Katja Baumgarten: Wie kann die Beckenendlage des Kindes die Entwicklung einer Kopfgelenk-induzierten Symmetrie-Störung (KiSS-Syndrom) begünstigen?
Bruno Maggi: Die Beckenendlage bedeutet häufig, dass das Kind im Uterus relativ stark in seiner Kopfhaltung fixiert ist. In der Behandlung der KiSS-Babys erhebe ich bei der ersten Konsultation eine ausführliche Schwangerschafts- und Geburtsanamnese. Lag eine Beckenendlage vor, schildern die Mütter in den meisten Fällen, dass der kindliche Kopf sich über Wochen in der gleichen Position im Fundus befand. Besteht wochenlang eine intrauterine Zwangshaltung, ist die Beweglichkeit der kindlichen Halswirbelsäule schon vor der Geburt eingeschränkt. Dies ist selbstverständlich auch bei Schädellagen der Fall, wenn der Kopf mehrere Wochen im mütterlichen Becken fixiert ist.
Welche Auswirkungen hat das für die Geburt?
Die Einschränkung der Kopfbeweglichkeit kann den Geburtsprozess verzögern. Das Kind muss sich unter der Geburt auch selbst aktiv bewegen können, es wird nicht nur passiv »herausgedrückt«. Diese Bewegungseinschränkung kann bei einer vaginalen Geburt aus Beckenendlage zu Schwierigkeiten führen, da diese die Manöver zur Entwicklung des kindlichen Kopfes sowohl bei der Manualhilfe nach Bracht als auch bei der Entwicklung nach Veit Smellie erschweren kann. Die Kopfentwicklung ist bekanntlich auch bei einer normal beweglichen Halswirbelsäule manchmal schwierig. Bei einer Sectiogeburt ist dies weniger der Fall, wobei auch hier die Entwicklung des Kindes durch den Schnitt nach Pfannenstiel schwierig sein kann.
Kann ein KiSS-Syndrom auch auftreten, wenn das Ungeborene in der Schwangerschaft normal beweglich war?
Es zeigt sich, dass in vielen Fällen auch die geburtshilflichen Manöver per se zu einer funktionellen Einschränkung der kindlichen Halswirbelsäule führen können. Dies kommt auch bei vaginalen Geburten aus Schädellage vor, sofern die Austreibungsphase verlängert ist und die Geburt beendet werden muss – sei es mit Kristellerhandgriff, Forceps oder Vakuum. Auch sehr schnelle Geburten können zu einem Trauma der Halswirbelsäule führen. Die Erfahrung zeigt, dass Kinder mit einem KiSS-Syndrom sehr oft eine komplizierte Geburt hatten. Zur Illustration: Von 26 Kindern, die ich mit Verdacht auf KiSS in der Praxis in einem Zeitraum von zwei Monaten untersuchte, hatten acht eine normale, fünf eine protrahierte und vier eine sehr schnelle Geburt. Fünf wurden mit Vakuum und vier per Sectio entbunden. Bei 16 der Kinder erwähnte die Mutter eine mehrere Wochen dauernde intrauterine Zwangshaltung am Schwangerschaftsende. Zwölf Kinder entwickelten die auffällige Haltung erst nach zwei Wochen. In meinem Kollektiv finde ich mehr als nur 5 % Beckenendlagenkinder, was gemäß der allgemeinen Wahrscheinlichkeit dieser Lage zu erwarten wäre.
Worauf muss die Hebamme nach einer Geburt aus Beckenendlage bei der Erstuntersuchung achten?
Ein Neugeborenes mit einer Funktionsstörung der oberen Halswirbelsäule liegt häufig in einer großbogigen skoliotischen Haltung des gesamten Rumpfes und dreht den Kopf bevorzugt in die konkave Seite. Manchmal zeigt sich auch eine Tendenz zum Überstrecken des Rumpfes und des Halses nach dorsal. Die Kinder schreien eher viel, sind schwer an der Brust anzulegen und saugen schlecht. Häufig haben sie auch einen vermehrten Reflux.
Es ist wichtig zu wissen, dass viele Neugeborene zeitweise solche Haltungsmuster zeigen können, ohne dass eine Funktionsstörung vorliegt. Die Diagnose KiSS lässt sich erst im Verlauf stellen. Wenn die Hebamme dieses Muster feststellt, bedeutet das noch nicht unbedingt, dass das Neugeborene das Syndrom hat. Die Hebamme sollte den Eltern dann raten, dass sie bei den ersten Vorsorgeuntersuchungen die Ärztin oder den Arzt darauf aufmerksam machen. Da diese nicht immer bereit sind, den Vorschlägen der Eltern zu folgen, wäre es hilfreich, eine Fachperson zu kennen, der man das Kind mit der Frage nach einer Funktionsstörung der Halswirbelsäule vorstellen kann. Das können Ärzt:innen, Physiotherapeut:innen, Craniosakraltherapeut:innen oder Osteopath:innen sein. Ich selber habe immer wieder direkte Zuweisungen von Hebammen.