung nach Uterotonikagabe, Nahtversorgung und Kürettage
Wenn es nach diesen Maßnahmen noch immer blutet, bleibt in der Akutsituation am ehesten die Anwendung einer Uterustamponade, mit anderen Worten: Man stopft den Uterus aus. Hier gibt es folgende Möglichkeiten.
Uterustamponade mit Mullbinden:
Hierzu nimmt man mehrere große Mullbinden, tränkt sie gegebenenfalls in Sulprostonlösung (500 µg in 500 ml) und stopft diese dann in den Uterus. Dazu ist eine Spiegeleinstellung erforderlich. Die vordere Muttermundslippe wird mit einer ovalären Klemme gefasst, etwa auf Beckenbodenniveau hinabgezogen und dann mit einer zweiten Klemme die Mullbinde bis in den Uterusfundus geschoben, damit sie dort gut anliegt. Vor Einbringen der Mullbinde sollte sichergestellt sein, dass sich in utero keine Koagel mehr befinden (Kürettage). In dieser Zeit ist es wichtig, dass kein Fundusdruck angewendet wird, damit der Uterus gestreckt bleibt (und eben nicht nach vorne abknickt in Anteflexio), und man so den Fundus überhaupt erreicht. In der Regel sind mindestens 3–5 Mullbinden von Bauchtuchgröße erforderlich, um den Uterus ausreichend zu »packen«. Das Ausstopfen des Uterus führt dazu, dass die durch die Uteruswand ins Cavum führenden Endäste der Spiralarteriolen abknicken und die Blutung so gestillt wird. Sulproston fördert zusätzlich die lokale Kontraktion der glatten Muskulatur, nicht nur des Myometriums, sondern auch der Arteriolen.
Bakri®-Ballon oder im Notfall Doppel-Ballon-Katheter (Suarez et al., 2020): Der Bakriballon wird ins Uteruscavum eingelegt und dann mit Kochsalzlösung aufgefüllt (600–800 ml). Auf diese Weise gelangt man sehr rasch zu einer effektiven Tamponade des Uterus. Nachteilig ist, dass der Ballonkatheter, der ja glatt ist und daher selbst kaum haftet, relativ leicht wieder aus dem Uteruscavum herausrutschen kann (insbesondere nach vaginaler Geburt). Deshalb ist in diesen Fällen besonders darauf zu achten, dass kein Zug auf den Ballon kommt. Zusätzlich kann die Scheide mit Bauchtüchern ausgestopft werden, um ein Herabrutschen des Ballons in die Scheide zu verhindern. Andere nähen den Katheter an den Schamlippen fest, um zu verhindern, dass er durch versehentlichen Zug extrahiert wird. Weitere Ballontypen, die speziell für die PPH-Behandlung entwickelt wurden (zum Beispiel der Ebb®-Ballon) bestehen aus zwei Ballons, von denen einer im Uterus und ein zweiter in der Scheide zu liegen kommt. Hierdurch soll das Herausrutschen nach vaginaler Geburt weitestgehend verhindert werden.
Chitosan-covered gauze (Celox®)
(Schmid et al., 2013; Schmid et al, 2012; Dueckelmann et al., 2019): Ich selbst wende in diesen Situationen seit 2011 ausschließlich Celox an. Celox ist eine Gaze, die mit Chitosan (deacetyliertes Chitin) beschichtet ist. Die Streifen sind 3 m lang und 7,5 cm breit. Man kann mehrere Binden mit chirugischem Nahtmaterial aneinandernähen (zum Beispiel mit Vicryl der Stärke 0). Chitosan führt zu einem gerinnungssystemunabhängigen Koagulieren von Blut, ist antibakteriell, biologisch vollständig abbaubar und verursacht nachgewiesenermaßen keine distanten Thromben. Seit 2022 ist Celox für die Behandlung von PPH zugelassen (als CeloxPPH). Das Einlegen der Celox-Tamponade erfolgt nach dem gleichen Prinzip wie das Einbringen einer Uterustamponade mit Mullbinden. Weil die Ränder der Celox-Gauze unter Umständen scharfkantig sind und sägeartig die vulnerable Zervix oder Vagina verletzen können, walke ich die Tamponade üblicherweise der Länge nach durch, um sie etwas flexibler zu machen. Auf keinen Fall anfeuchten! Es ist ratsam, nicht nur den Uterus auszutamponieren, sondern erst aufzuhören, wenn auch die Scheide austamponiert ist.
Wenn es während des Austamponierens immer wieder von oben blutig nachläuft, ist die Laparotomie zu erwägen. Man kann noch versuchen, ob sich innerhalb von 5–30 min bei gleichzeitigem Fundusdruck die Blutung beruhigt. Wenn das nicht der Fall ist, muss man auf alles – bis hin zur Hysterektomie – gefasst und vorbereitet sein. Sonografisch kann währenddessen kontrolliert werden, ob es hinter die Tamponade einblutet. Ich sorge deshalb schon im Vorfeld dafür, dass der Uterus, sobald der Fundus uteri ausgestopft ist, permanent unter Gegendruck gehalten wird, um das Risiko zu minimieren. Anders als die Tamponade mit Mullbinden und die Tamponade mit dem Bakri-Ballon besteht der Vorteil der Celox-Tamponade in der starken lokalen Förderung der Blutgerinnung. Celox sollte nicht länger als 24 h verbleiben. Während der Celox-Einlage sollte eine Antibiotikaprophylaxe gegeben werden (idealerweise ein Penicillin oder Cephalosporin). Parallel sollte auch Sulproston i.v. als Dauerinfusion laufen. Es ist sicherzustellen, dass die Patientin rund um die Uhr dauerüberwacht ist (Monitor). Die Einlage eines Blasenkatheters sollte schon vor Einlage erfolgt sein, da ja auch mit Kompression der Urethra zu rechnen ist. Wenn es im weiteren Verlauf bei liegender Tamponade erneut zur Blutung kommt, führt der Weg in den OP, wo gegebenenfalls eine Laparotomie erfolgen muss. Die Entfernung der Tamponade kann in der Regel ohne Narkose erfolgen.
Wichtig ist, dass die Tamponade vollständig entfernt wird und man genau kontrolliert, ob sie nicht eventuell abgerissen sein könnte. Einige Kolleg:innen markieren vor dem Einsetzen von Celox das Ende mit chirurgischem Nahtmaterial, um später sicher sein zu können, dass die vollständige Entfernung gelungen ist. Im Zweifel sollte immer sonografisch nachkontrolliert werden, wobei darauf hingewiesen sei, dass das Cavum durch das teilweise in utero verbliebene Chitosan immer echoreich erscheint. Das ist normal.
Blutstillung in Zukunft mit dem JADA-System
Seit kurzem ist in Deutschland das JADA-System verfügbar (D‘Alton et al., 2020; Goffman et al., 2023; Siefen et al., 2024; D‘Alton et al., 2021). Es handelt sich um ein leicht ins Uteruscavum einzubringendes Schlauchsystem, über das dann ein Vakuum im Uteruscavum aufgebaut wird (siehe Abbildung 4, Seite 26). Hierfür schließt man zum Beispiel die Vakuumpumpe des VE-Geräts an. Damit das Vakuum nicht entweicht, wird ein Ballonkatheter in die Scheide gelegt und aufgefüllt, um sie abzudichten.
Studien zufolge ist die Erfolgsquote hoch (über 95 %), die Wirkung tritt innerhalb weniger Minuten ein. Der Preis für das JADA-System (Verbrauchsmaterial) liegt im Moment noch bei 1.200–1.400 Euro, so dass mit einer zögerlichen Verbreitung zu rechnen ist.
Laparotomie
Für den Zeitpunkt der Laparotomie gibt es keine feste Regel und die Entscheidung fällt immer schwer. Als Faustregel gilt bei mir: Wenn Celox nicht im ersten Anlauf funktioniert, dann laparotomiere ich. Man kann dann immer noch Celox einlegen, im Regelfall setze ich dann aber vorher B-Lynch- oder Perreira-Nähte. In Ausnahmefällen führe ich sogar eine Uterotomie durch, um mir ein Bild von möglichen intrauterinen Blutungsquellen machen zu können.
Fazit
PPH ist eine häufige Komplikation. Auch bei ansonsten unkomplizierten Geburten muss jederzeit damit gerechnet werden. Es gibt Risiken, die ein hohes PPH-Risiko bergen. Andererseits gibt es keine Indikatoren, die für ein geringes PPH-Risiko sprechen würden. Deshalb gilt:
- Schon der Verdacht auf PPH sollte umgehende Maßnahmen zur Folge haben.
- Leugnung (»Denial«) und Verzögerung (»Delay«) sind bei späterer Betrachtung die Hauptursachen für komplizierte, schwere und tödliche Verläufe.
- Wer Geburtshilfe leistet, muss wissen, was im Notfall zu tun ist und wie am schnellsten ein OP erreicht und Hilfe geholt werden kann.
- Jede PPH stellt hohe Anforderungen an die interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Hebammen, geburtshilflichen Ärzt:innen und Anästhesist:innen, aber auch vielen anderen Mitwirkenden aus der OP-Pflege, Anästhesiepflege, Intensivpflege und Blutbank.