Den Sicherstellungszuschlag gibt es seit dem 1. Juli 2015. Er wurde vom Gesetzgeber in § 134 a SGB V eingeführt, damit die steigenden Haftpflichtprämien für Geburtshilfe kompensiert werden. Durch die seit 2010 dramatisch steigenden Haftpflichtprämien war die finanzielle Belastung der Hebammen derart gestiegen, dass viele sich gezwungen sahen, die freiberufliche Geburtshilfe aufzugeben. Sie sahen sich außerstande, die Höhe der Summe mit einem angemessenen Aufwand zu erwirtschaften. Eine Entwicklung, die für die Schwangeren bedeutete, dass ihre freie Wahl des Geburtsortes deutlich eingeschränkt wurde.
Die Belastung abfedern
Der Druck auf die Politik war so stark gewachsen, dass der damalige Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe sich um eine Lösung bemühte. Mit Inkrafttreten der Hebammengebührenordnung zum 1. Juli 2015 wurde der Sicherstellungszuschlag eingeführt.
Bis Juni 2015 musste eine Hebamme allein für die Refinanzierung der Haftpflichtsumme von damals 5.090,82 Euro mindestens 8 Hausgeburten begleiten. Bei einer Beleghebamme waren es sogar knapp 18 Geburten, bis die Prämie verdient war. Auch der bis dato gültige Haftpflichtausgleich – eine Summe, die zu der Gebührenposition jeweils addiert wurde – konnte die enorme Belastung nicht abfedern. Das Ziel des Gesetzgebers war es, mit der Einführung des Sicherstellungszuschlages die wirtschaftlichen Interessen derjenigen Hebammen zu berücksichtigen, die aufgrund geringer Geburtenzahlen benachteiligt waren, und somit die freiberufliche Geburtshilfe zu sichern. »Zu treffen sind insbesondere Regelungen über die Höhe des Sicherstellungszuschlags in Abhängigkeit von der Anzahl der betreuten Geburten, der Anzahl der haftpflichtversicherten Monate für Hebammen mit Geburtshilfe ohne Vorschäden und der Höhe der zu entrichtenden Haftpflichtprämie, die Anforderungen an die von der Hebamme zu erbringenden Nachweise sowie die Auszahlungsmodalitäten«, heißt es im § 134a SGB V – Versorgung mit Hebammenhilfe.
Systematik des Sicherstellungszuschlags
Der Sicherstellungszuschlag wird jeweils rückwirkend zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres ausgezahlt, sofern die Hebamme mindestens eine geburtshilfliche Leistung pro Quartal erbracht hat. Bedauerlicherweise wird nicht die gesamte Prämie erstattet. Gemäß § 2 der Anlage 1.4 des Hebammenhilfevertrages regelt dies das Berechnungsmodell zur Ermittlung des Sicherstellungszuschlags. Demnach werden von der ganzjährigen Haftpflichtprämie des entsprechenden Versicherungsjahres mit Geburtshilfe ohne Vorschäden folgende Positionen abgezogen:
- 7,5 % Abschlag für privatversicherte Frauen
- 5 % Anteil der Haftpflicht ohne Geburtshilfe
- Kürzung des Betrags um die Kosten für die Privathaftpflicht
- pauschale 1.000 Euro für bereits geleistete Versicherungsanteile im alten Gebührenkatalog.
So ergibt sich am Ende eine Rückerstattung von bis zu 74,4 % der Haftpflichtprämie bezogen auf den Gruppenhaftpflichtvertrag des DHV (zum 1. Juli 2018 für Form 1, freiberuflich tätige Hebammen mit Geburtshilfe): 8.173,73 Euro Prämie ergibt 6.053,25 Euro Haftpflichtausgleich über den Sicherstellungszuschlag. Voraussetzung ist, dass die Hebammen mindestens eine Geburt im Quartal durchgeführt haben, eine entsprechende Versicherung nachweisen können und die vorgeschriebenen Qualitätskriterien erfüllen. Die Nachweise müssen zusammen mit dem Antrag beim Spitzenverband der Krankenkassen (GKV-SV) eingereicht werden. Anträge können zweimal je Versicherungsjahr für den jeweils vorausgegangenen Ausgleichszeitraum gestellt werden.
Vor- und Nachteile für die Hebammen
Eindeutig ist die Regelung eine wichtige Entlastung für die Hebammen mit Geburtshilfe in der Freiberuflichkeit. Die Auszahlung erfolgt unabhängig davon, ob die Hebamme die Geburt als erste oder als zweite Hebamme begleitet. Somit ist es als freiberufliche Hebamme wieder möglich, mehr Geburtshilfe anzubieten und tatsächlich steigt der Anteil der Kolleginnen, die in Form 1 versichert sind, wieder stetig. 2016 waren es 473 und 2017 schon 514 Hausgeburtshebammen. Und die Zahl der Kolleginnen, die sich mit Geburtshilfe versichern, ist im gleichen Zeitraum vergleichbar gestiegen (QUAG e.V. 2017, Seite 19ff.; siehe auch Seite 8ff.).
Wermutstropfen gibt es allerdings auch: Hebammen, die den Sicherstellungszuschlag erhalten, müssen in Vorleistung gehen und die Haftpflichtprämie zunächst vorfinanzieren. Erst nach einem halben Jahr können sie den Sicherstellungszuschlag beantragen und die Teilerstattung erhalten. Darüber hinaus erheben die Kassen bei der Auszahlung des Sicherstellungszuschlags prozentuale und pauschale Abzüge. Die Differenz zwischen dem ausbezahlten Sicherstellungszuschlag und der realen Haftpflichtprämie müssen freiberufliche Hebammen, die Geburtshilfe anbieten, aus eigener Tasche bezahlen. Da ein Teil der Abzüge prozentual ist, erhöht sich dieser selbst zu bezahlende Betrag bei jeder Prämienerhöhung.
Lange Fristen bis zur Auszahlung
Eine große Kritik an der Umsetzung des Sicherstellungszuschlags ist die lange Frist bis zur Auszahlung. Hebammen sind in vielen Punkten im Rahmenvertrag an Fristen gebunden, der GKV-SV allerdings nicht. Es fehlt eine vertragliche Regelung zur Auszahlungsfrist seitens der Kassen. Das hat zur Folge, dass Hebammen vier bis fünf Monate auf ihr Geld warten. Nach Auskunft des GKV-SV liegt die Ursache dafür zum einen an der periodischen Beantragung, zum anderen an der deutlich gestiegenen Zahl von Anträgen im Jahr 2018 und an bis zu 50 % Rückfragen bei Erstanträgen. Dem DHV wurde seitens der Verantwortlichen beim GKV-SV zugesichert, durch mehr MitarbeiterInnen und durch Änderungen in der Bearbeitung die Auszahlungsfrist deutlich zu beschleunigen. Greifen werden diese Maßnahmen allerdings erst zum 2. Quartal 2019. Hinzu kommt, dass Hebammenteams, die im Poolsystem arbeiten, einen höheren bürokratischen Aufwand haben (siehe Kasten, Seite 40).
Ausblick
Der Sicherstellungszuschlag war politisch gewollt und seine Sinnhaftigkeit soll jetzt überprüft werden. Im Rahmen der 91. Gesundheitsministerkonferenz 2018 wurde auf Antrag der Länder Bayern und Thüringen eine Evaluation der Wirksamkeit des Sicherstellungszuschlags zum Ausgleich der Berufshaftpflichtversicherung für Hebammen in Auftrag gegeben. Es soll die Frage geklärt werden, ob das jetzige Verfahren geeignet ist, die steigende Haftpflichtprämie abzufangen.
Es ist klar, dass mit diesem Gesetz keine Hebamme zukünftig die Geburtshilfe aufgeben muss, weil sie ihre Haftpflichtprämien nicht finanzieren kann. Dies bedeutet allerdings nicht, dass damit alle Haftpflichtprobleme behoben sind und es deshalb keiner langfristigen politischen Lösung mehr bedarf. Offene Fragen sind: Wie werden von den Versicherungen die Rückstellungen errechnet? Wie urteilen die Gerichte über »fahrlässig« oder »grob fahrlässig« und in welchen Fällen können die Kranken- und Sozialkassen nach wie vor den Regress beanspruchen? Dies sind maßgebliche Faktoren, die sich auf die Versicherungsprämie auswirken und deren weitere Entwicklung stark beeinflussen.
Hat nun der Sicherstellungszuschlag die Wahlfreiheit der Frauen erhalten oder ausgeweitet? Und sind wieder mehr Hebammen in der freiberuflichen Geburtshilfe tätig? Laut den Zahlen, die zur Verfügung stehen, können beide Fragen mit ja beantwortet werden. Sowohl die Anzahl der außerklinischen Geburten, als auch die Zahl der Hebammen, die laut den Unterlagen zur Versicherung Geburtshilfe leisten, ist gestiegen. Dass trotzdem viele Hebammen ihr Tätigkeitsspektrum einschränken oder gar dem Beruf den Rücken kehren, zeigt, dass andere Faktoren als die Haftpflichtprämie eine höhere Beachtung finden müssen.